Montag, 30. August 2021

Das andere Stadtratsprotokoll XX


 

Der Stadtrat tagt,

Der Weg dahin ist schwer,

Baustellen durchfurchen die Strassen,

Ich sehne mich nach gelebter Demokratie,

Und bekomme tote Autos

 

Eventuell kann es sein, dass ich nicht so supermotiviert war dieser Stadtratssitzung beizuwohnen. Es kann sogar sein, dass ich beim Ansehen der Traktandenliste kurz versucht war, meinen Laptop zuzuschlagen. Eventuell habe ich es sogar getan. Schreiend. Möglicherweise habe ich ihn auch noch durchs Zimmer geschleudert. Warum? Weil es in dieser Stadtratssitzung   schon WIEDER um Zahlen ging! Immer geht es um Zahlen, Zahlen, Zahlen! Entschuldigt, da kann ich einfach nicht mitreden! Ich bin für das Wort zuständig. Für das schöne gewundene Wort in all seinen Facetten und Farben. Für geschliffene Formulierungen, die die Leser:innen in die höchsten Sphären der Fantasie entführen. Was soll ich mit diesen kalten nüchternen Ziffern, die mich stumm und anklagend aus ihren Tabellen anstarren? Was soll ich mit Begriffen anfangen wie „Ausfinanzierungskollektiv“ „Umwandlungssatz“ oder „Beitragsprimat“ (okay, das sind keine Zahlen, sondern Worte, aber ihr wisst was ich meine)? Warum wird mir das Leben so schwer gemacht? WARUM?

Ich meine, nicht nur dass ich mich WIEDER mit dem Budget rumschlagen musste – als würde es nicht reichen, dass ich mich monatlich mit meinem eigenen Budget abquälen muss – nein, natürlich musste der Stadtrat auch noch über den Finanzierungsplan reden UND über die Pensionskasse! Es sollte verboten sein, ein musisch begabtes Lama wie mich so zu quälen. Und um den ganzen noch die Krone aufzusetzen, sorgte diese miese kleine Bitch Corona auch noch dafür, dass der Stadtrat wieder nicht in der Alten Mühle tagen konnte, sondern weiterhin im Parkhotel seine Sitzungen abhalten muss. Nichts gegen das Parkhotel, das ist wunderschön. Aber der Saal ist riesig. Die Stadträt:innen sind so weit entfernt, dass ich sie nicht mal mit Papierkugeln bewerfen kann und sie gar nicht mitbekommen, wenn ich sie böse anstarre. Abgesehen davon findet da aktuell offenbar irgendeine Autoausstellung statt. Oder Johann Schneider – Ammans Garage ist kaputt und er stellt seine Fahrzeuge vorübergehend im Saal des Parkhotels ab. Auf jeden Fall fand die Stadtratssitzung inmitten eines Heers von Autos statt. Es erstaunt mich, dass die Grünen sich überhaupt hingesetzt haben und nicht gleich wieder panisch aus dem Saal gerannt sind.

Apropos Grüne: Da hat sich ein bisschen was an der Zusammensetzung geändert. Andri Lehmann hat sich aus dem Rat verabschiedet. Für ihn ist Nadine Wasem nachgerutscht. Stefan Wehrli hat seinen sofortigen Rücktritt erklärt und weil das relativ kurzfristig geschah, blieb sein Sitz heute ganz leer. Die SP hat auch bereits einen Wechsel: Für den zurückgetretenen André Chavanne rückt die Co – Präsidentin der SP Langenthal und JUSO Mitglied, Päivi Lehmann nach. Willkommen im Rat! Ihr werdet hier viel Spass haben und Dinge lernen, die ihr eigentlich gar nie wissen wolltet.

Der Satz wandelt sich um,

Das Geld schwindet,

Die Altersvorsorge schwächt die Älteren,

Doch auch die Jungen leiden,

So traurig.

