Mittwoch, 21. Oktober 2020

Telefonieren mit Lama: Cornelia Gerber - Schärer (SP)

 


 

 

Die Stadtratskandidatin Cornelia Gerber – Schärer hat eine abgeschlossene Ausbildung als Pflegefachfrau HF, Master Coach DVNLP ist aber inzwischen Inhaberin der Praxis Life Concept, mit der sie sich um die Seelenpflege der Menschen widmet. Als Mutter von zwei Kindern weiss sie, was es heisst verschiedene Rollen unter einem Hut zu bringen und wie wichtig es ist, für die Zukunft zu schauen. Im Interview verrät sie, wo Langenthal Nachholbedarf hat und warum Langenthal eine starke SP braucht. 

Bist du eher jemand, der aus dem Bauch entscheidet oder ein Kopfmensch?

Sowohl als auch. Mein Kopf und meine Intuition führen öfters Diskussionen.  Oft gewinnt die Intuition, aber ich orientiere mich durchaus auch gerne an Fakten. Ich glaube, es braucht einfach die richtige Balance zwischen Kopf und Bauch. Im Idealfall ist es eine Mischung aus beidem.

Braucht die Langenthaler Politik mehr Bauchgefühl?

Ich denke, sie braucht vor allem mehr Alltagstauglichkeit und Praxisbezug.

Was würdest du als deine grösste Stärke bezeichnen?

Empathie,  aber auch die Fähigkeit, von ihr nicht komplett mitgerissen zu werden. Pragmatismus. Es gibt Dinge, da muss frau nicht darüber diskutieren. Als ich in der Notaufnahme der Psychiatrie gearbeitet habe, habe ich gelernt auch in Krisensituationen prägnant zu bleiben und Prioritäten zu setzen. Ausserdem bin ich ein sehr optimistischer Mensch, ich glaube an das Gute und dass wir auch in schwierigen Situationen Lösungen finden können.

Bist du lieber in Natur oder in der Stadt?

Ich liebe die Natur. Wobei ich die Natur nicht als Objekt sehe. Ich verstehe mich vielmehr als  Teil von der Natur und suche auch bewusst die Verbundenheit mit ihr, indem ich mit meinen Kindern und meinen Hunden täglich nach draussen gehe, sei es in den Wald oder auf die Wässermatten. Wir haben so viele schöne Plätze in der Region, es ist so eine vielfältige Gegend hier. Aber ich mag auch Städte. Gerade von Berlin bin ich ein Riesenfan.

Was ist dein Lieblingsort in Langenthal?

Ui, das ist für mich schwer zu sagen. Das ist stark  von meiner Stimmung und den Jahreszeiten abhängig. Aber ein besonderer Ort ist für mich der Sängeli – Weiher. Mein Urgrossvater schöpfte dort Lehm für  die Ziegelei in St.Urban. Deshalb ist das Sängeli für mich nicht nur einfach ein wunderschönes Naturschutzgebiet. Ich spüre dort auch die  Verbundenheit mit meinen Ahnen. Der belebte Wuhrplatz übt auf mich auch eine Faszination aus.

Gab es Momente in deinen Leben, in denen du nicht mehr weiterwusstest?

Ja. Als ich 24 war, wurde bei mir Multiple Sklerose diagnostiziert. Als Folge davon, bekam ich am eigenen Leib zu spüren, wie  langsam die Mühlen von unseren Sozialversicherungen mahlen. Prozesse werden verzögert, Kosten generiert. Dadurch kam für mich der soziale Abstieg. Ich hatte existenzielle Ängste und litt unter Depressionen. Es war nicht einmal die Krankheit, die ich als stigmatisierend empfand, sondern die Tatsache, dass ich IV beziehen musste, die Gespräche und die teils despektierlichen Gespräche bei der IV, der Gang zum Sozialamt und der Prozess gegen die IV. Bis dahin kannte ich nur die Sicht der Pflegefachfrau, jetzt war ich auf einmal selbst die Betroffene.  Es war auch  nicht einfach, sich in einer Zeit, in der man normalerweise damit beschäftigt ist, sich zu finden, auszuprobieren und auszurichten, überlegen zu müssen, in welchem Pflegeheim man später vielleicht mal leben will. 

Wie ist es dir gelungen wieder aufzustehen?

Ganz klar durch meine Familie. Vor allem meine Eltern haben eine grosse Rolle gespielt. Aber auch mein Freundeskreis hat mir sehr geholfen. Meine interreligiöse Weltanschauung und Praktiken. Zudem habe ich immer Sport getrieben. So konnte ich weiterkämpfen. Und irgendwann habe ich gelernt, die Krankheit nicht als Feind zu betrachten, sondern als ein Barometer, das mir zeigt,  wann ich mich zügeln und es ruhiger angehen muss. In mir ist der tiefe Glaube verwurzelt, dass mir nichts auferlegt wird, was ich nicht meistern kann. Und ich habe es tatsächlich geschafft, aus eigener Kraft wieder aus der IV zu kommen und wieder ins Berufsleben einzusteigen.

