Das andere Stadtratsprotokoll 28. 3. 2022
Teil 1: Das Vorwort
- - Hallo und herzlich
willkommen zum anderen Stadtratsprotokoll, dem einzigen regelmäßigen Blog zu den Stadtratssitzungen in
Langenthal. Es berichtet für Sie – wie immer – das bezaubernde, einmalige und
unfassbar flauschige Lama, dessen Qualität vor allem darin besteht aus sehr
ernsten und sehr trockenen Themen sehr viel unterhaltsamen Nonsens zu
produzieren. Viel Spaß!
- - Endlich tagt der Stadtrat
wieder in der Alten Mühle! Juhu! Endlich wieder gemeinsames Schwitzen auf
engstem Raum mit Menschen, die aus irgendeinem Grund auch im Hochsommer darauf
bestehen, Hemd und Jackett zu tragen! Endlich sehen die Stadträt:inenn wieder,
wenn ich Ihnen liebevoll zuzwinkere oder ihnen den Stinkefinger zeige! Und
endlich erkenne ich auch wieder wer was isst und wer wem Zettelchen schreibt
und wer auf schlüpfrigen Webseiten surft. ICH HABE ES SO VERMISST, BITTE LASST UNS DIE ALTE MÜHLE
NIE MEHR VERLASSEN!
- - Und dann dieser betörende
Duft aus Triumph und Verzweiflung, der mir beim Betreten der Alten Mühle
entgegenschläg!. Nach den gestrigen Grossrats – und Regierungsratswahlen,
sitzen nun die stolzen Sieger: innen direkt
neben den geknickten Verlierer: innen und der Hass ist direkt spürbar. Bevor
man zur Tür reinkommt, muss man erst einmal über ineinander verkeilte Grüne und
Sozialdemokrat:innen, steigen, die gerade dabei sind, sich die Haare einzeln
vom Kopf zu reißen und dann stolpert man auch noch über einen FDPler, der
gerade am Hals eines SVPlers hängt….
- - Das obig genannte hat
selbstverständlich nur in meiner Fantasie stattgefunden. Natürlich waren alle
super gesittet und haben sich gegenseitig brav gratuliert, wie sich das in
einer gesunden Demokratie gehört. Wir sind hier ja schließlich im seriösen
Stadtrat und nicht bei den dekadenten Oscarverleihung, wo einfach mal so Backpfeifen
verteilt werden.
- - Stadtratspräsidentin
Beatrice Lüthi eröffnet die Sitzung und sie, die sonst über ein
stadiontaugliches Stimmvolumen verfügt, ist heiser. Also, genau genommen klingt
sie wie eine Krähe, die gerade eine Packung Zigaretten geraucht und die dann
mit Whiskey runtergespült hat. Gute Besserung an dieser Stelle.
- - Beatrice Lüthi erwähnt dann
auch, dass die Sitzordnung ein wenig geändert wurde, um die Abstände zumindest noch ein bisschen einhalten zu können. Naja.
Als Zuschauerin sitze ich jetzt so nah an den Fraktionen, dass ich ihnen den
Nacken massieren könnte. Und ich könnte den Mitgliedern ein Bein stellen, wenn
sie an ihre Plätze zurückeilen. Nicht, dass ich das je tun würde.
- - Erst einmal gratuliert
Stadtratspräsidentin Lüthi den frisch gewählten Grossräten. Neben Stapi Müller sind
das noch Martin Lerch und Patrick Freudiger (beide SVP). Als FDPlerin hätte Beatrice Lüthi ruhig auch mal
der SP danken können. Immerhin haben wir es geschafft, eine so krachende
Niederlage einzufahren, dass die Verluste der FDP medial fast gar nicht
thematisiert wurden. Gern geschehen!
- - Patrick Freudiger ist
wie üblich zu Beginn der Sitzung nicht anwesend, schafft es dann aber, pünktlich
zum Appell auf dem Platz zu sitzen. Ich schwöre, der Mann ist ein Phantom. Plötzlich
taucht er wie aus dem Nichts auf. Wie dieses weisse Kaninchen aus Alice im
Wunderland. Gruselig.
