Montag, 25. März 2024

Das andere Stadtratsprotokoll - Die Ostern - Edition: Der (Fast) Liveticker zur Stadtratssitzung vom 25.3.2024

 

Das Vorgeplänkel


·        Hallo und herzlich willkommen zum neuen exklusiven anderen Stadtratsprotokoll, geschrieben wie üblich von eurem reizenden Lieblingslama, das noch immer so hobbylos ist, dass es seine Zeit an der Stadtratssitzung verbringt (und im Gegensatz zu anderen, nicht einmal dafür bezahlt wird). Wobei es mir ein Vergnügen ist, weil, Stadtratssitzungen finden wenigstens drinnen in stickigen Sälen statt, da muss ich wenigstens keine Zeit an dieser widerlichen Frühlingssonne verbringen, die ja unverschämterweise immer früher herauskommt und mich brutal aus meinem wunderbar tiefen Winterschlaf reisst.

·        Ich schwöre, dieser Stadtrat sieht inzwischen bei jeder Sitzung anders aus. Sagt mal, können jetzt nicht bis wenigstens bis Ende Legislatur die gleichen drinbleiben, ich kann mir nicht mehr so viele neue Namen merken, ich bin über 30, meine Hirnleistung nimmt kontinuierlich ab. Leila Rachdi ist neu dabei – Hallo Leila, das wird lustig hier. Manchmal.

·        Bin übrigens die einzige, die hier im Publikum sitzt, haha, unterhaltet mich, meine Gladiator:innen, ich erwarte eine grossartige Leistung, viel Blut und ein paar ausgerissene Körperteile. Scherz. Seid lieb zueinander. Aber die Tatsache, das niemand hier sitzt, zeigt, es wird kein Geschäft behandelt, dass sonderlich interessiert. Von den Medien ist nämlich auch nur der Unter – Emmentaler und Radio Neo 1 da, Applaus für die letzten Kämpfer:innen des Lokaljournalismus.

·       Stadtrat ist auch so eine Art Selbsthilfegruppe, ständig wird einander applaudiert, selbst für so simple Dinge, wie das korrekte Anmelden seiner Anwesenheit, wobei das im Falle von Linus Rothacher (SP) tatsächlich nicht so einfach ist, weil er als Frau bezeichnet wird – wobei, vielleicht haben wir in nicht allzu ferner Zukunft auch eine Frau Rothacher im Stadtrat, Linus hat nämlich eine Schwester namens Maria, die ebenfalls sehr engagiert und politisch talentiert ist.


Teil 1: Sehet, die Zukunft ist nah!

·        Wunder geschehen, Langenthal macht Schritte Richtung moderne Zukunft, gerade wird die Grundlage dafür geschaffen, dass Stadtratssitzungen auch digital abgehalten werden können. Wenn ihr schon dabei seid, liebe Stadträt:innen könnt ihr euch auch noch das Einrichten eines dauerhaften Livestreams einrichten? Ich möchte das nur, im Sinne einer modernen Demokratie, wo alle teilnehmen können, auch solche, die aus gesundheitlichen, beruflichen oder familiären Umständen, nicht in der Lage sind, an einer Stadtratssitzung teilzunehmen, nicht etwa, weil ich scharf darauf bin, mir die Sitzungen Chips essend im Bett anzusehen.

·        Corona hat uns  viel beigebracht, unter anderem, dass man vielleicht tatsächlich einfach zuhause bleiben soll, wenn man krank ist und das zwischenmenschlicher Kontakt wichtig ist, aber es hat uns auch gezeigt, dass es im Falle einer Pandemie gar nicht möglich ist, in Langenthal Stadtratssitzungen abzuhalten, weil dafür kein Reglement existiert. Und ohne Reglement geht’s nun einmal nicht!

·        Hybride Sitzungen wird es keine geben – also Sitzungen, in denen eine Hälfe nur digital anwesend ist und die andere physisch. Wäre auch i beunruhigend, stellt euch eine Sitzung vor, in der der Stadtrat sich versammelt und dann schweben die Köpfe vom Gemeinderat als Hologramm im Saal, das wäre schon sehr gruselig (aber irgendwie auch coll).

·        Die GPK stellt die formale Richtigkeit fest und hat Anträge – oder Verbesserungsvorschläge, wie Diego Clavadetscher (FDP) es gleich nennt. Es soll präzisiert werden, wer darüber entscheidet, ob die Voraussetzungen für die Durchführung einer digitalen Sitzung gegeben sind (das Stadtratsbüro, aber unter Einbezug des Stadtrats als Gesamtheit). Macht Sinn, kann unter Umständen schon ein umstrittener Entscheid sein – wäre ich im Stadtratsbüro würde ich ständig eine digitale Stadtratssitzung fordern, damit ich in Pyjamahosen daran teilnehmen kann (bin ich faul – ja, ich bin faul und verfressen, was wollt ihr, ich bin ein Panda im Körper einer Frau.)

·        Niemand will etwas dazu sagen, die Anträge werden einstimmig angenommen, wie harmonisch, ich langweile mich schon, für Harmonie bin ich nicht hergekommen, Leute, habt ihr Frühlingsgefühle, oder was?

 

Teil 2: Nume nid gsprängt!


