Dienstag, 31. Oktober 2023

Die Uhr schlägt dreizehn, Teil 2

 

Nun lebte in Langenthal schon seit vielen Jahren ein Mann, den alle nur den Professor nannten, denn er war ein kluger Kopf, was er auch nie vergaß, allen unter die Nase zu reiben, die er für weniger gescheit hielt als sich selbst. Und er war ein Mann, der all sein Streben und Leben stets nach den Fakten ausrichteten. Nach beweisbaren Fakten, wie er betonte, denn er glaubte an nichts, woran er nicht selbst geforscht hatte, und er ärgerte sich über seine Mitmenschen, die seiner Meinung nach, ihren eigenen Verstand nicht nutzten, sondern zugunsten von Reality – TV verkümmern ließen. Selbst Märchenbücher empfand er als perfiden Angriff auf die Aufklärung.

Man kann sich also vorstellen, wie sehr ihm das ständige Gerede von Geistern und Vampiren gegen den Strich ging und wie sehr er es verabscheute, dass seine Stadt, diese so wunderbar geordnete, nüchterne und ganz und gar langweilige Stadt, sich zusehends in ein Tollhaus verwandelte und sich die sonst so vernünftigen Einheimischen gebärdeten, als hätten sie zu viel von den falschen Pilzen genascht. Er verachtete sie für ihre Ängstlichkeit und ihre Leichtgläubigkeit und sie gingen ihn auf die Nerven mit ihrem Knoblauch, ihren Taschenlampen und ihren wispernden Gesprächen über das grauenvolle Unheil, dass angeblich im Schorenwald lauerte.

Schliesslich entschloss sich der Professor, diesem unsinnigen Treiben ein Ende zu bereiten. Er würde beweisen, dass im Schorenwald nichts, aber auch gar nichts war, dass man zu fürchten brauchten – ausser vielleicht ein paar begrabene Aufstiegsträume des SC Langenthals. Und so brach er auf, im Dienste der Aufklärung, fest davon überzeugt, dass sich für all diese Vorkommnisse eine plausible Erklärung finden würde, die nichts, aber auch gar nichts, mit irgendwelchen übernatürlichen Wesen zu tun hatte.

Es war eine kühle Herbstnacht und der Mond hing schön und satt über dem Wald, dessen Bäume schon beinahe kahl waren, denn der Herbst war weit fortgeschritten und der Winter stand vor der Tür. Doch der Professor liess sich weder von der Kälte noch von der Dunkelheit einschüchtern. Er klappte einfach den Kragen seines Mantels hoch und marschierte in den Wald, mit dem Mut eines Mannes, der glaubte, alles schon gesehen zu haben.

Der Professor war erst einige Schritte gegangen, da glaubte er, Geflüster zu hören. Er redete sich ein, dass sei nur der Wind, der durch die Äste pfiff. Dann meinte er Augen aufblitzen zu sehen, leuchtende, gelbe Augen, die ihn fixierten. Glühwürmchen, überzeugte er sich selbst, einfach nur Glühwürmchen, kein Grund zur Besorgnis. Und auch als er das Fauchen vernahm, ein zischendes warnendes Fauchen, drehte er nicht um, sondern ging weiter, voller Trotz.

Dennoch schlich sich die Furcht in sein Herz, denn je weiter er in den Wald ging, desto mehr schienen die Bäume näher zu rücken und ihre Äste schienen sich wie Finger anklagend auf ihn zu richten. Der Professor ging immer schneller und dennoch war ihm, als würde er kaum vorwärtskommen. Die Wege verflochten sich ineinander, wurden zu einem undurchdringlichen Labyrinth und bald hatte er ganz die Orientierung verloren, er wusste nicht mehr, von wo er gekommen war und wohin er eigentlich gewollt hatte.

Verwirrt blieb der Professor schliesslich stehen – so oft war er schon in diesem Wald gewesen und doch erschien er ihm nun wie ein völlig fremder Ort. Erschöpft wollte er sich an einem Baum abstützen, doch als er die Hand auf den Stamm legte, begann dieser zu knurren. Die Wurzeln des Baumes hoben sich aus der Erde und grapschten nach ihm. Schreiend wirbelte der Professor herum und rannte davon. Äste schlugen ihm ins Gesicht, Dornenranken rissen an seinen Kleidern, seine Lunge brannte und seine Seiten schmerzten, aber er rannte immer weiter, bis seine Füße an einem Stein hängen blieben und er der Länge nach hinstürzte.

Benommen blieb er liegen. Da fielen sie über ihn her, die Schatten, die ihn seit Betreten des Waldes verfolgt und belauert hatten. Waldkatzen, riesige wilde Waldkatzen, in deren goldenen Augen Intelligenz und Grausamkeit leuchteten. Ihre Krallen rissen an seinen Kleidern, ihre Zähne bohrten sich in sein Fleisch und ihre Pfoten drückten ihn nieder – Waldkatzen, riesige wilde Waldkatzen. Er schrie und versuchte, die Tiere abzuschütteln, aber es waren zu viele und sie waren zu stark. Und während er schrie, glaubte er, eine Stimme zu hören, eine spöttische und boshafte Stimme. Wir haben euch gewarnt. Ihr seid nicht willkommen.

Dann hörte er etwas anderes. Das Krächzen von Raben. Nur, dass es ganz anders klang. Nicht mehr so misstönend, sondern eher lockend, verheißend. Die Katzen hielten in ihrem brutalen Treiben inne und spitzten die Ohren. Dann, so plötzlich wie sie über ihn hergefallen waren, ließen sie von ihm ab und verschwanden zwischen den Bäumen, so leise wie Diebe in der Nacht.

Der Professor richtete sich auf. Er blutete aus mehreren Kratzen – und Bisswunden und der Schreck saß ihn in den Gliedern. Er sollte gehen, er wusste es, er sollte den Wald verlassen, die Warnung war deutlich gewesen. Er konnte es nicht. Zu stark war die Neugier, zu groß sein Verlangen irgendeine natürliche Erklärung für das ganze Geschehen zu finden. Und dann war da noch der Rabengesang…denn das Krächzen hatte sich nun endgültig verwandelt, in eine schöne dunkle Melodie, die ihn anzog, wie sie die Katzen angezogen hatte.

Etwas rief die Geschöpfe des Waldes zu sich.

