Ich denke, der Stadtrat
hätte viel mehr Publikum, wenn die Fraktionen ihre Differenzen in Zukunft durch
Tanzbattles austragen würden. Wirklich, ich stelle mir das mega cool vor. Alle
tragen stylische Hüfthosen, bauchfreie Tops (oder im Fall der Männer eng
anliegende Achselshirts) und schräg sitzende, viel zu grosse Kappen. Ausserdem
könnten sich die Parteien dann endlich coole Namen zulegen. Z. B „die rote
Piratencrew“ (SP) „die juristischen Samurai“ (FDP), „die Schreckgespenster der
Verwaltung (SVP)“, „die hüpfenden Sonnenblumen“ (Grüne/GLP) und „die lächelnden Gottesanbeter“ (EVP). Kommt
schon, gebt zu, dass die Idee genial ist (und sie hat überhaupt nichts damit zu
tun, dass ich mir gerade alle Step up Filme reinziehe…).
Okay, gut wegen des
Verletzungsrisikos ist es vielleicht besser, wenn der Stadtrat weiter so tagt,
wie er eben tagt. Das heisst: Alle sitzen brav an ihrem Pult, kämpfen mit
klugen Worten statt mit akrobatischen Einlagen (wobei, wie wäre es mit
Laserschwertern à la Star Wars?) und tragen ordentliche Kleidung statt
zerfetzten Jeans (gibt’s eigentlich eine Kleiderordnung im Stadtrat?). Aber man
sollte ja offen sein für Veränderungen, nicht wahr?
Wobei
der Stadtrat in diesem Jahr seine Veränderungsbereitschaft bereits zu Genüge
unter Beweis stellen musste. Wegen der Coronaauflagen wurden die Herren und
Damen Stadträte aus ihrem vertrauten Heim der Alten Mühle verjagt, die
hufeisenförmige Sitzordnung ging flöten und die Pausen wurden aufgrund des
organisatorischen Aufwandes gestrichen. Fast könnte man meinen, das Jahr 2020
hätte beschlossen, es dem Stadtrat so schwer wie möglich zu machen, denn durch den
Ausfall von Sitzungen kam es auch zu einem Stau der Geschäften, weshalb noch
eine zusätzliche Sitzung einberufen werden musste.
Nicht
wegen Corona, aber aus personellen Gründen wechselt jetzt auch noch das
Stadtratspräsidium. Martina Moser (SP) rückt für den scheidenden Pierre Masson
(SP) in den Gemeinderat nach und da sie als Mitglied der Exekutive nicht mehr
den Vorsitz der Legislative innehalten kann (beachtet bitte meinen inflationär
kompetent eingesetzten Fachwortschatz), musste als erstes eine Nachfolge
bestimmt werden. Die SP/GL Fraktion nominierte Paul Bayard (SP) sowohl als
Stadtratspräsident als auch für den frei werdenden Sitz in der GPK (wenn ihr
mehr über Paul wissen wollt: da hat jemand ein interessantes Porträt über ihn
geschrieben…huch, das war ja ich…)
Die
anderen Parteien zeigten sich mit der Nomination einverstanden (Zitat Beatrice
Lüthi aus der FDP Fraktion: Mir hei nüt gäge Paul Bayard) und wählten den
erfahrenen Stadtrat einstimmig in die beiden Ämter. Damit übernimmt er die
Leitung des Stadtrats ab Oktober bis Dezember. Dabei tritt er in grosse
Fussstapfen. „Ich hoffe, dass ich das Amt zumindest annährend so gut ausfüllen
kann, wie es Martina Moser und Patrick
Freudiger getan haben“, erklärte Paul Bayard. Sein zukünftiger Vize Paul Beyeler
(EVP) wünschte ihm dann auch, dass die zukünftigen Monate etwas ruhiger werden,
als es die vergangenen gewesen sind (Paul Bayard und Paul Beyer…also für die
schreibende Zunft ist die Konstellation eher ungünstig. Das provoziert ja
geradezu Verwechslungen.)
