Montag, 28. Oktober 2019

Das andere Stadtratsprtokoll IX


Und mit einem Mal, bäumt sich das Leben auf…“ Irgendwie kam mir spontan diese Liedzeile von Jeanette Biedermann in den Sinn, als Stadtratspräsident Patrick Freudiger (SVP) die Sitzung eröffnete, für einmal nicht mit einem flotten Spruch, sondern mit einer traurigen Nachricht: Stadtrat Heinz Wüthrich ist verstorben. Zum Gedenken an ihn brannte an seinem leeren Platz eine Kerze. Patrick Freudiger ehrte ihn als engagierten Milizpolitiker, der weit über die Parteigrenzen, geschätzt wurde. Solche persönlichen Schicksale relativeren Wahlergebnisse, Streitigkeiten und Parteipositionen auf einmal schonungslos und abrupt. 

Es war dann für den Stadtratspräsidenten auch nicht ganz einfach, die rechte Überleitung zu finden, aber Patrick Freudiger (SVP) meisterte es. Er stellte die neue Sekretärin des Stadtrats, Frau Burkhard vor, die die Stelle von Janine Jauner übernimmt. Diese wechselt nach ihrem Mutterschaftsurlaub zum Gemeinderatssekretariat. Frau Burkhard hat nicht nur ein abgeschlossenes Jurastudium, sondern hat auch eine Ausbildung als Mediatorin. Das kann ja in diesem Job nur nützlich sein. Sollten sie sich im Stadtrat mal an die Kehle gehen wollen, haben sie den Profi zumindest gleich im Raum. 

Allerdings war der Stadtrat an dieser Sitzung weit davon entfernt, sich an die Kehle zu gehen. Das erste Geschäft behandelte die Vergabe des Auftrags für die externe Prüfung der Rechnungsablage der Stadt für das Jahr 2020 an eine externe Revisionsstelle. So lange und umständlich der Titel, so kurz das Abhandeln des Traktandums. Pascal Dietrich (FDP) stellte das Geschäft im Namen der GPK vor, erklärte, dass es sich um die gleiche externe Firma handelt wie beim letzten Mal – die Revisionsstelle wird normalerweise alle sechs Jahre gewechselt – und das die Kosten gleich hoch bleiben wie im vorderen Jahr. 

Und es geschah ein Wunder: Es gab kein Aber, kein „grundsätzlich – stimmen – wir – zu – aber – eigentlich – finden – wir – es – doof“ Statement und auch keine Vorschläge wie man das viel besser machen könnte. Stattdessen wurde das Geschäft kommentarlos durchgewinkt. Um es mit einer Metapher auszudrücken: Es war eine problemlose, saubere, schnelle Geburt und kein mühsamer Kaiserschnitt mit Komplikationen. 

Das zweite Traktandum dauerte dann wesentlich länger. Es ging da nämlich um den Entwurf des neuen Behördenreglements. Ja, ihr habt richtig gelesen: Es geht wieder um ein Reglement. Weil wir das in dieser Legislatur ja noch fast gar nichts mit Reglementen zu tun hatten. Nächstes Mal geht es dann wahrscheinlich um das eidgenössische Putzreglements des Verwaltungsgebäudes oder so.

Dieses Mal hatte Vizestapi und Gemeinderat Markus Gfeller (FDP) die Ehre, den Entwurf des neuen Reglements vorzustellen. Es handle sich tatsächlich um ein neues Reglement, so Markus Gfeller, denn neu wird das Personal – und Behördenreglement getrennt. In Kraft tritt das frischgebackene Behördenreglement erst mit Beginn der neuen Legislatur.

Markus Gfeller stellte kurz vor, was sich im Reglement ändert. Zum Beispiel die Sitzungsgelder für den Stadtrat. Neu soll nach einem proportionalen Verhältnis gerechnet werden. Pro angebrochene Sitzungsstunde gibt es nun 20 Franken. Beim Stapi wurden die Abgabepflichten und Abgangsentschädigungen geregelt. Ebenfalls geregelt wurde die Handhabung der Annahme von Geschenken (Falls jemand den Gemeinderat nach Dubai einladen will oder so…). 