- - Stapi Reto Müller hält
ebenfalls noch eine kurze Rede und erinnert mich dabei frappant an Albus
Dumbledore, wenn der das Schuljahr in Hogwarts eröffnet. Nur dass er uns nicht
verbietet, den verbotenen Wald zu betreten und auch nicht über den Kampf gegen
Voldemort referiert, sondern über die miese Wahlbeteiligung bei den
Grossratswahlen und den tollen Einsatz aller Stadträt:innen, die sich freiwillig
den Wahlkampf angetan haben… ich meine natürlich, die sich freiwillig bereit
erklärt haben, sich den Grossrat anzutun…äh, ich meine natürlich, die sich
ernsthaft für den Kanton abquälen wollten….ach, einfach die, die für den Grossrat
kandidiert haben. Ebenfalls erwähnt er
den Krieg in der Ukraine und die Tatsache, dass wir als Gesellschaft zum ersten
Mal seit langem Flüchtende tatsächlich mit offenen Armen willkommen heissen. Ja,
ist es nicht erstaunlich, wie solidarisch Menschen sein können, wenn die
Flüchtenden nur weiss genug sind und aus Europa kommen?
Teil 2: Wir
sanieren eine Strasse, die es dringend nötig hat
- - Kommen wir zum ersten
Geschäft des Abends, das sich – wieder einmal – um die Sanierung einer Strasse
dreht. Erstaunlicherweise scheint es in Langenthal trotz gegensätzlicher
Bemühungen noch immer Strassen zu geben, die noch nicht im neuen Glanz
erstrahlen, sondern noch alt und heruntergekommen und voller Löcher und
Spinnweben sind. In diesem Fall geht es um die Sanierung der Gruben – und Belchenstrasse
und eines Abschnitts des Zeienwegs (wer hat sich denn den komischen Namen
ausgedacht? Warum nicht gleich Fingerweg? Das hätte dann noch ne coole
Doppelbedeutung. Finger weg vom Fingerweg!).
- - Laut Reto Müller, ist
die Grubenstrasse jetzt schon jahrzehntelang ein Provisorium. Wow. Man kann
Langenthal zumindest nicht vorwerfen, dass ihre Provisorien zu wenig lang sind.
Die Strasse sollen jetzt aufgehübscht, ausgebaut
und umgestaltet werden, wobei man natürlich Themen wie Schulwegsicherheit, eine
bessere Ausleuchtung (wie war das mit dem Lichtsmog?) und die neue Buslinienführung
beachten wird. Die Finanzkommission, die
alten Spielverderber: innen fanden den Vorschlag des Gemeinderats zu teuer und
wollten ihn deshalb zurückweisen. Stadtpapi Reto kann hier beruhigen: Der Gemeinderat
geht optimistisch davon aus, dass die Sanierung weniger kosten wird, als jetzt noch
veranschlagt. Weil Bob der Baumann den Auftrag übernehmen wird und dem seine
Fahrzeuge leben ja bekanntlich, brauchen also ergo keinen Sprit.
- - Mir schwant Übles. Diego
Clavadetscher und Pascal Dietrich haben Gesetzesbücher mitgeschleppt und
vergleichen jetzt irgendwelche Absätze miteinander. Entweder überlegen sie, was
sie sich gegenseitig ins Freundebuch schreiben oder sie bereiten sich auf die
nächsten Traktanden vor.
- - Unterdessen geht die
Debatte zur Strassensanierung weiter. Fanny Zurn von den Grünen findet es ein wichtiges
Signal, auch «ennet den Gleisen» - ist da denn noch was? Ich dachte, das ist Ödland
- zu investieren und betont die positiven Auswirkungen auf die Lebensqualität
der Menschen. Die Kosten scheut sie dabei nicht. Ihre beiden Ratskollegen
Janosch Fankhauser (SVP) und Robert Kummer (FDP), sind nicht ganz so
euphorisch. Ersterer findet, dass im Vorfeld verbindliche Offerten nötig wären
und letzterer gibt zu bedenken, dass Bauen eher teurer denn billiger wird.
