Der
Stadtrat tagt,
Der
Weg dahin ist schwer,
Baustellen
durchfurchen die Strassen,
Ich sehne mich nach gelebter Demokratie,
Und bekomme tote Autos
Eventuell kann es sein, dass ich nicht so supermotiviert war dieser
Stadtratssitzung beizuwohnen. Es kann sogar sein, dass ich beim Ansehen der Traktandenliste
kurz versucht war, meinen Laptop zuzuschlagen. Eventuell habe ich es sogar
getan. Schreiend. Möglicherweise habe ich ihn auch noch durchs Zimmer geschleudert.
Warum? Weil es in dieser Stadtratssitzung schon WIEDER
um Zahlen ging! Immer geht es um Zahlen, Zahlen, Zahlen! Entschuldigt, da kann
ich einfach nicht mitreden! Ich bin für das Wort zuständig. Für das schöne
gewundene Wort in all seinen Facetten und Farben. Für geschliffene
Formulierungen, die die Leser:innen in die höchsten Sphären der Fantasie entführen.
Was soll ich mit diesen kalten nüchternen Ziffern, die mich stumm und anklagend
aus ihren Tabellen anstarren? Was soll ich mit Begriffen anfangen wie „Ausfinanzierungskollektiv“
„Umwandlungssatz“ oder „Beitragsprimat“ (okay, das sind keine Zahlen, sondern
Worte, aber ihr wisst was ich meine)? Warum wird mir das Leben so schwer
gemacht? WARUM?
Ich meine, nicht nur dass ich mich WIEDER mit dem Budget rumschlagen musste
– als würde es nicht reichen, dass ich mich monatlich mit meinem eigenen Budget
abquälen muss – nein, natürlich musste der Stadtrat auch noch über den
Finanzierungsplan reden UND über die Pensionskasse! Es sollte verboten sein,
ein musisch begabtes Lama wie mich so zu quälen. Und um den ganzen noch die
Krone aufzusetzen, sorgte diese miese kleine Bitch Corona auch noch dafür, dass
der Stadtrat wieder nicht in der Alten Mühle tagen konnte, sondern weiterhin im
Parkhotel seine Sitzungen abhalten muss. Nichts gegen das Parkhotel, das ist
wunderschön. Aber der Saal ist riesig. Die Stadträt:innen sind so weit
entfernt, dass ich sie nicht mal mit Papierkugeln bewerfen kann und sie gar
nicht mitbekommen, wenn ich sie böse anstarre. Abgesehen davon findet da
aktuell offenbar irgendeine Autoausstellung statt. Oder Johann Schneider –
Ammans Garage ist kaputt und er stellt seine Fahrzeuge vorübergehend im Saal
des Parkhotels ab. Auf jeden Fall fand die Stadtratssitzung inmitten eines Heers
von Autos statt. Es erstaunt mich, dass die Grünen sich überhaupt hingesetzt
haben und nicht gleich wieder panisch aus dem Saal gerannt sind.
Apropos Grüne: Da hat sich ein bisschen was an der Zusammensetzung
geändert. Andri Lehmann hat sich aus dem Rat verabschiedet. Für ihn ist Nadine
Wasem nachgerutscht. Stefan Wehrli hat seinen sofortigen Rücktritt erklärt und
weil das relativ kurzfristig geschah, blieb sein Sitz heute ganz leer. Die SP
hat auch bereits einen Wechsel: Für den zurückgetretenen André Chavanne rückt die
Co – Präsidentin der SP Langenthal und JUSO Mitglied, Päivi Lehmann nach.
Willkommen im Rat! Ihr werdet hier viel Spass haben und Dinge lernen, die ihr eigentlich gar nie
wissen wolltet.
Der Satz wandelt sich um,
Das Geld schwindet,
Die Altersvorsorge schwächt die Älteren,
Doch auch die Jungen leiden,
So traurig.
