Mittwoch, 25. November 2020

Spieglein, Spieglein an der Wand...wie werden die Langenthaler Wahlen ausgehen?

 

Nicht mehr lange und dann fällt in Langenthal die Entscheidung, wer im Parlament und in der Exekutive Platz nehmen darf. Eine genaue Prognose zu machen ist schwierig, nicht nur weil Corona den Wahlkampf erheblich verkompliziert und eine direkte Konfrontation der Akteure verunmöglicht hat, sondern auch weil Gemeindewahlen anders funktionieren als nationale Wahlen. Die persönliche Vernetzung der Kandidierenden spielt eine wesentlich grössere Rolle als bei National – oder Ständeratswahlen, wo die meisten Menschen mit den glatt lächelnden Gesichtern auf Plakaten und Wahlprospekten nicht sonderlich viel verbinden. In Langenthal ist das anders, man kennt sich untereinander und wählt eher nach Sympathie, denn nach Parteiprogramm. Dennoch will ich es wagen, eine persönliche Einschätzung abzugeben, wie es nächstes Wochenende ausgehen könnte – mit dem Risiko komplett falsch zu liegen.

Geht man nach den nationalen Trend, werden Grüne und GLP zu den strahlenden Siegern zählen. Auch wenn das Thema Klimawandel durch die Pandemie ein wenig in den Hintergrund gerückt ist, sehnen sich noch immer viele Menschen nach einer nachhaltigen Politik. Und nach Veränderung. Die Grünen stehen für Frische, Aufbruch und Visionen. Allerdings haben sich die Grünen Langenthal im Stadtrat eher zurückhaltend gegeben. Es ist ihnen nicht wirklich gelungen, sich von der Fraktionspartnerin SP abzugrenzen. Zudem kandidieren einige Zugpferde nicht mehr für diese Legislatur. Dafür punkten die Grünen mit unverbrauchten, jungen Gesichtern, die quasi stellvertretend für die Grüne Welle stehen.

Die GLP dagegen könnte Wähler*innen der FDP abluchsen, weil sie quasi das grüne Alternativprogramm zu den Liberalen bildet – zumindest auf nationaler Ebene, wo sich die FDP lange Zeit schwer mit dem Thema Umwelt tat. In Langenthal hat die FDP allerdings einige Vertreter*innen, die dem grünen Gedanken nicht gänzlich abgeneigt sind, daher entstand hier dieses Vakuum weniger stark. Die GLP hatte es natürlich nicht leicht, im Stadtrat aufzutrumpfen, weil sie nur einen Sitz halten und der EVP – Fraktion angegliedert sind. Der Idealfall für die GLP wäre, wenn sie von der Schnittmenge der linken und der bürgerlichen Wählerschaft profitieren könnten. National hat das geklappt.

Auch wenn Grün dazugewinnen dürfte, bedeutet dies nicht automatisch einen Ruck nach Links, denn normalerweise gewinnt Grün auf Kosten der SP, weil die Parteien quasi im selben Teich fischen. Die Sozialdemokraten konnten vor vier Jahren zulegen, weil sie dank der Stadtpräsidentenwahl mobilisieren konnten. Dieses Jahr wird der Stadtpräsident Reto Müller jedoch nicht herausgefordert und es ist davon auszugehen, dass es den Sozialdemokraten nicht gelingen wird, noch einmal dieselbe Aufbruchsstimmung zu erzeugen.

Für die SP waren es vier schwierige Jahre im Stadtrat. In der Zeitung wurden sie als politmüde bezeichnet, wohl weil sie nicht so streitlustig waren, wie man das von Oppositionsparteien gewöhnt ist. Nun, auch wenn ich hier sicher nicht völlig objektiv bin: Ich glaube nicht, dass die SP politmüde ist. Dafür ist die Basis zu aktiv. Immerhin ist die SP nicht nur auf den Strassen präsent, wenn gerade Wahlen sind, sondern über das ganze Jahr. Nicht zu vergessen ist auch die Parteizeitung, die regelmässig erscheint und ausführlich die Positionen der SP beleuchtet. Eine politmüde Partei würde wohl kaum so  einen Aufwand betreiben.

Was ich aber denke, ist, dass die SP noch nicht so ganz in ihre Rolle als Partei des Stadtpräsidenten gefunden hat. Zwar ist der Gemeinderat klar bürgerlich, aber viele Themen berühren das Ressort des Stadtpräsidenten und es ist bedeutend schwerer zu opponieren, wenn der Entscheidungsträger zur eigenen Partei gehört. Für die SP ist das auch eine völlige neue Situation, denn die letzten beiden Stadtpräsidenten kamen aus dem bürgerlichen Lager, was es leichter machte, gegen den Gemeinderat Stellung zu ziehen. In dieser Legislatur waren die Sozialdemokrat*innen meist auf derselben Linie wie  die Exekutive.

