Dienstag, 29. November 2022

Das andere Stadtratsprotokoll (28.11.2022)

 

Prolog

 

·        Hallo und herzlich willkommen zum einzigartig weihnachtlichen Liveticker zur Stadtratssitzung, geschrieben vom wunderbar witzigen und cleveren Weihnachtslama. Wie lässt sich die Adventszeit auch besser einläuten als mit einer schönen knackigen Stadtratssitzung, heute mit den alljährlichen Weihnachtshits «Fröhliche Stadträt:innen überall» und «Der Gemeinderat durch den Dornwald ging.» Viel Spass!

·        Hahaha, weil ich mich letztmals darüber beklagt habe, keine gesonderte Begrüssung zu erhalten, bekomme ich sie diesmal. Ah, ich liebe es Macht und Einfluss zu haben…nicht mehr lange und alle tanzen nach meiner Pfeife…muahahaha!

 

·        Erst einmal gibt es Wahlen. Ersatzwahlen für Kommissionen. Und die gehen natürlich immer sehr harmonisch vonstatten, schliesslich ist man froh, wenn man überhaupt noch Leute findet, die sich freiwillig mit so aufregenden Themen wie «korrekte Bepflasterung der Marktgasse» auseinandersetzen möchten, zumal der Stadtrat den Kommissionsmitgliedern nicht einmal mehr das jährliche Weihnachtsessen gönnt. Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber ich arbeite für niemanden, der mich nicht regelmässig füttert.

 

Teil 1: Hurra, die Welt geht unter!

 

·        Beim ersten «richtigen» Traktandum wenden wir uns zur Abwechslung mal wieder einem Reglement zu, und zwar dem Reglement über den Bevölkerungsschutz und Zivilschutz, das, wie Ressortvorsteher Markus Gfeller (FDP), bemerkt, zum ersten Mal am 21. März 2021 dem Stadtrat vorgelegt wurde – als sehr viele der aktuellen Stadträt:innen noch gar nicht im Parlament waren. Aber für Langenthaler Verhältnisse ist das fast schon schnell. Wenn wir lange genug suchen, finden wir sicher noch hängige Vorstösse aus Zeiten, wo die Hälfte des Stadtrats noch nicht einmal geboren war.

·        Jetzt muss man ja ehrlich sagen, dass dieses Reglement wahrscheinlich vor ein paar Jahren noch ein müdes Schulterzucken ausgelöst hätte, denn was interessieren uns die Katastrophen von morgen, wenn’s jetzt gerade geil ist? Corona und der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine haben uns dann aber schmerzhaft vorgeführt, dass sich Seuchen, Kriege und Katastrophen von einem gequäkten «Die Schweiz ist imfall unabhängig und neutral» nicht wirklich aufhalten lassen und deshalb hat das Reglement neue Brisanz gewonnen.

 

·        Der Gemeinderat hat nun für die zweite Lesung, die im Stadtrat eingereichten Anträge bearbeitet und – ungewohnt folgsam - diese grösstenteils aufgenommen.  Dem Stadtrat bzw. der GPK, ist es insbesondere wichtig, dass das Funktionieren der Behörden auch während einer länger dauernden Notlage, gewährleistet ist. Denn, wir erinnern uns, beim Ausbruch von Corona, wurden zum Beispiel die Stadtratssitzungen abgesagt, um Ansteckungen zu vermeiden (böse Zungen könnten jetzt sagen, dass der Gemeinderat vielleicht auch einfach mal ein paar Wochen Ruhe vor seiner persönlichen Nemesis haben wollte). Der Gemeinderat ist allerdings der Meinung, dass dieses Funktionieren an anderer Stelle geregelt muss, weil das ja nichts direkt mit dem Schutz der Bevölkerung zu tun hat. Werden wir zum Beispiel von einer Horde Drachen attackiert, wird uns das Abhalten von Stadtratssitzungen kaum retten (ausser, die Drachen tauchen während der Bearbeitung des Mehrwertabgabereglements auf, dann langweilen sie sich vielleicht zu Tode und stürzen vom Himmel).

 

·        Die SP/GL Fraktion dagegen hat beantragt, dass der kommunale Führungsstab, der für solche Katastrophenfälle geplant ist, mit der Leitung Fachbereich Kommunikation zu ergänzen ist. Der Gemeinderat ist allerdings der Meinung, dass es wenig Sinn macht, aus verschiedenen Quellen zu kommunizieren und will die Informationsfreigabe lieber über das regionale Führungsorgan (RFO) abwickeln lassen. Vielleicht besser so. Bis die Stadt Langenthal ein entsprechendes Gesamtkonzept für die optimale und einheitliche Kommunikation verabschiedet hätte, wären wir längst alle tot.

 

·        Markus Gfeller scheint sich bei Roberto di Nino Inspiration geholt zu haben und präsentiert ein Diagramm, um zu zeigen wie dieses regionale Führungsorgan organisiert ist. Es ist zwar unleserlich, aber immerhin in hübschen leuchtend grünen Farben angestrichen, die wohl die Gefahrensituation symbolisieren soll. Oder derjenige, der die Folie gestaltet hat, ist akut farbenblind.

 

·        Ein weiterer Antrag von der SVP verlangt eine Funktionszulage für die Mitglieder der RFO. Diesen Punkt hat der Gemeinderat bereits angepasst, und zwar im Besoldungsreglement. Ich bin ehrlich überrascht, dass die SVP zur Abwechslung mal Menschen im öffentlichen Dienst, ordentlich bezahlen will. Es geschehen noch Zeichen und Wunder – das muss der Geist der Weihnacht sein.

 

·        Die GPK dagegen möchte, dass ein Reglement zu den Notmassnahmen zu erarbeiten ist (erstaunlich, dass es dem Stadtrat immer wieder gelingt Bereiche zu finden, für die tatsächlich noch kein Reglement existiert). Zudem will die GPK nicht von einem «Führungsstab» reden, sondern lieber von einem «Kommunalen Beratungsgremium». Der Gemeinderat hat sich jedoch noch einen hübscheren Begriff ausgesucht: «Kommunale Task Force Bevölkerungsschutz». Wow. Jetzt fühle ich mich doch gleich viel sicherer.

 

 

Teil 2: Tennis, Ping – Pong… halt irgendwas mit Bällen!


·        Die Debatte geht weiter mit Diego Clavadetscher (FDP), der als Sprecher der GPK das tut, was er am liebsten tut: Er zitiert sehr viele Paragrafen, während der Rest der Stadträt:innen versucht so zu wirken, als könnten sie ihm tatsächlich folgen. Parallel dazu, rutscht der Techniker am Boden rum und nestelt an der Steckerleiste rum, was ein wenig den Eindruck erweckt, als wolle er dem parlierenden Clavadetscher den Stecker ziehen.

·        Martin Lerch (SVP) erinnert uns alle nochmals daran, dass die Sicherheitslage sich nicht verbessert hat. Zwar habe sich die die Pandemie abgeschwächt, dafür hätten wir Versorgungsprobleme, weshalb es wichtig sei, dass doch inzwischen 26 – jährige Reglement auf Vordermann zu bringen. Er streicht zudem hervor, dass bei der Erarbeitung des Reglement, keine teuren Expert:innen eingesetzt werden mussten und das Resultat trotzdem gut geworden sei. Zudem freut er sich über den neudeutschen Begriff «Task – Force», was mir persönlich ein Rätsel ist. Ich dachte, er als strammer SVPler würde eher auf einen heimischeren Namen setzen. Wie zum Beispiel «Edelweisstruppe» oder «Tell – Kommando.»

·        André Rentsch (FDP/JLL) zeigt sich erfreut, über den Tennis bzw. Pingpongmatch, der sich in Vorbereitung auf das Geschäft, zwischen GPK und Gemeinderat entsponnen hat. Stelle mir gerade vor, wie Markus Gfeller ganz alleine gegen die GPK Mitglieder im Ping – Pong antritt, sie sich gegenseitig die Bälle um die Ohren schlagen und sich dabei Dinge zurufen wie:  «Nimm den Antrag zurück!» «Nein, du musst den Paragrafen ändern, du Nuss!»