 

Nach dem üblichen Prozedere (Anwesenheitskontrolle, Mutationen im Rat, Erwähnung des Schutzkonzeptes, Singen der Nationalhymne, Beten des Vaterunsers) trat Stapi Reto Müller mit ernster und kummervoller Miene (ich interpretier das jetzt einfach, ist nicht so, als hätte ich irgendwas von seinem Mienenspiel erkannt) vor den versammelten Stadtrat und die versammelten Autos, um ihnen mitzuteilen, dass die Stiftung Pensionskasse Langenthal durch die Umstände gezwungen ist, den Umwandlungssatz schrittweise zu senken. Das klingt jetzt sehr unspektakulär und technisch, hat aber direkte Folgen für alle städtischen Arbeitnehmenden, die dieser Pensionskasse angeschlossen sind, denn es zieht die Reduktion ihrer Renten nach. Etwas weniger schwülstig ausgedruckt: Sie bekommen nach ihrer Pension weniger Geld.

Jetzt könnte die Stadt natürlich sagen: „Pech gehabt, das Leben ist hart, hier ein Stück Kuchen.“ Aber das macht sie  natürlich nicht. Erstens hat der Gemeinderat ein soziales Gewissen und zweitens macht es die Stadt als Arbeitgeberin nicht wirklich attraktiver, wenn die Pensionskassenbeiträge viel zu niedrig ausfallen. Und wir wissen alle: In der Vergangenheit war es nicht immer so einfach, offene Stellen in der Stadtverwaltung zu besetzen.

Um die Auswirkung der Senkung des Umwandlungssatzes einigermassen aufzufangen, schlug die Pensionskasse verschiedene Modelle vor. Der Gemeinderat entschied sich, den älteren Arbeitnehmenden – die am härtesten von dieser Massnahme getroffen sind, weil sie kaum mehr in der Lage sein werden in der Kürze der Zeit noch genügend Vermögen anzusparen – Geld zuzuschiessen, also ihr Altersguthaben mit einer einmaligen Einlage zu erhöhen. Allerdings heisst das nicht, dass die Differenz komplett ausgeglichen wird, denn der Gemeinderat hat sich für ein Ausfinanzierungskollektiv entschieden, durch das bis zum Jahrgang 1966 66 Prozent des erforderlichen Beitrages zugesprochen wird. Für die Unterstützung der jüngeren Arbeitgeber sollen die sogenannten Sparpläne erhöht werden.  Hier beschloss der Gemeinderat die Variante Midi, die sich zwischen «wir machen gar nichts» und «wir buttern so viel rein, dass wir den bisherigen Standard halten können» bewegt. Reto Müller betonte dann auch, dass es sich um Abfederungsmassnahmen handelt, nicht um einen völligen Ausgleich. Die städtischen Angestellten werden trotzdem weniger Geld in ihren Pensionsparbüchsen haben.

Durch diese Gegenmassnahmen entstehen der Stadt Kosten. Im Falle des finanziellen Zustupfs beläuft sich der auf 1,7 Millionen, wobei es sich aber um einen einmalig gesprochenen Betrag handelt. Die Kosten für den Sparplan dagegen sind wiederkehrend und belaufen sich auf 70'000 Franken jährlich. Der Stadtrat jubelt bekanntlich nie, wenn wieder neue Ausgaben vor der Tür stehen, in dem Fall zeigte er sich aber versöhnlich. Die GPK hatte im Vorfeld noch nachgehakt, ob die Pensionskasse sich nicht an den Kosten beteiligen könnte, was sie aber nicht kann, weil sie finanziell nicht dazu in der Lage ist. Damit bleib das alles an der Stadt pappen.

Die SP äusserte sich wohlwollend über die Abfederung, liebäugelte aber mit dem Sparplan Maxi statt Midi (damit würde die Stadt das entstehende Defizit ganz stopfen). Die SVP sah das genau andersrum. Fraktionssprecher Patrick Freudiger führte aus, dass beim Sparplan vor allem die jüngeren Arbeitnehmenden Nutzniesser:innen seien und die hätten eher noch Handlungsspielraum, deshalb sei es in den Augen seiner Partei nicht zwingend nötig, die Sparbeiträge aufzupolieren. Das Argument, dass die Attraktivität der Stadt als Arbeitgeberin darunter leiden könnte, liess er nicht gelten. Immerhin sei man bei der Revision des Personalreglements sehr grosszügig gewesen. Er hob auch mahnend den Zeigefinger: In einer Zeit, in der Steuererhöhungen angedacht sind (dazu kommen wir später), sei es das falsche Signal, weitere Beitragserhöhungen zu beschliessen.