Mit einem „I bi scho wieder da“ („zack, da bin i wieder!“) legte Pascal Dietrich (FDP) die Position der GPK dar. Und siehe da: Nachdem die anderen Reglemente eher mit verhaltener Begeisterung aufgenommen worden – ich erinnere mich an das Wort Flickenteppich – zeigte sich die GPK dieses Mal zufrieden. Ja, Pascal Dietrich liess sich sogar dazu hinreissen, es ein gutes Reglement zu nennen (aus seinem Mund, fast schon ein Ritterschlag!). Dennoch hatte die GPK einige Bemerkungen. So bemängelten sie das Fehlen einer Amtszeitbeschränkung bzw. das nirgendwo  ein Pensionsalter für den Stadtpräsidentin/ den Stadtpräsidenten festgelegt wurde. Besonders störte sich die GPK jedoch daran, dass die Handhabung des Amtsgeheimnisses bzw. der Schweigepflicht, im Reglement nicht genau umrissen wird. Stattdessen wird auf die Stadtverfassung verwiesen.

Pascal Dietrich plädierte dafür, die Schweigepflicht zu lockern, unter anderem auch deshalb, weil es für Mitglieder der GPK schwierig sei, mit der aktuellen Regelung umzugehen. Der Handlungsspielraum ist nicht genau abgegrenzt. Wenn die Mitglieder der GPK also an ihren jeweiligen Fraktionssitzungen teilnehmen, sind sie im Dilemma. Dürfen sie jetzt etwas zum Geschäft sagen oder nicht? Und wenn ja, was fällt unter die Amtsgeheimnisverletzung? Laut Dietrich war man sich eigentlich in der Kommission relativ einig, dass man deshalb einen Ergänzungsantrag stellt, in dem das Amtsgeheimnis etwas gelockert wird. Und es hätte alles so schön sein können, wenn sich nicht ein bekannter Bösewicht eingemischt hätte: Der Oger….äh, ich meine das AGR (ja, meine Stammleserschaft kennt das AGR, auch bekannt unter dem Namen „Kantonales Amt für Gemeinden und Raumordnung. Siehe letztes Stadtratsprotokoll, Teil 3) 

Jetzt hat sich Pascal Dietrich ja schon in der letzten Sitzung über die Einmischung des AGR geärgert und auch dieses Mal, hält sich seine Begeisterung über deren Statement in Grenzen. Laut dem AGR kann das Amtsgeheimnis gar nicht gelockert werden, weil, der veränderte Passus im Widerspruch zu der Stadtverfassung stehen würde. Und dann hat das AGR auch noch die Frechheit besessen, lediglich ein kurzes Mail zu diesem Sachverhalt zu versenden, statt einen handgeschriebenen Brief mit Posttaube zu schicken, wie sich das unter anständigen Menschen gehört! 

Wie schon beim umstrittenen Wahlreglement, hat sich die GPK auch bei dieser Frage Unterstützung bei namhaften Rechtsanwälten gesucht. Diesmal nicht beim Wunderknaben Dr. Daniel Arn, sondern bei einem Herrn Buchli, der die Meinung der GPK teilt, dass das Ändern der Amtsgeheimnisregelung sich keineswegs mit der Stadtverfassung beisst. „Lassen wir uns vom AGR nicht ins Bockshorn jagen“, verkündete Pascal Dietrich kämpferisch. 

Was auf nationaler Ebene die EU, scheint auf Lokalebene inzwischen das AGR zu sein. Auf jeden Fall folgte der Stadtrat der Argumentation der GPK und stimmte der vorgeschlagenen zweiten Lesung zu. Damit war klar, dass es zu keiner Schlussabstimmung kommen würde. Dennoch wurden die einzelnen Anträge besprochen. 

