Donnerstag, 24. Oktober 2019

Kommentar: Wahlkater


Sagen wir es doch mal so wie es ist: Für die SP ist es am Wahlsonntag mies gelaufen. Zwar gab es den ersehnten Linksrutsch, aber nur dank dem sensationellen Ergebnis der Grünen, die ein historisches Ergebnis schafften und mal eben so, mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit, Sitz um Sitz eroberten. Auch auf dieser grünen Welle surften die Grünliberalen, die ebenfalls einen beachtlichen Sitzgewinn verbuchen konnte. Und die SP? Obwohl ebenfalls eine ökologische Partei, die sich für Umweltthemen stark macht, kippte sie vom Surfbrett und machte einen Taucher. Das Resultat sind Sitzverluste. 

Im Kanton Bern erwischte es zwei Nationalräte: Corrado Pardini und Adrian Wüthrich, beides Gewerkschafter. Während um den Sitz von Wüthrich schon im Vorfeld gebangt wurde, war die Abwahl des erfahrenen Pardinis eine böse Überraschung. Einziger Trost: Die Frauenliste der SP war erfolgreich. Tamara Funiciello, der streitbaren Ex – Jusochefin, gelang es, den Sitz der abtretenden Margrit Kiener – Nellen zu erobern. Auch in Zürich, eigentlich eine Hochburg der Sozialdemokraten, regnete es keine roten Rosen. Stattdessen gab es eine Ohrfeige vom Stimmvolk. Die SP Kanton Zürich musste ebenfalls zwei Abwahlen verkraften.  

Wie alle anderen auch, war ich vom schlechten Abschneiden meiner Partei überrascht, denn den Umfragen nach, sah es ja eher so aus, als würden wir stabil bleiben oder gar leicht zulegen. Dass es einen Linksrutsch gab, aber ohne uns, ist ernüchternd. 

Die Grünen haben alles richtig gemacht. Sie sind zweifellos die Umweltpartei überhaupt und hatten die ökologischen Themen schon auf ihrer Agenda, als sie noch völlig unsexy waren. Sicher, die Themenkonjunktur spielte ihnen in die Hände. Aber es wäre unfair, ihren Erfolg nur darauf zu schieben. Den Grünen ist es gelungen, sich als frische, offene und coole Bewegung zu präsentieren. Das haben wir nicht geschafft.

Natürlich, hätten wir ein Grün im Namen, wäre es uns wahrscheinlich besser gelaufen. Unser Resultat nur daran festzuhängen, fände ich jedoch nicht richtig. Ich glaube – und das ist jetzt mein persönliches Empfinden – das uns die Flügelkämpfe der letzten Jahre, massiv geschadet und geschwächt haben, besonders, weil wir sie vor aller Augen ausgetragen haben. Statt hinter verschlossenen Türen um Positionen zu ringen, haben wir allzu oft über Pressemitteilungen unsere Streitigkeiten nach aussen getragen und uns dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Nehmen wir zum Beispiel die SP Kanton Zürich. Was für ein Theater in den letzten Jahren! Erst wurde SP – Regierungsrat Mario Fehr von der JUSO angezeigt,  dann schmiss der Sektionspräsident Daniel Frei entnervt seinen Posten hin, weil er mit dem sehr linken Flügel der SP Zürich nicht mehr klarkam, dann gab es ein Intrigenspiel, um eine gute Platzierung des besagten Daniel Freis auf der Nationalratsliste zu verhindern und das Ganze endete schliesslich mit einem Übertritt Freis zu der GLP. Auch Zugpferd Chantal Galladé wechselte zur GLP. Und das alles unter freundlichen Mitwirkung der Medien, die diese Dramen nur zu gerne aufbauschten und kommentierten. In Anbetracht dieser Schlagzeilen ist es eher verwunderlich, dass die SP Zürich bei den Kantonratswahlen gut abgeschnitten hat. 

Diese Querelen stehen exemplarisch für die ständigen Streitigkeiten in der Partei, die sich hauptsächlich um die Frage drehen, ob wir jetzt noch linker sein sollen oder uns lieber der Mitte annähern wollen. Und tatsächlich: Kaum standen  die schlechten Ergebnisse am Sonntag definitiv fest, fing es schon wieder an. Die JUSO forderte prompt einen noch linkeren Kurs, während der sozialliberale Flügel sich mehr Realitätsnähe wünschte. Meiner Meinung nach, bringt uns das nicht weiter. Wir verschwenden viel zu viel Zeit damit, uns lang und breit darüber zu streiten, was jetzt der richtige Kurs ist, statt dass wir vielleicht einfach mal losfahren würden. 

Unsere Partei setzt sich ein für Toleranz und Meinungsfreiheit. Wie sollen wir das glaubwürdig vertreten, wenn wir nicht einmal mit Nuancierungen in unserem linken Meinungsspektrum umgehen können? Ich verstehe echt nicht, wieso es in der SP nicht Platz für einen Daniel Jositsch und für eine Tamara Funiciello geben sollte. Aus einer solchen Spannweite können starke Kompromisse und Lösungen entstehen – sofern man bereit ist die Diskussion zu führen und nicht von Anfang an, stur auf seinem Standpunkt beharrt.
Linke Parteien scheinen einen Hang dazu zu haben, sich untereinander zu zerfleischen. Die SPD wechselt ihre Parteispitze schneller aus, als manche ihre Unterhosen, in England ist sich Labour uneins, ob sie jetzt ein neues Brexit – Referendum wollen oder doch lieber nicht. Und in Amerika half die halbherzige Unterstützung der Demokraten für Hillary Clinton jetzt nicht wirklich dabei, Trump zu verhindern.

Vielleicht liegt es an unseren hohen Ansprüchen. Wir wollen eine bessere Welt, aber die Menschen, die diese Welt bevölkern, sind nun einmal nicht perfekt. Auch unsere Parteimitglieder sind nicht perfekt. Manchmal beschleicht mich aber das Gefühl, dass genau das ein Stück weit von mir verlangt wird. Entscheide dich richtig. Entscheide dich für den richtigen Kurs. Entscheide dich, auch innerhalb der Partei, für eine Seite. Das erzeugt Druck und das ist ein unangenehmes Gefühl. Wenn Parteimitglieder von anderen Parteimitgliedern im Wahlkampf angeschossen werden, wenn Menschen austreten, weil sie sich nicht gehört fühlen, wenn man gegenseitig aufeinander rumhackt, weil der eine zu marxistisch ist und der andere zu neoliberal, dann ist das einfach nur doof. 

Als einfaches Basismitglied geht mir dieses ständige Kursgequatsche inzwischen ordentlich auf den Keks. Ich will eine breit aufgestellte Partei, in der alle Strömungen vertreten sind. Ich will ein Wir – Gefühl im Wahlkampf spüren. Ich will eine SP, die positiv in die Zukunft sieht, die frische Ideen und neuen Schwung hat und die beweist, dass sie eine breit abgestützte Bewegung ist.

Damit meine ich nicht, dass wir uns nicht streiten sollen.

Aber vielleicht sollten wir  uns wieder angewöhnen, es hinter verschlossenen Türen zu tun.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Das andere Stadtratsprotokoll - Die Ostern - Edition: Der (Fast) Liveticker zur Stadtratssitzung vom 25.3.2024

  Das Vorgeplänkel ·         Hallo und herzlich willkommen zum neuen exklusiven anderen Stadtratsprotokoll, geschrieben wie üblich von e...