Also rappelte der Professor sich auf. Er konnte kaum gehen, er taumelte eher, als er wie ein Schlafwandler der Melodie folgte. Es dauerte nicht lange, da sah er einen rötlichen Schein, der durch die Bäume schimmerte  und er stolperte darauf zu, wie eine Motte, die vom für sie tödlichen Licht angezogen wird. Feuer. Es musste ein Feuer sein, dachte der Professor, wahrscheinlich feierte jemand eine wilde Party und hatte sich diese Gruselshow ausgedacht, um ungestört zu sein. Er würde sie für diese Geschmacklosigkeit stellen – die kläglichen Reste seines Verstandes klammerten sich an diese Erklärung, die jedoch noch einmal gehörig ins Wanken geriet, als er die Kröten erblicke. Die Kröten, die den Weg säumten, warzige und bucklige Wächter, die ihm grösser schienen als alle Kröten, die er je gesehen hatte.

Dennoch kehrte er nicht um, sondern humpelte weiter auf den Feuerschein zu, schob sich durch das Dickicht… bis er schliesslich so nahe war, dass er die Quelle erkennen konnte.

Ihm stockte der Atem.

Das Feuer war riesig. Wie ein Leuchtturm loderte es, ungezähmt und wild, die Flammen so hoch, dass sie den Himmel zu berühren schienen. Um das Feuer, ungestört von der Hitze, flogen sie, die Raben und sangen schön wie die Nachtigallen, doch es war nicht das, was den Professor schockierte und sein Blut gefrieren liess, es waren die Frauen. Die Frauen, die barfuß um das Feuer tanzten und dabei sangen und lachten, als gebe es kein Morgen.

Es waren alte und junge Frauen, aber sie alle waren grässlich schön, wie sie herumtobten, ihre bunten Röcke wirbeln ließen und ihr langes Haarschüttelten. In ihren Händen hielten sie Besen, die sie mal geschickt über ihre Köpfe wirbeln ließen, dann wieder energisch auf die Erde stießen. Und um ihre Füße strichen die Waldkatzen, schlossen sich ihrem wilden Tanz an, so wie die Raben es taten. Funken stoben um die Tanzenden, doch der Professor hätte sie eigentlich nicht gebraucht, um zu wissen, was er hier sah: Hexen.

Noch bevor er den Gedanken an Weglaufen in seinem Kopf formen konnte, hatte ihn eine der Hexen, eine große weißhaarige Frau schon entdeckt. Sie entblößte ihre Zähne zu einem fürchterlichen Lächeln und winkte ihn mit ihrem Zeigefinger zu sich, worauf sich seine Füße von selbst in Bewegung setzten, bis er vor ihr stand. Sie hob die Arme und rief: „Schwestern, wir haben einen ungebetenen Gast. Lasst ihn uns willkommen heißen.“  Kreischend und lachend, stürzten die Hexen herbei und griffen nach seinen Händen und zwangen ihn, mit ihnen, um das Feuer zu tanzen.

Es  war kein hübscher Tanz. Die Hexen zogen ihn unbarmherzig mit sich, stießen ihn von einer zu anderen, sie rissen ihn an den Haaren, schlugen die langenFingernägel in seine Haut und drehten ihn immer schneller um die eigene Achse, so dass ihm bald so schwindlig war, dass er nicht mehr richtig sehen konnte. Das Feuer, die Raben, die Katzen, die bunten Röcke der Hexen…alles verschwamm zu einem undeutlichen Wirbel. Nur die Augen der Hexen, die konnte er klarsehen, die anklagenden grünen Augen der Hexen, die seine Seele entblößten und sein Inneres ihn Brand setzten. Bald schmerzten seine Füße so sehr, dass er glaubte, jeden Moment tot zur Erde zu sinken, aber die Hexen rissen ihn mit sich, als wäre er ihre Puppe, mit denen sie spielten.

Immer dichter zogen die Hexen ihre Kreise und immer mehr drängten sie ihn zum Feuer. Er konnte die Flammen auf seiner Haut spüren. Der Rauch machte ihm das Atmen schwer und er hustete, was bei den Hexen zu Gelächter führte. „Na, quält dich das Feuer? Fühlst du schon seine tödliche Hitze? Unsere Schwestern haben es auch gespürt“, sprach da die weißhaarige Hexe, „unsere Schwestern, die ihr verfolgt und ermordet habt, ihr Männer, die ihr alles fürchtet, was mehr Macht hat als ihr. Gestorben sind sie, unter Schmerzen, schreiend und ihr habt euch an ihren Qualen geweidet. Aber ihr habt uns nicht vernichtet, wir sind noch da und immer, wenn wir uns zum Tanz versammeln, gedenken wir unserer toten Schwestern und du hast es gewagt uns zu stören, weil du zu arrogant warst, die Gefahr zu erkennen. Das wirst du nun büßen! Ins Feuer mit dir!“

„Ins Feuer!“, schrien die anderen Hexen und ehe der Professor um Erbarmen flehen konnte, hatte sie ihn schon gepackt. „Brennen sollst du, wie sie gebrannt haben!“ Und sie warfen ihn ins Feuer, als sei er nicht mehr als ein Holzstück und die Flammen labten sich an ihm, verschlangen ihn und seine Schreie wurden erstickt durch die Asche, die ihm in Mund und Atemwege gelang. Sein Körper wurde zu einer eitrigen Wunde und als die Schmerzen ihm endgültig den Verstand raubten, auf dem er doch so stolz gewesen war, fiel er in eine gnädige Dunkelheit. 

Als er wieder zu sich kam, lag er in einem weichen weißen Bett und eine freundliche Pflegefachfrau beugte sich lächelnd über ihn. Seine erregten Fragen nach Hexen und Katzen und Raben ignorierte sie. Sie erzählte ihm stattdessen, Spaziergängen hätten ihn am frühen Morgen ohnmächtig am Waldrand gefunden. Er hätte eine Gehirnerschütterung und sei unterkühlt, aber das würde schon wieder werden. Wahrscheinlich, erklärte sie ihm, während sie seine Vitalwerte überprüfte, habe er sich im nächtlichen Wald den Kopf an einem Ast gestoßen, das erkläre zumindest die unschöne Kopfwunde.