Nach dem üblichen Prozedere (Anwesenheitskontrolle, Mutationen im Rat, Erwähnung
des Schutzkonzeptes, Singen der Nationalhymne, Beten des Vaterunsers) trat Stapi
Reto Müller mit ernster und kummervoller Miene (ich interpretier das jetzt
einfach, ist nicht so, als hätte ich irgendwas von seinem Mienenspiel erkannt)
vor den versammelten Stadtrat und die versammelten Autos, um ihnen mitzuteilen,
dass die Stiftung Pensionskasse Langenthal durch die Umstände gezwungen ist,
den Umwandlungssatz schrittweise zu senken. Das klingt jetzt sehr unspektakulär
und technisch, hat aber direkte Folgen für alle städtischen Arbeitnehmenden, die
dieser Pensionskasse angeschlossen sind, denn es zieht die Reduktion ihrer
Renten nach. Etwas weniger schwülstig ausgedruckt: Sie bekommen nach ihrer
Pension weniger Geld.
Jetzt könnte die Stadt natürlich sagen: „Pech gehabt, das Leben ist hart,
hier ein Stück Kuchen.“ Aber das macht sie natürlich nicht. Erstens hat der Gemeinderat ein
soziales Gewissen und zweitens macht es die Stadt als Arbeitgeberin nicht
wirklich attraktiver, wenn die Pensionskassenbeiträge viel zu niedrig
ausfallen. Und wir wissen alle: In der Vergangenheit war es nicht immer so
einfach, offene Stellen in der Stadtverwaltung zu besetzen.
Um die Auswirkung der Senkung
des Umwandlungssatzes einigermassen aufzufangen, schlug die Pensionskasse
verschiedene Modelle vor. Der Gemeinderat entschied sich, den älteren
Arbeitnehmenden – die am härtesten von dieser Massnahme getroffen sind, weil
sie kaum mehr in der Lage sein werden in der Kürze der Zeit noch genügend
Vermögen anzusparen – Geld zuzuschiessen, also ihr Altersguthaben mit einer
einmaligen Einlage zu erhöhen. Allerdings heisst das nicht, dass die Differenz
komplett ausgeglichen wird, denn der Gemeinderat hat sich für ein
Ausfinanzierungskollektiv entschieden, durch das bis zum Jahrgang 1966 66
Prozent des erforderlichen Beitrages zugesprochen wird. Für die Unterstützung
der jüngeren Arbeitgeber sollen die sogenannten Sparpläne erhöht werden. Hier beschloss der Gemeinderat die Variante
Midi, die sich zwischen «wir machen gar nichts» und «wir buttern so viel rein,
dass wir den bisherigen Standard halten können» bewegt. Reto Müller betonte
dann auch, dass es sich um Abfederungsmassnahmen handelt, nicht um einen
völligen Ausgleich. Die städtischen Angestellten werden trotzdem weniger Geld
in ihren Pensionsparbüchsen haben.
Durch diese Gegenmassnahmen
entstehen der Stadt Kosten. Im Falle des finanziellen Zustupfs beläuft sich der
auf 1,7 Millionen, wobei es sich aber um einen einmalig gesprochenen Betrag
handelt. Die Kosten für den Sparplan dagegen sind wiederkehrend und belaufen
sich auf 70'000 Franken jährlich. Der Stadtrat jubelt bekanntlich nie, wenn
wieder neue Ausgaben vor der Tür stehen, in dem Fall zeigte er sich aber
versöhnlich. Die GPK hatte im Vorfeld noch nachgehakt, ob die Pensionskasse
sich nicht an den Kosten beteiligen könnte, was sie aber nicht kann, weil sie
finanziell nicht dazu in der Lage ist. Damit bleib das alles an der Stadt
pappen.
Die SP äusserte sich
wohlwollend über die Abfederung, liebäugelte aber mit dem Sparplan Maxi statt
Midi (damit würde die Stadt das entstehende Defizit ganz stopfen). Die SVP sah
das genau andersrum. Fraktionssprecher Patrick Freudiger führte aus, dass beim
Sparplan vor allem die jüngeren Arbeitnehmenden Nutzniesser:innen seien und die
hätten eher noch Handlungsspielraum, deshalb sei es in den Augen seiner Partei
nicht zwingend nötig, die Sparbeiträge aufzupolieren. Das Argument, dass die
Attraktivität der Stadt als Arbeitgeberin darunter leiden könnte, liess er
nicht gelten. Immerhin sei man bei der Revision des Personalreglements sehr
grosszügig gewesen. Er hob auch mahnend den Zeigefinger: In einer Zeit, in der
Steuererhöhungen angedacht sind (dazu kommen wir später), sei es das falsche
Signal, weitere Beitragserhöhungen zu beschliessen.