·        Der Stadtrat unterstützt einstimmig die GPK bzw. den Stadtrat. Solche ungewohnte Einigkeit. Müssen die Weihnachtshormone sein, vermutlich haben alle zu viel Lebkuchen gegessen und sind jetzt so satt und glücklich, dass sie sich gar nicht mehr streiten mögen. Das Reglement wird nämlich, mit den vorgenommenen Anpassungen, auch einstimmig gutgeheissen. Fehlt nur noch der Engel, der vom Himmel schwebt, Glitzer streut und «Gott schütze jeden von uns» ruft, dann kotze ich Regenbögen vor lauter Rührung.

 

Teil 3: Und es ward geschrieben…

 

·        Eigentlich dachte ich ja, wir hätten das Budget endgültig hinter uns gelassen, aber weil mich das Leben nun einmal gerne verarscht, kommt es natürlich wieder. Wie so ein fieser Pickel am Hintern, den man einfach nicht wegbekommt. Gut, wenigstens geht es nicht direkt ums Budget, sondern um die dazugehörige Abstimmungsbotschaft. Ihr kennt doch alle diese Büchlein, die den Abstimmungsunterlagen beigelegt sind und wo der Inhalt der Vorlagen, sowie die Empfehlungen der Exekutive und Legislative ausführlich beschrieben werden? Also das Buch, das ihr immer ungelesen in den Abfallkorb schmeisst? Das sind Abstimmungsbotschaften.

 

·        Im Falle dieser speziellen Abstimmungsbotschaft zum Thema Budget ist die Sachlage ein wenig kompliziert. Eigentlich ist die nämlich schon einmal im Stadtrat gewesen und das Stadtratsbüro wurde mit dem weiteren Vollzug beauftragt (was so viel heisst wie: wir – also der Stadtrat – haben entschieden, formuliert unsere komplizierten Debatten bitte so, dass alle kapieren, um was es geht). Wie Stadtratspräsidentvize Michael Schenk (SVP) erläutert, ist es dem Büro aber aufgrund der vielen Änderungen wichtig, dem Stadtrat den Entwurf noch einmal vorzulegen. Laut ihm, sei das offenbar die richtige Entscheidung gewesen, weil der Stadtrat wirklich noch Anträge eingereicht hat. Ähm, ja, also wenn du diesen Stadtrat irgendwas fragst, ist klar, dass er auch darauf antwortet, wir reden hier immerhin vom Stadtrat, der fast acht Stunden lang über dieses verdammte Budget debattiert hat, Mensch!

·        Diego Clavadetscher hofft dann auch, dass dieses Beispiel nicht Schule macht, denn schliesslich komme man ja nicht vorwärts, wenn jede Botschaft dreimal durch den Stadtrat komme. Obwohl er das Stadtratsbüro für seine Arbeit schätzt, ist er trotzdem ist er nicht ganz zufrieden mit der Botschaft. Insbesondere der geschilderte Verlauf der Stadtratsdebatte ist ihm ein Dorn im Auge.  Seiner Meinung nach, müsse eine Abstimmungsbotschaft neutral gestaltet werden deshalb sollen Parteien und Stadträt:innen nicht namentlich mit ihrem Abstimmungsverhalten erwähnt werden. «Das ist Aufgabe der Medien und der Blogger…Bloggerinnen», meint er. Genau, für den Rufmord bin ich hier zuständig…äh, ich meine natürlich für die Transparenz *hust* *hust*.

 

·        Auch die anderen Bürgerlichen stören sich daran, dass das Abstimmungsverhalten der einzelnen Parteien so deutlich hervorgehoben wird, insbesondere weil die vielfältigen Gründe für die Zustimmung zum Budget wenig beleuchtet werden. Seltsam findet man es auch, dass Enthaltungen nachträglich begründet wurden. Es sei ein «Kunststück, die Meinung von jemanden wiederzugeben, der gar nie eine Meinung geäussert hat», stellt Patrick Freudiger (SVP) süffisant fest.

 

·        Saima Sägesser (SP/GL) findet die Botschaft dagegen gut, transparent und klar und macht deutlich, dass ihre Fraktion den von den Bürgerlichen vorgeschlagenen Änderungen nicht zustimmen wird. Trotzdem wird der Antrag der SVP/FDP Fraktion angenommen. Richtig so! Wer will denn auch schon eine Abstimmungsbotschaft, in der man ganz einfach und deutlich nachlesen kann, wer wie abgestimmt hat? So einfach darf man es dem Volk nicht machen, Politik muss unbedingt möglichst undurchsichtig bleiben!

Teil 4: Keine Macht dem Proletariat

 

·        Das nächste Traktandum stand schon dreimal auf der Liste, was wahrscheinlich eine Art Rekord ist. Es wurde immer wieder aufgeschoben, weil die Sitzungen aufgrund der ausufernden Budgetdebatten immer abgebrochen werden mussten. Aber jetzt ist es endlich da und ich freue mich riesig, weil es sich nämlich um eines meiner Lieblingsthemen dreht: Vereinfachte politische Mitsprache. Es geht um die Einführung eines Bevölkerungsvorstosses.

 

·        Michael Schenk (SVP) übernimmt erneut die Berichterstattung für das Stadtratsbüro und erläutert den Vorstoss. Volljährige Langenthaler:innen sollen die Möglichkeit erhalten, mit 40 gesammelten Unterschriften einen Vorstoss, eine Motion oder eine Interpellation in den Stadtrat zu bringen. Das Büro begrüsse, ebenso wie der Gemeinderat, diesen Vorstoss, es sei allerdings noch die Frage zu klären, ob die Regelung in der Stadtverfassung oder in der Geschäftsordnung festgehalten werden soll. Bei ersterem zöge das eine Abstimmung nach. Zudem wäre zu überlegen, ob die Anzahl der Unterschriften höher anzusetzen sei. Trotzdem empfiehlt das Büro dem Stadtrat, den Vorstoss gutzuheissen.  

·        Georg Cap (Grüne), Motionär, freut sich über die befürwortende Stellungnahme von Stadtratsbüro und Gemeinderat. Die Bevölkerung habe das Bedürfnis mitzureden, weil unsere hochgelobte direkte Demokratie ebent nicht immer so direkt sei, wie sie sein könnte, zeigt er sich überzeugt. Zwar seien die politischen Mitsprachrechte gross, dennoch gebe es Menschen, die sich von Parteien nicht vertreten fühlen. Auch diesen solle es möglich sein, politisch mitzuwirken, so Cap. Daneben gebe es auch Bevölkerungsgruppen, die gar keinen Zugang zur Politik hätten. «Ausländer:innen, die zwar schon lange hier leben, Steuer zahlen und arbeiten, aber wenig Zugang zu politischen Gremien haben und ausgeschlossen vom politischen Diskurs sind.» Weiter argumentiert er, dass in einer städtischen Gemeinschaft, jede:r  die Möglichkeit haben soll, politische Themen einzubringen– unabhängig vom Schweizer Pass. Der Bevölkerungsvorsoss verletze keinerlei politische Rechte und um zu vermeiden, dass es zu einer Flut von Bevölkerungsvorstössen komme, könne die Anzahl Unterschriften beliebig hoch gesetzt werden und selbst wenn das Instrument nur wenig genutzt werde, habe es seinen Zweck bereits erfüllt. «Wir haben nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen», schliesst er sein Votum. Amen.

·        Zu meinem grossen Erstaunen, stösst er auf der bürgerlichen Ratsseite auf mehrheitlich taube Ohren. Und erstaunt bin ich vor allem deswegen, weil die Bürgerlichen sonst stets auf den gesunden Menschenverstand der Bürger:innen verweisen, wenn es darum geht, Expertenmeinungen abzuwerten, genau denselben Bürger:innen aber offensichtlich nicht zutrauen, sich aktiv politisch einzubringen. So stimmt Pascal Dietrich (FDP/JLL) den Motionär:innen insofern zu, dass politische Partizipation wichtig sei, befürchtet aber grosses Frustpotential bei der Bevölkerung, wenn ihre Vorstösse wenig Erfolg hätten oder ihre Bearbeitung länger dauern würde. Bitte. Das Einzige, was mich gerade WIRKLICH frustriert, ist die Tatsache, dass man mir als Bürgerin offenbar nicht einmal zutraut, adäquat mit Frust umzugehen.