«Links will man also das Maximum und rechts will man Nichts», fasste Reto Müller am Ende der Debatte trocken zusammen. Nicht, dass das was Neues wäre. Die SP strebt stets nach dem maximalen Maximum, weil das Minimum ihnen nicht reicht, um ihre maximalen Ansprüche an die maximale Bestleistung zu befriedigen und man sich mit dem Minimum auch nicht zufriedengeben kann, wenn man nach der maximalen Überwindung des Kapitalismus strebt.  Die SVP dagegen will minimale Veränderungen, die sich so minimal auswirken, dass nur ein minimaler Bruchteil der Bevölkerung maximal davon profitieren kann. Und am Ende trifft man sich halt in der Mitte.

Dadurch, dass die SP ihren Antrag schlussendlich zurückzog – um zu verhindern, dass sich die Stimmen zwischen ihrem und dem Antrag des Gemeinderates aufteilen – blieb es schliesslich bei der salomonischen Lösung des Gemeinderates. Oder um es in den Worten von Diego Clavadetscher auszudrücken: Der Status Quo wird sichergestellt und die älteren Arbeitnehmenden weiter unterstützt.

Sieg nach Punkten für den Gemeinderat.

 

Die Zukunft,

Ein Stück Papier,

Der Name lässt mich schaudern,

Finanzplan

Sein Bruder ist das Budget

Das Defizit hängt über uns,

Wir lachen trotzdem

(und geben weiter Geld aus)

 

Als nächstes folgte ein Vortrag von Finanzvorsteher Roberto di Nino (SVP), der sowohl den Finanzplan (IHHHHH!) und das Budget 2022 (WUHÄÄÄ!) vorstellte. Und der Vortrag war wirklich gut und nachvollziehbar, aber ich spar es mir jetzt, den komplett zusammenfassen (wir müssen ja eh sparen, ne?). Wer sich das antun…äh, ich meine, wer die genauen Zahlen einsehen will, kann das auf der Webseite www.langenthal.ch gerne tun (ihr werdet sie bei der total übersichtlichen Gestaltung der Seite sicher schnell finden…) und sonst werdet ihr in der nächsten Abstimmungsbotschaft alles finden.

Es gibt ein paar Dinge, die ich erwähnenswert finde. Erstens: Auch dieses Budget leidet noch immer unter den Auswirkungen von Corona. So sind die Steuererträge noch immer eher unterdurchschnittlich. Zweitens: Das Budgetdefizit 2022 beträgt 5. 38 Mio Franken, was knapp über den angestrebten 5 Mio liegt. Drittens: Der Selbstfinanzierungsgrad ist mit -5 Grad extrem mies. Eine Unternehmung wäre mit diesem Wert schon lange hops gegangen. Jetzt kann man eine Stadt nur bedingt mit der Privatwirtschaft vergleichen. Aber schlussendlich schleckt es keine Geiss weg, dass Langenthal weit über seine Verhältnisse lebt. Onyx Millionen hin oder her. Roberto de Nino machte dann auch keinen Hehl daraus, dass die fetten Jahre des fröhlichen Geldausgebens vorbei sind und Sparübungen nötig sein werden bzw. schon nötig geworden sind.

Für Diego Clavadetscher (FDP) ist das kein Grund Trübsal zu blasen. Im Gegenteil, er zeigte sich fast schon euphorisch. «Der Gemeinderat übernimmt Führungsverantwortung» lobte er die Exekutive für ihren Mut, den Rotstift nicht nur zu spitzen, sondern auch tatsächlich anzusetzen. Und weiter: «Ich hoffe, der erlischt nicht wieder!» Also Unterstützung der Liberalen für das Budget statt der üblichen Schelte. Wenn das kein Grund für Champagner ist…

Die SP, vertreten von Paul Bayard, begrüsste ausdrücklich die Bestrebungen des Gemeinderats, nicht nur die Aufwände zu minimieren, sondern auch die Erträge zu erhöhen. Der alte Fuchs schaffte es dann noch in seinem Votum, Werbung für die nächste Abstimmung zu machen. «Es gibt ein einfaches Mittel, Steuererhöhungen zu verhindern: Die Annahme der 99 Prozent Initiative», bemerkte er listig. Die anderen Parteien ignorierten dieses Statement geflissentlich.