«Links will man also das
Maximum und rechts will man Nichts», fasste Reto Müller am Ende der Debatte
trocken zusammen. Nicht, dass das was Neues wäre. Die SP strebt stets nach dem
maximalen Maximum, weil das Minimum ihnen nicht reicht, um ihre maximalen
Ansprüche an die maximale Bestleistung zu befriedigen und man sich mit dem
Minimum auch nicht zufriedengeben kann, wenn man nach der maximalen Überwindung
des Kapitalismus strebt. Die SVP dagegen
will minimale Veränderungen, die sich so minimal auswirken, dass nur ein
minimaler Bruchteil der Bevölkerung maximal davon profitieren kann. Und am Ende
trifft man sich halt in der Mitte.
Dadurch, dass die SP ihren
Antrag schlussendlich zurückzog – um zu verhindern, dass sich die Stimmen
zwischen ihrem und dem Antrag des Gemeinderates aufteilen – blieb es schliesslich
bei der salomonischen Lösung des Gemeinderates. Oder um es in den Worten von Diego
Clavadetscher auszudrücken: Der Status Quo wird sichergestellt und die älteren
Arbeitnehmenden weiter unterstützt.
Sieg nach Punkten für den
Gemeinderat.
Die Zukunft,
Ein
Stück Papier,
Der
Name lässt mich schaudern,
Finanzplan
Sein
Bruder ist das Budget
Das Defizit
hängt über uns,
Wir lachen
trotzdem
(und
geben weiter Geld aus)
Als nächstes folgte ein
Vortrag von Finanzvorsteher Roberto di Nino (SVP), der sowohl den Finanzplan
(IHHHHH!) und das Budget 2022 (WUHÄÄÄ!) vorstellte. Und der Vortrag war
wirklich gut und nachvollziehbar, aber ich spar es mir jetzt, den komplett
zusammenfassen (wir müssen ja eh sparen, ne?). Wer sich das antun…äh, ich
meine, wer die genauen Zahlen einsehen will, kann das auf der Webseite www.langenthal.ch gerne tun (ihr werdet sie
bei der total übersichtlichen Gestaltung der Seite sicher schnell finden…) und
sonst werdet ihr in der nächsten Abstimmungsbotschaft alles finden.
Es gibt ein paar Dinge, die
ich erwähnenswert finde. Erstens: Auch dieses Budget leidet noch immer unter
den Auswirkungen von Corona. So sind die Steuererträge noch immer eher unterdurchschnittlich.
Zweitens: Das Budgetdefizit 2022 beträgt 5. 38 Mio Franken, was knapp über den
angestrebten 5 Mio liegt. Drittens: Der Selbstfinanzierungsgrad ist mit -5 Grad
extrem mies. Eine Unternehmung wäre mit diesem Wert schon lange hops gegangen.
Jetzt kann man eine Stadt nur bedingt mit der Privatwirtschaft vergleichen.
Aber schlussendlich schleckt es keine Geiss weg, dass Langenthal weit über
seine Verhältnisse lebt. Onyx Millionen hin oder her. Roberto de Nino machte
dann auch keinen Hehl daraus, dass die fetten Jahre des fröhlichen Geldausgebens
vorbei sind und Sparübungen nötig sein werden bzw. schon nötig geworden sind.
Für Diego Clavadetscher
(FDP) ist das kein Grund Trübsal zu blasen. Im Gegenteil, er zeigte sich fast
schon euphorisch. «Der Gemeinderat übernimmt Führungsverantwortung» lobte er
die Exekutive für ihren Mut, den Rotstift nicht nur zu spitzen, sondern auch
tatsächlich anzusetzen. Und weiter: «Ich hoffe, der erlischt nicht wieder!»
Also Unterstützung der Liberalen für das Budget statt der üblichen Schelte. Wenn
das kein Grund für Champagner ist…
Die SP, vertreten von Paul
Bayard, begrüsste ausdrücklich die Bestrebungen des Gemeinderats, nicht nur die
Aufwände zu minimieren, sondern auch die Erträge zu erhöhen. Der alte Fuchs
schaffte es dann noch in seinem Votum, Werbung für die nächste Abstimmung zu
machen. «Es gibt ein einfaches Mittel, Steuererhöhungen zu verhindern: Die
Annahme der 99 Prozent Initiative», bemerkte er listig. Die anderen Parteien
ignorierten dieses Statement geflissentlich.