Die SP setzt in ihrem Wahlkampf auf Kreativität und nährt sich mit ihren Sujets geschickt dem Thema Nachhaltigkeit an. Zwar hatten sie in der Fraktion prominente Abgänge zu verkraften, dafür haben sie aber eine breitgefächerte Liste aufgestellt und auch einige bewährte Kräfte wieder zurückgeholt. So könnte es der SP gelingen ihre Sitze zu halten. Dazugewinnen könnte schwierig werden.

Ähnlich sieht es bei der SVP aus. Sie werden wohl kaum von der grünen Welle profitieren können. Auch bei ihnen hat es im Parlament einige Abgänge gegeben und manchen ihrer Stadträte ist es nicht wirklich geglückt, sich in Szene zu setzen. Zur FDP hat die SVP einen guten Draht, so dass sie sich öfters mit ihr verbünden konnten, um ihre Anliegen durchzubringen. Allerdings machte es gerade in den letzten Stadtratssitzungen den Eindruck, als übernehme die FDP inzwischen den dominanteren Part in diesem Bündnis, weil es den Freisinnigen besser gelingt, Themen zu den ihren zu machen.

Die SVP fiel vor allem mit ihrer Kritik an der Verwaltung auf. Besonders die Personalkosten waren ihnen ein Dorn im Auge. Das ist allerdings nicht unbedingt ein Thema, das für Begeisterungsstürme sorgt, zumal sich die SVP ja dann doch hütet einen Frontalangriff zu starten. Die Kritik bleibt stets ein wenig oberflächlich. Die SVP kann aber mit allen Bisherigen antreten – ob das reicht um die Sitze zu verteidigen, wird sich zeigen.

Die FDP war ohne Zweifel die Partei, die sich im Stadtrat am meisten in Szene setzte und sich am stärksten einbrachte. Sie zahlte aber auch den Preis dafür. Im Stadtrat galten die Freisinnigen zunehmend als Blockierer, weil von ihnen zahlreiche Änderungsanträge eingingen. Die Vorlagen wurden von ihnen teilweise richtiggehend auseinandergenommen. In dem ohnehin eng getakteten politischen Terminkalender kam es deshalb immer wieder zu Verschiebungen.

Die FDP versteht es allerdings, sich zu verkaufen. Den Vorwurf, stets alles zu verhindern, kontern sie, indem sie die Rolle des Stadtrates in einer Demokratie immer wieder betonen. Auch im Wahlkampf taucht diese Thematik auf. Ob der Stellenwert des Stadtrats die Stimmbevölkerung aber so brennend interessiert, sei mal dahingestellt. National musste die FDP bei den letzten Wahlen Federn lassen, wenn auch nicht so schlimm wie prognostiziert. Dieser Trend könnte sich auch in Langenthal fortsetzen. Sitzgewinne, denke ich, liegen eher nicht drin.

Ähnlich wird es wohl bei der JLL aussehen. Ihren Sitz können sie vermutlich verteidigen, aber der angestrebte zweite Sitz ist ein hohes Ziel. Zwar ging der exakt genommen nicht wirklich verloren, sondern verschob sich zu der FDP rüber. Es liegt nahe, dass die JLL den Sitz jetzt umgekehrt  der grossen Schwester abjagen  würde – die Wählerschaft dürfte in weiten Teilen dieselbe sein. Nur ist fraglich ob ein Szenario, in dem der Freisinn verliert, die Jungliberalen aber gewinnen, realistisch ist. Da die JLL Teil der FDP – Fraktion ist, bilden sie gewissermassen eine Symbiose.  Für die JLL spricht, dass es ihr besser als vor vier Jahren gelungen ist, neue Kandidierende aufzubauen und dass sie für eine junge Generation stehen, die sich den Problemen der Zukunft auf nüchterne Wese nähren.

Nicht ganz einfach ist die Ausgangslage für die EVP. Sie hat in der letzten Legislatur  erfahrene Aushängeschilder verloren, die immer viele Stimmen gesammelt haben. Deshalb kann ich mir schon vorstellen, dass sie nicht an die früheren Erfolge werden anknüpfen können. Trotzdem wollen sie den Gemeinderatssitz zurückholen, den sie bei den letzten Wahlen verloren haben. Dafür sind sie ein Bündnis mit den Grünliberalen eingegangen. Die Frage ist, ob von diesem Zusammenschluss nicht eher die Grünliberalen profitieren werden, vorausgesetzt sie reiten die grüne Welle.

Als Fazit kann man sagen: Ich denke, dass Grüne und Grünliberale leicht dazugewinnen werden. Ich fürchte, erstere auf Kosten der SP. Die SVP wird wahrscheinlich gleich bleiben. Die FDP auch – oder sie verlieren an die Grünliberalen. So oder so wird es wahrscheinlich keine allzu grossen Verschiebungen geben. Aber natürlich hoffe ich so ein ganz kleines bisschen auf den Linksrutsch. So ein wenig mehr Rot würde Langenthal ganz gut stehen.

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