Das erschien dem Professor eine logische Erklärung, zumal er an seinem Körper weder Verbrennungen noch Biss – oder Kratzwunden finden konnte. Ja, so musste es gewesen sein. Er hatte sich einfach den Kopf angeschlagen und hatte aufgrund der Gehirnerschütterung diesen entsetzlichen Hexentanz zusammenfantasiert. Alles nur ein böser Traum. Obwohl er immer noch glaubte, die Hitze des Feuers zu spüren, weshalb er die Pflegefrau bat, das Fenster zu öffnen, was sie ohne Umschweife tat, wobei sie die Bemerkung fallen liess, wie schön es doch sei, mal wieder die Sterne am Nachthimmel zu sehen – der Nebel hatte sich nämlich endgültig verzogen.

Erleichtert liess sich der Professor in die Kissen zurücksinken. Der Nebel war verschwunden und mit ihm wahrscheinlich auch die Raben und die Kröten. Bestimmt hatte das irgendeinen Zusammenhang mit dem Klimawandel, dachte der Professor, während er die Augen schloss, eine seriöse naturwissenschaftliche Erklärung…sobald er wieder bei Kräften war, würde er alles daransetzen, eine zu liefern, damit dieser Hokuspokus endlich ein Ende hatte.

Von fern erklangen die Schläge der Turmuhr.

Dreizehnmal.

Du bist verstoßen aus der Welt,

Du bist auf Dich allein gestellt,

Die Waldluft hüllt Dich tröstend ein,

Sie scheint dir Freund und Schutz zu sein,

Du hast den Kampf noch nicht verloren,

Du kommst zurück, hast Du geschworen,

Und wenn die Hexe wiederkehrt,

Dann bleibt kein Richter unversehrt!

Aus: „Schrei es in die Winde“ von Faun

Montag, 30. Oktober 2023

Die Uhr schlägt dreizehn, Teil 1



Nebel hing über Langenthal.

Böse Zungen mochte behaupten, das sei nun wahrlich nichts Neues, Nebel gehöre zum Oberaargau wie die absurd hohe Anzahl von Kreiseln. Aber dieser Nebel war anders. Zäh wie Kaugummi legte er sich über die Straßen und keinem Sonnenstrahl gelang es, das gespenstische Weiss zu durchdringen, so dass die  Langenthaler: innen zusehends orientierungslos in ihrer eigenen Stadt rumtapsten (wobei, auch da waren sie sich einiges gewöhnt, denn schliesslich entbehrte die Strassenbeschilderung seit jeher jeglicher Logik).

Die Stadt ging mit dem ungewöhnlichen Wetterphänomen so um, wie sie es immer mit Problemen zu tun pflegte: Sie ignorierte es, solange es ging. Bis jemand von den hohen Trottoirs stürzte und sich das Bein brach. Zwar stellte sich schnell heraus, dass das Opfer sich ein bisschen zu viel vom Langenthaler Fürobebier hinter die Binde gekippt und dass der Nebel bei dem Sturz wohl nur eine zweitrangige Rolle gespielt hatte, trotzdem schickte der Gemeinderat nach diesem Vorfall vorsorglich jedem Langenthaler Haushalt eine Taschenlampe, mit der eindringlichen Bitte, diese auch zu benutzen.

Die Langenthaler:innen zeigten sich durchaus zufrieden mit diesen Lösungsansatz (bis auf einige Stadträt:innen, die erbost verkündeten, sie ließen sich vom Gemeinderat nicht vorschreiben, welche Lichtquellen sie zu verwenden haben und lieber mit Kerzenleuchter durch die Gegend rannten) und der  Gemeinderat glaubte schon, die Krise überstanden zu haben, da begann die Choufhüsiuhr verrückt zu spielen.

Um Mitternacht erklangen nämlich plötzlich nicht mehr zwölf Schläge. Sondern dreizehn.

Zuerst hielt man es für einen normalen Defekt, der ja durchaus auch mal vorkommen konnte, schliesslich hatte das Zeigerwerk schon mal versagt. Doch keiner der eilig herbeigerufenen Uhrenexperten vermochte es, das Uhrwerk wieder auf Kurs zu bringen: Was sie auch anstellten, die Uhr beharrte auf ihren dreizehn Schlägen. Und auch der Versuch, sie ganz abzudrehen scheiterte.

Der Stadtrat kritisiere das, wie er es nannte, eklatante Versagen der Regierung, schliesslich widerspreche das eigenwillige Gebaren der Uhr dem städtischen Beläutungskonzept. Er forderte sofortige Gegenmaßnahmen, alles andere sei unzumutbar. Das wiederum veranlasste den entnervten Stadtpräsidenten zu der Bemerkung, dass es den meisten Langenthaler:innen wohl herzlich egal sein dürfte, ob die Uhr um Mitternacht jetzt zwölf oder dreizehn schlage, schliesslich sei um diese Zeit ohnehin niemand mehr in der Stadt unterwegs und überhaupt sei eine durchgedrehte Uhr nun wirklich nicht das Ende der Welt.

Tatsächlich dauerte es nicht lange, da sehnte sich der Stadtrat förmlich nach den Zeiten, als Nebel und Uhr noch die größten Probleme von Langenthal darstellten (ganz zu schweigen von Zeiten als man sich noch leidenschaftlich über falsche gesetzte Kommata in Abstimmungsbotschaften gestritten hatte), denn dann kamen die Raben.

Und die Raben blieben.

Nicht, dass Vögel im Allgemeinen oder Raben im Speziellen im Oberaargau so selten gewesen wären, aber noch nie, und da waren sich die Ornitholog:innen alle einig, hatten sie sich dermaßen in Scharen in einer Stadt niedergelassen, wie es in Langenthal nun der Fall war.  Grüppchenweise ließen sie sich auf Schildern nieder und beobachteten die vorbeilaufenden Menschen aus klugen dunklen Augen, ganz so, als ahnten sie eine finstere Zukunft voraus. Das allein wäre wahrlich schon unheimlich genug gewesen, aber ihr lautes Krächzen drang selbst durch die dicken Mauern des Stadttheaters, so dass schliesslich sogar ein Konzert abgebrochen werden musste (wobei einige Besuchende im Nachgang meinten, das Krächzen hätte sich eigentlich gar nicht so sehr von der Gesangsdarbietung der Künstlerin unterschieden, denn es handelte sich um Konzert der modernen Klassik, ein weiterer verzweifelter Versuch, der fasnachtsversuchten Bevölkerung wenigstens etwas hochstehende Kultur einzubläuen).