So hätte die Budgetdebatte
im allgemeinen Wohlwollen enden können, wäre da nicht diese eine Beitragskürzung
in diesem einen Konto gewesen. Das Konto trägt den unschuldigen Namen «Diverse
Beiträge». Und da geht es eben ganz explizit um Beiträge, die an die freien
Kulturschaffenden Langenthal fliessen. Die hätten laut Budget um 10’’000 gekürzt
werden sollen. Das fand bei Saima Sägesser (SP) so gar keinen Anklang. In einem
flammenden Votum führte sie aus, dass diese Kürzung es der Kulturkommission
verunmögliche neue Projekte zu fördern und zu unterstützen. Der Betrag möge
klein wirken, für die freie Kulturszene sei er jedoch von existenzieller
Bedeutung. «Will Langenthal professionelle Kulturschaffende?» fragte sie direkt
in die Runde.
«Zur Qualität von Langenthal
gehören Kultur, Sport und das Vereinswesen», bekräftigte auch FDP – Stadträtin Jana
Fehrensen, die als Museumsleiterin ein grosses Herz für Kultur hat. Sie rief
zudem in Erinnerung, dass die Kulturnacht ebenfalls von diesem finanziellen
Beitrag profitiere. «Die Kulturnacht ist wichtig für Langenthal. Schon um uns das
Wohlwollen der Nachbargemeinden zu sichern. Auf dieses Wohlwollen sind wir angewiesen
unsere kulturellen Institutionen werden auch von ihnen finanziert.» Zudem
brachte sie auf das Tapet, dass bereits die kulturelle Unterstützung durch die
Jaberg Stiftung wegfällt, was sich ebenfalls negativ auf das Kulturbudget auswirkt.
Nathalie Scheibli (SP)
packte den guten alten Pedro Lenz aus. Der ohne diese 10'000 Franken, um die es
hier gehe, nicht dort wäre, wo er jetzt ist, so Scheibli. Er habe den Namen
Langenthal in die Welt hinausgetragen. Und sie selbst hätte ohne diesen
finanziellen Zustupf den Kinderstadtführer von Langenthal nicht herausgeben
können. Die Identitätsstiftende Wirkung solcher Projekte, dürfe nicht unterschätzt
werden.
Die drei Stadträt:innen konnten
sich der Unterstützung der Kunstschaffenden Langenthals gewiss sein. Bereits im
Vorfeld verbreitete sich auf Social Media ein offener Brief, in der sich die
Betroffenen mit deutlichen Worten gegen die geplanten Kürzungen zur Wehr setzten.
Darunter tummeln sich Namen wie Urs Mannhard oder Thomas Aeschbacher. Ob man es
sich mit diesen Ausnahmenkünstler:innen nicht verderben wollte oder es einfach
niemand wagte, sich mit der temperamentvollen Saima Sägesser anzulegen: Der
Stadtrat zeigte ein Herz für die schönen Künste und machte die Kürzung
rückgängig. Der Beitrag bleibt gleich hoch.
(Ich möchte hier aber in
aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, dass ich sehr enttäuscht bin. Bis zum
Schluss der Debatte habe ich gehofft, dass die freien Kunstschaffenden den Saal
stürmen und den Gefangenenchor aus Nabucco anstimmen. Das wäre sooo toll
gewesen! Und eindrücklich! Und nein, es ist nicht so, dass ich mich manchmal im
Stadtrat langweile und mir dann solche Szenen ausdenke, damit ich nicht
einschlafe…)
Ach ja übrigens, das Budget
wurde angenommen. Habe ich noch vergessen zu schreiben.