Zudem wünscht sich die FDP einen ÖV, der regelmässig auf dieser Strecke fährt.
Regelmässig heisst in Langenthal, dass, so ungefähr alle Dreiviertelstunde mal ein
Bus vorbeikommt. Ausser es ist Abend oder Nacht. Dann kommt gar keiner mehr
vorbei.
- - André Rentsch (Jll) will
eigentlich nur kurz aufstehen, um Wasser zu holen, da wird er auch schon um ein
Haar von Beatrice Lüthi ans Rednerpult zitiert, denn schliesslich gilt im
Stadtrat die ungeschriebene Regel, dass man sich nur dann rührt, wenn man was
mitzuteilen hat und ansonsten hat man still auf seinen Platz zu sitzen, um an
den richtigen Stellen huldvoll zu nicken.
- - Da die GLP/EVP dem
Geschäft ebenfalls zustimmt, kann der anwesende Fotograf – der wie ein
Wahnsinniger Bilder für die neue Webseite der Stadt knipst - ein einstimmiges
Resultat festhalten, damit wir uns all an den historischen Augenblick erinnern
können, in dem alle Statdrät:innen glücklich vereint, die maroden Strassen von
Langenthal gerettet haben.
Teil 3: Die Rückkehr der Juristen
- - Beim nächsten
Geschäft gibt es nur eine schriftliche Berichterstattung des Gemeinderats. Ganz
ehrlich Leute: So geht das nicht! Ich erwarte schon, dass, wenn ich mich in die
Stadtratssitzung setze, die Gemenderät:innen mir ganz genau erklären, um was es
überhaupt geht! Und zwar mit einer Power Point Präsentation, einer pantomimischen
Vorführung und einer Tanzvorstellung. Jetzt muss ich nämlich noch nachlesen,
was die Ausgangssituation ist und das ist supermühsam. Denkt denn hier niemand
an überarbeitete, etwas begriffsstutzige Lamas?
- - Okay, ich glaube, ich
habe es begriffen. Es geht um die Abschreibung einer Motion, die sich mit der
Ausstandspflicht beschäftigt. Die Stadt mischt ja in Gesellschaften mit (z. B Schoio
AG). An manchen Gesellschaften ist die Stadt mehrheitlich beteiligt, an anderen
hält sie eine Minderheitenbeteiligung. Und in manchen sitzen eben auch Gemeinderät:innen
im Verwaltungsrat. Jetzt kann es natürlich passieren, dass auf den Tisch des
Gemeinderats ein Geschäft landet, dass mit irgendeiner dieser Gesellschaften zu
tun hat und deshalb müssen die Gemeinderät:innen, die im betreffenden
Verwaltungsrat sitzen, in den Ausstand treten, weil ja sonst ein
Interessenskonflikt bestehen könnte. Für die Motionär:innen ist das aber nicht
zielführend, weil ihrer Meinung nach damit Wissen nicht fliessen kann. Denn
Ausstand bedeutet ja, dass dieses Mitglied nicht mitreden darf.
- - Der Gemeinderat hat
sich der Motion angenommen (hm, ich glaube das war die, die ausser den anwesenden
Jurist:innen niemand so wirklich begriffen hat. Oder war das eine andere, nicht
minder theoretische Motion? Ich kann die so schlecht auseinanderhalten) und die
Statuen der IB Langenthal, der Haslibrunnen AG und der Schoio AG geändert, so
dass die Ausstandspflicht nicht mehr ganz so streng gehandhabt werden muss.