Die Fraktionen standen dem Entwurf des Behördenreglements sehr positiv gegenüber. Saima Sägesser betonte, dass sich die SP/GL Fraktion besonders darüber freue, dass die Sozialleistungen für den Gemeinderat und die Betreuungszulagen nun geregelt werden. Auch Paul Beyeler äusserte sich im Namen der EVP/GLP Fraktion wohlwollen über das Behördenreglement, kritisierte jedoch sanft die Lohnerhöhung des Gemeinderats und wies daraufhin, dass das Gehalt des Stapis ja auch die Nebenentschädigungen durch den Grossrat beinhalte, weshalb es eigentlich höher sei, als angegeben. 

Diego Clavadetscher (FDP) äusserte sich wohlwollend über das neue Reglement. Auch er erklärt, wie wichtig es sei, das Amtsgeheimnis genauer zu definieren. In der Stadtverfassung sei das zu wenig klar geregelt, weshalb die Behördenmitglieder in Gefahr liefen, sich unwissentlich strafbar zu machen. Zudem argumentierte er, dass durch die strenge Auslegung des Amtsgeheimnisses ein Zeitverlust entsteht, weil der offene Austausch behindert wird (zum Beispiel zwischen GPK und Fraktion).

Gemeinderat Gfeller (FDP) machte darauf aufmerksam, dass die Öffnung der Geheimhaltung nicht ganz problemlos sei, unter anderem, weil man ja bei manchen Geschäften nicht im Voraus wisse, in welche Richtungen sie  sich entwickeln. Ausserdem stellte er sich ritterlich vor das AGR. „Ein E – Mail bedeutet ja nicht automatisch mindere Qualität“, betonte er. Und natürlich sei es nicht zwingend gewesen, das AGR um eine Einschätzung zu bitten, aber man hätte es halt getan. „Es ist halt so: Je mehr Leute man fragt, desto  mehr Meinungen hat man. Das ist nicht nur unter Juristen so.“ Seine philosophischen Betrachtungen fanden kein Gehör. Der Stadtrat beschloss, das Amtsgeheimnis mithilfe des von der GPK formulierten Antrags zu lockern. 

Nach diesem Grundsatzentscheid ging es weiter. Neben einigen redaktionellen Anpassungen gab es auch noch ein paar interessante Anträge zum Thema Geld. So beantragte die SVP, dass die Erhöhung der Jahresgrundentschädigung des Gemeinderats vom Stadtrat abgesegnet werden soll. Dabei konnte er sich eine Spitze gegen die Linken nicht verkneifen. „In der Privatwirtschaft seid ihr ja schliesslich auch dagegen, dass die CEOs ihre Löhne selber erhöhen“, meinte er süffisant. 

Die Linken liessen das nicht auf sich sitzen. „Die Jahresgrundentschädigung wird bei einem bestimmten Grad der Teuerung angepasst. Es ist also ein Automatismus“, erklärte Roland Loser (SP) und setzt, etwas boshaft hinzu: „Anders als in der Privatwirtschaft, wo EURE CEOs sich einfach willkürlich Bonis ausschütten!“ 

Diese Diskussion rund um geldgierige CEOs feierte bei einem späteren Antrag eine Neuauflage. Und zwar beim Thema Abgangsentschädigung für den Stadtpräsidenten/die Stadtpräsidentin im Falle eines Rücktritts oder einer Abwahl. Die SVP fand den Vorschlag des Gemeinderats zu hoch angesetzt. Janosch Fankhauser, der Fraktionschef, zog dabei noch einmal den Vergleich mit der Privatwirtschaft, wo es solche grosszügigen Entschädigungen schliesslich auch nicht gebe. Damit brachte er Beat Hasler (SP/GL Fraktion/parteilos) gegen sich auf. „CEOs in der Privatwirtschaft bekommen bei ihrer Kündigung eine 10 Millionen Abfindung, bevor sie fröhlich zum nächsten Unternehmen ziehen, um es auch zugrunde zu richten!“, gifetete er. 