Nachdem
das Traktandum „Wahlen“ also erfreulich
schnell abgehakt worden war (Wahlen im Stadtrat sind was Feines, die gehen
nämlich meistens sauber und rasant über die Bühne, weil sie nie zu Diskussionen
führen) ging es im ähnlichen Tempo weiter. Es ging um die Vergabe des Auftrags
für die externe Prüfung der Rechnungsablage der Stadt (hey, ich denke mir diese
Traktanden nicht aus). Da diese Aufgabe schon letztes Jahr durch die
PricewaterhousseCoopers AG Bern (wieso hat eine Firma in Bern eigentlich einen
englischen Namen?) übernommen wurde, sollen die es auch dieses Jahr richten.
Dieser Meinung ist zumindest der Gemeinderat und der Stadtrat schloss sich ihm
fast einstimmig an.
Diese
fast schon beängstigende – und ungewohnte – Harmonie zog sich auch bis ins
nächste Traktandum. Ich gebe zu, also ich die Traktandenliste durchsah und „2.
Lesung Behördenreglement“ las, war ich kurz davor aus Verzweiflung meinen Kopf
auf die Tischplatte zu knallen. Doch zum Glück ging es bei dieser Lesung nur um
zwei Punkte und nicht um gefühlt hundert Neuanträge. Zum einen hatte der
Stadtrat in der ersten Lesung eine schwer verständliche Tabelle bemängelt, zum
anderen fand eine Mehrheit der Legislative, dass das Amtsgeheimnis bzw. die
Schweigepflicht zu scharf definiert wird. Das führte in der Vergangenheit oft
dazu, dass Kommissionsmitglieder ihren Fraktionen gegenüber keine klaren
Auskünfte geben durften, was wiederum die Konsequenz hatte, dass der Stadtrat
immer wieder von gewissen Wendungen in den Geschäften überrumpelt wurde.
Rundum
zufrieden mit dem vom Gemeinderat nun weicher gestalteten Amtsgeheimnis zeigte
sich im Namen der FDP/JLL Fraktion Diego Clavadetscher. Das sei gut für die
politische Kultur, befand er gutgelaunt und führe zu mehr politischer
Effizienz. Nicht zuletzt könnten damit die gefürchteten 2. Lesungen verhindert
werden, weil Fragen schon im Vorfeld geklärt werden könnte (wer hat Angst vor
der 2. Lesung?).
Diese
Euphorie nicht so ganz teilen konnte Saima Sägesser (SP). Ihre Fraktion sieht
die Lockerung der Schweigepflicht und die damit verbundene verstärkte
Kommunikation zwischen Kommission und Partei eher kritisch. Anträge mochten sie
allerdings keine stellen und weil auch die SVP es, laut Fraktionssprecher Janosch
Fankhauser, begrüsst, mehr miteinander reden zu können, konnte die 2. Lesung
erfolgreich abgeschlossen werden.
Nebenbei
schrieb man mit der Erledigung dieses Geschäfts auch noch eine Motion von
Pierre Masson (SP) ab, die er, damals noch als Stadtrat eingereicht hat. Die
Motion verlangte die Erhöhung der Sitzungsgelder und dieses Begehren wird mit
dem Einsetzen des neuen Behördenreglements erfüllt. Ist das nicht irgendwie
eine schöne Symbolik, dass sich an Pierre Massons letzter Stadtratssitzung
dieser Kreis schliesst? („Und im ewigen Kreis, dreht sich unser Leben…“) Und
wir haben jetzt tatsächlich ein neues Behördenreglement *Konfetti schmeiss*.
Und dagegen wurde auch kein Einspruch erhoben. Ist das Leben nicht schön?