Der Finanzplan 2022 – 2026 ist
jetzt auch nicht so prickelnd. Denn, obwohl die Stadt sich explizit das Ziel
gesetzt hat, weiterhin einen attraktiven Steuersatz anzubieten (heisst
möglichst niedrig), sieht der Gemeinderat für das Jahr 2023 eine Steuererhöhung
vor. Bis jetzt man dieses böse, böse Wort vermieden, aber eigentlich dürfte allen,
die sich in den letzten Jahren ein bisschen mit den Finanzen der Stadt auseinandergesetzten
haben (eher unfreiwillig in meinem Fall), klar gewesen sein, dass das früher
oder später kommen wird. Sanierte Schulhäuser, ein todschicker Bahnhof, ein
prächtiges Eisstadion, moderne IT – Anlagen für die Schulen…das ist zwar alles
hübsch und recht, aber kostet nun einmal auch eine schöne Stange Geld. Dazu
kommt, dass die Stadt auf gewisse Aufwandposten gar keinen Einfluss hat. Z. B
wenn es um Zahlungen an den Kanton geht. Wenn man die Aufwände nicht mehr drücken
kann, bleibt einem nur die Variante, den Ertrag zu erhöhen (ach, ich bin so ein
kluges Kind. Manchmal bin ich selbst überrascht von meiner Genialität. Oder
zumindest von meiner Fähigkeit, den Anschein zu geben, ich verstünde etwas von
dem, was ich hier verzapfe.)
Erstaunlicherweise kippten
die Bürgerlichen beim Wort «Steuererhöhung» nicht gleich ohnmächtig vom Stuhl
und sie holten auch keine Fackeln hervor, um den Gemeinderat mit Schimpf und
Schande aus dem Steuerparadies Langenthal zu vertreiben. Pascal Dietrich (FDP),
der sich in vergangenen Budgetdebatten stets, wie ein Löwe vor den Steuersatz
geworfen hat, um etwaige Angriffe abzuwehren, gab sich fast schon versöhnlich.
Für ihn gebe es gute Gründe, die für eine Steuererhöhung sprechen würden,
meinte er und schob, fast ein bisschen selbstkritisch hinterher, dass der Stadtrat
in der Vergangenheit nun einmal auch sehr gerne Geld ausgegeben hätte. Dennoch
gab er zu bedenken, dass Prognosen nie zu 100 Prozent eintreffen und zudem
meist eher zu pessimistisch ausfallen würden (kenne ich von meinem Horoskop.
Trifft auch nie ein. Wobei, der Unterschied ist, dass mein Horoskop viel zu
optimistisch ist. Ich warte immer noch auf die 100 Millionen Franken und auf
den Apfelschimmel, die mir im letzten Horoskop versprochen wurden). Und er
brachte den Bilanzüberschuss wieder ins Spiel. Der beläuft sich immerhin noch
auf 70 Mio Franken. In Anbetracht dieser Summe sei es unanständig, auf Vorrat die
Steuer zu erhöhen, führte Dietrich weiter aus und fügte an: «Das ist, als würde
ein Millionär betteln.» Stimmt…oder als würden Millionär:innen zahlreiche
Tricks anwenden, um ihre Steuern zu optimieren. Was in der fairen Schweiz
selbstverständlich nie jemand machen würde…
Naturgemäss sah das die
linke Ratsseite etwas anders. Paul Bayard sah wenig Sinn darin, den
Bilanzüberschuss einfach «zu verbräteln». Er erinnerte an die Gemeinde Köniz,
die sich lange vor dem Thema Steuererhöhung drückte und jetzt mit dem Rücken
zur Wand steht. Die schrittweise Erhöhung des Steuersatzes, begrüsste er
ausdrücklich.
Ein Votum, dass Roberto de
Nino aufscheuchte. «Es ist keine schrittweise Erhöhung des Steuersatzes geplant.
Es bleibt nach 2023 bei den 1.44» stellte er klar. Nicht, dass plötzlich noch
jemand meint, er vertrete linke Ansichten oder mutiere zum Kommunisten. Das
wäre noch schöner! Fast so, als würde Dagobert Duck sich auf einmal in Donald
Duck verwandeln (wobei Linke nicht ganz so cholerisch sind. Aber ähnlich
glücklos).
Über den Finanzplan konnte der
Stadtrat nicht abstimmen. Der ist lediglich zur Kenntnisnahme. Das Thema Steuererhöhung
ist aber sicherlich nicht vom Tisch. Da wird der Stadtrat noch einmal darüber
abstimmen. Dennoch Freunde: Vielleicht wäre jetzt die Investition in einen
Sparstrumpf nicht schlecht. Wobei, ihr könnt das Geld ja auch unter der
Matratze verstecken.
