Dienstag, 4. April 2023

Das andere Stadtratsprotokoll: Die Oster - Edition (04.03.2023)

 

Prolog: Es hoppelt der Osterhase, tralalala!

 

  • Hallo und herzlich willkommen! Der Osterhase bringt uns dieses Jahr ein ganz besonderes Geschenk, und zwar eine Stadtratssitzung, ganz frisch aus dem Ofen. Es bloggt für sie das superflauschige und reizende Lama und wir dürfen hoffen, dass der Geist der Auferstehung (denn bald findet die alljährliche  Zombieapokalypse unseres Herrn Jesus Christus statt) unseren geliebten Stadtrat zu neuen Meisterleistungen inspiriert. Und wenn die Spiritualität nicht reicht, dann hilft vielleicht der exzessive Verzehr von Osterhasen – okay, hinterher ist euch dann schlecht, aber habt ihr dafür auf dem Zuckertrip eures Lebens.

  • Und wir haben eine neue Spielerin im grossen Stadtratsgame: Carmen Cescatto nimmt neu in der SP/GL Fraktion Platz. Herzlich willkommen, meine Liebe! Stell es dir einfach wie Mario Kart vor: Immer schön geradeaus fahren, hin und wieder ein paar Bananenschalen dem politischen Gegner vor den Karren werfen und wenn möglich den Bomben, aka ausufernden Voten, ausweichen.

  • Sie ersetzt übrigens Paul Bayard, der nach all den Runden auf der Rennbahn endgültig die Nase voll hatte. Tschüss, Paul! Ich werde dich vermissen, du Kassandra, der du immer alles vorhergesehen hast – du hast schon von drohenden Steuererhöhungen gewarnt, als wir noch in Saus und Braus lebten und glaubten, der Himmel würde immer voller Champagner regnen.

  • Für die GPK muss ebenfalls ein neues Mitglied her und die SP/GL Fraktion schlägt Linus Rothacher vor und er wird gewählt. Mit gerade mal 22 Jahren. Respekt. In dem Alter habe ich es ja knapp  geschafft, meinen Arbeitsplan richtig zu lesen. Und GPK hielt ich für die Abkürzung einer Boyband.

 Teil 1: „Ich bau dir ein Schloss, das in den Wolken liegt…“



  • Wir kommen zum Traktandum 3 und das dreht sich um ein royales Thema: Um das Schloss Aarwangen. Konkret geht es darum, dass dieses Schmuckstück, dass sich an die Aare schmiegt (glaube es zumindest, war noch nie dort, aber vielleicht kann ich mich auch einfach nicht erinnern, unwichtige Dinge wie geografische Angaben werfe ich sehr schnell wieder aus meinem Gedächtnis, weil ich da Platz brauche für die Name aller Pokémon), saniert werden soll und weil das nun einmal nicht gratis ist, braucht die Stiftung, die dafür verantwortlich ist, natürlich einen Haufen Kohle. Und die Stadt Langenthal soll – nach Willen der Stiftung und des Gemeinderats – ihren Teil dazu beitragen, indem sie beim Bund eine Bürgschaft von 250‘000 Franken übernimmt. Das würde bedeuten, dass, wenn die Finanzierung der Sanierung (man beachte den Reim) nicht so aufgeht, wie sich das der Stiftungsrat erhofft, Langenthal zahlen würde. Also ist es eine Art indirektes Darlehen. Oder ein hypothetisches Darlehen, was ja ganz gut passt, weil Langenthal ja nach wie nur ein rein hypothetisches Budget hat.
     
  • Vom Stadtrat erhofft sich der Gemeinderat nun Zustimmung, weshalb Helena Morgenthaler (SVP), unsere Kulturministerin, das Geschäft vertreten darf. Sie gibt einen kurzen historischen Abriss über das Schloss, dass einst den Habsburgern gehört hat (typisch, die haben sich ja alles unter den Nagel gerissen, was hübsch und protzig aussah, das lag bestimmt an ihrem Lippenkomplex. Oder am Inzest) und nach einer langen Laufbahn als Kanzlei, Gericht und Gefängnis wurde es schließlich vom Kanton Bern  der Stiftung Schloss Aarwangen geschenkt, die das Baudenkmal von historischer Bedeutung, entsprechend pflegen und nutzen will (also, sie wollen nicht drin wohnen, sondern erhoffen sich natürlich Besucher:innen). Morgenthaler führt aus, dass der Gemeinderat eigentlich einen à fonds perdu Beitrag leisten wollte, davon aber abgekommen, weil wir ja nicht nur kein Schloss, sondern auch keine gefüllten Schatztruhen haben. Deshalb ist man auf die Idee der Bürgschaftsverpflichtung gekommen. Helena Morgenthaler beendet ihr Votum mit einem eindringlichen Appell an den Stadtrat. „Es geht um den kulturpolitischen regionalen Zusammenhalt!“. Ach, Frau Morgenthaler, haben sie denn in all den Jahren nichts gelernt. Wenn sie den Stadtrat zu was bringen wollen, müssen sie mindestens den Untergang der Demokratie ankündigen, alles drunter beeindruckt die schon lange nicht mehr.
     