So hätte die Budgetdebatte im allgemeinen Wohlwollen enden können, wäre da nicht diese eine Beitragskürzung in diesem einen Konto gewesen. Das Konto trägt den unschuldigen Namen «Diverse Beiträge». Und da geht es eben ganz explizit um Beiträge, die an die freien Kulturschaffenden Langenthal fliessen. Die hätten laut Budget um 10’’000 gekürzt werden sollen. Das fand bei Saima Sägesser (SP) so gar keinen Anklang. In einem flammenden Votum führte sie aus, dass diese Kürzung es der Kulturkommission verunmögliche neue Projekte zu fördern und zu unterstützen. Der Betrag möge klein wirken, für die freie Kulturszene sei er jedoch von existenzieller Bedeutung. «Will Langenthal professionelle Kulturschaffende?» fragte sie direkt in die Runde.

«Zur Qualität von Langenthal gehören Kultur, Sport und das Vereinswesen», bekräftigte auch FDP – Stadträtin Jana Fehrensen, die als Museumsleiterin ein grosses Herz für Kultur hat. Sie rief zudem in Erinnerung, dass die Kulturnacht ebenfalls von diesem finanziellen Beitrag profitiere. «Die Kulturnacht ist wichtig für Langenthal. Schon um uns das Wohlwollen der Nachbargemeinden zu sichern. Auf dieses Wohlwollen sind wir angewiesen unsere kulturellen Institutionen werden auch von ihnen finanziert.» Zudem brachte sie auf das Tapet, dass bereits die kulturelle Unterstützung durch die Jaberg Stiftung wegfällt, was sich ebenfalls negativ auf das Kulturbudget auswirkt.

Nathalie Scheibli (SP) packte den guten alten Pedro Lenz aus. Der ohne diese 10'000 Franken, um die es hier gehe, nicht dort wäre, wo er jetzt ist, so Scheibli. Er habe den Namen Langenthal in die Welt hinausgetragen. Und sie selbst hätte ohne diesen finanziellen Zustupf den Kinderstadtführer von Langenthal nicht herausgeben können. Die Identitätsstiftende Wirkung solcher Projekte, dürfe nicht unterschätzt werden.

Die drei Stadträt:innen konnten sich der Unterstützung der Kunstschaffenden Langenthals gewiss sein. Bereits im Vorfeld verbreitete sich auf Social Media ein offener Brief, in der sich die Betroffenen mit deutlichen Worten gegen die geplanten Kürzungen zur Wehr setzten. Darunter tummeln sich Namen wie Urs Mannhard oder Thomas Aeschbacher. Ob man es sich mit diesen Ausnahmenkünstler:innen nicht verderben wollte oder es einfach niemand wagte, sich mit der temperamentvollen Saima Sägesser anzulegen: Der Stadtrat zeigte ein Herz für die schönen Künste und machte die Kürzung rückgängig. Der Beitrag bleibt gleich hoch.

(Ich möchte hier aber in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, dass ich sehr enttäuscht bin. Bis zum Schluss der Debatte habe ich gehofft, dass die freien Kunstschaffenden den Saal stürmen und den Gefangenenchor aus Nabucco anstimmen. Das wäre sooo toll gewesen! Und eindrücklich! Und nein, es ist nicht so, dass ich mich manchmal im Stadtrat langweile und mir dann solche Szenen ausdenke, damit ich nicht einschlafe…)

Ach ja übrigens, das Budget wurde angenommen. Habe ich noch vergessen zu schreiben.