 

·        Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Zielgruppe des Vorstosses. Mike Siegrist (EVP) gibt zu bedenken, dass diejenigen Menschen, die zu einem solchen Mittel greifen, einerseits politisch geschult sein müssen, es aber unwahrscheinlich sei, dass diese dann nicht die Möglichkeit hätten, sich anderswo im politischen Prozess einzubringen. Patrick Freudiger (SVP) ist zudem der Ansicht, dass die politischen Instrumente ausreichend seien, so existiere bereits ein Petitionsrecht und für Ausländer: innen gebe es zudem immer die Möglichkeit, sich einbürgern zu lassen, ganz nach dem Motto: Erst den Schweizer Pass, dann der Abstimmungsspass.

·        Besonders scheint sich der Stadtrat aber um seine eigene Exklusivität zu sorgen. Man stelle dem Stadtrat mit diesem Anliegen ein schlechtes Zeugnis aus, moniert Freudiger, denn schliesslich sei man die Vertretung des Volkes und bringe dessen Anliegen sehr wohl ein. Er spricht gar von einem «Downgrade» des Stadtrats. Für seinen Parteikollegen Martin Lerch, wird der Bogen der direkten Demokratie mit diesem Vorstoss überspannt. Was für ein radikal absurder Gedanke, dass Menschen in Langenthal einfach selbst ihre Ideen einbringen könnten, ohne vorher Stadträt:innen um ihren erlauchten Rat zu bitten! Das pure Chaos würde ausbrechen!

 

·        Mit Saima Sägesser (SP) und Fanny Zurn (Grüne) versuchen zwei weitere Vertreter:innen von Links das Parlament vom Konzept einer Bevölkerungsvorstosses zu überzeugen. Während Saima Sägesser die Anwesenden darum bittet, nicht nur von sich selbst auf andere zu schliessen, betont Fanny Zurn, dass ein grosser Teil der Bevölkerung von der Partizipation ausgeschlossen sei, weil das politische System eben gar nicht so leicht zugänglich sei, wie man immer tue, namentlich für Menschen im Service, in der Pflege oder im Transportwesen, die schon aus zeitlichen Gründen, nicht einfach überall teilnehmen könnten. Das habe Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben. Würden Probleme nicht gehört und gesehen, wachse die Frustration. Zudem erinnert sie an das erfolgreiche Jugendpostulat zum Thema Klimanotstand, das damals, ganz ohne Unterstützung von Stadträt:innen, den Weg ins Parlament gefunden hat.  

·        Die Bürgerlichen schaffen es unterdessen, sich laufend selbst zu widerlegen, indem sie standhaft behaupten, die Anliegen der gesamten Bevölkerung zu vertreten, dann aber hauptsächlich wahlweise von ihren eigenen Erfahrungen im Ausland (Martin Lerch) oder ihrem erfolgreichen Einbürgerungsprozess (Corinna Grossenbacher, SVP) zu erzählen. Warum mit dem Volk reden, wenn man auch einfach von sich selbst auf alle anderen schliessen kann?

 

·        Okay, diese Debatte hat inzwischen wirklich was von einem Tennismatch. Oder vielleicht doch eher von einem Fechtduell, so wie zwischendurch aufeinander eingedroschen wird. Würde man die Debatte mit der Musik aus Fluch der Karibik unterlegen, gäbe das einen spannenden Actionfilm. Wo ist eigentlich das Kunstblut, wenn man es mal braucht? UND WO IST EIGENTLICH ORLANDO BLOOM?

 

·        Nachdem sich die Damen und Herren Stadträte die Argument um die Ohren geschlagen haben – einige gaben zu bedenken, dass sich dadurch auch formale Probleme ergeben können, etwa, wenn eine Motion gewandelt werden müsse, wieder andere betonten, dass Menschen ihre Anliegen vielleicht auch gerne selbst vertreten würden, statt sie Stadträt: innen zu übergeben – schliesst Diego Clavadetscher (FDP) mit dem Votum, dass bereit ein Petitionsrecht bestünde, das praktisch nie gebraucht werden würde. Ausserdem sei das politische System in Langenthal sowieso bereits überlastet mit Aufgaben. Stimmt. Die Stadt muss sich schon mit den seltsamen Ergüssen des Stadtrats beschäftigen, für die seltsamen Ergüsse von Privatpersonen bleibt da wirklich keine Zeit.

 

·        Der bürgerliche Block lehnt den Bevölkerungsvorstoss ab und damit fällt er durch. Und so ist es wenig überraschend, dass auch die Einführung eines Jugendvorstosses, die beim nächsten Traktandum gefordert wird, scheitert. Hier wird auf die bereits vorhandene Möglichkeit eines Jugendpostulats hingewiesen. Aber seid nicht traurig, ihr lieben Leute, wir wissen ja jetzt, dass wir mit dieser Macht gar nicht hätten umgehen können, dafür brauchen wir die sichere und leitende Hand des Stadtrats, der uns sagt, was möglich ist und was nicht… Ich bin erstaunt, dass es mir gelingt, ganz allein und ohne stadträtliche Hilfe diese Protokolle zu verfassen, so als einfache Bürgerin. Muss an meiner angeborenen, überragenden Intelligenz liegen.

Teil 5: Licht aus!

 

·        Weil wir schon viel zu lange nicht mehr über Krisen gesprochen haben, folgt nun ein weiteres Traktandum zum Thema: «Wir werden alle sterben – vielleicht.» Es geht um eine Interpellation von Martin Lerch (SVP) mit dem klangvollen Namen: «Drohende Energiemangellage in Langenthal – Stand der Vorbereitungen.»  

 

·        Martin Lerch zeigt sich voll des Lobes über die Antwort des Gemeinderats, der einen vollständigen Bericht verfasst und auf der Webseite der Stadt zugänglich gemacht hat. Wer sich näher informieren möchte, kann dies übrigens gerne tun und zwar unter www.langenthal.ch/energieversorgung. Dort findet ihr alles, was ihr zu dem Thema wissen müsst. Wahlweise könnt ihr auch alle Bücher von Game of Thrones lesen, denn die behandeln das Thema «Was tun, wenn der Winter kommt» ebenfalls auf sehr ausführliche, wenn auch nicht gerade erbauliche Weise.»

 

·        Irgendwie hat der Stadtrat heute sehr viel Sinn für Drama. Martin Lerch beschreibt mit eindringlicher Stimme, welche Konsequenzen ein Blackout hätte. Neben dem Zusammenbruch des ÖVs und der Kommunikationsnetze, könnten auch Kühe nicht mehr gemolken werden. Und was für einen Sinn macht denn ein Weltuntergang, wenn man dazu nicht einmal frische Milch trinken kann?

 

 

Teil 6: Wo geht’s denn hier zur Demokratie?

 

·        Nach vielen untypisch schnell abgearbeiteten Interpellationen – der Stadtrat kann eben schon effizient, wenn er will – kommen wir wieder zu einer Motion, die sich – oh Wunder – um die städtischen Finanzen dreht. Und zwar fordert die SVP zusammen mit der FDP/JLL Fraktion, dass weitere staatliche Ausgaben im Stadtrat nicht mehr mit einem einfachen Mehrheitsbeschluss bestimmt werden können, sondern das qualifizierte Mehr benötigen.

·        Laut Patrick Freudiger (SVP) sei das notwendig, damit Langenthal nicht mehr weiter in die roten Zahlen schlittert. Die bereits sehr guten Serviceleistungen der Stadt sollen nicht einfach so ausgebaut werden können, deshalb gelte es, die Hürden höher anzusetzen, so Freudiger und Quoren seien eine gute Möglichkeit dies zu erreichen.