Weil die Gemeinderät:innen ja eigentlich nicht als Privatpersonen in diesen
Verwaltungsräten sitzen, sondern als Vertretung der Stadt, was wiederum
bedeutet, dass sie keinen Grund hätten, persönliche Vorteile aus ihrem Amt zu
ziehen. Irgendwie so. Durch die
kantonalen Bestimmungen ist der Handlungsspielraum des Gemeinderats ansonsten
begrenzt, weshalb er die Motion gerne abschreiben lassen würde.
- - Diego Clavadetscher
(FDP) möchte die Motion noch nicht abschreiben lassen, weil er sich so viel
Mühe mit dem Text gegeben hat und keinen Bock hat, dass der jetzt einfach in
den Papierkorb geschmissen wird. Okay, nein das ist nicht der Grund. Ich weiss
ehrlich gesagt nicht, ob ich den Grund richtig verstanden habe, aber es geht wohl
im Grossen und Ganzen darum, dass die Auslegung dieser Ausstandspflicht wohl
etwas uneinheitlich geschieht, weil die oben genannten Regeln bei
Minderheitenbeteiligungen nicht zum Zug kommen. Als Beispiel nennt er die Kehrichtverwertungsanlage
Kebag in Zuchwil (nicht zu verwechseln mit einem Kebab), wo der Langenthal
Gemeinderat auch immer mit drinhängt. Der Gemeinderat soll noch einmal in sich
gehen, so Clavadetscher salbungsvoller Rat.
- - Unterstützt wird die
Haltung der FDP von Patrick Freudiger (SVP), der dem Gemeinderat zum Mut gratuliert,
sich auf delegierte Vertreter (fragt mich nicht, wer oder was das sein soll) zu
verlassen, zugleich diagnostiziert Dr. Freudiger noch Raum nach oben, weil die
Stadt seiner Meinung nach auch dort Aufgaben wahrzunehmen hat, wo sie nicht zu 100
Prozent beteiligt ist.
- - Und natürlich ist
unser Juristen – Kleeblatt nicht vollständig, wenn nicht Pascal Dietrich (parteilos)
ebenfalls noch seinen Senf dazu gegeben hätte, denn, wenn zwei
Jurist:innen gefragt werden, hat man ja
bekanntlich drei Meinungen, wie uns in ungefähr jeder zweiten Stadtratssitzung
von einem der besagten Jurist:innen erklärt wird. Mit dem Gesetzbuch in der Hand
referiert Pascal Dietrich erst ein bisschen über das Kochen, um dann einen
gewagten Schlenker in die Abgründe der Juristerei zu machen, indem er frisch von
der Leber verkündet, dass er mit dem Schluss, den die Stadtverwaltung gezogen
hat, nicht einverstanden ist. Zum Beispiel müsse ein Gemeinderat nicht in den
Ausstand, wenn er in einem Initiativkomitee sei, was ja keinen Sinn mache.
Ausstand, Initiative, Kehrichtverwertung, Mehrheitenbteiligung, Minderheitenbeteiligung,
Initiativkomitee…ich bin raus, Leute. Können wir uns bitte einfach über die
Bepflanzung im Glaspalast unterhalten?
- - Reto Müller schreitet
magistral zum Schlusswort. Laut ihm habe der Gemeinderat, den Input, den die Motion
verlangt hat, dort umgesetzt, wo er eben 100 Prozent Beteiligung hat. Bei
Minderheitenbeteiligung sei das eben schwierig umzusetzen. Und dann zeigt der
sonst so umgängliche Stapi doch glatt für einmal die Krallen. Er kritisiert den
Einzelsprechenden – also Pascal Dietrich - dafür, dass er dem Rechtsdienst der
Verwaltung quasi unterstellt hat, sie hätten da was falsch ausgelegt. Das finde
er daneben. Uhhhh, ein Grumpy Reto. Erinnert mich an einen Chef, der mal zu mir
gesagt hat: «Wenn einer meine Mitarbeitenden zusammenscheisst, dann bin ich
das!»