Nach
diesem Motto scheint neu auch Corinna Grossenbacher (SVP) zu leben. Nachdem sie
das letzte Mal ja so gar nicht zufrieden war mit dem Gemeinderat und ihn wegen
des Budgets ziemlich zusammengefaltet hat, war sie dieses Mal voll des Lobes
für ihn. Grund für ihre Lobeshymne war die schnelle Umsetzung der Motion
Verkehrsführung Elzmatte. Nachdem Grossenbacher und ihre Mitstreiter*innen über
die mangelnde Schulwegsicherheit im Gebiet Elzmatte geklagt und eine
entsprechende Motion eingereicht hatte, wurde der Gemeinderat schnell aktiv und
konnte das Problem entschärfen (was meine Theorie bestätigt, dass es in der
Politik meist schnell geht, wenn es um Kinder geht. Oder um Tiere.
Vorausgesetzt erstere tragen keine ausländischen Namen und letztere fressen
keine Schäfchen.) Corinna Grossenbacher
fand die Umsetzung der Motion auf jeden Fall eine rundum gefreute Sache. „Wir
wünschten uns, dass die Geschäfte immer so leicht über den Tisch gingen“,
konnte sie sich dann einen kleinen Seitenhieb doch nicht verkneifen.
Nach
diesem „Eitel Sonnenschein“ Traktandum hatte Bald Alt – Gemeinderat Pierre
Masson noch einmal Gelegenheit zum Stadtrat zu sprechen. Er bat um eine
Firstverlängerung, sowohl bei der Motion „Total Cost of Ownership“
(Abrechnungsverfahren), als auch bei der Motion „ökologische Fahrzeugbeschaffung“.
Bei beiden Geschäften braucht es zusätzliche Abklärungen, die sich – man ahnt
es – durch Corona verzögern. Der Stadtrat bewilligte diese Fristverlängerung
ohne Murren.
Wesentlich
dramatischer wertet der Stadtrat schon seit längerem den Stau bei den
Baugesuchten. Durch personelle Wechsel bzw. durch Stellen, die nicht besetzt
werden konnten, ist der Rückstand inzwischen so gross, dass sich die
Bewilligung der Gesuche immer weiter hinauszögert. Die SVP – Fraktion schlug
deshalb in ihrer Motion vor, dass auch weniger qualifizierte Mitarbeitende
(kaufmännische Angestellte) im Bauamt gewisse Kompetenzen erhalten sollen, dass
die Baugesuche in drei Kategorien aufgeteilt werden und nicht zwingend in der Reihenfolge der Eingabe
behandelt werden müssen. Diese Massnahmen wären aber nur vorübergehend, bis
sich eine dauerhafte Lösung anbietet. Der Gemeinderat wandte in schriftlicher
Form ein, dass KV – Leute nicht für diese Aufgaben ausgebildet wurden und dass
eine Änderung der Struktur bereits in Planung ist bzw. zum Teil schon umgesetzt
wurde.
Der
Sprecher für die Motion Stefan Grossenbacher (SVP) führte in seinem Votum aus,
warum eine Lösung hermuss. So sei es zurzeit zum Beispiel schwer, ein
Ladenlokal zu erwerben oder umzubauen, weil die Bewilligungen so lange auf sich
warten liessen (böse Zungen behaupten, dass in der Zeit sogar ein ganzer
Affenbrotbaum wachsen könnte). Damit könnte man mit anderen Städten auch kaum mithalten.
Stefan Grossenbacher nahm die Baubehörde mit durchaus harschen Worten ins
Gebet. Er bemängelte vor allem, dass „immer alles weitergeschoben wird und
niemand Entscheidungen treffen will“. Ausserdem spüre er keinen Willen zur
Veränderungen; dass Personal sei teilweise
wohl „zu alt“ oder „zu träge“. Auch mit der Chefetage zeigte er sich
unzufrieden. „Gutes Personal braucht gute Führung“, schloss er seine
Stellungnahme.
(Kleine
Anmerkung meinerseits: Es ist ja schon noch spannend, dass die SVP zwar immer
in der Verwaltung sparen will, aber trotzdem eine meisterliche Performance des
städtischen Personals erwartet. Man soll also mit weniger Leuten viel mehr
leisten. Man will auch die am besten qualifizierten Arbeitnehmer*innen, aber
die sollen halt keine hohen Lohnansprüche stellen. Wie soll das aufgehen? Das ist,
als würde ich von einem Pony verlangen, es soll bitteschön wie ein Pegasus
fliegen und Regenbogen kacken.)