·        An dieser Stelle fragen sich die geneigten Leser:innen vielleicht: Häh, qualifiziertes Mehr, Quoren, was, zum Geier soll das sein? Ich versuche, es mal einfach zu erklären: Im Stadtrat entscheidet normalerweise das einfache Mehr, bedeutet: Es gewinnt schlicht die Seite, die mehr Stimmen auf sich vereinigt. Beim qualifiziertem Mehr wird vorher festgelegt, wie hoch der Stimmenanteil sein muss, um ein Geschäft durchzubringen. Würde man zum Beispiel festlegen, dass eine Dreiviertelmehrheit nötig ist, müssten, bei einem vollzählig anwesenden Stadtrat 30 Stadträt:innen Ja sagen, um weitere Ausgaben zu beschliessen – beim einfachen Mehr würden 21 reichen. Als Quorum versteht man die Anzahl der Stimmen (und ja, das habe ich gegoogelt.)

·        Was ist jetzt in unserem Beispiel die Konsequenz davon? Nun, es würde tatsächlich schwerer werden Ausgaben zu beschliessen, weil es schwieriger werden würde Mehrheiten zu finden – für beide Seiten, also auch für die Bürgerlichen. Aber, da die Linken meist diejenigen sind, die sich einen Ausbau der städtischen Leistungen wünschen, werden sie stärkere Probleme mit dieser Hürde haben – mit 14 Sitzen werden sie es nicht nur schwer haben, die nötigen Stimmen irgendwie zusammenzukratzen, sie können auch nicht mehr darauf hoffen, dass ein unvollständig besetzter Stadtrat ihnen hilft, denn selbst wenn nur 20 Stadträt:innen anwesend wären, bräuchten sie immer noch 15 Stimmen…beim einfachen Mehr würden ihnen ja 11 reichen. Damit würde eben ein Zufallsmehr verhindert, argumentieren die Bürgerlichen. Zurecht. Nur haben sie halt ebenso die Linken mehr oder weniger blockiert. 

·        Entsprechend giftig fallen auch die Reaktionen von linker Seite aus. Roland Loser (SP) lässt es sich nicht nehmen, sein Mantra aus den letzten Stadtratssitzungen zu wiederholen: «Das Problem ist nicht, dass Langenthal zu viel ausgibt, Langenthal nimmt zu wenig ein.» Er empfindet es als eine bedenkliche Entwicklung für die Demokratie, dass man auf diesem Weg versucht, die Sparmassnahmen in Stein zu meisseln. «Ihr wollt einfach durchregieren – dann können wir ja eigentlich auch zuhause bleiben», bemerkt er.  

·        Seine grüne Kollegin Fanny Zürn geht noch weiter. Für sie wird mit dieser Vorlage am demokratischen Fundament gekratzt.  Sie verweist darauf, dass zukünftige Ausgaben nötig sein werden, um die drohende Klimakrise zumindest abzuschwächen. «Ansonsten haben wir bald ein weitaus grösseres Problem als euer Budget», so Zürns deutliche Ansage. Und Nathalie Scheibli (SP) bekundet Mühe mit diesem demokratischen Verständnis. Ein Mehr ist ihrer Ansicht nach ein Mehr – selbst, wenn nur eine Stimme den Ausschlag gibt. «Ansonsten ist das keine Demokratie – sondern eine Bananenrepublik!»

Pascal Dietrich (FDP/JLL) ist das alles viel zu negativ. «Diese Weltuntergangsstimmung, die ihr verbreitet, ich möchte sagen, diese Hysterie, ist übertrieben. Wir reden hier nicht über die Abschaffung der Demokratie!», erwidert er. Na gut, man muss dazu sagen, eine Stadtratssitzung in Langenthal, ist keine richtige Stadtratssitzung, wenn nicht mindestens eine Person den Untergang der Demokratie beschworen hat.

·        Stapi Reto Müller (SP) wirft sich tapfer zwischen die streitenden Parteien und bemüht sich um Sachlichkeit. Er weist darauf hin, dass der Stadtrat ja grundsätzlich selbstständig über jede Ausgabe entscheiden kann, weshalb die Vorlage den Vorgang eigentlich eher verkompliziere. Letztendlich setzen sich die Bürgerlichen durch: Die in ein Postulat umgewandelte Motion wird erheblich erklärt. Banana!

 

Teil 7: Don’t worry, be happy!

·        Nach der latent aufgeheizten Debatte - da sind ganz schön die Fetzen geflogen – ist es ganz gut, wenn wir uns am Schluss einem entspannenden Thema widmen: Cannabis. Und ja, ihr habt richtig gelesen, es geht tatsächlich um Cannabis, dieses Zauberkraut, das Gehirne vernebelt und Herzen verblödet (oder war’s umgekehrt?). Jedenfalls haben verschiedene Stadträt:innen beim Gemeinderat nachgefragt, ob in Langenthal Pilotversuche für die legale Abgabe von Cannabis geplant sind. Sind sie nicht.

·        Fabian Fankhauser (GLP) zeigt sich dann auch latent enttäuscht darüber, dass der Gemeinderat der Idee nicht gerade euphorisch gegenüberstand, obwohl Langenthal sich als Durchschnittsstadt ja für solche Pilotversuche ideal eignen würde. Wahrscheinlich passt die Vermarktung von Langenthal als Kifferparadies einfach nicht ins Marketingkonzept…

·        Abschliessend kann man sagen, dass ein paar Joints vor der Stadtratssitzung den Beteiligten vielleicht ganz gutgetan hätten. Mehr kiffen, weniger keifen, sage ich da nur. Ich mag’s nicht, wenn Stadträt:innen gemein zueinander sind – ich will die Böse sein *schmoll.» Aber wie heisst es es so schön: «Don’t worry, be grumpy. Und in dem Sinne schliesse ich auch dieses Stadtratsprotokoll.

 

Best of

«Für die SVP – GL Fraktion…» Ganz im Sinne von Weihnacht verbrüdert Stadtratspräsidentin Beatrice Lüthi (FDP), was eigentlich nicht zusammengehört.

« … dass der Gemeinderat nicht dieser Meinung ist, aber das ist hier eh nie wichtig…» Hat den Stadtrat schliesslich noch nie interessiert. Gemeinderat Markus Gfeller (FDP).

 

«Mir ist das ja Wurst.» Beatrice Lüthi neuer Lieblingssatz.

«Wir sollten uns nicht primär mit uns selbst beschäftigen – ich gebe zu, das machen wir manchmal.» Pascal Dietrich (FDP/JLL) gibt sich ungewohnt selbstkritisch.

«Ich versteht die SVP nicht, die sich immer volksnah gibt, aber dann Angst vor der eigenen Bevölkerung hat!» Fanny Zurn (Grüne) ergründet die nicht immer ganz einfach zu verstehenden Psyche der SVP.

«Als wären wir hier so viel klüger – wir sind schliesslich auch alles Laienpolitiker:innen!» Georg Cap (Grüne) bohrt im Selbstverständnis der Stadträt:innen.

«Wir haben hier doch noch gewisse Regeln – wir sind schliesslich ein Parlament, das wurde heute auch weidlich ausgenutzt – aber wir haben hier doch noch gewisse Strukturen.» Wieder Beatrice Lüthi, die versucht, die eifrig nach vorne preschenden Stadträt:innen davon abzuhalten, ihren sorgsam organisierten Ablauf durcheinander zu bringen.

«Schön, dass ihr uns entgegenkommt – aber leider seid ihr immer noch so weit weg von uns mit diesem Text, dass die Entfernung immer noch zu gross.» So nah und doch so fern: Roland Loser (SP) möchte nicht mit den Bürgerlichen kuscheln.

«Im Moment habe ich das Gefühl, dass man auf der Stadt eine Person anstellen könnte, die sich allein um die Motionen und Postulate zum Thema Sparmassnahmen kümmern könnte.» Wieder Fanny Zurn, die in Zeiten von Fachkräftemangel noch Potential für neue Stellen sieht.

«Wir sind nicht gerade in Freudentränen ausgebrochen, als wir die Antwort gelesen haben.» Vielleicht hilft da ein Joint? Fabian Fankhauser (GLP).