Gemeinderat Markus Gfeller (FDP) fand offenbar, dass die armen CEOs genug hatten einstecken müssen. „Es gibt jetzt nicht so viele CEOs die 10 Millionen verdienen“, beschwichtigte er. 

Stimmt. Manche verdienen auch 10 Milliarden…

Dennoch, Abzocker hin oder her, die geplanten Entschädigungen für einen abtretenden Stapi gab zu reden. Während die SVP den Standpunkt vertrat, es sei angesichts des ständig steigendes Budgets nicht angebracht, solche Beträge auszuzuzahlen und es gehöre zum Berufsrisiko eines Politikers, abgewählt zu werden, zeigte die FDP, in Form von Diego Clavadetscher (FDP) mehr Verständnis für die grosszügig berechneten Entschädigungen. Man dürfe nicht vergessen, so Clavadetscher, dass die Wahlen jeweils im Oktober stattfinden. Im Fall einer Abwahl bleibe dem Stadtpräsidenten/der Stadtpräsidentin gerade mal zwei Monate für eine saubere Übergabe der Dossier und für die Suche nach einem neuen Job. Die Argumentation verfing wohl. Der Stadtrat lehnte den Antrag der SVP ab. 

Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag der EVP, die wollte, dass Nebenbeschäftigungen und Entschädigungen des Stadtpräsidenten/ der Stadtpräsidentin immer der Stadt zustehen, auch wenn sie nicht 10 % des Jahresbruttogehalts übersteigen. Die Begründung war allerdings auch ein bisschen abenteuerlich. Der Lohn des Stadtoberhaupts sei ohnehin sehr grosszügig bemessen, zumal die Verantwortungen und Aufgaben abnehmen würden. Der aktuelle Stadtpräsident habe ja auch bereits festgestellt, dass er viele Dinge delegieren könne, so Paul Beyeler, im Namen seiner Fraktion. Dem verdutzten Gesichtsausdruck von Stapi  Reto Müller (SP) nach zu schliessen, ist ihm selber das  zwar völlig neu, aber wohlmöglich haben die Aufgaben sich ja ganz von alleine verteilt.

Nachdem alle Anträge durchgehechelt wurden, wurde das neue Behördenreglement zur Seite gelegt. Das dritte Traktandum könnte man auch getrost als: Die unendliche Geschichte bezeichnen. Es geht um Schulsozialarbeit. Beziehungsweise um, wie es inzwischen offiziell heisst, Entlastung der Lehrpersonen. Seit Jahren knorzt der Stadtrat an der Schulsozialarbeit rum. Einst hatten die Linken die Einführung sogar durchbekommen, später wurde der Entscheid aber von den Bürgerlichen wieder gekippt, dann beschloss man als Kompromiss die Einführung einer kostenneutralen Entlastung der Lehrpersonen (fragt mich nicht, wie die aussehen soll).

Matthias Wüthrich (Grüne), Gemeinderat des Ressorts Bildung, musste um eine Fristverlängerung bitten. Offen räumte er ein, dass er und seine Leute, bei der Bearbeitung der Motion sich zu sehr auf den Wortlaut konzentriert hatten und dabei übersahen, dass ein Konflikt mit dem Submissionsrecht (das regelt die öffentliche Ausschreibung eines zu vergebenden Auftrags) entstand. Seine geradlinige Ehrlichkeit wurde anschliessend von Corinna Grossenbacher (SVP) gelobt. 

Die Fraktionen stimmten der Fristverlängerung zähneknirschend zu. Was anderes bleibt ihnen allerdings auch nicht übrig. Ich habe im Vorfeld einen Stadtrat gefragt, ob man theoretisch die Fristverlängerung verweigern könnte und er meine nein. Schliesslich könne man den Gemeinderat schlecht zur Strafe bei Wasser und Brot einsperren. 