Dass
die Zustände im Bauamt allerdings nicht zufriedenstellend sind, räumte auch
Stadtpräsident Reto Müller (SP) ein. Er wisse, dass die Geduld der Leute
langsam ein Ende habe und der Stau sei auch nicht gewollt gewesen (ich will den
Papierstau auch nie, aber mein Drucker produziert ihn trotzdem ständig). Man
sei aber auf einen guten Weg, betonte Müller (bald dauert es nur noch einen
halben Affenbrotbaum, bis man eine Baubewilligung in der Tasche hat). Die
Motion der SVP wurde in ein Postulat umgewandelt und als erheblich erklärt.
Genau
wie das Postulat von Carole Howald (JLL). Die Stadträtin forderte die Prüfung von
mehr CivicTech im Bereich der politischen Mitwirkung in Langenthal. Mit
CivicTech sind technische Hilfsmittel gemeint. Besonders im Bereich der Digitalisierung
hat Langenthal laut Howald einiges nachzuholen, zumal Corona aufgezeigt hat,
dass die Stadt politisch quasi brachliegt, wenn die üblichen analogen Wege
nicht funktionieren. Der Gemeinderat sieht das ähnlich und will das Potential
weiter ausloten (wenn wir gerade von politischer Partizipation reden: Wie wäre
es mit einem Livestream? Dann könnte man die Sitzungen auch von zuhause aus
verfolgen. In Unterhosen und mit Popcorn. Also, das Popcorn würde ich natürlich
nicht tragen, sondern essen.)
Dann
kam das eigentliche Herzstück der Stadtratssitzung: Die Rückübertragung der
Alten Mühle ins städtische Eigentum. Die Alte Mühle ist auch eine dieser
unendlichen Geschichten aus Langenthal (genau wie das Stadion und die Porzi). Sie
taucht immer mal wieder in Stadtratsdebatten auf, wird gerne in Schnitzelbanken
thematisiert und sorgt seit Jahren für hitzige Debatten, weil zwar fast alle
irgendeine Idee für das Areal haben, die Umsetzung dieser Einfälle aber immer
scheitert.
Mr.
Powerpoint, Gemeinderat Robero Di Nino (den ich übrigens in zahlreichen Stadtratsprotokollen
als Roberto DE Nino bezeichnet habe.
Hoppala), erzählte dann auch gleich die lange Geschichte rund um das Gelände.
Vor vierzig Jahre war für das Mühleareal eine Überbauung geplant worden. Diese
war der Bevölkerung aber zu aufgeblasen und sie wehrten sich mithilfe einer
Unterschriftensammlung. Daraufhin krebste man zurück: Die Überbauung wurde
redimensioniert (auf Deutsch: es wurden kleinere Brötchen gebacken.) Es kam zur
Umzonung, die Stadt erwarb die Parzellen und die Idee einer Stiftung entstand
(geht es nur mir so, oder ähnelt die Geschichte wahnsinnig den aktuellen
Geschehnissen rund um die Porzi? Ich meine, Überbauung, die viel zu
ambitioniert ist, Widerstand der Bevölkerung, Umzonung, die durchs‘ Volk muss…Das
ist wie ein Déjà-vu. Gruselig.)
Die
Stiftung wurde mit der Auflage gegründet, die Renovierung der Alten Mühle voranzutreiben.
