Donnerstag, 23. April 2020

Langenthaler Politik in Zeiten des Corona


Seit heute ist es offiziell: Die Wahlen für die Legislaturperiode 2021 – 2024 finden statt, allerdings erst am 29. November 2020. Für den Fall, dass es für das Stadtpräsidium einen zweiten Wahlgang braucht, ist der 20. Dezember 2020 (Schnapszahl!) vorgemerkt. Das ist ungewöhnlich spät für Wahlen in Langenthal, die normalerweise um September/Oktober stattfinden. Nötig geworden ist die Verschiebung nach hinten wegen – man wird es erraten – Corona. 

Denn mal abgesehen davon, dass wir ja nicht wissen, inwieweit unser Leben sich bis in den Herbst wieder normalisiert hat, macht das Virus einen Wahlkampf im herkömmlichen Sinne fast unmöglich. Durch das Versammlungsverbot, können die Parteien nicht zusammenkommen, was Nominierungsanlässe ausschliesst. Auch das Sammeln von Unterschriften für Initiativen ist untersagt. Ebenso ist an Verteilaktionen nicht zu denken. Podien werden ebenfalls schwierig. Es ist unwahrscheinlich, dass die Massnahmen in den nächsten Wochen aufgehoben werden. Wahlen durchzuführen, ohne den Parteien die Chance zu geben, zu werben, ist heikel.

Wobei man natürlich ein interessantes Experiment durchführen könnte. Wie wählen die Menschen, wenn sie nicht wochenlang mit Wahlgeschenken bombardiert werden? Wie kann man als Partei die Wählenden erreichen, ohne ihnen nahe zu kommen? Bringen die Flyer und Plakate wirklich etwas oder ist es letztendlich Papierverschwendung? Kann man die Menschen auf der Strasse tatsächlich zu einem Meinungsumschwung bewegen? Wer weiss, vielleicht würden nüchterne und kühle Wahlen, ohne das ganze Schischi drum herum zu überraschenden Ergebnissen führen.

Allerdings lebt gerade Lokalpolitik stark vom direkten Kontakt mit den Menschen. Irgendwie wäre es ja schade, so ganz auf das Wahlbrimborium zu verzichten, denn schliesslich will man sich als Partei präsentieren und positionieren. Wahlzeit ist die Zeit, in der die Scheinwerfer in Langenthal auf Politiker – und Politikerinnen gerichtet sind. Es ist wohl auch der Ehrgeiz jeder Partei einen besonders guten und kreativen Wahlkampf zu führen. Mit eingeschränkten Möglichkeiten, wie es momentan der Fall ist, macht es doch nur halb so viel Spass. 

Freilich, ein Online – Wahlkampf wäre eine nette Abwechslung. Diskussionen per Skype hätten durchaus ihren Reiz. Statt Flyer gibt’s digitale Postkarten und statt Personen in der Marktgasse anzuquatschen, drehen alle spritzige Youtubevideos, in denen sie kurz erzählen, warum sie unbedingt in den Stadtrat oder Gemeinderat wollen. Damit würde man allerdings Personen ausschliessen, die mit der virtuellen Welt nicht viel anzufangen wissen. Ziel eines Wahlkampfes ist es, die Menschen auf möglichst vielen Kanälen zu erreichen. 

Schwierig gestalten wird sich der Wahlkampf in diesem Jahr auch, weil Corona ein sehr dominantes Thema ist, dass die Menschen naturgemäss sehr beschäftigt. Zugleich ist es ein Thema, bei dem der Lokalpolitik mehr oder weniger die Hände gebunden sind, weil die Entscheide vom Kanton bzw. vom Bund getroffen werden (z. B kann Langenthal jetzt nicht selber entscheiden, ob die geplanten Veranstaltungen durchgeführt werden oder nicht). Es dürfte nicht ganz einfach sein, den Fokus auf lokale Themen wie Porzi oder Alte Mühle zu lenken.