Das hindert die Stadträte – und Stadträtinnen natürlich nicht daran, ihren Unmut kundzutun. Daniel Steiner – Brütsch (EVP) ereiferte sich darüber, dass es 2019 bereits viele Fristverlängerungen gab und kritisierte das schlechte Projektmanagement. Gerhard Käser (SP), Schulleiter vom Kreuzfeld 1, ärgerte sich über den Standortnachteil, der sich durch das Fehlen der Schulsozialarbeit ergibt. Das macht ihm die Suche nach neuen Lehrkräften nicht einfacher. 

Notgedrungen wurde der Fristverlängerung zugestimmt.

(Achtung: Sozialdemokratisch gefärbte Bemerkung: Mein Mitleid mit den bürgerlichen Stadträten hält sich ehrlich gesagt in Grenzen. Hätte man damals, 2012, die Schulsozialarbeit nicht gekippt, hätten wir schon lange eine und würden jetzt ein Haufen Zeit und Nerven sparen…)

Traktandum 4 war schnell abgehakt. Ein neues Mitglied für die Bau – und Planungskommission wurde gesucht. Laura Baumgartner (SP) wurde einstimmig gewählt. Als ehemalige Gemeinderätin ist sie dafür auch bestens gerüstet. Fast ebenso problemlos gingen Traktandum 5 und Traktandum 6 über die Bühne. 

Die beiden Geschäfte hingen zusammen. Traktandum 5 behandelte die FDP/JLL Motion „Total Cost Ownership“ (Englisch klingt das halt viel dramatischer). Sie verlangt, dass die Stadt bei der Anschaffung von Fahrzeugen, nicht nur die Beschaffungskosten betrachtet werden, sondern die Gesamtkosten. Denn nur so, so die Argumentation der Motionäre, hätten auch Elektroautos eine Chance, in die engere Wahl zu kommen. Die Motion unter Traktandum 6 forderte als direkte Folge davon, die Einführung einer ökologischen Fahrzeugstrategie. 

Beide Motionen wurden mehr oder weniger diskussionslos vom Parlament gutgeheissen. Lediglich Lars Schlapbach (SVP) merkte als Einzelsprecher an, dass man sich von der aktuellen grünen Welle nicht mitreissen lassen soll. Dieser „Modetrend“ störe ihn. Nachhaltigkeit sei wichtig, aber nicht um jeden Preis, so sein Standpunkt. 

Das nächste Traktandum war eine weitere unendliche Geschichte: Die alte Mühle. Seit Jahren steht sie leer und traurig da, ein wunderschönes Gebäude, das nur nicht genutzt wird. Neben der – zweifellos hübschen – Mühle steht aber noch ein Silo. Das ist alt, hässlich und baufällig. Aus irgendeinem – mir unerfindlichen - Grund hängen manche Langenthaler – und Langenthalerinnen daran. Eine Motion fordert nun die Renovation des Silos. 

Die Frage, die den Stadtrat beschäftigte war, ob man das Silo getrennt vom Rest des Areals behandeln soll. Grundsätzlich ist der Gemeinderat daran, ein Konzept für die gesamte Mühle auszutüfteln. Ist es da sinnvoll, Geld für eine Renovierung auszugeben? Stefan Grossenbacher (SVP) warnte dann auch vor einer Pflästerlipolitik und sein Parteikollege, Lars Schlapbach, will grundsätzlich kein Geld in das Silo investieren. Auch die Idee einer Zwischennutzung wurde aufs Tapet gebracht (oder: Wir könnten in Bern fragen, ob sie uns ein Besetzerkollektiv vorbeischicken können. Die haben schliesslich genug davon!) Am Ende siegte die Alte – Mühle – Silo – Nostalgie: Die Motion wurde vom Stadtrat als erheblich erklärt.