«…gönnen wir uns ein gutes Feierabendbier oder ein Genussmittel eurer Wahl.» Wieder Fabian Fankhauser, der seine Ratskolleg:innen dazu anstiftet, ein ganz eigenes Pilotprojekt zu starten.









 

Dienstag, 1. November 2022

Das andere Stadtratsprotokoll (31.10.22)

 

Teil 1: Die Vorgeschichte

  • Hallo und herzlich willkommen zum ebenso exklusiven wie wunderbaren Liveticker zur Stadtratssitzung. Heute ist eine besondere Sitzung, denn heute ist Halloween! Also packt die Kürbisse aus, schwingt euch auf euren Hexenbesen und tanzt wild ums Feuer, damit ihr diese Stadtratssitzung im richtigen Ambiente geniessen könnt (aber natürlich kommt niemand der Stadträt:innen im Kostüm – enttäuschend. Da hätte man mal die Möglichkeit zu entertainen und trotzdem sitzt der Stapi im schwarzen Philosophen Rollkragenpullover da. Nie wird mir was geboten!

  • Uhhh, die Traktandenliste verkleinert sich. Sehr schön. Der Pöbel (also ich) muss morgen nämlich um halb sechs aufstehen und wäre dankbar, wenn er heute einigermassen zeitig ins Bett käme.

  • Yeah. Wir dürfen NOCHMAL über das Budget reden, weil heute nämlich die zweite Lesung davon ist. Die Bürgerlichen lieben das Budget nämlich so heiss und innig, dass sie gar nicht mehr aufhören können darüber zu reden. Liegt an ihrer leicht manischen Beziehung zum tiefen Steuersatz. Sie können und wollen ihn nicht loslassen. Willst du an Halloween was Süsses von einem Bürgerlichen, verkleide dich einfach als erhöhter Steuersatz.

  • Oh, die Stadtratspräsidentin ist heute besonders höflich. «Ich begrüsse hier ganz herzlich und explizit unseren Stadtpräsidenten Reto Müller – er hat mich nämlich letzte Woche auch ganz herzlich beim Wirtschaftslunch begrüsst.» Schön. Und wer begrüsst mich speziell? Dauernd erzählen mir Leute «Du bist so wichtig für unsere Demokratie», aber niemand begrüsst mich speziell, mir wird kein Platz reserviert und der rote Teppich fehlt bis jetzt auch. Hallo, ich bin hier die treueste Zuschauerin! Könnte ich dafür bitte die angemessene Bewunderung einheimsen? 

  • Das Ziel des heutigen Abend ist es, das Budget zu verabschieden. Time to say goodbye. Also jedenfalls, wenn sich die Damen und Herren einig werden. Drücken wir die Daumen


Teil 2: Hello again!

 

  • Wir erinnern uns an die letzte Budgetdebatte. Lange, lange ist es her – damals war Sommer. Jetzt fühlt es sich zwar an wie Sommer, aber theoretisch ist es Herbst– als die Bürgerlichen erfolgreich den Antrag gestellt, dass der Gemeinderat doch bitte schön sparen soll, um die drohende Steuererhöhung abzuwenden. Als Beispiel vorgeschlagen haben sie beim Stadttheater. Recht haben sie. Wer Theater will, soll gefälligst einfach eine Stadtratssitzung besuchen.

  • Roberto di Nino erklärt, dass man bereits Einsparungen vorgenommen hat. Erstaunlich, dass der Gemeinderat von ganz alleine auf diese Idee gekommen ist. Der Stadtrat traut dem Gemeinderat ja sonst nicht so viel zu.

  • Fühle mich wie bei einer dieser Serien, wo vor jeder Episode noch mal die Zusammenfassung der letzten Episoden erfolgt. Um es kurz zu machen: Roberto di Nino erzählt lang und breit wieso man beim Stadttheater nicht, wie von der bürgerlichen Mehrheit des Stadtrates bei der ersten Lesung verlangt,  einfach so rumkürzen kann, weil es da eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Bern gibt. Der führt zu gewissen Pflichten. Kommen wir denen nicht nach, gibt’s auch keine Kohle mehr fürs Stadttheater (nebenbei bemerkt macht die Hütte vielleicht auch nicht mehr so ganz Sinn, wenn sie nicht ordentlich bespielt wird, aber vielleicht machen wir es ja wie mit der Alten Mühle und lassen das Theater einfach langsam vor sich hin rotten.)
     
  • Roberto di Nino erklärt dann, dass der Betriebsaufwand des Stadttheaters nach der Sanierung nicht gestiegen ist, obwohl die Bürgerlichen das in der letzten Sitzung vehement behauptet haben, dass das VIEL teurer geworden ist. Ausserdem führt er aus, dass das Sparpotential gering ist, zumal die Energiekosten auch im Stadttheater steigen werden. Verstehe ich nicht. Jetzt verzichtet Langenthal heldenhaft auf die Weihnachtsbeleuchtung und TROTZDEM leiden wir noch unter Energieknappheit? Wie kann das sein?

  • Bei der Besoldungsreserve wollte die SVP ebenfalls sparen. Schliesslich ist es Lohn genug, bei der Stadt Langenthal angestellt zu sein, da braucht es wirklich nicht noch mehr Lohn. Di Nino ist anderer Meinung. Wegen Teuerung und so. Di Nino zieht das Beispiel von Bern herbei, die die Löhne des Stadtpersonals um glatte 3 Prozent erhöht haben. Müssen sie ja auch, ansonsten können sie die Parkgebühren in ihrer Stadt ja gar nicht mehr zahlen.
     
  • Ich habe jetzt schon Kopfschmerzen. Können wir diese ganzen Zahlen – die wir schon mal gehört haben – nicht skippen und einfach gleich zum Punkt kommen, wo die Bürgerlichen austicken, weil der Gemeinderat ihnen noch einmal genau das gleiche Budget vorlegt? ICH WILL BLUT SEHEN, ES IST HALLOWEEN VERDAMMT!
     
  • Off Topic. Ich hätte gern ein Best of von Roberto di Ninos PowerPoints. Die haben so was Beruhigendes.

  • Ein weiterer Antrag der ersten Lesung verlangte, dass eine Art Variantenbudget für die Abstimmungsbotschaft erstellt wird. Damit das einfach Proletariat auch GANZ GENAU sieht, wie viel mehr Steuern sie für Prinz John…äh, die Stadt, abdrücken müssen. Weil sonst begreifen wir’s ja nicht.
     
  • Ah ja und es sollten nach dem Willen des Stadtrats weniger Experten eingesetzt werden. Ich würde ja vorschlagen, dass man dann einfach weniger komplizierte Anfragen stellt, aber ich verstehe ja nichts von diesen Dingen.
     
  • Irgendwie ist die Antwort des Gemeinderats auf all diese Anträge: Wir sind der Meinung, das ist schon erfüllt. Ich werde das zukünftig bei meinen Jahresgesprächen ebenfalls so halten. «Ich bin der Meinung, dass ich die Ansprüche betreffend Kundenkartenanträge schon erfülle. Bitte schreib dieses Jahresziel ab, Herr Abteilungsleiter.»
     
  • Der Gemeinderat beantragt das gleiche Budget wieder mit der Steueranlage 1.44.

 

 

 

Teil 3: Ausgeben, Einnehmen, Übernehmen

  • Diego Clavadetscher (FDP) erklärt, dass man im Vorfeld den Dialog mit dem Gemeinderat gesucht hat, was aber nicht ganz zum gewünschten Resultat geführt hat, weswegen man heute Abend Anträge stellen wird, die «holzschnittartig» daherkommen. Wie ich ihn kenne, heisst «holzschnitzartig» in dreifacher Ausführung, mit jeweiligen Varianten in fünf verschiedenen Sprachen. Zudem stellt er mit dramatisch donnernder Stimme fest, dass das Budget nach dem Stadtrat nicht gegessen sei, es müsse noch vom Volk gutgeheissen werden müssen. ALSO AUF DIE KNIE UND ZITTERT VOR MIR, DENN DAS VOLK BIN ICH!