Mein
Hintern schmerzt,
Ich
habe Hunger,
Orange
Karten erheben sich,
Das
Budget ist durch
Das
Leben ist schön
Wisst ihr, manchmal kommt es
mir vor, als wäre der Stadtrat in einer Zeitschleife gefangen. Es gibt einfach
Themen, die immer und immer wieder beharkt werden. Und es gibt Motionen, die
tauchen immer wieder auf. Wie Leichen, die Richtung Oberfläche treiben und die
einem zu Tode erschrecken («O mein Gott, stimmt, da war ja noch was»). Ein
solches Thema ist die Alte Mühle, an der die Langenthaler:innen in fast schon
manischer Besessenheit hängen. Wie soll es jetzt denn weitergehen mit dem
Areal? Behalten, verkaufen, investieren, niederbrennen?
Gleich zwei Motionen, die
sich mit diesem Thema auseinandersetzen, liegen noch beim Gemeinderat. Eine
bezieht sich auf die Renovation – oder Nichtrenovation – des Alten Mühlesilos
(das wirklich nicht hübsch ist. Irgendeiner ist aber auf die Idee gekommen,
dass es mega schützenswert sei. Benutzen kann man es im jetzigen Zustand
allerdings nicht, weil man sonst in Gefahr läuft, von einer herunterfallenden
Decke erschlagen zu werden), die andere äussert generell den Wunsch auf eine
schnelle Belebung des Mühleareal. Für beides beantrage der Gemeinderat eine
Fristverlängerung. Zwar gab es eine ausführliche Nutzungsstudie und verschiedene
Abklärungen, so richtig was Konkretes ist dabei nicht rausgekommen.
Der Stadtrat zeigte sich
infolgedessen eher mürrisch über die erneute Verschiebung. Stefanie Barben
(FDP) fand, es sei jetzt denn mal gut mit Ideen und Zukunftsvision, es brauche
endlich konkrete Projekte. Ähnlich klang es von Seiten der SP. Die GLP/EVP
Fraktion versagte dem Gemeinderat gleich ganz die Unterstützung. Dyami Häfliger
(GLP) bezweifelte, dass die Stadt in einem Jahr wirklich weiter ist. Die
Mehrheit des Stadtrats stimmte der Fristverlängerung zu. Bleibt ihnen auch
nicht viel anderes übrig.
Und ich bin wirklich zuversichtlich,
dass wir eine dauerhafte Lösung für die Alte Mühle finden!
In absehbarer Zeit…
Ganz bald…
Ich denke, in 50 Jahren sind
wir dann so weit.
Oder sagen wir in 150 Jahren.
Aber was ist das schon,
gerechnet auf die Ewigkeit?
Augen
sind das Tor zu Seele,
Ortseingänge
sind das Tor zum Geist der Stadt,
Ich
sah den Pfad nach Langenthal
Und
beschloss
Dass
Geist auch nicht alles ist
Sagen wir wie es ist: Die
Eingänge, die nach Langenthal führen, könnten hübscher gestaltet sein. Diesen
Gedanken griff Irene Ruckstuhl in ihrer Motion auf. Sie forderte, dass die
Orteingänge zumindest mit einem einheitlichen Plakatierungskonzept gestaltet
werden sollen. Momentan herrscht da ziemlich Wildwuchs und je nach Wetterlage
liegen die Plakate sogar am Boden, was jetzt nicht super aufgeräumt wirkt. Obwohl
der Gemeinderat den Sinn des Begehrens durchaus einsah, empfahl er die Motion
doch zur Ablehnung. Als Gründe führte er Kosten an, die unter anderem durch die
Anschaffung und Bewirtschaftung neuer Tafeln anfallen würden. Zudem sei das
vorgeschlagene Format eher klein.