Beim Traktandum 8 ging es um die vielen hängigen Baugesuche in Langenthaler. Corinna Grossenbracher (SVP) hatte vom Gemeinderat Antwort auf ihre Fragen zu diesem Thema bekommen und zeigte sich zufrieden damit. Allerdings bedauerte sie, dass es offenbar ernsthafte Probleme im Amt gab. Sie hoffe aber, dass die neue Stadtbaumeisterin, die Situation besser handhaben werde.
Bei der parlamentarischen Fragestunde durfte Michael Schär (FDP) als Stellvertreter von Pierre Masson (SP) zur Einführung von Veloselbstverleihsystemen Auskunft geben (das gibt einen super Zungenbrecher: Ich leihe mein Velo aus dem Veloselbstverleihsystem aus, bevor ich mein Velo aus dem Veloselbstverleihsystem in den Veloständer stellen kann. Sagt das dreimal schnell hintereinander) und Reto Müller (SP) durfte sich noch einmal mit der Mehrwertabgabe rumschlagen (Nein! Bitte, ich kann dieses Wort nicht mehr hören!).

Am Ende dieser bemerkenswert zackig verlaufenden Stadtratssitzung stellte Gemeinderätin Helena Morgenthaler (SVP) noch geplanten Massnahmen zur Bewegungs – und Sportinfrastruktur vor, wobei sie ankündigte, dass das Dokument nicht nur ein Papiertiger bleiben soll (Meine persönlichen Massnahmen in Sachen Sport und Bewegung bleiben immer ein Papiertiger. Aber ich wünsche der Stadt viel Glück!) Und Markus Gfeller (FDP) stellte den neuen Sicherheitschef vor: Luis Gomez, der neue James Bond von Langenthal.

Vielleicht findet er ja sogar die ominösen verschwundenen Eissportakten aus der letzten Stadtratssitzung wieder?
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Best of

„Also, Reto Müller könnte theoretisch Stapi bleiben, bis er 107 Jahre alt ist!“ Pascal Dietrich (FDP) befürchtet, dass Stadtpräsidenten/innen ihre Amtszeit etwas sehr ausdehnen, wenn kein Pensionsalter festgelegt wird. 

„Keine Angst, ich hör vorher auf.“ Schildkröte Reto Müller bleibt selbstverständlich nur bis zu seinem 104. Lebensjahr Stapi.

„Gemäss letztem Wochenende gibt es ja wahrscheinlich bald ein grünes Stadtpräsidium.“ Pascal Dietrich (FDP) bohrt genüsslich in den Wahlwunden der SP.

„Herr Buchli gehört wie Dr. Arn und unser Stadtratspräsident zu den Koryphäen auf dem Gebiet des Gemeinderechts.“ Höfling Pascal Dietrich.

„Wenn ich den Vizestapi recht verstanden habe, fällt das nicht unter unerlaubte Annahme von Geschenken.“ Der sichtlich geschmeichelte Patrick Freudiger (SVP). Wie harmonisch FDP und SVP doch miteinander sein können…

„Manchmal vergisst man auch die männliche Form.“ Janosch Fankhauser (SVP) hat ein Herz für vernachlässigte Männer.

„Möchte sich einer der CEOs äussern?“ Patrick Freudiger übernimmt für einmal das Vokabular eines Linken, nämlich das von Roland Loser (SP).

„Die Bewerber – und Bewerberinnen fragen mich dann, wo die Schnittstellen mit der Schulsozialarbeit sind und ich muss dann sagen: So was Modernes gibt es bei uns nicht!“ Gerhard Käser (SP) nervt sich. Ob sie in seinem Schulhaus so was Modernes wie Wasserhähne und Heizungen haben?

„Manchmal werden Motionen auch umgesetzt, bevor sie überhaupt eingereicht worden sind.“ Gemeinderat Roberto de Nino (SVP) ist stolz auf seine hellseherischen Fähigkeiten.

„Erstaunlicherweise gibt es auch Freisinnige die ökologische Gedanken hegen, ohne ein grosses Theater darum zu machen.“ Urs Zurlinden (FDP). Und irgendwo fällt Christian Wasserfallen in Ohnmacht.

