Freitag, 23. Februar 2024

Das AHV 13 - Paradox

 

Na, wie fühlen Sie sich als AHV – Rentner:innen?

Eher so als Held:innen, die auf ihren schwächer werdenden Schultern und krumm gearbeiteten Rücken den Ballast der Welt tragen und dank deren unermüdlichen Einsatz wir in Wohlstand leben können? Oder doch eher als lästige Überbleibsel der Vergangenheit, welche die Frechheit besitzen nach Ende ihres Erwerbslebens und der damit verbundenen Produktivität, im Dienste der Kaiserin Wirtschaft, sich ein angenehmes Leben zu wünschen und vom Staat etwas zurückfordern?

Ich frag nur. Weil, also ich weiss nicht, wie es euch geht, aber mich dünkt, dass unsere Gesellschaft – oder sagen wir wie es ist, die Bürgerlichen unserer Gesellschaft, sich jetzt nicht ganz entscheiden können, als was sie euch, also die AHV – Rentner:innen sehen, beziehungsweise verkaufen wollen. Wichtige Stütze der Gesellschaft oder doch eher ein leidiger Kostenpunkt.

Erinnern Sie sich beispielsweise noch an diesen SWR – Kinderchor, der im Fernsehen das Lied «Meine Oma ist ne alte Umweltsau» geplärrt…ich meine. geträllert hat. Zugegeben, das Lied war jetzt keine Sternstunde der deutschen Poesie, aber das war Goethe auch nicht und überhaupt ist man ja beim deutschen Fernsehen inzwischen für jede Minute dankbar, wo nicht gerade eine:r von der AFD irgendwas unsagbar Dummes und zugleich widerlich Rassistisches in die Kamera sagt. Doch die Konservativen tobten, sie zogen mit Fackeln zum SWR – Gebäude, um ihre arme verleumdete Oma zu rächen, die selbstverständlich keine Umweltsau, sondern ein leuchtenden moralisches Vorbild sei und Respekt verdiene.

Nun ja, dieselben Menschen, die uns damals Vorträge hielten, dass die Jungen die Achtung vor dem Alter verloren hätten und dass wir uns ohne die vorhergehenden Generationen nicht mal Klebstoff leisten könnten, um uns damit auf die Strasse zu pappen, waren wenige Monate nach Ausbruch der Coronakrise der Meinung, man solle doch einfach alle Massnahmen aufheben und die Jugend wieder Party machen lassen, schliesslich kille das Virus «nur» die Alten und die würden schliesslich eh alle sterben.

Was ein bemerkenswert blödes Argument ist, denn wenn es danach ginge könnten wir auch aufhören in Medizin zu investieren oder uns fit zu halten oder Kriege zu verhindern, denn schliesslich sterben wir ja eh alle.

Den Libertären verging diese Kaltschnäuzigkeit auch schnell wieder, als sich ausgerechnet während der Pandemie herausstellte, dass ohne die freiwillige und unentgeltliche Arbeit der Alten so gut wie das ganze Gemeinwesen zusammenbricht. Ganz abgesehen davon, dass viele Managereltern feststellen mussten, dass tatsächlich niemand freiwillig auf ihre nervtötenden Plagen…äh Kinder, aufpassen will – ausser Oma und Opa.

Das ist alles bereits wieder vergessen, denn es steht eine neue AHV - Abstimmung vor der Tür. Oder eigentlich zwei, denn nicht nur AHV13 kommt vors Volk, sondern auch die Renteninitiative. Oder wie ich sie nenne: Die Schnöselinitiative, denn es waren gewiss Schnösel, die sich wohl bei einer Gucci Party während dem Champagner schlürfen darüber anfingen zu empören, dass die Menschen zwar immer gesünder seien und entsprechend länger leben, aber dann einfach mit 65 aufhören zu arbeiten. Und was für eine grässliche Vorstellung, dass wir die letzten zwanzig, dreissig Jahre unseres Lebens tatsächlich geniessen könnten. Also beschlossen die Schnösel, dass wir doch jetzt alle bis 67 arbeiten sollen.

Also, mit alle sind natürlich nur diejenigen gemeint, die nicht von denselben Schnösel schon mit knapp 45 aus der Firma geschmissen haben, weil sie zu kostenintensiv seien.