Die Raben waren aber nicht ganz so schlimm wie die Kröten die sich wie eine Plage in der ganzen Stadt ausbreiteten, so dass man bald keinen Schritt mehr gehen konnte, ohne fürchten zu müssen, eine zu betreten. Am beliebten Wochenmarkt kam es gar zu Tumulten, als an einem Stand mehrere Kröten aus den Körben gesprungen kamen. Während die Menschen kreischend zurückwichen, krochen die Kröten frohgemut weiter (tatsächlich kamen sie mit den Pflastersteinen besser klar als manche Langenthaler:innen), wobei sie eine widerlich schleimige Spur hinter sich herzogen, die der Werkhof schliesslich mühselig wieder entfernen musste.

Mehrere Marktbesuchende erlitten Nervenzusammenbrüche und begannen vom „Fluch der Kröten“ zu faseln, was gewissermaßen der Startschuss war für das Aufblühen allerlei Gespenstertheorien. Nebel, Uhr, Raben, Kröten – das alles, so die einhellige Meinung der meisten Langenthaler:innen deutete eindeutig auf übernatürliche Geschehnisse hin. Man war sich nur nicht ganz einig in der Frage, ob Gespenster, Vampire oder doch die guten alten Hexen für die merkwürdigen Geschehnisse verantwortlich waren. Bald waren in der Bibliothek sämtliche Bücher, die sich mit alten Legenden und Sagen befassten, ausgeliehen und es entstand ein schwunghafter Handel mit allerlei Talismanen und Amuletten, die vor übernatürlichen Feinden schützen sollten. Ganz abgesehen davon, dass viele Leute dazu übergingen, sich mit Knoblauch zu behängen, was wiederum zur Folge hatte, dass Langenthal nun nicht mehr als durchschnittlichste Stadt, sondern als die stinkendste Stadt der Schweiz galt.

Im ganzen Trubel  fiel niemanden auf, dass in sämtlichen Geschäften alle Reisigbesen ausverkauft waren.

Natürlich gab es einige Langenthaler:innen, die nicht an Übernatürliches glaubten und das Gerede abfällig als Hirngespinsten abtaten. Wetterphänomene hatte es schliesslich immer schon gegeben, Uhren gingen nun mal auch kaputt und wer wusste schon, was in den Köpfen von Amphibien vor sich ging, meinten sie und bedachten ihre ängstlichen und hysterischen Mitbürger:innen mit spöttischem Kopfschütteln.

Der Spott verging ihnen jedoch schnell, als es im Schorenwald zu einem merkwürdigen Geschehnis kam. Zwei Fans des SC Langenthals wollten sich nach einem Match - der in einer krachenden Niederlage geendet hatte – noch ein wenig die Beine vertreten. Sie kehrten nicht zurück. Am nächsten Morgen fand man sie,  zitternd und bleich am Waldrand, die Augen weit aufgerissen, mit Kratzen an Armen und Beinen. Diese, so erzählten sie später mit klappernden Zähnen, stammten von Waldkatzen. Diese hätten sie attackiert, kaum hätten sie einen Fuß in den Wald gesetzt. Und dann, hätten die Bäume angefangen zu sprechen und zu lachen und sie hätten gerufen, dass sie hier nicht willkommen seien, der Wald gehöre jetzt anderen Mächten und sie sollen sich hüten, ihn aufzusuchen, bis der Vollmond vergangen und das letzte Herbstblatt gefallen sei.

Zwar tat man die Geschichte erst als das Hirngespinst zweier Betrunkener ab, doch bei der Untersuchung im Krankenhaus stellte sich heraus, dass die beiden stocknüchtern waren und dass die Kratzer tatsächlich von Katzen stammten. Und so entschied der Gemeinderat, dass der Schorenwald vorerst von niemanden betreten werden durfte, wobei die offizielle Version lautete, im Wald treibe ein vom Zoo entlaufener Panther sein Unwesen.

Aber die Menschen in Langenthal wussten es besser.

Was auch immer im Schorenwald sein Unwesen trieb: Es war kein Tier.

Es war etwas anderes.

Etwas Mächtiges.

Montag, 23. Oktober 2023

Das andere Stadtratsprotokoll: Der (Fast) Liveticker zur Stadtratssitzung vom 23.10.23 - die Herbst - Edition

 


 

Vorwort

 

·        Hallo und herzlich willkommen zum einzigartigen (Fast) Liveticker zur Stadtratssitzung vom 23.10.23 und nur mal so zur Vorwarnung, ich bin emotional enorm angeschlagen. Nicht wegen des gestrigen Wahlsonntags (Rechtsrutsch, püh, Rechtsrutsch, interessiert mich doch nicht, ich habe inzwischen so viele Rechtsrutsche erlebt, dass ich mich manchmal wundere, dass ich noch nie seitwärts von der Erdkugel gerutscht bin, aber das liegt wohl an meinen schweren Stiefeln mit den superfesten Sohlen), sondern weil mein Kater unbedingt mit mir schmusen wollte, als ich aus dem Haus ging und ich musste ihn einfach zurücklassen, damit ich nicht zu spät komme.

·        Ich habe die heutige Traktandenliste ungefähr zehn Sekunden angeschaut, dann entschieden, dass sie mir zu lang ist und sie wieder weggeklickt. Manchmal wäre es schön, wenn das live auch ginge, einfach zur Seite wischen, wenn mir ein Traktandum zu lange geht.

 

·        Es ist jetzt offiziell und endlich Herbst (hurra, hurra, der Sommer ist endlich nicht mehr da, hurra, hurra, der Sommer ist nicht mehr da) und wir dürfen gespannt sein, wie entspannt der Stadtrat nach den entspannenden Sommer/Herbstferien ist und ob wir eine angespannte oder entspannte Sitzung verleben werden. Alles ganz entspannt.

 

 

Teil 1: Effizienz, Baby, Effizienz

·        Wir dürfen mal wieder eine Abstimmungsbotschaft genauer unter die Lupe nehmen. Da freue ich mich doch. Duden lässt grüssen. Abstimmungsbotschaft zu Budget und Erfolgsrechnung. Yay. Da freue ich mich noch mehr. Mein Leben ist schön.