„In meinen Augen ist das Silo hässlich. Es gibt nur eine Lösung: Sprengen!“ Pascal Dietrich hat einen Hang zu rabiaten Lösungen.

„Gibt’s noch andere Sprengmeister?“ Patrick Freudiger nimmt den Ball gerne an.

„Jetzt habe ich mir gerade überlegt: Sagt man jetzt Gästin?“ Corinna Grossenbacher (SVP) bemüht sich um gendergerechte Sprache.


Donnerstag, 24. Oktober 2019

Kommentar: Wahlkater


Sagen wir es doch mal so wie es ist: Für die SP ist es am Wahlsonntag mies gelaufen. Zwar gab es den ersehnten Linksrutsch, aber nur dank dem sensationellen Ergebnis der Grünen, die ein historisches Ergebnis schafften und mal eben so, mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit, Sitz um Sitz eroberten. Auch auf dieser grünen Welle surften die Grünliberalen, die ebenfalls einen beachtlichen Sitzgewinn verbuchen konnte. Und die SP? Obwohl ebenfalls eine ökologische Partei, die sich für Umweltthemen stark macht, kippte sie vom Surfbrett und machte einen Taucher. Das Resultat sind Sitzverluste. 

Im Kanton Bern erwischte es zwei Nationalräte: Corrado Pardini und Adrian Wüthrich, beides Gewerkschafter. Während um den Sitz von Wüthrich schon im Vorfeld gebangt wurde, war die Abwahl des erfahrenen Pardinis eine böse Überraschung. Einziger Trost: Die Frauenliste der SP war erfolgreich. Tamara Funiciello, der streitbaren Ex – Jusochefin, gelang es, den Sitz der abtretenden Margrit Kiener – Nellen zu erobern. Auch in Zürich, eigentlich eine Hochburg der Sozialdemokraten, regnete es keine roten Rosen. Stattdessen gab es eine Ohrfeige vom Stimmvolk. Die SP Kanton Zürich musste ebenfalls zwei Abwahlen verkraften.  

Wie alle anderen auch, war ich vom schlechten Abschneiden meiner Partei überrascht, denn den Umfragen nach, sah es ja eher so aus, als würden wir stabil bleiben oder gar leicht zulegen. Dass es einen Linksrutsch gab, aber ohne uns, ist ernüchternd. 

Die Grünen haben alles richtig gemacht. Sie sind zweifellos die Umweltpartei überhaupt und hatten die ökologischen Themen schon auf ihrer Agenda, als sie noch völlig unsexy waren. Sicher, die Themenkonjunktur spielte ihnen in die Hände. Aber es wäre unfair, ihren Erfolg nur darauf zu schieben. Den Grünen ist es gelungen, sich als frische, offene und coole Bewegung zu präsentieren. Das haben wir nicht geschafft.

Natürlich, hätten wir ein Grün im Namen, wäre es uns wahrscheinlich besser gelaufen. Unser Resultat nur daran festzuhängen, fände ich jedoch nicht richtig. Ich glaube – und das ist jetzt mein persönliches Empfinden – das uns die Flügelkämpfe der letzten Jahre, massiv geschadet und geschwächt haben, besonders, weil wir sie vor aller Augen ausgetragen haben. Statt hinter verschlossenen Türen um Positionen zu ringen, haben wir allzu oft über Pressemitteilungen unsere Streitigkeiten nach aussen getragen und uns dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Nehmen wir zum Beispiel die SP Kanton Zürich. Was für ein Theater in den letzten Jahren! Erst wurde SP – Regierungsrat Mario Fehr von der JUSO angezeigt,  dann schmiss der Sektionspräsident Daniel Frei entnervt seinen Posten hin, weil er mit dem sehr linken Flügel der SP Zürich nicht mehr klarkam, dann gab es ein Intrigenspiel, um eine gute Platzierung des besagten Daniel Freis auf der Nationalratsliste zu verhindern und das Ganze endete schliesslich mit einem Übertritt Freis zu der GLP. Auch Zugpferd Chantal Galladé wechselte zur GLP. Und das alles unter freundlichen Mitwirkung der Medien, die diese Dramen nur zu gerne aufbauschten und kommentierten. In Anbetracht dieser Schlagzeilen ist es eher verwunderlich, dass die SP Zürich bei den Kantonratswahlen gut abgeschnitten hat. 

