Prolog: It’s beginning to look a lot like Christmas….
Von
draus, von weit, von Olten kommt ich her – ich muss euch sagen, es stadtratet
sehr. Überall auf den Tannenspitzen, sah ich goldene Gemeinderät:innen (hier
sehr schnell sprechen) sitzen. Und droben aus dem Himmelstor, sah mit grossen
Augen der Reto hervor…oder so. Call me Theodor Storm. Hallo und herzlich
willkommen zur letzten Stadtratssitzung von 2025 und damit auch zum letzten
Stadtratsprotokoll dieses Jahres. Greift euch Lebkuchen, Mailänderli,
Christstollen und verleibt ihn euch ein, während ich euch berichte, was in
dieser hochheiligen Nacht, der Stadtrat im Himmel für Freude euch macht.
Bald
schon ist Weihnachten und bestimmt sind alle Beteiligten dieser Familienfeier
Zusammenkunft des Stadtrats bereits beseelt vom heiligen Geist der Weihnacht
erfüllt und liebevoll und mitfühlend miteinander und grosszügig und alles das,
was das Wunder von Weihnachten uns gelehrt hat (und ja, ich muss selbst ein
bisschen würgen, wenn ich diese Zeilen lese, aber ich schreibe noch an einem
Weihnachtsroman und bin am Üben).
Teil
1: Kling, Stadtrat, klingelingeling
Es
folgen einige Wahlen, denn durch den Rücktritt von Roland Loser (SP), der ja in
den erlauchten Kreis des Gemeinderats aufgenommen wird (gibt es eigentlich eine
feierliche Übergabe? Ich stelle mir da so einen Hermelinmantel vor, der um die
Schultern gelegt wird und der Stapi schlägt ihn dann mit dem Schwert zum
Gemeinderat – ohne ihn dabei dem Kopf abzusäbeln versteht sich, ich stelle es
mir schwierig vor ohne Kopf zu regieren), müssen einige Kommissionssitze neu
vergeben werden.
Außerdem
gibt es einen neuen Chefhirten für die Stadtratsschäfchen, und zwar in Person
von Diego Clavadetscher (FDP) und eine neue Vizechefhirtin, in Person von
Corinna Grossenbacher (SVP), sowie neue Schafzähler:innen Gerhard Käser (SP)
und Nicole Baumann – Zumstein (GLP). Viel Erfolg und Glück. Joy to the world!
Trotz
Weihnachtsstimmung darf das harte politische Geschäft natürlich nicht
vernachlässigt werden (auch die Geburt Jesus ist nicht wichtiger, als der
Stadtrat von Langenthal), es geht aber trotzdem um ein stimmungsvolles Thema,
nämlich um die Audioprotokollierung. Der Stadtrat testet aktuell eine Software,
die die Stadtratssitzung aufnimmt – Idee wäre es, dass die Leute zukünftig
nicht nur das schriftliche Protokoll (oder meines) lesen könnten, sondern die
Sitzung und die einzelnen Redebeiträge anhören könnten (auf der kantonalen
Ebene kann man das schon). Jetzt geht es darum, ob man dieses Projekt
weiterverfolgen soll oder es wie ein alter Tannenbaum zum Fenster
rausgeschmissen wird.
SP,
GLP und SVP zeigen sich grundsätzlich offen gegenüber dieser Modernisierung,
wobei SP – Fraktionssprecher Sandro Baumgartner mahnt, dass er schon erwarte,
dass mit ihren Stimmen sorgfältig umgegangen werde, eine Sorge, die auch Pascal
Dietrich (Liste 49) teilt, der zudem den Fortschrittlichkeit dieses Tools
bezweifelt und zu bedenken gibt, dass es für den Protokollführer nicht nur eine
Erleichterung sei: Dadurch, dass die Sitzungen auf Schweizerdeutsch geführt
werden, kommt die ÜbersetzungsKI an ihre Grenzen und der Protokollführer muss
alles zusätzlich übersetzen. Trotz dieser Einwände, überwiegen für die
Stadträt:innen größtenteils die Vorteile und entscheiden, dass das Projekt
weitergeführt wird.