Was war der schönste Moment in deinen Leben?

Ich erlebte täglich wunderschöne Momente. Es gibt nicht den Moment, das Leben ist vielmehr eine Abfolge von wunderbaren Momenten. Und ich bin sehr dankbar für dieses Leben.

Was ist für dich die grösste Herausforderung als Mutter?

Das erforderliche Multitasking und das Switchen der verschiedenen Rollen. Man muss viele  Aufgaben koordinieren, kleine Aufgaben, die aber trotzdem organisiert werden müssen. Die  grosse Herausforderung ist aber, zu wissen oder zu spüren, wann das Kind getragen, gefördert oder begleitet werden soll und wann es richtig ist, loszulassen. Man muss auch aufpassen, nicht plötzlich sich selbst in ein Kind rein zu projizieren, denn es ist ein eigenständiges Individuum. Und trotzdem ist es wichtig, den Kindern Werte und Leitblanken zu vermitteln.  Muttersein ist  einfach eine ständige Gratwanderung.

Welche Entscheidungen des Langenthaler Parlaments konntest du gar nicht nachvollziehen?

Dass die Schulsozialarbeit, nicht eingeführt wurde. Da verkennt man einfach immer noch den  gesellschaftlichen Bedarf. Diese hat sich verändert und es haben nun mal nicht alle Kinder und Eltern die Ressourcen, mit den heutigen Herausforderungen umzugehen. Chancengleichheit ist für mich in diesem Kontext auch ein grosses Thema. Es geht ja nicht darum, ob man diesen Bedarf jetzt gut oder schlecht findet, er ist nun einmal da. Durch das Fehlen der Schulsozialarbeit werden den  Pädagogen Aufgaben auferlegt, die nicht ihren Kompetenzen entsprechen, weil es nicht ihr Fachgebiet ist. Darunter leiden dann ihre eigentliches Tagesgeschäft. Deshalb bin ich umso dankbarer, dass wir sehr engagierte und verantwortungsvolle Lehrer*innen haben, die das Beste aus dieser Situation machen. Dem  Kindeswohl werden wir so aber nicht gerecht. Ich habe eine Zeitlang in der  Sozialpsychiatrie gearbeitet, ich weiss was es braucht. Leider hinken die Schulen in Langenthal den Standards hinterher und das nicht nur auf kantonaler Ebene. Dadurch werden wir auch als Wohnort für Familien unattraktiv. Auch wirtschaftlich lässt sich die SSA schon längst begründen. Die Folgekosten beim «so tun als ob es uns nichts angeht» sind immens. Da gibt es genügend Studien dazu. Problematisch ist, dass da viele Laien mitreden, die eine rein wirtschaftliche Ausrichtung haben. Aber die Spielregeln dürfen in der Bildung und im Gesundheitswesen nicht denen in der Wirtschaft entsprechen. Das ist ein grosser Fehler!

Was war dein Traumberuf als Kind?

Tierarztgehilfin. Ich war  auch ein paar Mal bei Christoph Salm in der Praxis schnuppern, musste aber immer mit den Leuten mitweinen, wenn ihre Tiere eingeschläfert werden mussten. Deshalb lernte ich Pflegefachfrau.

Was sind jetzt deine Träume?

Ich glaube, ich bin tatsächlich wunschlos glücklich und dankbar, für das was ich habe. Aber wenn ich mir was für meine Kinder wünschen dürfte, dann, dass sie all die Herausforderungen, die das Leben für sie bereithält mithilfe ihrer Ressourcen und Mut bestehen können.

Anzug oder T – Shirt?

T – Shirt!

Wie wichtig ist für dich Social Media?

Ein Mittel zum Zweck. Als Mutter von kleinen Kindern lebst du oft an der Gesellschaft vorbei. Du bist dann wach, wenn alle schlafen und schläfst, wenn alle anderen wach sind. Oft bist du auch isoliert. Da hilft dir Social Media enorm, dich zu vernetzen. Social Media bietet viele Chancen, birgt aber auch Risiken. Und für mich kann es niemals den persönlichen Kontakt mit Menschen ersetzen. Die Dosis macht‘s aus.

Was sind Charaktereigenschaften an Politiker*innen, die dich stören? 