- - Die Linken wollen die
Motion, wie vom Gemeinderat gewünscht, abschreiben. Die Bürgerlichen inklusive
der Mitte, aber nicht. Ratet mal, wie das Resultat herausgekommen ist. Natürlich,
die Motion wird nicht abgeschrieben (fragt mich nicht, was jetzt passiert.
Vielleicht macht der Gemeinderat einfach einen Yogakurs, um in sich zu gehen). Da hat sich das Gesetzbücher mitschleppen doch
glatt gelohnt. Die Linken sollten vielleicht auch einfach damit anfangen, dicke
Bücher ans Rednerpult mitzunehmen. Das
scheint einen kompetenten Eindruck zu hinterlassen. Ich schlage folgende Titel
vor: Die Bibel, das Kapital oder der allseits beliebte Klassiker «Der Graf von
Monte Christo».
Teil 4: Ich submissioniere, du submissionierst….
- - Beim nächsten
Geschäft geht es wieder um eine Motion. Diesmal eine mit dem herrlich klangvollen
Titel «Neues Submissionsrecht – kommunale Spielräume nutzen.»
- - Vielleicht fragt ihr
euch jetzt: Was ist eigentlich eine Submission? Ist das eine Expedition mit dem
Ziel Atlantis zu finden (Hände hoch, wer sich der sofort anschliessen würde) oder
ist das die Bekehrung von Naturvölkern, damit sie aufhören, Fruchtbarkeitsgöttinnen
zu verehren und sich stattdessen in die Arme eines rachsüchtigen, prüden Gottes
werfen, wie sich das gehört? Alles falsch. Eine Submission ist ein Verfahren
der Ausschreibung bzw. beinhaltet die Vergabe von – in diesem Fall städtischen
- Aufträgen.
- - Habe ich das nachgeschlagen?
Ja, natürlich habe ich das nachgeschlagen! Weil, während der ganzen Debatte kam
keiner der Beteiligten auf die Idee, den Begriff zu erklären. Ich hätte gerne
weniger Juristenwitze und dafür mehr Untertitel für Lamas, wenn’s geht.
- - Patrick Freudiger
spricht für die Motionäre. «Es gehe um was Substanzielles, denn das
Submissionsrecht wurde in den letzten Jahr ausgeweitet, was zu Tücken und
Mehrbürokratie führe. Er zeigt sich einigermassen begeistert davon, dass der
Gemeinderat nicht nur, wie die Motion es eigentlich verlangt, einen Bericht zum
Thema Submissionsrecht abgeben, sondern gleich ein ganzes Reglement ausarbeiten
will. Genau. Ein Reglement. Wir hatten schliesslich so lange keines mehr. Freudiger
schafft zudem ein Paradox: Er bestätigt,
dass die Einschätzung des Gemeinderats, die Motion als eine Richtlinienmotion
zu werten, richtig ist, möchte aber trotzdem, dass daraus eine Motion mit
Weisungscharakter wird. Das macht TOTAL Sinn.
- - Es ist, als wäre ich
in einer Zeitschleife gefangen, in der ich gezwungen werde, mir immer und
wieder das Gleiche anzusehen. Die Linke folgt dem Gemeinderat und möchte Motion
nicht annehmen, die Bürgerlichen, inklusive Mitte, schon. Die Fraktionspräsidentin
der SP/GL Fraktion nutzt dann ihr Votum, um ihren Ärger Luft zu machen. «Es ist
schon auffällig, dass die Motionen immer von den gleichen Leuten kommen und
dass die SP nie eingebunden wird. Es wäre schön, wenn ihr auch mal auf uns
zukommen würdet, statt von vornerein davon auszugehen, dass das nicht für uns
ist», meint sie, latent angesäuert. Aufgeregtes Stimmgemurmel. Was, die SP kann
mehr als Topflappen häkeln, Friedenslieder trällern oder nackt einen Bunsenbrenner
in die Kamera halten? How shocking!