  • Roland Loser (SP/Grüne) versucht sich unterdessen probeweise als Hypnotiseur und beschwört seine Ratskolleg:innen:  «Wir geben in Langenthal nicht zu viel Geld aus, wir nehmen ganz klar zu wenig Geld ein!» Zudem sei seine Fraktion weiterhin der Meinung, dass das Budget bereits genug zusammengespart wurde, weshalb sie solche «Übungen» entschieden ablehnen würden, denn es sei nichts anderes als «Pfästerlipolitik» (wenn dann bräuchten wir einen Verband, dann könnten wir unsere eigene Mumie für Halloween basteln). Es folgt die Geschichte, dass der Steuersatz in Langenthal früher bedeutend höher (1.62) war, der Steuersatz aber immer weiter gesenkt wurde, wobei allen klar war, dass, wenn die berühmten Onyxmilionen dann mal abgebaut sind (wo sind diese Milionen eigentlich? Vergraben im Hard Stadion?). Zudem nervt er sich über das ständige Gejammer, wegen Langenthals Budgetdefizit, weil das auch gegen aussen keinen guten Eindruck mache. Es sei eben wichtig, investieren zu können, um attraktiv zu bleiben.  Gründe für die wenigen Einnahmen seien eben, dass Langenthal wenig einnahmensstarke Einwohner:innen hat, weshalb eine Steuererhöhung Sinn mache.

  • Wow, ich bin gerade voller Bewunderung für Roland Loser. Er gerade das O – Wort gesagt. Er hat OLTEN mit Langenthal verglichen. OLTEN! Die Eier muss man erstmal haben!
     
  • Patrick Freudiger (SVP) widersteht dank seiner bürgerlich Juristenhaut den hypnotischen Kräften Losers. «Du hättest noch weitere gefühlt tausendmal sagen können, dass wir zu wenig einnehmen – es stimmt trotzdem nicht», gibt er den Ball postwenden an Loser zurück und stellt fest, dass er offenbar in einer anderen Stadt lebe, als er, denn seiner Auffassung nach hat die Stadt Langenthal sehr wohl einen guten Service Public – so wurde eine Schulsozialarbeit (also was Ähnliches) eingeführt, Schulsanierungen durchgeführt (immerhin bevor irgendwie die Decke eingekracht ist) und in den Bahnhof Langenthal (der wirklich hässlich ist, besonders das Klo, das man besser nicht nutzen will, ausser man wollte sich nicht schon immer mal versehentlich eine Spritze in den Hintern rammen) investiert. Natürlich sei es gewollt gewesen, die Onyxmillionen abzubauen (gebt sie doch einfach mir. Ich bau die schon ab und ihr braucht nicht mehr zu streiten), dann sei man aber übermütig geworden. Das zeige sich zum Beispiel im Agglomerationsprogramm III, wo ungeniert der Verkehrsromantik gefrönt wurde (was ist Verkehrsromantik? Küssende Bushaltestellen?) und überhaupt habe nicht Langenthal eine schlechte Steuersituation, sondern der Kanton Bern, weshalb Langenthal keineswegs konkurrenzfähig mit ausserkantonalen Gemeinden sei. Ich weiss zwar ehrlich nicht, ob uns ausserkantonal überhaupt jemand kennt. Eine Bekannte aus dem Kanton Solothurn war mal kurz in Langenthal und zeigte sich ehrlich überrascht, das hier tatsächlich Menschen rumlaufen. Ich habe ihr nicht erzählt, dass wir sogar fliessendes Wasser haben, der Schock hätte sie vielleicht umgebracht.   

  • «Für die SVP Langenthal ist es ein schwieriger Moment.» Was für ein Satz! Fehlt nur noch, dass Freudiger und Grossenbacher ein Duett anstimmen mit dem Titel: « Zerrissen: Was sollen wir nur tun, um den tiefen Steuersatz zu retten?» Ich fasse dieses laaannnge Votum jetzt mal ganz locker zusammen: Freudiger hat Angst, dass Langenthal jetzt einfach standardmässig die Steuern erhöht, also quasi dem Steuerwahn verfällt. Die Gefahr ist sehr gross, denn wir haben eine bürgerliche Mehrheit und wir wissen ja, dass die Bürgerlichen reflexartig ständig Steuern erhöhen… *hust*

 

 

Teil 4: Hatten wir das nicht schon mal?

 

  • Ich fühle mich gerade, als wäre ich in einer Zeitschleife gefangen. Wie beim letzten Mal erzählen die Bürgerlichen die traurige Geschichte der hart arbeitenden Bürger:innen, die durch die schwierige wirtschaftliche Situation eh schon belastet genug sind und jetzt noch durch Steuern gequält werden soll. Mir kommen die Tränen. Denn, das niedrig verdienende Menschen gerade sehr zu kämpfen haben, liegt selbstverständlich nur an den Steuern und nicht etwa an der freien Marktwirtschaft und ihrer «Fressen oder gefressen werden» Mentalität.  Und warum reden eigentlich alle Stadträt:inenn von Bürger:innen, als wären wir irgendeine besondere Spezies, zu der sie nicht gehören? Ihr lebt auch in dieser Stadt, imfall!

  • Pascal Dietrich (parteilos) gibt zwar zu, dass Paul Bayard (SP) mit seinen jahrelangen Unkerufen, dass eine Steuererhöhung früher oder später kommen müsse Recht hätte und es klug gewesen wäre darauf zu hören. Heute sei allerdings aufgrund der Inflation und der Teuerung, der falsche Zeitpunkt dafür, weshalb man lieber noch damit warten solle, bis die Situation sich bessere. Klar. Nach Corona ist sie ja auch viel besser geworden.
     
  • Rotgrün zeigt sich in Gestalt von Sandro Baumgartner (SP) angesäuert. «Wir hätten schon lange über eine Steuererhöhung diskutieren müssen. Selbstverständlich ist der Zeitpunkt schlecht. Aber haltet ihr Wort, wenn es nächstes Jahr besser läuft? Stimmt ihr dann der Steuererhöhung zu?» Zudem ist er im Gegensatz zu Freudiger nicht der Meinung, dass das mit den Gebäude sanieren so wirklich rund läuft. So fehlten in den Schulen Brandmelder. Ach, Sandro. In Langenthal brennt es doch nicht, wenn wir gerade am Sparen sind…

 

Teil 5: Der Gott des Gemetzels

 

  • Ich fasse die Situation jetzt mal zusammen: Die Bürgerlichen wollen die Steuern nicht erhöhen – oder zumindest nicht zum momentanen Zeitpunkt – weil sie die Bürger:innen nicht belasten wollen, rotgrün dagegen will die Steuern erhöhen, weil sie die Stadt nicht verlumpen lassen bzw. nicht noch mehr verlumpen lassen, weil wir ohnehin nur noch ganz knapp unter «zivilisierte» Stadt fallen und die Mitte möchte sowohl sparen, als auch die Steuern erhöhen, damit die Bürger:innen nur ein bisschen mehr zahlen müssen und die Stadt nur ein bisschen verwahrlost. Wir haben also eine klassische Konfliktsituation zwischen Links, die mit den Steuern rauf wollen und zwischen rechts, die lieber sparen möchten, weshalb die Mitte das Zünglein an der Waage ist. Lasst das Gemetzel beginnen!

  • Ganz nach dem Motto, alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist, wird gnadenlos zusammengespart, beginnen SVP und FDP/jll grosszügig den Rotstift anzusetzen. Opferbereit und selbstlos, wie sie nun einmal sind, wollen die Fraktionen auf das jährliche Weihnachtsessen der Behörden verzichten, bzw. verlangen, dass es nicht mehr finanziert, sondern selbst bezahlt wird. Richtig! Behörden sollen arbeiten und nicht fressen und überhaupt sind Vergnügungen jeglicher Art zu unterlassen. Der Antrag kommt durch. Lustig. Vielleicht müssen die Behörden zukünftig auf das Essen im glamourösen Bären verzichten und stattdessen Cervelat bzw. Maiskolben im Schorenwald bräteln, damit es sich alle leisten können.  