  • Ah ja übrigens, die vorberatene Finanzkommission war gegen diese Bürgschaft. Aber mit Kommissionen ist ja wie mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen: Man liest sie flüchtig durch, zuckt dann mit den Schultern und klickt das Fenster schnell, um dann das Gelesene entweder ganz schnell zu vergessen oder geflissentlich zu ignorieren. Bis es dann schiefgeht und man sich selbst in den Hintern treten könnte.

  • Sandro Baumgartner (SP) hat allerdings Zweifel am vorliegenden Businessplan der Stiftung. Der SP/GL Fraktion ist er nicht detailliert genug und sie befürchten das Risiko einer Unterfinanzierung. „Die letzten Wochen haben gezeigt, dass Vertrauen sich nicht immer auszahlt“, erklärt Sandro Baumgartner. Ich gehe jetzt mal stark davon aus, dass er damit die CS meint, ganz nach dem Motto: Trau nie einer Bank, die du nicht selbst ausgeraubt hast., sag ich immer.

  • Der Fraktionssprecher der SVP, Janosch Fankhauser, schlägt unterdessen fast schon philosophische Töne an. „Ich möchte gerne mit euch nachdenken – ich hoffe, das gelingt uns“, eröffnet er sein Votum. Wie seine Gemeinderätin erinnert er an die überregionale Solidarität, denn auch wenn das Geschäft Langenthal nicht direkt betreffe, weil das Schloss in Aarwangen stehe, sei es doch für die Region enorm wichtig. Zudem mahnt er, dass es in der letzten Zeit Unruhe gegeben hätte, weil sich die umliegenden Gemeinden, schwer damit tun, ihre Beiträge an die regionale Bibliothek zu leisten. Eine Ablehnung könne sich als Bumerang erweisen. „Wir haben auch schon dümmer Geld ausgegeben“, ist er überzeugt. Das klingt exakt wie ein Selbstgespräch von mir, wenn ich mich selbst davon überzeugen will, dass die ledergebunden Herr der Ringe Ausgabe, keine unnötige Investition ist, sondern eine überaus intelligente Art mein Geld anzulegen, denn ich könnte es ja auch für was komplett Überflüssiges wie Kleidung oder Essen ausgeben.

  • Den Rückweisungsantrag ebenfalls zurückweisen will André Rentsch (JLL), im Namen der FDP/JLL Fraktion. Er ist gewillt zu vertrauen. Die Forderung der Linken, die Stiftung solle  Vergleiche mit anderen Schlössern, die über ein ähnliches Konzept verfügen, anstellen, lässt er nicht gelten, weil schließlich jedes Schloss individuell sei (genau. Jedes Schloss hat seine eigene Bedürfnisse und Wünsche, nehmt bitte Rücksicht darauf!). Auch findet Rentsch, man könne noch ewig verschiedene Erfolgsrechnungen erstellen und je nachdem wer welche Zahlen nutzt,  käme man dann immer wieder auf verschiedene Resultate (also, wenn ich die Erfolgsrechnung erstellen würde, hätte man am Ende gar kein Resultat, sondern ein Chaos).

  • Warum baut Langenthal eigentlich nicht selbst ein Schloss? Das wäre doch mal ein Touristenmagnet mit einer grossen Strahlkraft! Würde mich also auch bereit erklären, im Schloss das Burgfräulein zu geben. Oder zumindest das Schlossgespenst.

  • Da die Mitte sich ebenfalls gegen die Rückweisung stellt, ist das Resultat keine große Überraschung: Der Antrag wird abgelehnt. Wohl auch, weil Helena Morgenthaler vor der Abstimmung noch einmal darauf hingewiesen hat, dass die Stiftung im Sommer mit der Arbeit beginnen möchte und deshalb die Zeit für eine erneute Beratung des Geschäfts gar nicht gegeben sei.

 

 Teil 2: Wir leisten Nachbarschaftshilfe.

 

 

  • Nun muss allerdings noch die Frage geklärt wird, ob die Bürgschaft jetzt geleistet wird oder nicht- André Rentsch übernimmt noch einmal für die FDP/JLL Fraktion. Ein bedeutendes Bauwerk aus dem Mittelalter, sei das Schloss und das werde sich positiv auf das Ansehen des ganzen Oberaargaus auswirken wird. Und es gehe um ein seriöses Projekt, nicht um eine Immobilie, bei der niemand wisse, was oder wer dahinterstecke. Naja. Ich weiss nicht, ob etwas seriös sein kann, was mal den Österreichern gehört hat und sei es noch so lange her oder noch so indirekt.
     
