Während des politisch
intensiven Jahres hatten die Stadträte und Stadträtinnen ausreichend
Gelegenheit sich in Szene zu setzen. Und manche von ihnen taten das so
ausgiebig und genüsslich, dass sie einen eigenen Blogeintrag verdient
haben…wobei, vielleicht sollte man eher sagen: Sie haben sich einen eigenen
Blogeintrag eingehandelt.
Der Ungestüme
Egal ob Stadtratspräsident,
Gemeinderat oder auch mal die eigene Partei: Janosch Fankhauser,
Fraktionssprecher der SVP überfährt sie alle mit seiner unbändigen Energie.
Wenn er sich erst einmal Schwung geholt hat, kann ihn so schnell nichts mehr
bremsen. So entriss er dem sichtlich erstaunten Patrick Freudiger (SVP) das
Zepter und wollte gleich selbst eine Abstimmung durchführen („Wer sich mir
anschliessen will, der hebe die Hand!“). Auch die Krone für das wohl längste
Votum überhaupt, gebührt wohl ihm: Ganze elf Minuten dauerte sein ausuferndes
Statement zum Thema Klimanotstand. Einen Redenotstand braucht das Parlament auf
jeden Fall nicht zu fürchten, so lange Janosch Fankhauser dabei ist.
Der Besonnene
Quasi das Gegenstück zum
quirligen SVP – Fraktionspräsidenten ist sein linkes Gspännli Roland Loser. Der
Fraktionssprecher der Sozialdemokraten lässt sich nicht so schnell von einer
Diskussion mitreissen und behält stets einen kühlen Kopf. Allerdings, auch er
kann ganz schön bissig werden, etwa, bei der Diskussion ums Behördenreglement,
als seine SP angegriffen wurde, von wegen, normalerweise seien die ja auch
dagegen, wenn sich in der Privatwirtschaft die CEOs ihre Löhne selbst erhöhen
würden. Das liess Loser nicht auf sich sitzen und seine Entgegnung in Richtung
SVP war ungewohnt scharf („Das ist anders als in der Privatwirtschaft, wo EURE
CEOs sich selbst willkürlich Boni ausschütten!“) Ansonsten ist Loser eigentlich
immer tiefenentspannt. Sogar wenn es um sein Herzensthema ging, den SCL, bewies
er einen kühlen Kopf – vielleicht liegt es ja an den regelmässigen Besuchen im
Eisstadion.
Die Amazonen
2019 war das Frauenjahr, das
war auch in Langenthal zu spüren. Der Frauenstreik trieb die Frauen in die
Marktgasse und im Stadtrat sorgten vor allem zwei Frauen dafür, dass das Thema
Gleichberechtigung nicht einfach unter den Teppich gekehrt wurde: Saima
Sägesser (SP) und Beatrice Lüthi (FDP). Erstere ist noch nicht so lange im
Stadtrat und politisiert klar links, letztere ist eine erfahrene Stadträtin auf
bürgerlicher Seite. Gemein ist ihnen jedoch: Sie setzen sich vehement für eine
bessere Vertretung der Frauen in politischen Gremien ein. So erreichte eine
Allianz aus der Ratslinken, den FDP Frauen und ein paar solidarischen FDP
Männern, dass in Zukunft auf eine angemessene Vertretung von Frauen in den Kommissionen
Rücksicht zu nehmen ist. Derselbe Passus steht jetzt auch in der
Geschäftsordnung des Stadtrates.
Auf jeden Fall hielten die
beiden Damen den Stadtrat auf Trab. Sie beharrten auf das konsequente Verwenden
der weiblichen Form (und sorgten damit bei manchen Stadträten für
grammatikalische Verwirrung), widersprachen vehement den Männern, wenn diese
sich herablassend über das „Genderzeug“ äusserten und scheuten sich nicht, den
einen oder anderen mit wohlplatzierten Spitzen kräftig auf die Zehen zu treten.
Wenn die zwei sich auf ihre Pferde schwingen und in die Schlacht reiten, geht
man(n) besser in Deckung.