Das Eigentum wurde von der Stadt auf die Stiftung übertagen. Zusätzlich
gewährte die Stadt der Alten Mühle Stiftung ein Darlehen und tatsächlich sah
das Gebäude danach wunderhübsch aus (mit Ausnahme des Silos. Das blieb
hässlich. Und ist es immer noch). Genutzt wurde es als „Design Center mit
öffentlicher Nutzung“, bevor es dann zu einem Gastronomiebetrieb umgewandelt
wurde, wobei die Räume den Langenthaler Vereinen und Parteien kostenlos zur
Verfügung standen. Während dieses
Konzept mit dem ersten Pächter aufging, scheiterte dessen Nachfolger 2013. Seitdem
stand die Mühle lange Zeit leer, bis schliesslich letzthin zumindest eine
Übergangslösung gefunden werden konnte. Die Haslibrunnen AG mietet die Alte
Mühle AG für die Dauer ihres Umbaus, weil sie so ihr Gastronomieangebot aufrechterhalten
kann.
Vorläufiges
Happy End könnte man sagen. Der Stiftungsrat, der grösstenteils aus
Gemeinderatsmitgliedern besteht, hat beschlossen sich aufzulösen. Wer jetzt
aber meint, damit sei das Ding gegessen und die Alte Mühle spaziere quasi mal
einfach so ins städtische Eigentum zurück, der täuscht sich (wo kämen wir denn
dahin, wenn es so einfach wäre). Die Stadt muss „Erstes Begehren“ (haben die
das aus einem Jane Austen Roman?) äussern, also einen Stadtratsbeschluss
fassen.
Eigentlich
ist es ja so, dass der Stadtrat diesen Entschluss schon vorgefasst hat. Denn der
Rückübertrag der Alten Mühle war ja schon fester Bestandteil der
Erfolgsrechnung, die vor zwei Wochen genehmigt worden ist (wir erinnern uns,
dank diesem Geldsegen fiel das Minus nicht ganz so grässlich aus). Es war daher
keine Überraschung, dass der Rat diesem Geschäft wohlwollen gegenüberstand,
zumal es auch Bewegung in die Affäre Alte Mühle bringt. Lediglich über die
spätere Art der Nutzung (wenn die Haslibrunnen AG wieder weg ist), war man
unterschiedlicher Auffassung. Während Diego Clavadetscher (FDP) die Funktion
der Mühle als Tageszentrum in Frage stellte, verteidigte Parteigspännli Pascal
Dietrich diese mit Händen und Füssen. Urs Zurlinden (FDP), der zu den ersten
Stiftunsgräten gehört hatte, schwelgte in Erinnerungen an das Designcenter.
Zwar bezweifle er, dass die Stadt mehr bewirken könne als ein Stiftungsrat,
aber er warte schliesslich schon lange sehnsüchtig auf eine Nutzung der Alten
Mühle und wolle deM Geschäft keine Steine in den Weg.
Schlussendlich
folgte der Stadtrat dem Gemeinderat und winkte auch die Abstimmungsbotschaft
ohne Änderungsanträge durch. Damit wäre ein neues Kapitel im Buch Alte Mühle geschrieben…
aber es werden wohl auch noch ein paar dazukommen. Wir sind noch nicht am Ende,
Leute! (Ich gebe meinen Disneylandplan nicht auf).
Fast
glaubte man sich bei Woodstock, so harmonisch war die Stadtratssitzung bis zu
dem Zeitpunkt abgelaufen. Ja, man hatte gar irgendwie den Drang ein Tamburin
hervorzuholen und „Ein bisschen Frieden“ zu trällern, so schön war es. Aber da
zogen dunkle Wolken auf…und die Ursache davon waren kein Joints, sondern eine Motion
des juristischen Trio Infernale Diego Clavadetscher (FDP), Paul Beyeler (EVP) und
Patrick Freudiger (SVP), die sich um die Führung der mehrheitlich von der Stadt
geführten Gesellschaften drehte.