  • Renate Niklaus (GLP) sieht das Schloss zwar auch als spannendes Projekt und zeigt sich beeindruckt vom Herzblut, dass in dieses Projekt gesteckt wird, trotzdem sind sie und ihre Fraktion der Meinung, dass Businessplan ist ihrer Ansicht nach sehr, sehr optimistisch ausgelegt sei und wahrscheinlich nicht dichthalten wird, da in allen Gemeinden eine angespannte Situation herrsche und bauen teurer geworden sei. Die Stadt sei zudem immer noch im budgetlosen Zustand und befinde sich in der Schwebe. Deshalb lehnen GLP und EVP den Antrag geschlossen ab.
     
  • Darüber zeigt sich Sandro Baumgartner (SP) milde überrascht, immer wollte die Mitte die Rückweisung ja nicht unterstützen, obwohl diese genau deswegen angedacht war: Um Unsicherheiten auszuräumen. Er verkündet, dass seine Fraktion  trotz der Zweifel der Bürgschaft mehrheitlich zustimmen wird und  hofft, dass das Vertrauen sich auszahlen wird.  Und, schiebt er hinterher, falls es dazu komme, dass die Viertelmillion ausgezahlt werden müsse, wünsche er sich, dieselbe Spendierfreudigkeit auch in Bezug auf die Schulsozialarbeit, das Ferienheim Oberwald und bei der SIP.

  • Martin Lerch nimmt für die SVP – Fraktion Stellung. Zwar versteht er die Ablehnung der Finanzkommission, seine Fraktion gewichtet die Argumente von Kulturkommission und Gemeinderat aber stärker. Es handle sich immerhin um ein Objekt mit einer sehr spannenden Geschichte. „Hexen und Hexeriche wurden dort hingerichtet.“, erzählt er mit einer etwas seltsam anmutenden Begeisterung. Aber hey, Ist sicher ein Trost für all die hingerichteten Frauen, dass sie mit ihrem qualvollen Sterben zumindest einem Gebäude zu historischem Wert verhalfen.

  • Der SVP – Grossrat hebt die optimale Zusammensetzung der Stiftung hervor, denn immerhin seien sogar Ehrenbürger von Langenthal dabei. Und wir wissen ja, unseren Ehrenbürger:inenn widmen wir entweder gleich ganze Plätze oder wir stellen ihnen ein Attest für moralische und geschäftliche Unfehlbarkeit aus, denn so funktioniert unser Oberaargau nun einmal. Am Ende darf dann die Jugend wieder einmal als Begründung herhalten. Auch für sie soll das Schloss erstrahlen. Der Klimawandel lässt sich in einem schön gekühlten Schloss ja auch viel besser ertragen.  

  • Nathalie Scheibli (SP) erklärt schliesslich, dass sie sich ursprünglich eigentlich enthalten wollte, sie aber von Argumenten zu einem „Ja“ hat überzeugen lassen. „Es wurde vieles genannt: Kulturelles Selbstverständnis, Vertrauen, Solidarität mit der Zukunft. Ich wünsche mir genau dieses Vertrauen auch in unseren Gemeinderat, kulturelles Selbstverständnis für unser Stadttheater und Solidarität mit  den Jungen, wenn es um die Infrastruktur von Schulen und Kindergärten geht.“. Meiner Meinung nach ein wunderschönes Votum und ein passender Schlusspunkt für die  Diskussion.


  • Das indirekte Darlehen wird gesprochen. Und damit hat es der Gemeinderat tatsächlich wieder einmal geschafft, den Stadtrat ins Boot zu holen. Das muss der Geist von Ostern sein. Lasst uns Kumbaya my Lord singen!

 Teil 3: …und retten noch ein bisschen die Demokratie

 

  • Nach dem ganzen Gerede über Schlösser und Burgen wendet sich der Stadtrat wieder seinem Lieblingsthema zu: Demokratie und die leidige Frage, wie man sie stärken kann, ohne hinterher allzu frustriert zu sein, wenn man enttäuscht zu sein, wenn sich die Menschen dann doch mehr für ihren Kontostand, das Fernsehprogramm und ihre Liebesleben interessieren, als für das Funktionieren der demokratischen Prozesse. Die Idee des Bürger:innenvorstosses ist im Parlament bekanntlich gescheitert, aber der Stadtrat hat es tatsächlich geschafft sich für einen Kompromiss zusammenzuschließen, ohne sich an die Gurgel zu gehen (Applaus dafür). Und zwar wollen sie die Hürden für die Unterschriftensammlung von Initiativen und Referenden senken. Langenthal verlangt nämlich für das Zustandekommen einer Initiative 900 Unterschriften. Was ziemlich viel ist, in Anbetracht der Tatsache, dass es je nach Jahres – und Tageszeit schwierig ist, im Dorf überhaupt 900 Menschen zu finden, geschweige denn, diese dazu zu bringen, noch irgendwas zu unterschreiben.