·        Das ist übrigens eine Altlast von der vorletzten Sitzung, wo der Stadtrat «intensiv» über das Budget 2024 diskutiert hat (wie es Gemeinderat Roberto de Nino so schön ausdrückt. Nette Umschreibung für drei Stunden zähes Verhandeln über einzelne Budgetposten. Ich hätte es eher «höllische Debatte» genannt, aber ich bin zugegeben auch eine dramatische Natur).

·        Der Botschaft wird diskussionslos zugestimmt. Und ich musste noch nicht einmal wegwischen. Ich kann es kaum erwarten, die Botschaft zu lesen, das wird sicher mindestens so spannend wie der neue Thriller von Sebastian Fitzek. Nur hoffentlich weniger blutig.

 

·        Okay, also ich weiss nicht, ob die Stadträt:innen während der Ferien bemerkt haben, dass sie tatsächlich noch andere Hobbys haben, als in einem stickigen Raum über Parkplätze zu streiten, aber sie scheinen heute heiss auf speditives arbeiten zu sein, jedenfalls fliegen wir quasi durch die Traktanden. Rechnungsprüfung ist auch schon vergeben.

 

 

Teil 2: Wir agglomentieren weiter– oder so

 

·        Schon wieder ein Teilprojekt aus dem Agglomerationsprogramm, das genehmigt werden muss. Bushaltestellen sollen behindertengerecht gemacht werden. Und zum Teil an die Kantonsstrassen verlegt werden. Aber nicht alle. Offenbar gibt es auch solche, die man «frequenzbedingt» gar nicht umbauen will. Also, die Bushaltestellen, die man sowieso nicht braucht, sondern eher zur Deko da sind (schaut mal, wir sind eine Stadt, wir hätten theoretisch einen ÖV, den wir zwar nicht wirklich brauchen, aber guckt mal, die schöne Haltestelle) Und es gibt eine neue Buslinie. Hurra.

·        4.15 Mio Franken soll das kosten. Und dafür braucht die Stadt einen Planungskredit. Nur haben wir da evtl. das klitzekleine Problem, das die Bundesmillionen verfallen könnten, weil wir zu langsam sind und die Fristen verpassen könnten. Das über uns hängende Damoklesschwert, wie Robert Kummer (FDP) es ausdrückt.

·        Die GPK zeigt sich besorgt über die zunehmende Komplexität des Agglomerationsprogramm – ganz zu schweigen von der Finanzierung. Der Gemeinderat antwortet darauf, er sehe das nicht als «Überforderung», sondern «Herausforderung.» Das, was dir also jeder CEO sagt, wenn du gerade heulend vor ihm zusammenbrichst, weil du deine Aufgaben nicht mehr schaffst.

·        Die Teilprojekte sollen zusammengelegt werden, was die FDP unterstützt. Stellt aber noch den Antrag, dass dem Schlussantrag noch ein Punkt hinzugefügt wird, und zwar, dass die Projektphasen sich terminlich überschneiden sollen, damit wir die Bundes – und Kantonsbeiträge nicht mehr verlieren. Die SP/GL Fraktion muss das erst einmal setzen lassen.

·        Fanny Zürn (GL) bedauert es, dass die Gemeinden bis kurz vor knapp warten, um den barrierefreien ÖV möglich zu machen. Hier erlaube ich mir eine kurze Bemerkung meinerseits: Wir sind alle nur einen Unfall davon entfernt, auf behindertengerechte Bahnhöfe und Haltestellen angewiesen zu sein.

·        Nathalie Scheibli (SP) wünscht sich eine Stellungnahme vom Gemeinderat zum Antrag der FDP, weil sie nicht sicher ist, ob der Antrag überhaupt umsetzbar. Reto Müller (SP) eilt sogleich zum Rednerpult und bittet – ganz ungewöhnlich – darum den Antrag der FDP anzunehmen. Es sei schwierig, der Bevölkerung klarzumachen, warum es manchmal sechs Jahre dauern würde, den Anwesenden, so Müller, sei jedoch wahrscheinlich klar, welche Hürden es zu bewältigen gibt. Wege zu verkürzen, trage eben immer auch ein Risiko in sich.

·        Verkehrslösung wird angenommen, inklusive dem Antrag der FDP. Friede, Freude, Eierkuchen. So viel Harmonie, so schön. Da wird mir doch fast ein bisschen schlecht.



Teil 3: Die Cinderella - Story

 

·        Okay, ich hätte das mit der Harmonie nicht schreiben sollen, denn die FDP will sehr wohl streiten… äh diskutieren.  Die FDP hat in einer Interpellation nachgefragt, wie das denn mit den Fristen sei. Also, ob es wirklich gesichert ist, dass wir in Sachen Bundes – und Kantonbeiträgen wirklich Nachfristen gewährt bekommen. Ich finde, der Stadtrat sieht das viel zu negativ, vielleicht wollte der Gemeinderat sich ja einfach mit dem Teil der Bevölkerung solidarisieren, die immer die Fristen bei den Steuern verpassen.

 

·        Hahaha, Technik liegt ab. Unruhe im Saal, Stadtratspräsident bittet alle Anwesenden sitzen zu bleiben (das ist wie in der Schule, kaum zeichnet sich eine Pause ab, stürzen alle raus, um zu quatschen oder zu rauchen. Oder beides). Vielleicht hat die Anlage einfach Hunger. Oder keinen Bock mehr, das Wort «Agglomerationsprogramm» aufzunehmen. Zum Glück gibt das Mikrofon bei Robert Kummer den Geist auf. Nicht, weil er Blödsinn erzählt hätte, sondern weil seine Stimme laut genug ist, das arme Protokollant:innen auch ohne technische Verstärkung mitschreiben könne.

 

·        Das fröhliche Diskutieren beginnt mit Diego Clavadetscher (FDP), der sich an die schönen Zeiten erinnert, als wir meinten, wir bekämen einfach Geld vom Kanton und Bund. Allerdings hinken wir jetzt massiv hinterher, denn, so Clavadetscher, es ist eben nicht so, dass wir irgendwas heute umgesetzt hätten, sondern wir haben erst einmal die Planung beschlossen. Und dann redet er ganz viel von Schuhen. Der Schuh, den wir uns als kleine Stadt anziehen, so der FDP – Stadtrat, sei viel zu gross und wenn wir nicht klug handeln, würden wir einen Schuh rausziehen. Ausserdem seien bei diesen Schuhen bereits sehr viele Fehler passiert, man könne sich also vorstellen, wie wir erst bei der Schuhkollektion versagen werden. Und, wenn der Schuh zu gross ist, müsse man eben einen kleineren anlegen. Cinderella lässt grüssen.