Ehrlich
gesagt fiel es mir als Nichtjuristin extrem schwer der Diskussion zu folgen
(und ja, ich musste während der Beratung leider kurz aufs Klo. Lamas haben eben
auch natürliche Bedürfnisse). Und als ich zurückkam, war von der Blumenstimmung
nicht mehr viel zu spüren (da lass ich euch mal alleine und schon eskaliert
es). Im Grunde ging es glaub darum, dass der Gemeinderat in Person von Stapi
Reto Müller (SP), der Auffassung war, dass eine Annahme der Motion, so wie sie
die Antragssteller formuliert hatten, zu einer Änderung der Stadtverfassung und
damit zu einer Volksabstimmung führen würde. Diego Clavadetscher war aber
anderer Meinung und so entstand ein etwas verwirrendes Rededuell, bei dem keine
der beiden Seiten wirklich verstehen konnte, was die andere meinte. Diego
Clavadetscher wirkte danach eine Spur genervt, das Stadtratsbüro irritiert und
Reto Müller ratlos. Der Stadtrat folgte dann zum Grossteil den Motionären.
Nach
diesen juristischen Exkursen folgte ein Auftritt der Amazonen. Elf Stadträtinnen
haben sich parteiübergreifend zusammengeschlossen (Go Girls!) und vom
Gemeinderat die Unterzeichnung der sogenannten Charta Lohngleichheit gefordert.
Damit würde sich die Stadt zur Gleichheit der Geschlechter bekennen, erklärte
Saima Sägesser in gewohnt temperamentvoller Weise und für ein modernes, faires
Langenthal einstehen. Wie schon der Gemeinderat, zeigte sich auch der Stadtrat von
der Idee angetan. Fast einstimmig wurde die Unterzeichnung der Charta beschlossen
(vielleicht hatten die Männer aber auch einfach nur Angst, dass die Mädels sonst
ihre Bögen herausholen und ihnen Pfeile in den A……. schiessen.)
Geschlossen
zeigten sich die Ladys auch bei der Interpellation betreffend Lohngleichheit
bei der Stadt Langenthal. Der Gemeinderat versicherte, dass Thema auf den
Schirm zu haben und entsprechende Kontrollen zu erheben. Beatrice Lüthi (FDP)
nahm das durchaus wohlwollend zur Kenntnis. „Mir blibe drann“, erklärte sie –
und man weiss nicht recht, ob es ein Versprechen oder eine Warnung war.
Als
Baumritter entpuppte sich erneut Pascal Dietrich (FDP), der sich mit
Mitmotionären besorgt über die starke Abholzung entlang der Langete zeigte. Die
Argumentation des Gemeinderats, dass der Hochwasserschutz – bei dem die Stadt
offenbar Mitglied ist - diese Rodungen aufgrund Sicherheitsbedenken vornimmt,
überzeugte ihn nicht. Er ärgerte sich darüber, statt klaren Antworten lediglich
Abhandlungen über Neophyten erhalten zu haben. „Au mir bliibe dra“, verkündete
er unheilvoll. Tja. Wenn bald Ents das Verwaltungsgebäude auseinanderrupfen,
weil man ihren Lebensraum kaputt gemacht hat, weiss ich, wer sie gerufen hat.
Und
dann hiess es Abschied nehmen. Paul Beyeler (EVP) fand warme Worte für Martina
Moser (SP). Sie habe ihre Qualitäten in diesem schwierigen Jahr unter Beweis
stellen können und der Rat habe von ihrer Besonnenheit profitiert, fasste er
zusammen. Als Dankeschön gab es einen Blumenstrauss.
Martina
Moser hielt ihrerseits die Laudatio für Pierre Masson, dessen politische
Laufbahn in Langenthal nun endet. Kein Polteri sei er gewesen, sondern einer,
der sich offen gegenüber Einwänden gezeigt habe, bilanzierte Martina Moser, die
zwar Massons Sitz, aber nicht sein Ressort übernimmt. Sie wird das
Sozialressort übernehmen (wenn ich mir eine persönliche Einschätzung erlauben
darf: Ich glaube, dass Martina unaufgeregte, feinfühlige Art ein Gewinn für den
Gemeinderat ist, gerade was die Kommunikation betrifft).