  • Für die Motion haben sich Stadträt:innen aus allen Fraktionen zusammengeschlossen. Georg Cap (Grüne) vertritt diese am Rednerpult und bedankt sich erst einmal für die Antwort des Gemeinderats und auch dafür, dass er der Mehrheit mehrheitlich zustimmt. Im Vergleich mit umliegenden Gemeinden verlangt Langenthal relativ viele Unterschriften, so Cap, und  das hemme die Menschen, überhaupt eine Initiative zu starten. Nur zweimal wurde das überhaupt versucht und beide Male ist es gescheitert. Deshalb soll die Hürde abgebaut und die Instrumente attraktiver gemacht werden. Georg Cap widerspricht jenen Gemeinderäten, die der Ansicht gewesen sind, dass sich eh nichts ändern wird. „Das ist nicht lösungsorientiert. Änderungen und Möglichkeiten sollen nicht gescheut werden. Die aktuelle Situation – die allgemeine Unzufriedenheit in der Bevölkerung – verlangt ein Zeichen.“ Wichtig sei es, einen Schritt zu machen und etwas zu verändern, beschwört Cap seine Gspännli.

  • Die zeigen sich durchaus offen für die Motion. FDP und GLP sehen die positiven Aspekte dieser Änderung und erklären ihre Zustimmung, auch unter dem Aspekt, dass die Stadt wohl kaum gleich mit Initiativen überflutet werde. Ob und wie viel es genutzt werde, sei ja auch noch offen. Patrick Freudiger (SVP), streicht vor allem heraus, dass selbst der Gemeinderat die Motion supportet und äußert die Hoffnung, dass diese Idee, die aus einer Stadtratssitzung und darauffolgenden Schlagabtausch geboren worden ist, von den Bürger:innen auch als positives Zeichen gewertet werde und die politische Kultur, die seiner Meinung nach in letzter Zeit auch öfter schlecht geredet worden ist, wieder ins richtige Licht gerückt werde. Naja. Also angegiftet habt ihr euch schon selber, da musste man jetzt nicht ins „falsche Licht“ rücken.
     
  • Die mahnende Stimme kommt von Diego Clavadetscher (FDP): «Die politische Kultur braucht Hofnarren – ich bin so einer. Der Narr Ist in einer hoffnungslosen Situation, will aber trotzdem aufzeigen, dass nicht alles, was Gold ist, glänzt.» Ihm geht es vor allem darum, dass, sollte die Motion erheblich erklärt werden, die Stadtverfassung verändert  wird und dass man sich deshalb nicht nur auf diese zwei Punkte zu konzentrieren könne. Vielmehr sollte man die Möglichkeit in Betracht ziehen, bei den bestehenden Gremien -  Stadtrat, Gemeinderat, Kommissionen - Strukturen zu verändern. Ganz nach dem Motto: Warum nur einzelnes Unkraut ausrupfen, wenn man gleich den ganzen Rasen mähen kann? (Okay, das ist ein blöder Vergleich, weil natürlich sind die städtischen Institutionen kein Unkraut, aber ihr wisst, was ich meine.)

  • Martin Lerch (SVP) scheint ebenfalls in revolutionären Gedanken zu schwelgen. «Brauchen wir überhaupt ein Parlament?», fragt er in die Runde, «und wer ist der Chef in der Schweiz?»  Ich, natürlich, ICH, verdammt, warum will das denn niemand begreifen?! Und wenn ich nicht Chefin sein kann, dann will ICH wenigstens die Närrin sein, weil, ich bin hier schliesslich für die Unterhaltung zuständig (auch wenn ich an meinem Purzelbaum zugegebenermassen noch arbeiten muss.

  • Motion wird mit 33 Ja Stimmen angenommen. Was für ein hübsche Zahl und was für ein zauberhaftes Ende für eine überraschend kurze und ausgeglichene Stadtratssitzung voller Harmonie und Frieden! Dä Stadtrat läbt, de Stadtrat fägt. Oder wie hat es Georg Cap in seinem Votum so schön ausgedrückt? «Wir schlugen uns die Köpfe ein und blieben trotzdem stehen.» Unser Stadtrat – ein wandelndes medizinisches Wunder. Freuen wir uns also auf weitere Sitzungen.

Das andere Stadtratsprotokoll - Die Ostern - Edition: Der (Fast) Liveticker zur Stadtratssitzung vom 25.3.2024

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