 

·        Ihren Vorrednern schliesst sich Corinna Grossenbacher (SVP) an. Sie fragt sich, ob Langenthal überhaupt über die Ressourcen verfügt, das sehr ambitionierte Agglomerationsprogramm 3 umzusetzen. Denn wir hinken bereits hinterher, zum Beispiel in Sachen Behindertengerechtigkeit. Abspecken will Pascal Dietrich (parteilos) das Agglomerationsprogramm ebenfalls, erkennt aber an, dass der Gemeinderat bereits entschlackt hat. 

 

·        Dyami Häfliger (GLP) betont, dass seine Fraktion sich die inhaltliche Umsetzung des Agglomerationsprogramms sehr wünsche und dass sie es begrüssen würden, wenn der Gemeinderat noch deutlich aufzeigen könnte, wie die Stadt das schaffen kann. Vielleicht, wenn sich alle ein Bob der Baumann Kostüm anziehen und rufen: Schaffen wir das? Jo, wir schaffen das! Hilft wahrscheinlich auch nicht, aber wir fühlen uns dann besser.

 

·        Nathalie Scheibli (SP), wendet sich an höhere Stellen. Nicht an Gott, aber an die Stelle kurz davor: Den Bundesrat. Sie gibt zu bedenken, dass dieses Aggloprogramm 2019 in die Wege geleitet worden ist – damals sei die Welt noch eine andere gewesen.

 

·        Für den Support und die Diskussion bedankt sich Stapi Reto Müller (SP). Er verortet die Probleme auch in anderen Städten, die ebenfalls Mühe damit bekunden, die Fristen des Bundes einzuhalten.  Zwischen Herausforderung und Überforderung sei es zudem immer ein schmaler Grat, auf dem man wandelt, aber man arbeite unter Hochdruck. «Wenn wir am gleichen Strick ziehen», so Reto Müller, «ist es zu schaffen.» Alle Anwesenden hatten bei diesen Worten Tränen in den Augen, haben sich erhoben und wie aus einem Mund geschworen: «Wir wollen sein, ein einig Volk von Brüdern!»

 

·        Nein, das ist natürlich nicht so passiert, aber in meinem Kopf ist es so abgelaufen und ich finde meine Kopfkinos viel unterhaltsamer als die schnöde Wirklichkeit. Trotzdem endet die Diskussion sehr versöhnlich und konstruktiv.

 

 

Teil 4: Wasser ist zum Waschen da, fallerli und fallerla

 

·        Die SP – GL Fraktion hat eine Motion eingereicht, die Langenthaler:innen mehr Zugang zu der Langete gewährt. Nicht nur, wie Sandro Baumgartner ausführt, um die Bevölkerung abzukühlen (noch ein paar Steuererhöhungen und das ist dringend notwendig), sondern auch, weil Gewässer Publikumsmagnete sind. In Langenthal klappe das beim Wuhrplatz ja auch ganz ausgezeichnet. Bewusst habe die Fraktion auf einen Zeitplan verzichtet, denn sie seien zu wenig in der Materie drin, um die Details ausarbeiten zu können. Weibelt für eine Annahme der Motion.

·        Kaum reden wir über die Langethe wird es poetisch. Janosch Fankhauser (SVP) zeigt sich richtig gerührt über die schönen Worte. Er schwärmt von den leicht verwinkelten und verwunschenen Plätzen der Langethe (er meint damit wohl jene Plätze, die man nur erreicht, indem man sich durch Büsche kämpft und sich beim Runterklettern der Böschung fast das Genick bricht). Aufgrund der finanziellen Lage der Stadt, aber auch in Hinblick der personellen Ressourcen, die zudem mit dem Agglomerationsprogramm schon genügend gebunden seien, lehne er und die SVP die Motion ab. Die FDP argumentiert ähnlich.

·        Ein grosses Herz für die Langethe hatte seit jeher Pascal Dietrich (parteilos). Seit fast zwanzig Jahren, so Dietrich, kämpfe er dafür, dass der Bach im Stadtzentrum wieder sichtbarer werde. Inzwischen hätten wir zwar ein Konzept Fliessgewässer (ja, das gibt es), und trotzdem sei halt noch nicht viel gegangen. Dankt der SP/Grünen Fraktion, dass sie das Thema aufgenommen habe und sichert seine Unterstützung zu.

·        Ich würde die Langethe ja einfach ab und zu wieder die Stadt runterlassen und ein paar Kaimane aussetzen. Dann laden wir ein paar Blick – Journis ein und zack, haben wir Tourist:innen, die hektisch nach Nessi suchen. Gut, vielleicht nehmen wir keine echten Kaimane, sondern lieber solche aus Plastik. Ist zwar nicht umweltschonend, aber die beissen wenigstens niemanden in den Hintern.

 

·        Die SP/GL Fraktion findet mehr oder weniger, man könne Geld auch wirklich dümmer ausgeben, zudem die baulichen Eingriffe, sich in Grenzen halten würde. Nach Saima Sägesser (SP) sei es zudem eine verpasste Chance, mehr Lebensraum für Insekten zu schaffen. Und Frösche, ich will Frösche, ich liebe Frösche!

 

·        Gemeinderat Michael Schär (FDP) widerspricht den Motionär:innen insofern, dass man keineswegs nichts mache. Man arbeite vielmehr nach dem Konzept Fliessgewässer. Das brauche Zeit und Projekte, so Schär. Im Falle von Langenthal wahrscheinlich SEHR VIEL Zeit und SEHR VIELE Projekte. Das muss noch viel Wasser die Langethe runterfliessen (findet ihr nicht auch, dass das Verwenden dieses Sprichworts, in Verbindung mit dem lokalen Bezug, das Niveau dieses Blogs unglaublich hebt?)

 

·        Wenig überraschend wird die Motion abgelehnt. Das war’s wohl mit den Fröschen. Aber kann der Gemeinderat sich vielleicht mein Konzept mit den Kaimanen überlegen, ich finde, das hat wirklich sehr viel Potential.

