Donnerstag, 20. August 2020

Das Lama geht fremd II

 

Weil es bei den Jungliberalen so schön war – und sie mich nicht als kommunistische Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt haben – dachte ich, dass ich der grossen Schwester der Jungpartei eigentlich auch noch einen Besuch abstatten könnte (zumal ich mich mit der FDP irgendwie verbunden fühle, seit ich bei meinem ersten Stadtratsbesuch ihre halbe Fraktion umgerannt habe). Freundlicherweise wurde ich trotz meiner roten Gesinnung tatsächlich zur Hauptversammlung der Freisinnigen eingeladen (wenn ich so weiter mache, ernähre ich mich bald nur noch von Häppchen. Und der Alkoholkonsum ist in den letzten Wochen auch erheblich gestiegen. Es leben die Apéros!).

Eigentlich hatte ich ja so halbwegs erwartet, dass die Versammlung im Hotel Bären stattfindet – weil ich mal mitbekommen habe, dass dort so eine Art bürgerliche Speisehochburg sein soll – aber mitnichten: Es hiess, ich solle zum alten Swisscomgebäude kommen. Aufgrund meiner nicht vorhandenen Orientierungsfähigkeiten befürchtete ich ja schon, dass ich den Eingang nicht finde, aber freundlicherweise hatten sie den Weg mit Fahnen und aufblasbaren Strandbällen markiert (die Symbolik dahinter erschliesst sich mir zwar nicht ganz, aber es wird sie bestimmt geben), so dass sogar eine Blindschleiche wie ich mich nicht verirren konnte.

Der Ort selbst entpuppte sich als grosse Halle, in der Festbänke aufgestellt worden waren. Tatsächlich erinnerte mich das Ambiente ein wenig an eine Kirche, auch weil es wunderbar andächtig hallte, wenn man sprach. Fast fühlte ich mich versucht, das Glaubensbekenntnis zu beten, aber ich konnte diesen starken katholischen Instinkt rasch niederringen. Wäre auch nicht ganz passend, denn auch wenn böse Zungen behaupten mögen, dass Politik mitunter durchaus religiöse Züge annehmen kann, zeichnet sich die FDP Langenthal ja eher durch nüchterne Sachlichkeit aus und nicht durch euphorisch durchgeführte Massenrituale.

Diese Nüchternheit zog sich dann auch durch den ganzen Abend. Hauptversammlungen sind allerdings nie wirklich der emotionale Brüller. Dafür gibt es einfach zu viele spröde Pflichttraktanden, die abgehakt werden müssen, die zugleich aber nur äusserst selten zu Diskussionen führen. Zum Beispiel die Genehmigung der Jahresrechnung, die auch bei der zahlenaffinen FDP widerspruchslos durchgewinkt wurde. Wie alle anderen Parteien erwartet die FDP in diesem Jahr Mehrausgaben – Wahlen kosten was (und zwar nicht nur Nerven, sondern eben auch Geld). Interessant fand ich ja, dass die FDP die Mitgliederbeiträge nach Familienstand abstuft. Ehepaare zahlen 180 Franken, Alleinstehende 120. Endlich denkt jemand mal an die armen Singles!

Im Grossen und Ganzen gab sich Parteipräsident Diego Clavadetscher durchaus zufrieden mit der Performance der FDP. So sei es der Partei gelungen die Basis zu stärken und proaktiv zu politisieren. Als Beispiel nannte er die Ferieninsel für Kinder, ein Projekt, dem sich die FDP – Frauen widmen. Mit Michael Schär konnte die Partei auch eine starke Persönlichkeit aufbauen, die sich innerhalb kürzester Zeit auf dem politischen Parkett etabliert hat. Und mit Auftritten beim Sommerkino, sowie am Glatten Märit, war auch die Partei als Ganzes immer wieder präsent. Der Mitgliederbestand bleibt aber trotzdem auf demselben Niveau: Es gab nämlich exakt gleich viele Parteieintritte, wie Parteiaustritte. Das nenne ich doch mal eine Punktlandung.