  • Die Besoldungsreserve für das städtische Personal soll auch gekürzt werden. Um 70000 Franken. Das sei aber nicht als Geringschätzung für das städtische Personal zu verstehen, beeilen sich die Bürgerlichen zu versichern. Sie sollen halt nur mehr arbeiten und weniger verdienen, wie das in der Privatwirtschaft schliesslich auch der Fall ist, denn, wie die Bürgerlichen es nicht müden werden zu betonen, stehen Stadtangestellte ohnehin auf der Sonnenseite des Lebens, weil es zum Beispiel auch viel schwerer ist, sie rauszuschmeissen. Wenn wir so weitermachen, haben wir vermutlich bald keine Angestellten mehr auf der Verwaltung, die wir rausschmeissen könnten, aber egal.

  • Zwischenbemerkung: Ich bin ehrlich beeindruckt, wie Patrick Freudiger es schafft, in jedem Votum noch ein paar wohlgezielte Spitzen gegen linke Politiker: innen abzufeuern. Rhetorisch grosses Kino!

  • Trotz Einwände der Linken, dass man damit die Attraktivität der Stadt als Arbeitgeberin weiter senke und den Ausführungen von Stapi Reto Müller (SP), dass es bereits jetzt schon schwierig sei, geeignetes Personal zu finden (momentan sind auf der Verwaltung vierzehn Stellen ausgeschrieben), kommt der Antrag kommt durch. Krass. Rotgrün sind die einzigen, die geschlossen dagegen stimmen. Aber hey, schliesslich bedanken sich die Stadtratsmitglieder bei gefühlt jedem Votum für die tolle Arbeit und schöne Worte reichen ja zum Leben.

  • Für eine kurze Auflockerung der Stimmung sorgt Pascal Dietrich (parteilos) mit einem emotionalen Statement zum Thema Streusalz. Man solle endlich aufhören, die Quartierstrassen im Winter mit Salz zuzuschütten. Genau stoppt das Salzen! Fad ist schliesslich auch gut und billiger ist es sowieso.

  • Selbstverständlich haben die Bürgerlichen, ähnlich wie die goldsüchtigen Niffler in Harry Potter, noch mehr Sparpotential ausgegraben. Das Projekt SIP laufe ja momentan eh nicht und wieso das nicht für dieses Jahr so lassen? Raffinierter Plan! Wir verschieben jetzt einfach alle Investitionen, damit wir dann, wenn Putin endlich weg ist, Geld sich magisch vermehrt hat und der Klimawandel erfolgreich aufgehalten wurde, SIP wieder einführen können.
     
  • SP Fraktionspräsidentin Saima Sägesser (SP) zeigt sich empört darüber, dass man die angenommene Motion, die die Wiedereinführung von SIP gefordert hat angenommen, einfach wieder aufschieben will, zumal sich die Sicherheitssituation verändert habe: Während der Pandemie waren viele Leute zuhause und nicht draussen, was natürlich das Konfliktpotential erheblich senkte, weil wir uns gegenseitig nicht auf die Nerven gehen konnten – zumindest nicht von Angesicht zu Angesicht. Trotz ihrer Einwände wird per Stichentscheid der Stadtratspräsidentin das Budget auch um diese Summe gekürzt

    Teil 6: Viel Theater ums Theater

  • Nach zwei Stunden nähren wir uns dem Höhepunkt des Theaterstücks mit dem klangvollen Namen «Die Budgetdebatte – Leben und Leiden des Langenthaler Stadtrats. In dieser Szene spielen mit: Bürgerliche Fraktionen, die beim Stadttheater eine Kostenreduktion von 70'000 erreichen wollen, linke Fraktionen, kurz vor dem Nervenzusammenbruch, ein Leistungsvertrag, der nicht gebrochen werden sollte, aber nach Meinung der Bürgerlichen durchaus angeritzt werden kann, ein tanzender bzw. nicht tanzender Pascal Dietrich und eine vor Wut schäumende Saima Sägesser. Wir wünschen viel Vergnügen!

  • Diego Clavadetscher (FDP) erklärt lang und breit, dass man die angestrebte Reduktion erreichen können, indem man weniger Gastspiele einkauft, denn dann müsse man schliesslich auch weniger Büromaterial verbrauchen, da sich der Werbeaufwand erledigt, worauf sich auch die Besoldungen reduzieren, weil weniger Personal benötigt wird.  Man wolle dem Stadttheater nicht ins operative Geschäft reingrätschen, aber als Stadtrat sei es ihre Aufgabe, die politische Kontrolle wahrzunehmen, denn schliesslich gehört das Stadttheater – wie der Name schon sagt – eben der Stadt. Das mit dem Leistungsvertrag sieht Clavadetscher nicht so eng, der sei nicht sakrosankt und wenn er das wirklich wäre, hätte er dem Stimmvolk bzw. dem Stadtrat vorgelegt werden müssen, was nicht geschehen ist.

  • Die Bürgerlichen sind zudem verärgert darüber, dass damals, als man über die Renovierung des Stadttheaters abgestimmt hat, davon geredet hat, dass die Nettobetriebskosten sinken und nicht steigen würden und das in der Abstimmungsbotschaft damals so vermerkt hat. Damals habe man also, so die Bürgerlichen, die Stimmbevölkerung angelogen.

  • Für die Linken, namentlich für Roland Loser (SP/GL) ist dieser Kürzungsbeispiel ein typisches Beispiel dafür, den Leuchttürmen von Langenthal, Knüppel zwischen die Beine zu werfen, so wie es zum Beispiel beim SCL ebenfalls der Fall ist (meiner Meinung nach hat dieser «Leuchtturm» sein Licht allerdings ganz alleine ausgeknipst, aber mich fragt ja hier niemand).

  • Kulturfreundin Saima Sägesser (SP/GL) verteidigt die heiligen Hallen des Stadttheaters mit Zähnen und Klauen. Es sei unglaublich, was der Stadtrat hier veranstalte, ein Stadtrat, der keine Ahnung habe, wie ein solcher Betrieb funktioniere. Eine Saison lässt sich nicht einfach so umplanen und wie man mit einem gekürzten Programm mehr Ertrag generieren wolle, sei ihr auch ein Rätsel. Kürzungen bei Besoldungen hätten zudem zur Folge, dass man Personal entlasten müsse (gut, dann kann man beim Behördenessen, ein paar Cervelats sparen), zudem habe man bereits gekürzt. Man solle sich im Falle der Annahme, beim Theater für diese Sabotage entschuldigen, denn nichts anderes sei es, wenn man in einen professionellen Betrieb reinpfuschen. «Man will noch mehr Zitronen pressen, obwohl die Zitrone schon leer ist!» Dann holen wir uns eben ein paar Kürbisse, die kann man aushöhlen und auf den Fenstersims stellen.
     
  • Pascal Dietrich (parteilos) unterdessen nimmt direkt Bezug auf das Programm, das seiner Meinung nach viel zu viel getanzt wird. Hinterher wird er von Mike Siegrist (EVP) süffisant darauf hingewiesen, dass man das Programm vielleicht richtig lesen solle, dann wisse man nämlich, dass vier der Tanzproduktionen sich eingemietet hätten, ergo Geld liegen lassen und keines kosten.  
     
  • Es folgt ein Schlagabtausch zwischen Links und Rechts, ob man hier jetzt Symbolpolitik betreibt oder nicht. Während die Bürgerlichen der Meinung sind, dass sie mit ihren tapferen Einsparungen Langenthal vor dem drohenden Ruin bewahren, besteht Links darauf, dass es hier letztendlich um Peanuts gehe, die keinen grossen Effekt haben werden. Gestritten wird auch darum, ob der Leistungsvertrag mit den Kürzungen jetzt verletzt werde oder nicht. Immerhin weiss ich jetzt, wie sich die Debatten um den Rahmenvertrag mit der EU anfühlen müssen. Man dreht sich im Kreis.