Ich
wäre ja für einen Livestream. Dann könnte ich gemütlich zuhause in meinem
Himmelbett (das ich nicht habe) sitzen, gekleidet in meinen seidenen
Morgenmantel (den ich auch nicht habe), in der einen Hand ein Glas Sekt (das
ich auch nicht habe – also das Glas schon, den Sekt nicht) und in der anderen
einen Kübel Eis (den ich tatsächlich immer habe – Eis ist mein Leben. Und
Lebkuchen natürlich). Und dann könnte ich mir das alles in Ruhe reinziehen und
immer und immer wieder meine Lieblingsstellen zurückspulen. Das wäre ein echter
Mehrwert für mich. Äh, ich meine für Langenthal, natürlich.
Teil
2: Es fasnachtet sehr
Und
dann kommen wir zu DEM Traktandum, das dazu geführt hat, dass ich heute die
Zuschauerränge mit gefühlt der halben Fasnachtsgesellschaft teilen darf (wobei
es nicht ganz so krass ist, wie wenn die Lehrer:innen aufmarschieren – dann
erinnert es fast an eine Besetzung), nämlich zum Leistungsverstrag mit der LFG.
Dabei geht es vor allem darum, dass etwas schriftlich reglementiert und
festgehalten wird, was schon jahrelang angewendet wird. Damit soll unter
anderem verhindert werden, dass die Fasnacht aufgrund eines abgelehnten
Stadtbudgets (ach, was, das passiert doch nie *hust*) nicht stattfinden kann
(Schnee und Viren können leider nicht vertraglich verhindert werden).
Dass
die Fasnacht für Langenthal eine große Bedeutung hat, stellt niemand in Frage.
Besonders hervorgestrichen wird das von Patrick Jordi (FDP), seines Zeichens
leidenschaftlicher Guggenmusiker und, wie er selbst in seinem Statement
offenbart, in seinem Anwärterjahr für die LFG. Diskutiert wird allerdings, dass
dieser Leistungsvertrag unbegrenzt sein soll – Leistungsverträge werden
normalerweise zeitlich begrenzt und dann wieder neu verhandelt.
Sandro
Baumgartner und Saima Sägesser (SP) formulieren die Kritik ihrer Fraktion. Es
sei eine Ungleichbehandlung der anderen Kulturhäuser, so Sandro Baumgartner und
nennt konkret das Stadttheater und das Chrämerhuus, die ebenfalls eine große
Ausstrahlung über die Stadtgrenzen ausübten und einen Mehrwert erbringen
würden. Und er nimmt auch Bezug auf einen ominösen Newsletter, der von der LFG
verschickt wurde und in dem ein – naja, nennen wir es, latent
aggressiver Ton mitschwang und in dem geschrieben wurde, dass die rund 2000
Fasnächtler:innen ja dann die
Stadträt:innen auch nicht mehr auf ihre Wahlzettel schreiben würden.
Augenzwinkernd erklärt Baumgartner, dass er sich ja freuen würde, wenn der
anonyme Schreiberling 2‘000 Leute dazu bewegen könne, überhaupt wählen
zu gehen – das sei nur gut für die Wahlbeteiligung. Saima Sägesser wiederum
erklärt ihre ablehnende Haltung mit fehlenden Inhalten – so hätte sich die SP
gewünscht, dass die LFG ihren Einfluss nutzt um sich deutlich gegen
Diskriminierung ausspricht und auch heikle Themen wie sexuelle Gewalt oder
kulturelle Aneignung aufgreift und Lösungen dafür bietet.
Trotz
dieser Kritik kommt der Leistungsvertrag fast einstimmig durch und das ohne,
dass jemand Konfetti werfen musste oder eine Gugge protestierend durch den Saal
zog. Viel Aufregung um nichts. Lasst mich allen, die hier mitlesen, einen guten
Rat in Sachen Stadtrat geben (nachdem ich wahrscheinlich über 40 von diesen
Happenings besucht habe, würde ich mich schon als erfahren bezeichnen): Nichts
wird so heiß gegessen wie gekocht und nur weil sich Leute kritisch äußern oder
Änderungsvorschläge haben, heißt das nicht zwingend, dass ein Geschäft
abgelehnt wird – und es ist halt einfach auch der Job des Stadtrats kritisch zu
sein und zu diskutieren. Also: Don’t panic!