Der Finanzplan 2022 – 2026 ist jetzt auch nicht so prickelnd. Denn, obwohl die Stadt sich explizit das Ziel gesetzt hat, weiterhin einen attraktiven Steuersatz anzubieten (heisst möglichst niedrig), sieht der Gemeinderat für das Jahr 2023 eine Steuererhöhung vor. Bis jetzt man dieses böse, böse Wort vermieden, aber eigentlich dürfte allen, die sich in den letzten Jahren ein bisschen mit den Finanzen der Stadt auseinandergesetzten haben (eher unfreiwillig in meinem Fall), klar gewesen sein, dass das früher oder später kommen wird. Sanierte Schulhäuser, ein todschicker Bahnhof, ein prächtiges Eisstadion, moderne IT – Anlagen für die Schulen…das ist zwar alles hübsch und recht, aber kostet nun einmal auch eine schöne Stange Geld. Dazu kommt, dass die Stadt auf gewisse Aufwandposten gar keinen Einfluss hat. Z. B wenn es um Zahlungen an den Kanton geht. Wenn man die Aufwände nicht mehr drücken kann, bleibt einem nur die Variante, den Ertrag zu erhöhen (ach, ich bin so ein kluges Kind. Manchmal bin ich selbst überrascht von meiner Genialität. Oder zumindest von meiner Fähigkeit, den Anschein zu geben, ich verstünde etwas von dem, was ich hier verzapfe.)

Erstaunlicherweise kippten die Bürgerlichen beim Wort «Steuererhöhung» nicht gleich ohnmächtig vom Stuhl und sie holten auch keine Fackeln hervor, um den Gemeinderat mit Schimpf und Schande aus dem Steuerparadies Langenthal zu vertreiben. Pascal Dietrich (FDP), der sich in vergangenen Budgetdebatten stets, wie ein Löwe vor den Steuersatz geworfen hat, um etwaige Angriffe abzuwehren, gab sich fast schon versöhnlich. Für ihn gebe es gute Gründe, die für eine Steuererhöhung sprechen würden, meinte er und schob, fast ein bisschen selbstkritisch hinterher, dass der Stadtrat in der Vergangenheit nun einmal auch sehr gerne Geld ausgegeben hätte. Dennoch gab er zu bedenken, dass Prognosen nie zu 100 Prozent eintreffen und zudem meist eher zu pessimistisch ausfallen würden (kenne ich von meinem Horoskop. Trifft auch nie ein. Wobei, der Unterschied ist, dass mein Horoskop viel zu optimistisch ist. Ich warte immer noch auf die 100 Millionen Franken und auf den Apfelschimmel, die mir im letzten Horoskop versprochen wurden). Und er brachte den Bilanzüberschuss wieder ins Spiel. Der beläuft sich immerhin noch auf 70 Mio Franken. In Anbetracht dieser Summe sei es unanständig, auf Vorrat die Steuer zu erhöhen, führte Dietrich weiter aus und fügte an: «Das ist, als würde ein Millionär betteln.» Stimmt…oder als würden Millionär:innen zahlreiche Tricks anwenden, um ihre Steuern zu optimieren. Was in der fairen Schweiz selbstverständlich nie jemand machen würde…

Naturgemäss sah das die linke Ratsseite etwas anders. Paul Bayard sah wenig Sinn darin, den Bilanzüberschuss einfach «zu verbräteln». Er erinnerte an die Gemeinde Köniz, die sich lange vor dem Thema Steuererhöhung drückte und jetzt mit dem Rücken zur Wand steht. Die schrittweise Erhöhung des Steuersatzes, begrüsste er ausdrücklich.

Ein Votum, dass Roberto de Nino aufscheuchte. «Es ist keine schrittweise Erhöhung des Steuersatzes geplant. Es bleibt nach 2023 bei den 1.44» stellte er klar. Nicht, dass plötzlich noch jemand meint, er vertrete linke Ansichten oder mutiere zum Kommunisten. Das wäre noch schöner! Fast so, als würde Dagobert Duck sich auf einmal in Donald Duck verwandeln (wobei Linke nicht ganz so cholerisch sind. Aber ähnlich glücklos).

Über den Finanzplan konnte der Stadtrat nicht abstimmen. Der ist lediglich zur Kenntnisnahme. Das Thema Steuererhöhung ist aber sicherlich nicht vom Tisch. Da wird der Stadtrat noch einmal darüber abstimmen. Dennoch Freunde: Vielleicht wäre jetzt die Investition in einen Sparstrumpf nicht schlecht. Wobei, ihr könnt das Geld ja auch unter der Matratze verstecken.  