Das vergangene Geschehen im Stadtrat wurde ausführlich von Fraktionspräsidentin und „Wonder Woman“ Béatrice Lüthi dargelegt. Die FDP hatte relativ wenige Mitgliederwechsel im Stadtrat (wobei der Rücktritt von Michael Witschi aus dem Gemeinderat doch ein ziemliches Sesselrücken auslöste.) Im Rückblick wurde noch einmal deutlich, wie stark die FDP die vergangene Legislatur geprägt hat. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass mit den vielen Reglementsentwürfen und Verträgen, die vorgelegt wurden, juristisches Know – How gefragt war und die FDP in diesem Bereich auf viel Fachwissen zurückgreifen kann. Auf jeden Fall bemängelte die Partei des Öfteren, die vom Gemeinderat erarbeiteten Unterlagen und pochte auf Korrekturen, was bei den Geschäften zu Verschiebungen führte. Die FDP  schuf sich mit diesem starken Hang zum Detail und der Liebe zu zweiten Lesungen den Ruf, eine Fraktion von „Stänkerern“ und „Tüpflischisser“ zu sein (ihre Worte, nicht meine). Trotzdem wird die Partei diesen Pfad wohl unbeirrt weitergehen. Letztendlich ist sie damit nur konsequent, denn die FDP will die Legislative, sprich den Stadtrat, in Langenthal weiter stärken wollen. Mitgestalten statt einfach nur zustimmend nicken, so heisst die Devise nach wie vor.

Dabei stellte sich aber natürlich die Frage, ob die FDP ihre Sitze halten kann. Diego Clavadetscher machte den Anwesenden klar, dass die bürgerliche Mehrheit keineswegs in Stein gemeisselt ist, zumal der nationale Trend eher negativ für die Freisinnigen ausfiel. Um dagegen zu halten will die FDP auf einen Wahlkampf mit starken Persönlichkeiten setzen. Mit Michael Schär und Markus Gfeller schicken sie – wenig überraschend – ihre zwei bisherigen Gemeinderäte ins Rennen. Damit haben sie sicher schon einmal zwei Zugrösser, die munter vorantraben können (oder Zuglamas. Wobei nein, die sind eher rot). Die Stadtratslisten konnten die Liberalen bis jetzt noch nicht ganz füllen, es zeichnet sich aber ab, dass Frauen und Männer zu gleichen Teilen repräsentiert sein werden. Die exakte Gestaltung des Wahlkampfes wird sich allerdings erst noch zeigen – Corona macht den Strassenwahlkampf nicht unbedingt einfacher.

Es fielen durchaus kritische Worte zur politischen Entwicklung in Langenthal. Diego Clavadetscher bemängelte vor allem die fehlende Strategie und den Umstand, dass viele grosse Themen gleichzeitig angerissen wurden, was sowohl zu einer hohen finanziellen Belastung, als auch zu einem grossen Verwaltungsaufwand führte (wodurch wiederum sehr viele Ressourcen in Anspruch genommen wurden). Besorgt zeigte sich die FDP – Präsident auch darüber, dass das Vertrauen in die Politik zusehends schwindet; eine Tendenz, die die Partei aufzuhalten versucht. Dabei versteht sie sich als traditionelle Mitte, die Brücken baut und Allianzen schmiedet, um zu Lösungen zu kommen. Das Motto für die Wahlen 2020 lautet dann passenderweise auch: Der Politik ihre Bedeutung zurückgeben.

Nach diesem Ausblick war die Versammlung dann auch schon beendet – zumindest der offizielle Teil. Ich kann hier also festhalten: Auch wenn sich FDP und SP inhaltlich zum Teil stark unterscheiden, gibt es doch Dinge, die genau gleich sind. Etwa, dass noch schnell ein Foto für die Medien geschossen wird und ein kleines Chaos ausbricht bis alle Kandis ihre Pose gefunden haben (ich habe ja kurz mit dem Gedanken gespielt, mich einfach dazuzustellen. Einfach um zu sehen, ob es jemand bemerken würde, dass sich da ein Lama eingeschlichen hat…). Oder dass man seine Zustimmung nicht mit Handheben kundtut, sondern mit Applaus (wenn’s sonst niemand tut, klatschen wir halt selber für uns). Oder, dass am Ende noch ein paar Mitglieder bleiben und weiter säuft diskutiert (wobei die FDP glaub eher auf Wein gepolt ist und die SP eher dem Bier zugetan ist. Ob das psychologisch begründbar ist?)

Auf jeden Fall hat sich der Besucht gelohnt. Also Leute, vergesst exotische Urlaubsziele: Hauptversammlungen müsst ihr besuchen!

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  Platz 1: Kategorie Erwachsen. Ginge sogar als Strickmuster. Falls jemand einen Pulli machen möchte oder so. Platz 2: Kategorie Erwachsen. ...