 

 

Teil 5: Theater, Theater, Theater

 

·        Das Stadttheater – das ja in letzter Zeit immer mal wieder für erhitzte Gemüter gesorgt hat – soll in eine öffentlich – rechtliche Anstalt umgewandelt werden. Besonders im Budgetprozess flogen die Fetzen. Pascal Dietrich (parteilos) führt dann auch aus, dass die aktuelle Situation nicht optimal sei. Das Stadttheater muss bereits vor dem Budget entscheiden, wie die Saison gestaltet wird. Für den Stadtrat sei es dann wiederum unbefriedigend, dass er beim Budgetprozess bei diesem Posten gar nichts nachjustieren kann, weil das Programm ja schon geplant ist. So hätten sich die bürgerlichen Parteien überlegt, wie man die für alle Seiten schwierige Situation am besten lösen könnte. Und sei auf die vorliegende Lösung gekommen.

·        Die anderen Fraktionen und der Gemeinderat haben eher zögerlich auf diese Motion reagiert. Daher haben sich die Motionär:innen bereits im Vorfeld dafür entschieden, sie in ein Postulat zu wandeln.

 

·        Die Mitte (in Langenthal bestehend aus EVP und GLP) begrüsst die Wandlung. Auch sie sind nicht glücklich mit der aktuellen Ausgangslage. Die SP dagegen ist gespalten. Er rede für eine kleine Mehrheit, so Gerhard Käser, worüber sich die Fraktion aber einig sei, ist, dass die Linken sehr am Stadtrat hängen. Zudem vermutet er in der Motion eine Trotzreaktion jener, die die Einflussmöglichkeiten des Stadtrats stetig erweitern wollen. Zudem brauche das Stadttheater nach den Wirren von Corona einfach Zeit, sich wieder aufzustellen. Er äussert die Befürchtung, man wolle das Stadttheater einfach seinem Schicksal überlassen oder gar an die Wand fahren.

 

·        Pascal Freudiger (SVP) äussert sich positiv zum Postulat, deutet aber auch an, dass die Motion in der SVP durchaus umstritten gewesen sei. Er sieht die Schwierigkeiten in den derzeitigen Abläufen, eine Verbesserung des Einflusses sei mit einer Ausgliederung aber nicht gegeben und es sei auch keineswegs so, dass der Betrieb damit automatisch effizienter werden würde, mahnt er. Zudem führt er aus, dass die Rechtsformen genau geprüft werden sollen, denn jede habe zweifellos ihre Vorzüge, aber eben auch ihre Nachteile. Interessant auch seine Äusserung, man wolle keine «unfähigen Leute» im Verwaltungsrat, die keine Ahnung von der Materie hätten. Verwaltungsrats Bashing, I love it.

 

·        Gerhard Käsers Votum führt bei Pascal Dietrich (parteilos) zu Unmut. «Niemand will das Stadttheater an die Wand fahren», so Dietrich und: es sei eine Reaktion, keineswegs eine Trotzreaktion. Es gehe nur darum, die Situation für beide Seiten zu verbessern.

 

·        Als hätten sie es getimt, hat es das Stadttheater geschafft, die Sitzreihen bis auf den letzten Platz zu füllen. Darauf weist Nathalie Scheibli (SP) hin. Zudem bedauert sie, dass keine:r der Anwesenden dabei gewesen sei, um mit ihr den Saisonstart zu feiern. Denn wer weiss, vielleicht hätte Pedro Lenz die Stadträt:innen ja so von den Hockern gerissen, dass sie gesagt hätten: Was kümmert uns der Budgetprozess? Lasst uns tanzen, lasst uns leben, lasst uns Bier trinken und über das Leben philosophieren.

 

·        Diego Clavadetscher (FDP) fordert den Stadtrat auf, progressiv zu denken. Eine Ausgliederung des Stadttheaters hätte auch Vorteile. Zum Beispiel könnte das Stadttheater leichter Spenden generieren. Und, nachdem er sich bereits ausführlich dem Thema Schuhen gewidmet hat, bringt er jetzt Steintafeln ins Spiel. «Früher hat man auch auf Steintafeln geschrieben, bis jemand auf die Idee kam, das sei nicht so praktisch.» Gott sei Dank, stellt euch vor, ich müsste dieses Protokoll in Stein meisseln, ich wäre in Jahrzehnten noch nicht fertig.

 

·        Was er sagen will, ist: Wir bremsen uns aus, wenn wir nichts Neues wagen. Also ade Steine, hallo I – Pads.

 

·        Der Fortschritt wird jetzt erst einmal gründlich durchdacht, bevor er definitiv wird. Das Postulat wird erheblich erklärt, das heisst, der Gemeinderat prüft jetzt erst einmal die Optionen. Nume nid gsprängt. Und ob wir wirklich richtig stehen, merken wir dann, wenn die Scheinwerfer angehen!

 

Teil 6: Schwankende Schwankungen

 

·        Es wird wieder technisch. Langenthal hat eine Schwankungsreserve (Memo an mich: googeln, was das heisst). Die könnte theoretisch eingesetzt werden, um zum Beispiel Buchverluste auszugleichen. Um das tun zu können, braucht es aber – und wir sind alle ganz erstaunt darüber – ein Reglement. Die FDP/Jll Fraktion möchte dieses Reglement mit der Motion schaffen, um, wie Diego Clavadetscher betont, Handlungsspielraum zu erhalten. Der Gemeinderat lehnt die Motion ab, weil sie seiner Meinung nach das Budgetergebnis verschleiert.

·        Die Motionär:innen sind da ganz anderer Meinung. Pascal Dietrich (parteilos) bezeichnet die Antwort des Gemeinderats gar als «falsch». Der Kanton empfehle sogar die Schwankungsreserve aufzuwenden.

 

·        Die FDP hat es heute mit Scheuklappen. Nachdem Diego Clavadetscher (FDP) vorhin noch seine Stadtratsgspännli gebeten hat, mal die Scheuklappen abzunehmen, verortet Pascal Dietrich nun auch beim Gemeinderat, ein Scheuklappenproblem. Vielleicht war der Fraktionsausflug der FDP auf einem Pferdehof.