Insofern macht eine Verschiebung Sinn. Sie gibt den Parteien die Möglichkeit, sich doch noch in Szene zu setzen. Eine Verschiebung bis ins nächste Jahr, würde neue Probleme aufwerfen. Gewählt sind die aktuellen Behördenmitglieder bis Ende 2020. Rein rechtlich wäre das schwierig gewesen, schon wegen der Amtszeitbeschränkungen. 

Gewählt wird übrigens nach altem Wahlreglement. Gegen das neue Wahlreglement wurde Beschwerde eingereicht, weil es sich ein bisschen mit der Verfassung beisst. Das bedeutet unter anderem, dass es keine stille Wahl für den Stapi geben wird. Auch wenn keine Gegenkandidatur antritt – wonach es momentan schwer aussieht – wird der Stapi nach normalen Wahlprozedere gewählt. Die Lücken des alten Wahlreglements bleiben ebenfalls bestehen – so auch die umstrittene Verdrängungsregel in Bezug auf die Gemeinderatsliste. Nüchtern betrachtet kann man sagen: Das Parlament ist damit gescheitert ein einfaches aber klares Wahlreglement aufzugleisen. Stattdessen gab es einen komplizierten Papiertiger, der jetzt prompt durch eine Beschwerde aus der Bevölkerung gebremst wird. 

Die letzte Stadtratssitzung fiel wegen des Coronavirus ins Wasser. Kommissionssitzungen wurden ebenfalls ausgesetzt. Damit übernahm die Exekutive als oberstes Führungsorgan das Ruder. Die Regelung gilt bis am 30. April. Die nächste Stadtratssitzung findet voraussichtlich am 11. Mai statt und zwar nicht wie sonst im Saal der Alte Mühle, sondern im Parkhotel, weil dort die Abstandregeln eingehalten werden können. Aber auch das ist nicht in Stein gemeisselt, denn momentan gilt noch das Versammlungsverbot und darunter fallen ebenso Stadtratssitzungen – zumindest wird das so kommuniziert. 

Die Durchführung einer Stadtratssitzung in Coronazeiten dürfte freilich nicht  einfach sein. Vierzig Personen plus Gemeinderat plus Verwaltungsangestellte plus Presse plus Zuschauer, ergibt durchaus eine stattliche Summe an Leuten. Menschen von der Stadtratssitzung auszuschliessen ist nicht ganz unproblematisch, denn Stadtratssitzungen müssen öffentlich sein. Willkürlich zu entscheiden, wer im Zuschauerraum sitzen darf und wer nicht, würde dem widersprechen. Auch das Thema Risikogruppen muss bedacht werden. Die Empfehlung, dass diese so weit als möglich zuhause bleiben sollen, wird wohl noch eine Weile bestehen bleiben. Was aber wenn ein Stadtratsmitglied zur Risikogruppe gehört? Man darf keinen Stadtrat und keine Stadträtin daran hindern, ihr Amt auszuüben. Folglich darf man sie auch nicht dazu auffordern, der Sitzung fernzubleiben. 

Setzt man die Stadtratssitzungen allerdings weiter aus, kommt es zu einem noch grösseren Stau der anstehenden Geschäfte. Der Gemeinderat entscheidet nur in dringenden Fällen, der Rest wird aufgeschoben. Das führt zu zeitlichen Verzögerungen. Und zu weiteren Monstersitzungen. Zudem darf die Legislative nicht einfach auf Eis gelegt werden. Alle Macht bei der Exekutive ist keine langfristige Lösung. Auch auf nationaler Ebene tritt das Parlament wieder zusammen. Auf städtischer Ebene sollte das ebenfalls möglich sein.  

Corona ist und bleibt eine Herausforderung. Auch für die Demokratie in Langenthal.

Das andere Stadtratsprotokoll - Die Ostern - Edition: Der (Fast) Liveticker zur Stadtratssitzung vom 25.3.2024

  Das Vorgeplänkel ·         Hallo und herzlich willkommen zum neuen exklusiven anderen Stadtratsprotokoll, geschrieben wie üblich von e...