- - Reto Müller bedankt
sich für die, wie er es nennt, «Interpretationen», wobei er einen Tonfall anschlägt,
der mich an meinen ehemaligen Literaturlehrer erinnert, wenn er mir behutsam
versucht hat beizubringen, dass meine Analyse des Gedichts von Bertolt Brecht kreuzfalsch
war. Seine Charmeoffensive verfängt nicht, der Stadtrat macht aus der aus der
Motion, die eigentlich einen Richtliniencharakter hätte, eine mit
Weisungscharakter. Ich liebe diesen Anarchismus, der unter den Bürgerlichen plötzlich
ausgebrochen ist.
- - Dazwischen bringt Schulleiter
Gerhard Käser (SP), ganz der fürsorgliche Lehrer, seinen Fraktionsgspännli Wasser
und verpasst es deshalb, sein Kärtchen zu heben. Er hat also sein demokratisches
Recht geopfert, um seine Kamerad:innen vor dem Verdursten zu retten! Wenn das
mal keine Heldentat ist. Oder wollte er einfach die Fraktion mit Wurfgeschossen
versorgen, damit sie die Bürgerlichen mit Wasserflaschen bewerfen können?
- - Erheblich erklärt
wird die Motion auch. Aber es fliegen keine Flaschen.
Teil 5: Baden mit Putin
- - Weil die
Stadtratssitzung so wenig Traktanden hat, wird wieder einmal die allseits
beliebte parlamentarische Fragestunde abgehalten, wo die Gemeinderät:innen für
einmal Kummerkastenonkel bzw. Kummerkastentante spielen dürfen und den
Stadträt:innen ein offenes Ohr leihen. Wobei ich diese Fragestunden ganz anders
gestalten würde. Ich wäre dafür, die Gemeinderät:innen zu rösten. Also, im
metaphorischen Sinne, nicht, um sie zu essen. Aber es wäre doch viel spannender
für alle Beteiligen, wenn der Gemeinderat gar nicht wüsste, welche Fragen
gestellt werden und sie dann alle ganz spontan Antwort geben müssten und wenn
sie den Stadträt: innen nicht gefällt, können sie sie in die Mangel nehmen und
dann müssten sie zum Gladiatorenkampf in die Arena…okay, jetzt wird’s bescheuert.
Sorry.
- - Der Themenmix ist
immer fantastisch. Erst geht es um das Beschriftungskonzept der Stadt (denn wo
kämen wir da hin, wenn alle einfach irgendwelche Schriften verwenden oder gar
das Langenthaler Logo missbrauchen würden? Es wäre der Anfang vom Ende!) dann um die Frage, was eigentlich mit dieser
Umfrage zur Zentrumsentwicklung passiert ist (man kann sie inzwischen
runterladen. Von der Webseite. Offenbar ist die Stadt vom guten alten Papyrus
weggekommen) und schliesslich die scheue Nachfrage, wann die Resultate zur
Mitwirkung der Überbauung Hinterberg zu erwarten sind (Antwort: Demnächst. Was
ein dehnbarer Begriff ist, wenn man bedenkt, dass Provisorien in Langenthal im
Schnitt ein Jahrzehnt lang genutzt werden).
- - Mir persönlich
gefällt die Frage: Warum hat Langenthal keinen «Buchsi Strom»? Antwort: Weil
Langenthal nicht Herzogenbuchsee hat und wir den nachhaltigen «Sonnenklar» Strom
haben. Das erscheint mir fast schon glasklar, wenn ich diesen schlechten
Wortwitz bemühen darf.
- - Hm, ich glaube ich
wohne den Stadtratssitzungen schon zu lange bei. Ich könnte schwören, dass schon
einmal jemand die Frage gestellt hat, wieso der Wochenmarkt im Januar/Februar
nur dienstags stattfindet und dass das damals mit dem Schneeaufkommen beantwortet
wurde. Weil es metrologisch bewiesen ist, dass dienstags immer weniger Schnee liegt
als am Samstag.