In
diesem sagenumwobenen Newsletter wurde auch noch geschrieben, dass die LFG mir
im Zuschauerraum Gesellschaft leisten will. Dazu möchte ich sagen, dass ich
natürlich gerne Gesellschaft habe (außer morgens – dann lasst ihr mich bitte in
Ruhe. Und mittags sprecht ihr mich bitte auch nicht an. Ach ja, und abends bin
ich auch eher unleidlich…hm, am besten redet ihr mit mir zwischen 23.30 und
23.45, dann habe ich mein persönliches Hoch), aber ich hätte sie halt gerne
auch, wenn nicht gerade ein Traktandum auf dem Zettel steht, was euch bewegt.
Weil, es ist immer schade, wie der Zuschauerraum sich dann sofort leert, sobald
die eigene Herzenssache durchgekommen ist. Ein Umstand, der Pascal Dietrich zu
ungeahnten dichterischen Höhen führt: „Tut der Stadtrat bei die deinem Geschäft
bocken – musst du einfach hinten in den Zuschauerraum hocken!“ Nicht mehr lange
und er nennt sich nicht mehr Dietrich – sondern Dichterich.
Teil 3: Alle Jahre wieder…kommt das Stadttheater
Nach
einigen Fristverlängerungen (und einem Traktandum, das ich komplett verpennt
habe, weil ich Lebkuchen essen musste, sorry), geht es mal wieder ums
Stadttheater. Und zwar um eine Motion der GLP/EVP Fraktion, die für das
Stadttheater eine Spezialfinanzierung fordert – das würde bedeuten, dass das
Stadttheater nicht mehr im städtischen Budget auftauchen würde. Motionärin
Murielle Schärer betont dann auch, dass das Führen einer Kulturinstitution
immer gewissen Schwankungen unterliege und durch diese Auslösung das
Stadttheater sich eben nicht mehr für jeden Fünfer rechtfertigen müsse. Es
entstehe auch Handlungsspielraum, so Schärer und trotzdem bestünde mit der
Stadt im Rücken noch ein Sicherheitsnetz.
Franziska
Zaugg – Streuli (FDP) sieht im Namen ihrer Fraktion in der Spezialfinanzierung
nicht die Lösung der Probleme, während Saima Sägesser (SP) der Meinung ist,
dass man den bereits eingeschlagenen Weg mit dem Stadttheater weiterführen will
und nicht wieder etwas Neues anfangen will. Mit der „sympathischen“ Motion, so
Corinna Grossenbacher (SVP), hätte sich auch die SVP lange beschäftigt,
letztendlich würden sie aber auch der ablehnenden Haltung des Gemeinderats und
des Amts für Kultur und Bildung folgen, weil sie befürchten, dass zu viele
Ressourcen für die Ausarbeitung eines Reglements gebunden werden, dass dann
doch wieder über den Haufen geworfen wird.
Motionärin
Murielle Schärer (GLP) sieht die Argumente der Fraktionen, bittet aber um eine
Sache. „Macht vorwärts und lasst es nicht wieder zehn Jahre dauern, bis etwas
passiert!“, so Schärer. Also bitte! Wann hat denn in Langenthal jemals etwas
lange gedauert? Wir sind total speditiv! Also, nachdem wir einen Bericht
eingeholt und einen zweiten Bericht geschrieben haben und den ersten Bericht
dann noch einmal durchgekaut haben und die Statistik dazu sorgfältig
ausgearbeitet und eine dritte Meinung zu ebenjener Statistik eingeholt haben –
aber dann sind wir blitzschnell.
Weiter
diskutiert wird die Umbenennung von Haltestellen, die zum Teil noch veraltete
Namen tragen, mit denen niemand mehr was anfangen kann. Wobei prompt wieder
darum gestritten wird, mit welchem Namen sich die Leute jetzt besser
identifizieren können. Ich wäre ja für Namen wie „Pupsender Regenbogen“,
„schnurrende Katze“ oder „rülpsender Drache“, weil ich es mir sehr lustig
vorstelle, wie diese angenehm mechanische Frauenstimme im Bus haucht:
„Pupsender Regenbogen – Umsteigemöglichkeiten in alle Richtungen.“
Teil
4: Es ist ein Stadtratspräsident entsprungen…
Die
GPK hat ihren jährlichen Verwaltungsbesuch hinter sich gebracht und Corinna
Grossenbacher (SVP) hat nach eigener Aussage das „Vergnügen“ (wobei sie das in
einem Ton sagt, als fände sie ein Bad mit Piranhas im Grunde erstrebenswerter)
das Fazit dieses Besuchs präsentieren. Sie dankt der Verwaltung für ihre gute
Arbeit, macht aber auch deutlich, dass es in Sachen Strukturen vielleicht noch
Verbesserungsmöglichkeiten gibt und auch noch einiges nach der Methode das
haben wir schon immer so gemacht wird. Ja. Würde jetzt behaupten, dass ist in
Langenthal generell die am meisten verbreitete Methode, haha.