Irene Ruckstuhl wies in ihrem
Votum darauf hin, dass sie keineswegs ein fixfertiges Projekt eingereicht habe
und offen für die definitive Gestaltung sei. Der Ortseingang sei aber wichtig,
weil bekanntlich der erste Eindruck zähle. Ihre Kollegin, Jana Fehrensen,
wunderte sich, dass immerhin 3 Stellen in der städtischen Verwaltung sich
positiv zu dieser Motion geäussert hätte und sie jetzt trotzdem abgeschrieben
werden soll. Zusätzliche Rückendeckung kam von der GLP. «Ortseingängen sind die
Visitenkarten der Stadt», so Dyami Häfliger.
Ausufernde Konzepte und
Konzepte befürchtete dagegen Janosch Fankhauser (SVP), der vor seinem geistigen
Auge wohl schon einen goldenen Torbogen, ein Meer aus Blumen und aus Swarovskisteinen
gefertigte Ortstafeln sah. Er sprach sich für etwas Einfaches und
Unkompliziertes aus (da hätte ich ürbigens einen vorzüglichen Vorschlag:
Pappschilder! Und wenn das immer noch zu teuer ist, schreiben wir den Ortsnamen
einfach mit Kreide auf die Strasse. Reicht ja.)
Stapo Reto Müller bekannte
sich ebenfalls zum Team Pragmatismus. «Wir wollen Bestehendes weiterführen.» Auf
die von vielen Seiten geäusserte Kritik, dass die Stadt wieder unnötig auf ein
Konzept poche, erwiderte er seufzend: «Ihr bestellt hier schliesslich das
Konzept und einen Bericht. Ihr beauftragt uns schliesslich damit.» Weiss gar
nicht, was er hat. Ich bestelle auch immer Pizza und schreie dann den Boten an,
ich hätte schliesslich nur die Tomaten gewollt und nicht den ganzen Rest dazu.
Schlussendlich überwog die
Sehnsucht nach einer ästhetischen Ortseingangsgestaltung. Die Motion wurde
erheblich geklärt.
Was für ein bezauberndes
Ende einer eher trockenen Stadtratssitzung. Hoch die Tassen!
Eine
Idee,
Entsprang
meiner Seele,
Wie
ein Vogel,
schwang
sie sich in den Himmel
«Konzept!»
Sie
stürzte ab.
Und
war tot.
«Gegen die Übermacht der SVP
haben wir keine Chance.» Sandro Baumgartner (SP) streckt die Waffen vor
Napoleon und seiner Armee.
«Das ist das Gegenteil von
der SP mit ihrer Deluxe – Version!» Patrick Freudiger (SVP) mag es eher
schlicht.
«Wir haben in der Fraktion
nicht gerade den Kopfstand gemacht.» Schade, das wäre doch mal ein schönes
Gruppenfoto geworden: Pascal Dietrich (FDP)
«Wir von der SVP…äh SP…» Paul
Bayard (SP) treibt geschickt die Verbrüderung mit dem Erzfeind voran.
«Die 10'000 Franken werden
Langenthal nicht umbringen.» Roberto di Nino macht klar: Geld arbeitet nicht
nur nicht, es tötet auch nicht.
«Sprengen, weg mit dem Ding!»
Den Vorschlag hatten wir schon mal, aber das Mühlesilo steht auch nach Michael
Schenks (SVP) Ausbruch noch immer bombenfest.
«In der Privatwirtschaft bedeutet
rasch gleich oder sofort, auf der Verwaltung heisst rasch wohl 5 Jahre!» Stefan
Grossenbacher (SVP) und die Relation der Zeit.
«Das Problem ist mehr,
wie man die Plakate einschlägt…es sind eben nicht alles Handwerker.»
Janosch Fankhauser (SVP) sucht das Problem in Sachen Ortseingang nicht beim
Material, sondern bei denen, die die Pflöcke einschlagen.
«Jetzt gibt es wieder ein
dickes fettes Konzept und dann sind wieder 1000 Leute daran beteiligt…» Corinna
Grossenbacher (SVP) verknüpft zwei Herzensthemen ihrer Partei: Überlange
Papiertiger und Masseneinwanderung.
«Wenn Ihr hier
erzählt, wir würden ständig die Verwaltung aufblasen, ist das ein Hohn!»
Stapi Reto Müller (SP), latent verzweifelt.
«Ist das der Anfang unserer
First World Probleme?» Wieder Reto Müller, dieses Mal mit einem philosophischen
Denkanstoss.
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