Mich stört es, wenn Leute die Politik mit Wirtschaft gleichstellen und sie nur ihre eigenen Interessen oder die Interessen einer Lobby vertreten. Wenn sie Ziel und Zweck ihres Amtes vergessen und damit auch, wer ihnen den Auftrag ursprünglich gegeben hat. Nämlich das Volk.

Warum bist du Sozialdemokratin?

Weil sich meine persönlichen Interessen und mein beruflicher Hintergrund am ehesten mit den Themen der SP decken und ich der Ansicht bin, dass diese für ein wirklich tragendes System als relevant erachtet werden sollten. Das sehen wir jetzt während der Corona Pandemie.

Was würde sich – aus deiner Sicht – in Langenthal ändern, wenn die SP die Mehrheit im Parlament erringen würde?

Ich denke, dass vermehrt Alltagsthemen, Dinge, die die Menschen wirklich beschäftigen aufs Tapet gebracht werden würden. Man würde weniger Paragrafen reiten und statt ständig zweite Lesungen zu veranstalten  würde man lösungsorientierter handeln. Ich denke, es würde zu mehr Lebensqualität in Langenthal führen.

Was macht Langenthal besonders?

Langenthal hat einen besonderen Groove. Es hat den Charme eines Dorfs, bietet aber die Annehmlichkeiten einer Kleinstadt. Das spürt man am  Hoffest oder an der Fasnacht – vorausgesetzt sie findet statt. Trotzdem sage ich, Langenthal muss aufpassen, nicht an Attraktivität zu verlieren. Besonders in Bezug auf Familien und Lebendigkeit. 

Bei welcher Musik rennst du schreiend aus dem Saal?

Das kommt tatsächlich eher auf meinen Zustand an, als auf meinen Geschmack. Seit ich Kinder habe, mag ich es generell lieber still. (lacht)

Was ist deine Lieblingsserie?

Das darf ich fast nicht sagen… First Dates. Ich mag es zuzusehen, wenn es zwischen Menschen funkt. Oder eben nicht. Zwischenmenschliche Beziehungen finde ich spannend.

Hast du ein Vorbild?

Direkt nicht. Ich bewundere Menschen im Alltag, wenn ich sehe, dass sie eine bestimmte Situation lösen. Ja doch, meine Grossmütter. Ich bewundere generell die Frauen, die über Jahrhunderte unterdrückt, diskriminiert und ermordet wurden und doch nicht aufgegeben haben..

Was wären deine Herzensthemen als Stadträtin?

Bildung und Gesundheitswesen. Ein besonderes Anliegen von mir ist die Durchmischung von Generationen. Wir müssen es schaffen, Kinder und ältere Menschen zu verbinden und die Ressourcen zu nutzen. Wir könnten Altersheime mit Kindergärten vernetzen, so wie es ansatzweise versucht wurde mit dem Altersheim Haslibrunnen und dem Schulhaus Elzmatte. Noch besser wären integrierte Kindergarten in Altersheimen. Denn, wenn ich Flüchtlingskindern begegne, die ihre Familie verloren haben und unendlich einsam sind, traumatisiert und  dann dieselbe Einsamkeit in den Augen von älteren Menschen sehe, schmerzt mich das sehr. Man muss diese Leute einfach zusammenbringen und die die möchten eine Gelegenheit schaffen.

Ist Langenthal eine Stadt für alle oder für wenige?

Ich bin ja hier aufgewachsen und für mich ist es definitiv ein Dorf für alle. Das soll es auch bleiben. 

Warum hast du dich entschieden, dich für den Stadtrat zu bewerben?

Es ist eine tolle Möglichkeit Themen aufzunehmen und umzusetzen. Wenn man etwas ändern will, ist eine Kandidatur die logische Konsequenz.

Wenn du an deine Aufgaben denkst, die als Stadträtin auf dich warten, wovor hast du am meisten Respekt?

Vor der trockenen Theorie und den vielen Paragrafen. Natürlich braucht es die auch, aber ich finde, wir benötigen eine gesunde Balance und sie  dürfen nicht überhandnehmen. Ich bin einfach keine Politwissenschaftlerin und Anwältin, ich bin eine Frau aus dem Volk, aus dem Leben.

Wärst du eine Stadträtin, die eher lange Reden halten oder es eher knapp halten würde?

Uff, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Das würde wahrscheinlich auf das Thema ankommen.

Abschlussfrage: Wenn du gewählt werden würdest, was wäre deine erste Handlung als Stadträtin?

Ich würde alles vorantreiben, was den Verbesserungen der Infrastruktur von Kindergärten, Schulen, Tagesschulen dient. Dazu zählt für mich auch neu der Steckholz dazu. Da ist man zwar dran, aber das muss noch mehr in den Takt kommen. 

 

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