 

Mein Hintern schmerzt,

Ich habe Hunger,

Orange Karten erheben sich,

Das Budget ist durch

Das Leben ist schön

 

Wisst ihr, manchmal kommt es mir vor, als wäre der Stadtrat in einer Zeitschleife gefangen. Es gibt einfach Themen, die immer und immer wieder beharkt werden. Und es gibt Motionen, die tauchen immer wieder auf. Wie Leichen, die Richtung Oberfläche treiben und die einem zu Tode erschrecken («O mein Gott, stimmt, da war ja noch was»). Ein solches Thema ist die Alte Mühle, an der die Langenthaler:innen in fast schon manischer Besessenheit hängen. Wie soll es jetzt denn weitergehen mit dem Areal? Behalten, verkaufen, investieren, niederbrennen?

Gleich zwei Motionen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, liegen noch beim Gemeinderat. Eine bezieht sich auf die Renovation – oder Nichtrenovation – des Alten Mühlesilos (das wirklich nicht hübsch ist. Irgendeiner ist aber auf die Idee gekommen, dass es mega schützenswert sei. Benutzen kann man es im jetzigen Zustand allerdings nicht, weil man sonst in Gefahr läuft, von einer herunterfallenden Decke erschlagen zu werden), die andere äussert generell den Wunsch auf eine schnelle Belebung des Mühleareal. Für beides beantrage der Gemeinderat eine Fristverlängerung. Zwar gab es eine ausführliche Nutzungsstudie und verschiedene Abklärungen, so richtig was Konkretes ist dabei nicht rausgekommen.

Der Stadtrat zeigte sich infolgedessen eher mürrisch über die erneute Verschiebung. Stefanie Barben (FDP) fand, es sei jetzt denn mal gut mit Ideen und Zukunftsvision, es brauche endlich konkrete Projekte. Ähnlich klang es von Seiten der SP. Die GLP/EVP Fraktion versagte dem Gemeinderat gleich ganz die Unterstützung. Dyami Häfliger (GLP) bezweifelte, dass die Stadt in einem Jahr wirklich weiter ist. Die Mehrheit des Stadtrats stimmte der Fristverlängerung zu. Bleibt ihnen auch nicht viel anderes übrig.

Und ich bin wirklich zuversichtlich, dass wir eine dauerhafte Lösung für die Alte Mühle finden!

In absehbarer Zeit…

Ganz bald…

Ich denke, in 50 Jahren sind wir dann so weit.

Oder sagen wir in 150 Jahren.

Aber was ist das schon, gerechnet auf die Ewigkeit?

 

Augen sind das Tor zu Seele,

Ortseingänge sind das Tor zum Geist der Stadt,

Ich sah den Pfad nach Langenthal

Und beschloss

Dass Geist auch nicht alles ist

 

Sagen wir wie es ist: Die Eingänge, die nach Langenthal führen, könnten hübscher gestaltet sein. Diesen Gedanken griff Irene Ruckstuhl in ihrer Motion auf. Sie forderte, dass die Orteingänge zumindest mit einem einheitlichen Plakatierungskonzept gestaltet werden sollen. Momentan herrscht da ziemlich Wildwuchs und je nach Wetterlage liegen die Plakate sogar am Boden, was jetzt nicht super aufgeräumt wirkt. Obwohl der Gemeinderat den Sinn des Begehrens durchaus einsah, empfahl er die Motion doch zur Ablehnung. Als Gründe führte er Kosten an, die unter anderem durch die Anschaffung und Bewirtschaftung neuer Tafeln anfallen würden. Zudem sei das vorgeschlagene Format eher klein.

Irene Ruckstuhl wies in ihrem Votum darauf hin, dass sie keineswegs ein fixfertiges Projekt eingereicht habe und offen für die definitive Gestaltung sei. Der Ortseingang sei aber wichtig, weil bekanntlich der erste Eindruck zähle. Ihre Kollegin, Jana Fehrensen, wunderte sich, dass immerhin 3 Stellen in der städtischen Verwaltung sich positiv zu dieser Motion geäussert hätte und sie jetzt trotzdem abgeschrieben werden soll. Zusätzliche Rückendeckung kam von der GLP. «Ortseingängen sind die Visitenkarten der Stadt», so Dyami Häfliger.