Der Pointierte
Manchmal hatte man beinahe
das Gefühl, der Gemeinderat zucke im Plenum zusammen, wenn er an das Rednerpult
trat: Pascal Dietrich von der FDP, nahm kein Blatt vor den Mund und kritisierte
die Exekutive scharf, wenn die in seinen Augen „Gugus“ fabrizierte. Auch den
scharfzüngigen Stadtpräsidenten, wies er in seine Schranken, als dieser etwas
gar flapsig wurde („Es ist nicht nötig zu sticheln, Reto Müller!“). Egal ob er
sich nun für den SCL ins Zeug legte, als Sprecher der GPK auftrat oder
erklärte, dass man aus seiner Sicht das hässliche Mühlesilo ruhig sprengen
könnte, seine Statements gehörten eindeutig zu den Unterhaltsamsten und sorgten
stets für den richtigen Pfeffer. Und manches Mal schaffte es Pascal Dietrich
mit seiner geradlinigen Art, komplizierte Inhalte für das Stadtratspublikum
verständlich zu machen. Dafür ist das Lama ebenso dankbar, wie für das
zuverlässige Liefern von spritzigen Sprüchen
- schliesslich braucht es das für das Best of.
Die Exakten
Wären die beiden Herren
Indianer, würde ihr Kriegsname wohl „Adlerauge“ und „Häuptling
Rechtssicherheit“ lauten: Paul Beyeler von der EVP und Diego Clavadetscher von
der FDP, nehmen es gerne sehr genau. Während es sich Ersterer zur Aufgabe
gemacht hatte, redaktionellen Fehler in Reglementen oder Abstimmungsbotschaften
auszuspähen – inklusive Kommafehlern – war es Letzterem besonders wichtig, dass
aus juristischer Sicht alles hieb – und stichfest war.
Ihr Hang für genaue
Formulierungen und klare Verhältnisse, sorgten für manche detaillierte
Beratung. Niemand widmete sich so hingebungsvoll sämtlichen Eventualitäten wie
Diego Clavadetscher und keiner studierte die Akten wohl so genau wie Paul
Beyeler. Zumindest weiss der Stadtrat, dass mit diesen beiden kein Komma je am
falschen Platz stehen wird. Und würde man Fleisskärtchen verteilen, hätten die
beiden zweifellos schon einen ganzen Karton davon verdient.
Die Greta
Die Greta von Langenthal ist
eigentlich ein Greto. Serge Wüthrich von den Grünen lieferte an der letzten
Stadtratssitzung eine Performance ab, die Regula Rytz vor Neid hätte erblassen
lassen. Leidenschaftlich und kühn beschwor er den Rat, etwa gegen den
Klimawandel zu unternehmen. Für dieses engagierte und wohlformulierte Votum
gab’s sogar Applaus von der anwesenden Klimajugend – Greta hat einen
Verbündeten in Langenthal.
Der Tätschmeister
Er war zweifellos dieses
Jahr die prägende Figur des Stadtrats, schon von Amtes wegen:
Stadtratspräsident Patrick Freudiger (SVP) hielt die Zügel fest in der Hand und
peitschte die Geschäfte durch den Stadtrat. Im Bestreben alles zu erledigen,
nahm er auch die eine oder andere Monstersitzung in Kauf. Hin und wieder konnte
man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass der ambitionierte
Stadtratspräsident auch die eine oder andere Essenspause gerne etwas gekürzt
hätte, um noch speditiver sein zu können. Wer braucht schon Nahrung, wenn er
auch einen schönen, politischen Schlagabtausch haben kann?
Wohl auch aufgrund seines
ausgezeichneten juristischen Hintergrunds behielt er auch in den
kompliziertesten Debatten die Übersicht und liess dabei auch immer wieder Humor
aufblitzen. Es stellt sich jetzt die Frage, wie er im nächsten Jahr als einfaches
Stadtratsmitglied politisieren wird. Ob er wohl seine Vorliebe für
Wortspielereien beibehält („Wir sind überzeugt, dass es mit Herrn Bircher kein
Müsli geben wird.“)
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