Na,
wie fühlen Sie sich als AHV – Rentner:innen?
Eher
so als Held:innen, die auf ihren schwächer werdenden Schultern und krumm
gearbeiteten Rücken den Ballast der Welt tragen und dank deren unermüdlichen
Einsatz wir in Wohlstand leben können? Oder doch eher als lästige Überbleibsel
der Vergangenheit, welche die Frechheit besitzen nach Ende ihres Erwerbslebens
und der damit verbundenen Produktivität, im Dienste der Kaiserin Wirtschaft,
sich ein angenehmes Leben zu wünschen und vom Staat etwas zurückfordern?
Ich
frag nur. Weil, also ich weiss nicht, wie es euch geht, aber mich dünkt, dass
unsere Gesellschaft – oder sagen wir wie es ist, die Bürgerlichen unserer
Gesellschaft, sich jetzt nicht ganz entscheiden können, als was sie euch, also
die AHV – Rentner:innen sehen, beziehungsweise verkaufen wollen. Wichtige
Stütze der Gesellschaft oder doch eher ein leidiger Kostenpunkt.
Erinnern
Sie sich beispielsweise noch an diesen SWR – Kinderchor, der im Fernsehen das
Lied «Meine Oma ist ne alte Umweltsau» geplärrt…ich meine. geträllert hat.
Zugegeben, das Lied war jetzt keine Sternstunde der deutschen Poesie, aber das
war Goethe auch nicht und überhaupt ist man ja beim deutschen Fernsehen
inzwischen für jede Minute dankbar, wo nicht gerade eine:r von der AFD
irgendwas unsagbar Dummes und zugleich widerlich Rassistisches in die Kamera
sagt. Doch die Konservativen tobten, sie zogen mit Fackeln zum SWR – Gebäude,
um ihre arme verleumdete Oma zu rächen, die selbstverständlich keine Umweltsau,
sondern ein leuchtenden moralisches Vorbild sei und Respekt verdiene.
Nun
ja, dieselben Menschen, die uns damals Vorträge hielten, dass die Jungen die
Achtung vor dem Alter verloren hätten und dass wir uns ohne die vorhergehenden
Generationen nicht mal Klebstoff leisten könnten, um uns damit auf die Strasse
zu pappen, waren wenige Monate nach Ausbruch der Coronakrise der Meinung, man
solle doch einfach alle Massnahmen aufheben und die Jugend wieder Party machen
lassen, schliesslich kille das Virus «nur» die Alten und die würden
schliesslich eh alle sterben.
Was
ein bemerkenswert blödes Argument ist, denn wenn es danach ginge könnten wir
auch aufhören in Medizin zu investieren oder uns fit zu halten oder Kriege zu
verhindern, denn schliesslich sterben wir ja eh alle.
Den Libertären
verging diese Kaltschnäuzigkeit auch schnell wieder, als sich ausgerechnet
während der Pandemie herausstellte, dass ohne die freiwillige und
unentgeltliche Arbeit der Alten so gut wie das ganze Gemeinwesen
zusammenbricht. Ganz abgesehen davon, dass viele Managereltern feststellen
mussten, dass tatsächlich niemand freiwillig auf ihre nervtötenden Plagen…äh
Kinder, aufpassen will – ausser Oma und Opa.
Das
ist alles bereits wieder vergessen, denn es steht eine neue AHV - Abstimmung
vor der Tür. Oder eigentlich zwei, denn nicht nur AHV13 kommt vors Volk,
sondern auch die Renteninitiative. Oder wie ich sie nenne: Die Schnöselinitiative,
denn es waren gewiss Schnösel, die sich wohl bei einer Gucci Party während dem
Champagner schlürfen darüber anfingen zu empören, dass die Menschen zwar immer
gesünder seien und entsprechend länger leben, aber dann einfach mit 65 aufhören
zu arbeiten. Und was für eine grässliche Vorstellung, dass wir die letzten
zwanzig, dreissig Jahre unseres Lebens tatsächlich geniessen könnten. Also beschlossen
die Schnösel, dass wir doch jetzt alle bis 67 arbeiten sollen.
Also,
mit alle sind natürlich nur diejenigen gemeint, die nicht von denselben
Schnösel schon mit knapp 45 aus der Firma geschmissen haben, weil sie zu
kostenintensiv seien.