„Es
scheint irgendwo das Motto meines Lebens zu sein, dass nichts so kommt, wie ich
es mir ausmale“, schloss Martina Moser, die dieses ungewöhnliche Jahr nun auch
aussergewöhnlich abschliesst. Statt im Dezember läutete sie nun im September
das Glöckchen und beendete so ihre letzte Stadtratssitzung als Mitglied der
Legislative.
Sonstiges:
Saima
Sägesser kämpft mit dem Mikrofon. Weil sie eher klein ist und sich nicht recht
traute die Mikrofone anzufassen, musste sie kurz Ballerina spielen und auf die
Zehenspitzen gehen. Zum Glück durfte es dann doch noch verstellen.
Die
Stimmenzähler kamen etwas ins Schwitzen, weil die Stadträte – und Stadträtinnen
sehr „läufig“ waren. Grund dafür waren neben Toilettengänge auch die Suche nach
Kaffee und die zur Verfügung gestellten Sandwichs, die sich grosser Beliebtheit
erfreuten. So verlor das arme Stadtratsbüro schon mal den Überblick ob jetzt
33, 34 oder 35 Ratsmitglieder anwesend waren.
Roland
Loser (SP) neigt dazu, mit der Stimmkarte zu wedeln. Ob er damit seiner Haltung
Nachdruck verleihen will oder es sich um eine raffinierte Methode handelt, die
Arme zu trainieren, bleibt wohl sein Geheimnis.
Best
of
„Wir
befürchten Zustände wie im Mittelalter, wo böse Menschen den Herrschenden dumme
Dinge einflüsterten.“ Saima Sägesser (SP) fürchtet eine Wiederholung der
Geschichte. So lange die Hexenverbrennung nicht ebenfalls ein Revival erleben…
„Ich
habe leider nicht mehr viel Möglichkeit am Mikrofon zu reden, deshalb will ich
sie nutzen.“ Pierre Masson (SP) wird kurz sentimental. Vielleicht darf er ja
ein Mikrofon als Andenken mitnehmen.
„Wenn
der Stapi mit dem Laptop zum Mikrofon geht, wurde ja doch was von
Digitalisierung verstanden.“ Carole Howald (JLL) lobt den Stapi für sein
technisches Geschick, den Computer von A nach B zu tragen.
„Es
ist ja ein historisches Gebäude, darum haben wir uns um die Geschichte bemüht.“
Auch Pascal Dietrich (FDP) reist in die Vergangenheit. Ja, ja die Müller von
früher hätten sich wohl nie träumen lassen, dass aus ihrer Mühle mal ein
Designcenter wird. Sie wussten wahrscheinlich nicht mal, was ein Designcenter
ist.
„Wenn
wir schon einen Müller als Stadtpräsidenten haben, soll die Mühle auch zur
Stadt kommen.“ Wieder Pascal Dietrich, der Reto Müller damit fast schon eine
Umschulung nahe legt.
„Ich
verstehe in meinem Alltag Ausstandspflicht anders – wenn jemand aufs Klo muss,
wird darüber nicht abgestimmt.“ Daniel Böser (SVP), Lehrer und Schulleiter,
berichtet über die kleinen Freuden seines Jobs.
„Es
wird eine Lösung gewünscht!“ Die wünschen wir uns doch alle. Oder Diego
Clavadetscher (FDP)?
„Ich
bin Beatrice und ich rede nicht so verruckt lang.“ Mein Name ist Lüthi. Beatrice
Lüthi, die kurz spricht!
„Das
war nicht etwa eine Schweigeminute für die toten Bäume!“ Pascal Dietrich
beweist erneut Sinn für dramatische Inszenierungen. Fehlt nur noch der
Totenkopf in der Hand.
„Jetzt
habt ihr alles schon in den Medien gelesen, aber ich muss es euch trotzdem noch
erzählen, das steht so in der Stadtverfassung.“ Und die Stadtverfassung ist
schliesslich Gesetz: Stapi Reto Müller nimmt’s genau.
„Der
Stadtrat ist manchmal ein wenig stur.“ Paul Beyeler (EVP) zeigt sich
selbstkritisch.