Diese Querelen stehen exemplarisch für die ständigen Streitigkeiten in der Partei, die sich hauptsächlich um die Frage drehen, ob wir jetzt noch linker sein sollen oder uns lieber der Mitte annähern wollen. Und tatsächlich: Kaum standen  die schlechten Ergebnisse am Sonntag definitiv fest, fing es schon wieder an. Die JUSO forderte prompt einen noch linkeren Kurs, während der sozialliberale Flügel sich mehr Realitätsnähe wünschte. Meiner Meinung nach, bringt uns das nicht weiter. Wir verschwenden viel zu viel Zeit damit, uns lang und breit darüber zu streiten, was jetzt der richtige Kurs ist, statt dass wir vielleicht einfach mal losfahren würden. 

Unsere Partei setzt sich ein für Toleranz und Meinungsfreiheit. Wie sollen wir das glaubwürdig vertreten, wenn wir nicht einmal mit Nuancierungen in unserem linken Meinungsspektrum umgehen können? Ich verstehe echt nicht, wieso es in der SP nicht Platz für einen Daniel Jositsch und für eine Tamara Funiciello geben sollte. Aus einer solchen Spannweite können starke Kompromisse und Lösungen entstehen – sofern man bereit ist die Diskussion zu führen und nicht von Anfang an, stur auf seinem Standpunkt beharrt.
Linke Parteien scheinen einen Hang dazu zu haben, sich untereinander zu zerfleischen. Die SPD wechselt ihre Parteispitze schneller aus, als manche ihre Unterhosen, in England ist sich Labour uneins, ob sie jetzt ein neues Brexit – Referendum wollen oder doch lieber nicht. Und in Amerika half die halbherzige Unterstützung der Demokraten für Hillary Clinton jetzt nicht wirklich dabei, Trump zu verhindern.

Vielleicht liegt es an unseren hohen Ansprüchen. Wir wollen eine bessere Welt, aber die Menschen, die diese Welt bevölkern, sind nun einmal nicht perfekt. Auch unsere Parteimitglieder sind nicht perfekt. Manchmal beschleicht mich aber das Gefühl, dass genau das ein Stück weit von mir verlangt wird. Entscheide dich richtig. Entscheide dich für den richtigen Kurs. Entscheide dich, auch innerhalb der Partei, für eine Seite. Das erzeugt Druck und das ist ein unangenehmes Gefühl. Wenn Parteimitglieder von anderen Parteimitgliedern im Wahlkampf angeschossen werden, wenn Menschen austreten, weil sie sich nicht gehört fühlen, wenn man gegenseitig aufeinander rumhackt, weil der eine zu marxistisch ist und der andere zu neoliberal, dann ist das einfach nur doof. 

Als einfaches Basismitglied geht mir dieses ständige Kursgequatsche inzwischen ordentlich auf den Keks. Ich will eine breit aufgestellte Partei, in der alle Strömungen vertreten sind. Ich will ein Wir – Gefühl im Wahlkampf spüren. Ich will eine SP, die positiv in die Zukunft sieht, die frische Ideen und neuen Schwung hat und die beweist, dass sie eine breit abgestützte Bewegung ist.

Damit meine ich nicht, dass wir uns nicht streiten sollen.

Aber vielleicht sollten wir  uns wieder angewöhnen, es hinter verschlossenen Türen zu tun.

Das andere Stadtratsprotokoll - Die Ostern - Edition: Der (Fast) Liveticker zur Stadtratssitzung vom 25.3.2024

  Das Vorgeplänkel ·         Hallo und herzlich willkommen zum neuen exklusiven anderen Stadtratsprotokoll, geschrieben wie üblich von e...