Die
Schnöselinitative ist aber nur ein Nebenkampfplatz, denn momentan konzentrieren
sich alle Kräfte auf die AHV13 Abstimmung, weil es zum ersten Mal seit
Ewigkeiten wirklich sein könnte, dass die Rentner:innen dieses Landes keine
Lust mehr darauf haben, die Märthyrer:innen zu spielen, sondern das fordern,
was ihnen zusteht.
Wie
können sie nur, heulen die Wirtschaftsverbände auf, sie, die doch seit Jahren
daran arbeiten, die AHV ganz abzuschaffen, weil sich damit erschreckend wenig
Geld verdienen lässt und ein nicht minder erschreckender sozialer Gedanke
dahintersteckt. Und weil die Panik ihnen aufs Hirn geschlagen hat – oder sie
aber zu viel an ihren Geldbündeln geschnüffelt haben, verstrickten sie sich zu
Beginn des Abstimmungskampfs in immer absurder werdende Argumentationen.
Am
liebsten war mir die, dass wir den Milliardären in diesem Land nun wirklich
nicht noch mehr zumuten können, denn die müssten ja ohnehin schon so viel von
ihrem hart erarbeiteten Millionen an den Staat abdrücken.
Ja.
Die armen Milliardäre, die natürlich nur uns zuliebe so reich geworden sind. Manchmal
wache ich nachts schluchzend auf, weil ich an diese himmelschreiende
Ungerechtigkeit denken muss.
Sogar
Alt – Bundesrät:innen spannte man in die Kampagne ein. Sie schrieben den Leuten
einen Brief, in denen sie den Leuten mal so richtig ins Gewissen redeten und
sie zu überzeugen versuchten, dass sie diese 13te AHV doch gar nicht brauchen
würden. Alt Bundesrät:innen. Die selbst eine fürstliche Rente kassieren,
unabhängig davon wie schlecht sie ihren Job gemacht haben. Das ist genauso, wie
wenn mir Männer erklären, es brauche keinen Periodenurlaub, denn schliesslich
tue die Mens doch gar nicht so weh.
Inzwischen
verlegt man sich wieder auf die alte Strategie: Die Jungen, die Jungen, denen
man angeblich mit Annahme der Initiative die Zukunft verbaue, weil für sie dann
kein Geld mehr übrigbleibe. Verstehe diese Angst nicht, ich denke eher, für die
Jungen nichts mehr vom Planet übrigbleibt, aber wer bin ich denn schon, das
fröhliche Draufhauen auf die Babyboomer Generation zu kritisieren. Denn die
sind schuld! Die sind einfach zur selben Zeit geboren worden, das hätten sie
jetzt wirklich besser timen können.
Die
Ironie an dem ganzen «Die alte Generation ist unsolidarisch gegenüber der
jungen Generation» Gelabber ist: Wären die vorhergehenden Generation bereits
von dieser seltsamen neuschweizerischen Maxime, dass man grundsätzlich und
ausschliesslich für sich selbst schauen sollen, vergiftet gewesen, hätten wir
gar keine AHV, um die wir uns streiten könnten. Denn die AHV gibt es nur, weil
die heutigen Alten bereit waren, für eine Generation zu zahlen, die noch gar
nichts in die AHV investiert hat.
Nun
ja, im Abstimmungskampf und in der Liebe ist bekanntlich alles erlaubt – und
nichts lässt sich so leicht und gut instrumentalisieren wie alte Menschen –
abgesehen von Kindern und Katzen. Machen Sie sich aber keine Sorgen, meine
lieben Rentner:innen: Ja, Sie werden in diesen Wahlkampf von den Bürgerlichen
als gierige, märchenhaft reiche Luxussenior:innen dargestellt, die, ähnlich wie
Dagobert Duck den Schnabel nicht vollkriegen können, doch glauben Sie mir: Bei
der nächsten Abstimmung, wo es vielleicht um Sozialhilfe oder mehr Geld für
Entwicklungsarbeit geht, werden sie wieder als arme und hilflose Geschöpfe, die
wir alle respektieren und ehren sollen, verkauft, ganz nach dem Motto: Für die
Ausländer:innen haben wir Geld – nicht aber für unsere Alten.
Und
nein, es ist nicht schön, so missbraucht zu werden, doch ich habe auch Worte
des Trostes für euch, denn es könnte noch schlimmer sein: Stellt euch vor, ihr
wärt so alt wie ich….
… und
müsstet Andri Silberschmidt dabei zuhören, wie er sich als Sprachrohr eurer
Generation aufspielt.
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