Die Schnöselinitative ist aber nur ein Nebenkampfplatz, denn momentan konzentrieren sich alle Kräfte auf die AHV13 Abstimmung, weil es zum ersten Mal seit Ewigkeiten wirklich sein könnte, dass die Rentner:innen dieses Landes keine Lust mehr darauf haben, die Märthyrer:innen zu spielen, sondern das fordern, was ihnen zusteht.

Wie können sie nur, heulen die Wirtschaftsverbände auf, sie, die doch seit Jahren daran arbeiten, die AHV ganz abzuschaffen, weil sich damit erschreckend wenig Geld verdienen lässt und ein nicht minder erschreckender sozialer Gedanke dahintersteckt. Und weil die Panik ihnen aufs Hirn geschlagen hat – oder sie aber zu viel an ihren Geldbündeln geschnüffelt haben, verstrickten sie sich zu Beginn des Abstimmungskampfs in immer absurder werdende Argumentationen.

Am liebsten war mir die, dass wir den Milliardären in diesem Land nun wirklich nicht noch mehr zumuten können, denn die müssten ja ohnehin schon so viel von ihrem hart erarbeiteten Millionen an den Staat abdrücken.

Ja. Die armen Milliardäre, die natürlich nur uns zuliebe so reich geworden sind. Manchmal wache ich nachts schluchzend auf, weil ich an diese himmelschreiende Ungerechtigkeit denken muss.

Sogar Alt – Bundesrät:innen spannte man in die Kampagne ein. Sie schrieben den Leuten einen Brief, in denen sie den Leuten mal so richtig ins Gewissen redeten und sie zu überzeugen versuchten, dass sie diese 13te AHV doch gar nicht brauchen würden. Alt Bundesrät:innen. Die selbst eine fürstliche Rente kassieren, unabhängig davon wie schlecht sie ihren Job gemacht haben. Das ist genauso, wie wenn mir Männer erklären, es brauche keinen Periodenurlaub, denn schliesslich tue die Mens doch gar nicht so weh.

Inzwischen verlegt man sich wieder auf die alte Strategie: Die Jungen, die Jungen, denen man angeblich mit Annahme der Initiative die Zukunft verbaue, weil für sie dann kein Geld mehr übrigbleibe. Verstehe diese Angst nicht, ich denke eher, für die Jungen nichts mehr vom Planet übrigbleibt, aber wer bin ich denn schon, das fröhliche Draufhauen auf die Babyboomer Generation zu kritisieren. Denn die sind schuld! Die sind einfach zur selben Zeit geboren worden, das hätten sie jetzt wirklich besser timen können.

Die Ironie an dem ganzen «Die alte Generation ist unsolidarisch gegenüber der jungen Generation» Gelabber ist: Wären die vorhergehenden Generation bereits von dieser seltsamen neuschweizerischen Maxime, dass man grundsätzlich und ausschliesslich für sich selbst schauen sollen, vergiftet gewesen, hätten wir gar keine AHV, um die wir uns streiten könnten. Denn die AHV gibt es nur, weil die heutigen Alten bereit waren, für eine Generation zu zahlen, die noch gar nichts in die AHV investiert hat.

Nun ja, im Abstimmungskampf und in der Liebe ist bekanntlich alles erlaubt – und nichts lässt sich so leicht und gut instrumentalisieren wie alte Menschen – abgesehen von Kindern und Katzen. Machen Sie sich aber keine Sorgen, meine lieben Rentner:innen: Ja, Sie werden in diesen Wahlkampf von den Bürgerlichen als gierige, märchenhaft reiche Luxussenior:innen dargestellt, die, ähnlich wie Dagobert Duck den Schnabel nicht vollkriegen können, doch glauben Sie mir: Bei der nächsten Abstimmung, wo es vielleicht um Sozialhilfe oder mehr Geld für Entwicklungsarbeit geht, werden sie wieder als arme und hilflose Geschöpfe, die wir alle respektieren und ehren sollen, verkauft, ganz nach dem Motto: Für die Ausländer:innen haben wir Geld – nicht aber für unsere Alten.

Und nein, es ist nicht schön, so missbraucht zu werden, doch ich habe auch Worte des Trostes für euch, denn es könnte noch schlimmer sein: Stellt euch vor, ihr wärt so alt wie ich….

… und müsstet Andri Silberschmidt dabei zuhören, wie er sich als Sprachrohr eurer Generation aufspielt.

 

 

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