 

·        Also, mir ist das alles zu buchhalterisch. Ich verstehe weder das «true and fair view» Konzept, noch begreife ich das ganze Verschleierungszeug. Der Gemeinderat findet das mit dem Reglement jedenfalls keine gut Idee, die Motionär:innen finden es eine super Idee. Stadtrat findet es auch nur teilweise eine gute Idee, die Motion wird nicht erheblich erklärt.

 

 

Teil 7: Kann man die rauchen?

·        Die SP/GL Fraktion will mehr Grünzeug. Nicht zum Essen und auch nicht zum Rauchen, sondern zum Ansehen und sich daran erfreuen. Zum Beispiel, indem man in der Stadt Hochbeete anlegt oder Blumentöpfe aufstellt. Man nennt das: Mobile Begrünung. Bin ich die Einzige, die dabei an rumfliegende Kakteen denkt?

·        Janosch Fankhauser (SVP) freut sich am Gedanken eines Märchenwalds in der Stadt, hat aber ein Problem mit «Bäumen, die man nicht einlagern» kann und befürchtet, der Werkhof sei mit der Arbeit überfordert. Ich wusste nicht, dass das Aufstellen von Blumentöpfen so viel Arbeit gibt, aber okay. Und wer hat denn überhaupt davon geredet, einen ganzen Wald anzupflanzen? Wald ist ja jetzt nicht so mobil. Ausser es sind Ents.

·        Dyami Häfliger (GLP) verweist auf den flexiblen Charakter der Motion. Sie gibt eben nicht vor, wie die Stadt begrünt werden soll. Er erinnert auch an die Anlässe auf dem Wuhrplatz, wo es im Sommer sehr heiss wird und es erstrebenswert wäre, für Abkühlung zu sorgen. Janosch Fankhauser (SVP) beharrt darauf, dass sei nicht Aufgabe einer Stadt, ihm widerspricht Georg Cap (Grüne), das sei sehr wohl Aufgabe einer Stadt. Ich sage, noch ein paar so seltsame Musikgigs wie am Wuhrplatzfest und es will eh niemand mehr freiwillig länger als ein paar Minuten auf dem Wuhrplatz verweilen.

 

·        Motion wird erheblich erklärt. Mehr Grün für Langenthal! Ich hätte da übrigens noch einen halbtoten Zitronenbaum, den ich beisteuern könnte.

Teil 8: Das Ende naht – ganz schön schnell

 

·        Also, jetzt geben wir aber richtig Gas. Verschiedene Interpellationen werden durchgeschleust, mit deren Beantwortung sich die Fragestellenden mehr oder weniger zufriedengeben, bis auf Franziska Zaugg – Streuli (FDP), die sich nach eigener Aussage in den Sarkasmus flüchtet (willkommen im Club), weil das «Trauerspiel» um den Spielplatz Kugelfang um zahllose weitere Akten erweitert wird. «Vielleicht erlebe ich ja noch, dass mein Enkel auf diesem Spielplatz spielen dürfen», bemerkt sie spitz.

·        Und jetzt sind wir einfach schon fertig! Das geht mir viel zu schnell. Will nicht noch schnell jemand was sagen? Irgendjemand? Ich brauche ein knackiges Schlusswort…ähm, wie wär’s mit: Kauf immer passende Schuhe? Lasst eure Steintafeln nicht fallen? Nicht alles, was grün ist, glänzt? Jedenfalls komme ich mal früher nachhause und kann mich wieder meiner wahren Berufung als Catlady widmen. Bis zum nächsten Mal!

·        Ach ja, und falls ihr euch fragt, warum das Fräulein Lama auf einmal so schnell ist: Mein W – Lan funktioniert jetzt endlich auch in der Alten Mühle. Das heisst, mein Versprechen vom Fast – Liveticker wird ein bisschen wahrer UND ich bekomme wieder genügend Schlaf. Weil, Schlaf ist halt schon ganz cool.


Best of:

 

«In seiner Freizeit fährt er gerne Ski – und Wakeboard. Da musste ich erstmal gucken, was das überhaupt ist.» Corinna Grossenbacher (SVP) und die rätselhaften Hobbies ihrer Kommissionsmitglieder.

«Die korrekte Aussprache des Namens ist Dyami. Das ist ein etwas spezieller Name, aber wir haben ja noch ein paar Sitzungen, um zu lernen, den Namen richtig auszusprechen.» Ein angesäuerter Dyami Häfliger (GLP) zu Stadtratspräsident Michael Schenk (SVP), der ihn abwechselnd als «David», «Damian» oder «Daniel» betitelt.  

«Beim Antrag der FDP, da konnte ich kurz Augenkontakt halten, und denke, dass das so in Ordnung ist.» Schau mir in die Augen, Kleines, in der Version von Roland Sommer (SVP). Wem er allerdings so tief in die Augen gesehen hat, bleibt sein Geheimnis.

«Nicht immer ist abspecken der gesündere Weg. Ich habe 8 Kilo abgenommen und ich denke nicht, dass ich noch mehr abnehmen sollt.» Stapi Reto Müller (SP) zeigt sich solidarisch mit den Finanzen Langenthals und nimmt gleich mit ab. Sozi halt.

«Ich weiss nicht, ob du noch im Wahlkampfmodus bist?» Pascal Dietrich (parteilos) zu Gerhard Käser (SP), den er wohl kurzzeitig mit der stets angriffigen Jacqueline Badran verwechselt.

«Entschuldigung, dass ich wieder da bin, ich habe nichts dafür.» Diego Clavadetscher (FDP) tut nur seine Pflicht für Vaterland, Stadtrat und Langenthal.

«Spannend, dass der Stapi direkt antwortet – aber das ist sicher auch effizient.» Ob Pascal Dietrich (parteilos) damit sagen will, dass niemand so schnell Fragen beantworten kann, wie Reto Müller?

«Ich bin ja dankbar, dass ich bis jetzt keine Vergiftungserscheinungen habe, obwohl ich jahrelang auf einem bleiverseuchten Klettergerüst gespielt habe.» Franziska Zaugg – Streuli und das Wunder vom Spielplatz Kugelfang.

Das andere Stadtratsprotokoll - Die Ostern - Edition: Der (Fast) Liveticker zur Stadtratssitzung vom 25.3.2024

  Das Vorgeplänkel ·         Hallo und herzlich willkommen zum neuen exklusiven anderen Stadtratsprotokoll, geschrieben wie üblich von e...