Und
dann heißt es Abschied nehmen: Martina Moser (SP) ist als Gemeinderätin
zurückgetreten und hat heute ihr letzte Sitzung hinter sich gebracht. Und da
werde ich doch glatt emotional: Martina war/ ist ein Mensch, der für mich
bewiesen hat, dass man nicht laut sein muss, um in der Politik seine Spuren zu
hinterlassen und sie war deshalb auch immer ein Vorbild. Danke, Martina! Du
wirst fehlen.
Mut
und Bereitschaft hat es gebraucht zum Wandel, so Martina Moser bei ihren
Abschiedsworten. Sie kann
sich beruflich weiterentwickeln, das hat aber
auch zur Folge, dass sie das Gemeinderatsamt nicht mehr ausüben kann. „Geben
wir acht aufeinander“, so Martina Moser und bedankt sich auch bei allen
Wählenden, die ihr ihr Vertrauen geschenkt haben, wie auch bei ihrem
Gemeinderat – und Stadtratskolleg:innen
– aber auch bei ihrem „Büezer“, ihrem Amtsvorsteher Thomas Egger. Und sie
wünscht allen, Kraft und Mut für Veränderungen, die anstehen, sowie ihrem
Nachfolger Roland Loser alles Gute im neuen Amt.
Und
es folgen noch weitere Abschiedsworte, diesmal vom Stadtratspräsidenten Fabian
Fankhauser (GLP), der zwar noch im Stadtrat verbleibt, aber sein Jahr als
höchster Langenthaler beendet. „Ich habe euch zwei Sachen versprochen: Dass ich
euch nicht über den Unterschied zwischen Arbeit und Energie belehre und dass
ich die Sitzungen speditiv leite. Ich würde behaupten, das habe ich erreicht,
jedenfalls habe ich mir da selbst ein erfüllt gegeben“, so Fankhauser, der
trotz weniger Traktanden und einer abgesagten Sitzung ein ereignisreiches Jahr
hinter sich hat, weil sehr viel im Hintergrund umstrukturiert wurde und die
Abläufe in Langenthal durchleuchtet werden. Fankhauser nutzt seinen Moment auch
für einen „Appell“ an die rechtsextremistischen Gruppierungen, die immer wieder
Kleber mit widerlichen Inhalten anbringen. Sie sollen doch einfach wegbleiben,
rät Fankhauser und die Stadt in Ruhe lassen. Aber er nimmt auch die
Stadträt:innen von links bis rechts in die Pflicht sich gegen Extremismus zu
stellen. Und letztendlich: „Wir alle sitzen freiwillig hier und wir alle wollen
das Beste für die Stadt – vergesst das nicht und sucht über die Parteigrenzen
nach Lösungen. Und: nicht jeder Veränderungsvorschlag ist auch eine Kritik.“
Pointiert,
engagiert und mit Humor – so fasst Diego Clavadetscher (FDP) Fabian Fankhausers Charakter und seine Reden
zusammen, ein Kämpfer für seine Überzeugungen. „Danke für dein Vorbild in
Sachen Stadtrat und Meinungsbildung…und in Demokratie.“ Der sichtlich gerührte
Fankhauser beendet damit ein letztes Mal die Stadtratssitzung,
Und
damit geht die Saison 2025 zu Ende – auch für mich. Vielen Dank fürs Mitlesen
und Teilen und da sein – ich hoffe, ich habe euch trotz ernster Themen immer
wieder erfolgreich zum Lachen gebracht und ihr konntet auch dann schmunzeln,
wenn das Lama vielleicht auch mal schärfer oder zynisch oder ironisch war – ich
meine es nicht so, ich bin nur ein ganz kleines bisschen böse. Wir sehen uns.