  • Aufritt der Gemeinderäte. Roberto di Nino (SVP) verwahrt sich gegen die Behauptung, man habe damals die Stadtbevölkerung angelogen. Die beeinflussbaren Betriebskosten des Stadttheaters seien tiefer und es sei logisch, dass bei so hohen Investitionen, auch nachher noch Geld aufgewendet werde, diese Finanzfolgekosten habe man damals aber ausgewiesen. Ressortvorsteherin Helena Morgenthaler (SVP) macht zudem darauf aufmerksam, dass an diesem Leistungsvertrag noch an andere kulturelle Institutionen hängen würden, die ebenfalls ins Wanken geraten könnten. Egal. Riskieren wir. Kultur wird eh überbewertet, schliesslich gibt es Netflix und solange ich GNTM schauen kann ist alles super bei mir. 

  • Die Kürzungen werden TATSÄCHLICH angenommen. Arschknapp mit 18 zu 19 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Dieser Stadtrat hat definitiv sehr viel Sinn für Drama. Und spielt gerne mit dem Feuer. Haben wir eigentlich Brandmelder in der Alten Mühle oder wurden die schon eingespart?

 

Teil 7: Steuern für Alle!

  • An diesem Punkt haben wir immer noch kein Budget verabschiedet, was heisst, dass wir immer noch bei Traktandum 2 rumdümpeln. In der Privatwirtschaft würde diese Sitzung bereits als höchst ineffizient gelten, aber wir sind hier schliesslich nicht in der Privatwirtschaft, wie ja in regelmässigen Abständen betont wird. Mein geistiger Zustand ist inzwischen so zerrüttet, dass ich schon beim Wort Defizit Hitzewallungen bekomme.

  • Immer noch ungeklärt ist die Frage, ob der Steuersatz jetzt erhöht wird oder nicht. Patrick Freudiger (SVP) beschwert sich in seinem Votum erst lang und breit über die Blockadehaltung der Linken, die den Rotstift gleich entsorgt hat und nirgends sparen will, nur um dann zu verkünden, dass man der Steuererhöhung mehrheitlich zustimmen. Wollt ihr mich verarschen? Wieso musste ich mir dann das ganze Gejammer über drei Stunden anhören, wenn man dann doch erhöhen will? Hätten wir das nicht abkürzen können

  • Wenn ich das jetzt also richtig verstanden habe, darf ich mehr Steuern zahlen und dafür verschlechtert sich die Leistung, die ich von der Stadt erhalte. Cool. Hat sich echt gelohnt

     Teil 8: Das Ende der unendlichen Geschichte

  • ENDLICH wird über das Budget abgestimmt. Allerding schafft es das Stadtratsbüro dreimal falsch auszuzählen. Ein Zählrahmen wäre vielleicht nicht schlecht, aber den müsste Langenthal sich ja erstmal leisten können, ne. 

  •  Weil die Abstimmungsbotschaft geändert werden muss, wird das Volk übrigens erst im Januar über das Budget abstimmen. Hoffen wir mal, dass die Botschaft nicht schon gedruckt ist, denn ansonsten hätten wir Druckerkosten generiert und das würde Langenthal in den Abgrund reissen. Aber vielleicht gibt’s bald kostengünstige Kurse für engagierte Mitbürger:innen, in denen sie Pergament  für die Verwaltung schröpfen können.

  • Apropos Abstimmungsbotschaft: Die wird natürlich auch noch revidiert, denn besonders Diego Clavadetscher (FDP) hat es sich zu seiner persönlichen Aufgabe gemacht, jede Formulierung der Botschaft liebevoll zu schleifen.  Und das dermassen ausführlich, dass einer seiner Anträge auf ein Blatt gedruckt werden muss, weil er zu lang ist, um ihn zu projizieren. Diese Druckerkosten, diese Druckerkosten!

  • Am liebsten würden die Bürgerlichen auf jeder Seite der Abstimmungsbotschaft vermerken, dass der Steuersatz EINMALIG auf 1.44 erhöht wird, nur damit das ja niemand falsch versteht und wir nie mehr daran rütteln können. Am besten meisseln wird den Steuersatz doch einfach in einen Stein, den mir als Mahnfigur vor den Glaspalast stellen, damit alle Behördenmitglieder bei Arbeitsbeginn sich davor auf den Boden werfen und dem tiefen Steuersatz huldigen können.

Teil 8: Das Ende der unendlichen Geschichte

  • Ich bin inzwischen an einem Punkt, wo ich mir ernsthaft überlege Feueralarm auszulösen, um die Sitzung zu unterbrechen. Es ist schon verdammt spät und ein Ende nicht wirklich in Sicht. Toll. Ich möchte eine Lama – Entschädigung für Monsterdebatten.

  • Oh, Moment, der Stadtrat zeigt Erbarmen. Er behandelt lediglich noch ein zwingendes Traktandum, das dazu noch sehr unbestritten ist: Madiswil will bei der Jugendfachstelle Tokjo andocken. Wie schön! Und da es uns nicht kostet, wird es wohlwollend durchgewunken, wobei Peter Bösiger (SVP) das Kunststück vollbringt, ein knackiges Statement, bestehend aus einem Satz, anzubringen. Der Mann ist ein Held und ein Vorbild!

  • An dem Punkt wird die Sitzung abgebrochen. Freiheit, wie das duftet! Eine ewig lange Stadtratssitzung geht zu ende und obwohl es zwischendurch ganz schön heftig wurde, leben alle Beteiligten noch. Wenn das mal nicht ein schönes Ende für diese Geschichte ist. Freuen wir uns auf die nächste! 

Best of

«Mit den Steuereinnahmen richten wir unser aller Wohnzimmer ein!» Mit diesem niederen Steuersatz wird’s wahrscheinlich eher eine Abstellkammer: Roland Loser (SP).

«Wollt ihr in die Pause, Herrschaften?!» Stadtratspräsidentin Beatrice Lüthi (FDP) droht oder lockt mit einer vorzeitigen Pause. Man weiss es nicht recht.

«Warum nicht gleich 1.7 1.8, 1.9!» Patrick Freudiger (SVP) und sein nie enden wollender Alptraum eines sich ständig erhöhenden Steuersatzes.

«Langenthal ist nicht unattraktiv. Der Kanton Bern ist unattraktiv!» Sandro Baumgartner (SP) lässt nichts auf seine schöne Stadt kommen.

«Sag mir kurz, als was du redest.» Beatrice Lüthi (FDP) unterstützt Diego Clavadetscher (ebenfalls FDP) bei seiner Identitätsfindung.

«Sollen die Leute doch selber schauen, wie sie das Stadttheater finden, wenn uns das Geld für das Marketing fehlt.» Saima Sägesser (SP). Wenn das Theater wirklich kaputt gespart ist, ist es vielleicht auch besser, wenn’s niemand mehr findet.

« Ich fühle mich selbst wie in einem Theater – in einem Trauerspiel der Symbolpolitik.» Georg Cap (Grüne) und seine ganz persönlich Rocky Horror Picture Show.

«Leute, die sich rhetorisch selbst beweihräuchern mit ewig langen Reden!» Wieder Georg Cap, mit der Zusammenfassung eines römisch-katholischen Gottesdienstes.

«Die Sitzung passt zum heutigen Datum: Halloween.» Stellt sich die Frage, wer hier Süsses oder Saures kassiert. Paul Bayard (SP).

    «Mehr als zweimal reden, bringt irgendwann auch nichts mehr.» Beatrice Lüthi (FDP), frei nach     der Philosophie, Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

    «Sonst sollen sie (die Fraktion) mich nachher verkloppen.» Patrick Freudiger (SVP) gibt                  Einblicke in die Diskussionskultur der SVP.

    «Können mich danach auch verkloppen.» Die offenbar auch auf der linken Seite gepflegt wird:     Sandro Baumgartner (SP).

  «Bevor noch der Tierschutz kommt, beenden wir die Sitzung lieber.» Beatrice Lüthi (FDP)                kümmert sich nämlich um ihren Zoo, denn Stadträt:innen sind schliesslich geschützt.

 

Lama Malwettbewerb

  Platz 1: Kategorie Erwachsen. Ginge sogar als Strickmuster. Falls jemand einen Pulli machen möchte oder so. Platz 2: Kategorie Erwachsen. ...