- - Der Krieg in der
Ukraine wird noch einmal Thema. Martin Lerch (SVP) stellt Fragen zur Situation
in Langenthal, betreffend dem Schutz der Bevölkerung und der Aufnahme von
Flüchtenden. Martina Moser erläutert die Verantwortlichkeiten der Gemeinden und
des Kantons. Grundsätzlich übernimmt die
ORS AG, die Verantwortung für die Unterbringung von Asylant:innen und in
Oberaargau sollen1395 Plätze geschaffen werden. Und diese Woche wird der Gemeinderat
entscheiden, ob ein Sonderstab Ukraine einberufen wird. Schutzplätze sind, laut
Martina Mosers, genügend vorhanden. Wir
können uns also beruhigt auf die wirklich wichtigen Diskussionen vorbereiten,
die da sind: Nützen Schutzplätze wirklich etwas? Und wenn ja, schützen sie mich
oder doch eher die anderen? Und bin ich jetzt ein Schaf, wenn ich mich mit allen
anderen in den Schutzraum begebe oder einfach nur wahnsinnig solidarisch? Ach,
es sind so komplizierte Verhältnisse heute…
- - Wo wir gerade bei Putin
sind: Die Schwimmbecken in der Badi Langenthal werden teilweise noch mit Gas
beheizt. Zumindest, wenn die Sonne nicht hell genug scheint. Das heisst, ich
kann jetzt nicht einmal mit ruhigem Gewissen schwimmen gehen, weil es sich
anfühlen wird, als wäre ich mit Putin im Wasser. Was für eine widerliche
Vorstellung.
-
«Für die grüne SP –
Fraktion» Beatrice Lüthi (FDP) löst eine grüne Welle in der SP aus und
überwindet so vielleicht das grüne Trauma der Sozialdemokrat:inenn.
-
«Ich hoffe, dass
deine Stimme bald wieder auf Vordermann ist.» Ach, Janosch Fankhauser (SVP),
dass du ausgerechnet der emanzipierten Beatrice Lüthi mit Vordermann kommst…
ist ein bisschen, als würde man einem Veganer sagen, dass er hoffentlich bald
wieder mehr Fleisch auf den Rippen hat.
-
«Der Gemeinderatsschreiber…»
Roland Loser (SP) degradiert die Stadt mal eben wieder zur Gemeinde.
-
«Also, dann spreche
ich als Fraktionssprecher…Hauptsache ich habe das Mikrofon in der Hand und eure
ungeteilte Aufmerksamkeit.» Diego Clavadetscher (FDP) wäre mit dieser
Einstellung auch in jeder Realityshow ganz vorne mit dabei.
-
«Das Einzige, was wir
von der Kebag bisher bekommen haben, sind Einladungen zu Generalversammlungen.»
Stapi Reto Müller (SP) ist zufrieden, solange es keine Ausstandspflicht bei Apéros
gibt.
-
«Was ist trockener,
das Geschäft oder das Wetter?» Patrick Freudiger (SVP) startet seine ganz
eigene parlamentarische Fragerunde.
-
«Die Unterstützung
von schwachen Schüler: innen…. manche nennen es Schulsozialarbeit…dann versteht
auch die SP um was es geht.» Noch mal Patrick Freudiger, der es versteht, Komplimente
wie Beleidigungen klingen zu lassen.
-
« Wir sind einigermassen
beeindruckt von Gemeinderat». Und wieder Patrick Freudiger, der es versteht,
Beleidigungen wie Komplimente klingen zu lassen.
-
«Würde der Gemeinderat
eure Motionen so grosszügig auslegen, wären wir schnell einen Kopf kürzer.» Reto
Müller sorgt sich um sein edles Haupt.
-
«Sonst hätten wir
dann plötzlich 41 Stimmen, da wäre ich intellektuell jetzt glatt ein bisschen
überfordert.» Beatrice Lüthi und die Höhere Mathematik.
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