Ausufernde Konzepte und Konzepte befürchtete dagegen Janosch Fankhauser (SVP), der vor seinem geistigen Auge wohl schon einen goldenen Torbogen, ein Meer aus Blumen und aus Swarovskisteinen gefertigte Ortstafeln sah. Er sprach sich für etwas Einfaches und Unkompliziertes aus (da hätte ich ürbigens einen vorzüglichen Vorschlag: Pappschilder! Und wenn das immer noch zu teuer ist, schreiben wir den Ortsnamen einfach mit Kreide auf die Strasse. Reicht ja.)

Stapo Reto Müller bekannte sich ebenfalls zum Team Pragmatismus. «Wir wollen Bestehendes weiterführen.» Auf die von vielen Seiten geäusserte Kritik, dass die Stadt wieder unnötig auf ein Konzept poche, erwiderte er seufzend: «Ihr bestellt hier schliesslich das Konzept und einen Bericht. Ihr beauftragt uns schliesslich damit.» Weiss gar nicht, was er hat. Ich bestelle auch immer Pizza und schreie dann den Boten an, ich hätte schliesslich nur die Tomaten gewollt und nicht den ganzen Rest dazu.

Schlussendlich überwog die Sehnsucht nach einer ästhetischen Ortseingangsgestaltung. Die Motion wurde erheblich geklärt.

Was für ein bezauberndes Ende einer eher trockenen Stadtratssitzung. Hoch die Tassen!

Eine Idee,

Entsprang meiner Seele,

Wie ein Vogel,

schwang sie sich in den Himmel

«Konzept!»

Sie stürzte ab.

Und war tot.

 

 

«Gegen die Übermacht der SVP haben wir keine Chance.» Sandro Baumgartner (SP) streckt die Waffen vor Napoleon und seiner Armee.

«Das ist das Gegenteil von der SP mit ihrer Deluxe – Version!» Patrick Freudiger (SVP) mag es eher schlicht.

«Wir haben in der Fraktion nicht gerade den Kopfstand gemacht.» Schade, das wäre doch mal ein schönes Gruppenfoto geworden: Pascal Dietrich (FDP)

«Wir von der SVP…äh SP…» Paul Bayard (SP) treibt geschickt die Verbrüderung mit dem Erzfeind voran.

«Die 10'000 Franken werden Langenthal nicht umbringen.» Roberto di Nino macht klar: Geld arbeitet nicht nur nicht, es tötet auch nicht.

«Sprengen, weg mit dem Ding!» Den Vorschlag hatten wir schon mal, aber das Mühlesilo steht auch nach Michael Schenks (SVP) Ausbruch noch immer bombenfest.

«In der Privatwirtschaft bedeutet rasch gleich oder sofort, auf der Verwaltung heisst rasch wohl 5 Jahre!» Stefan Grossenbacher (SVP) und die Relation der Zeit.

«Das Problem ist mehr, wie man die Plakate einschlägt…es sind eben nicht alles Handwerker.» Janosch Fankhauser (SVP) sucht das Problem in Sachen Ortseingang nicht beim Material, sondern bei denen, die die Pflöcke einschlagen.

«Jetzt gibt es wieder ein dickes fettes Konzept und dann sind wieder 1000 Leute daran beteiligt…» Corinna Grossenbacher (SVP) verknüpft zwei Herzensthemen ihrer Partei: Überlange Papiertiger und Masseneinwanderung.

«Wenn Ihr hier erzählt, wir würden ständig die Verwaltung aufblasen, ist das ein Hohn!» Stapi Reto Müller (SP), latent verzweifelt.

«Ist das der Anfang unserer First World Probleme?» Wieder Reto Müller, dieses Mal mit einem philosophischen Denkanstoss.

Das andere Stadtratsprotokoll - Die Ostern - Edition: Der (Fast) Liveticker zur Stadtratssitzung vom 25.3.2024

  Das Vorgeplänkel ·         Hallo und herzlich willkommen zum neuen exklusiven anderen Stadtratsprotokoll, geschrieben wie üblich von e...