·        Ach, wenigstens auf Patrick Freudiger (SVP) ist Verlass: Er findet es nicht so cool, dass seine dringende Motion, solide Finanzen, bis 2027 (!) verschoben werden soll (was ja durchaus eine witzige Ironie ist, dringende Motion und dann dauert es drei Jahre…). Die Motion hatte den Sinn, Ausgaben vermehrt zu kontrollieren, um die Defizite besser im Griff zu haben. Hinter der Verzögerung vermutete Freudiger gar eine absichtliche Verzögerung, nach Gesprächen zeigt er sich aber doch versöhnlich und ist zum Schluss gekommen, dass der Gemeinderat doch keine Verschwörung plant, sondern die Motion vielmehr ganz besonders sorgfältig behandeln will. Trotzdem möchte er, dass Roberto di Nino (SVP), der zuständige Gemeinderat, erklärt, warum er diese Verlängerung möchte.

·        Roberto di Nino macht deutlich, dass der Gemeinderat die Motion selbstverständlich umsetzen will und das auch bereits tut, wie er im letzten Budgetprozess gezeigt hat, wo er die Vorgaben der Motion nicht nur eingehalten, sondern sogar übererfüllt (geht das? Kann etwas mehr voll sein als voll? Fragen über Fragen!) habe, wie zum Beispiel beim Personalaufwand.

·        Freudiger freut sich über die freudigen Erläuterungen von Roberto di Nino und äussert freudig seine Zustimmung und der Stadtrat stimmt ebenfalls freudig der Verlängerungsfrist zu, Freude herrscht, freudiger Tag (auch schlechte Wortspiele sind Wortspiele).

·        Ach, und endlich wird meine Not erkannt. «Da bin ich schon wieder – aber wir müssen ja für Stoff sorgen für die Autorin des alternativen Stadtratsprotokolls», erklärt Freudiger schmunzelnd… und dann liefert er mir trotzdem keinen Stoff, gar kein Drama, sondern Lob für die Kommission, die super arbeiten würde, weshalb die nächste traktandierte Verlängerung der Motion zum Submissionsrecht kein Misstrauen erregt. Das macht das harmoniebedürftige Reh in mir sehr glücklich, das nach dramalechzende Lama weint ein bisschen.

Teil 3: Und der Gemeinderat sprach: 

·        Martina Moser erzählt, was bereits den Medien zu entnehmen gewesen ist. Der Verein Tokjo (Trägerverein offener Kinder – und Jugendarbeit) möchte einen Ort für Familien schaffen, wo sie sich zum Austausch treffen können – ein Familienzentrum, ein kinderfreundlicher Treffpunkt, wo verschiedene Dienstleistungen und Anlässe angeboten werden sollen. Als Standort schwebt Tokjo die Alte Mühle vor – was ja ideal ist, weil die Alte Mühle ist seit dem Auszug des Haslibrunnen, wieder leer und die Stadt ist daher sehr ausgeschlossen gegenüber diesen Plänen. Ja, es gebe wirklich Dümmeres, was wir mit dem Gelände anfangen können, aber ich bin ja immer noch für Disneyland.

·        Reto Müller gibt Einblicke in den Bau des Bahnhofs – den brauche ich sehr oft, daher bin ich da sehr up to date und muss jetzt mal sagen, dass das viel besser funktioniert, als ich befürchtet habe, wobei ich natürlich den Vorzug geniess, dass ich momentan unter keinen körperlichen Einschränkungen leide und in Langenthal wohne und nicht in den umliegenden Dörfern, ABER es ist so gut ausgeschildert, dass ich sogar mein Gleis finde und jede:r der schon mal mit mir unterwegs gewesen ist, weiss, dass ich sehr selten weiss, wo ich durchmuss (oder wo ich mich gerade befinde).

  

Teil 4: Das Dessert (und das liegt auf)

 

·        Und eigentlich sind wir an der Stelle schon fertig (nach 48 Minuten – das ist, neuer Rekord) aber Georg Cap (Grüne) gibt noch eine persönliche Erklärung ab: Verschiedene Bürger:innen sind auf ihn zugegangen, weil zwischen Freitag und Samstag in Langenthal Kleber von rechtsextremen Organisationen auftauchen – besonders in der Nähe von Schulhäusern. Motive und Aussagen sind widerlich und fremdenfeindlich. Die gesammelten Kleber füllen eine ganze Tüte (und ist nur ein Bruchteil, es gab noch mehr). Ein solches Gedankengut hat kein Platz in Langenthal, so Cap, «denn gerade unsere florierende Kleinstadt ist ein Beispiel, wie Integration gelingen kann. Zudem erklärt Cap, dass es kaum Zufall sei, das zwischen zwei grossen Anlässen, die von der SVP organisiert worden sind und in Langenthal durchgeführt wurden (Delegiertenversammlung der SVP war hier) solche Kleber aufgetaucht sind. Er wünscht sich, unter anderem wegen solcher Begleiterscheinungen, mehr Umsicht in Sachen Statements, von der Seite der SVP.

 

·        Patrick Freudiger lässt das nicht unkommentiert. Er distanziert sich klar von der Jungen Tat und betont auch, dass ihn das Interview, in dem ein paar junge SVPler erklärt haben, es gebe Schnittstellen zwischen der Jungen Tat und der SVP, angewidert hätte. Aber er stört sich daran, dass das Gefäss der persönlichen Erklärung für allgemeine Äusserungen genutzt worden ist und äussert deutlich seinen Widerwillen, dass die SVP angegriffen worden ist. Ja, schweres Thema, zu ernst, um es humoristisch zu verpacken, trotzdem erlaube ich mir zwei persönliche Bemerkungen: A) Mir scheint, dass im Stadtrat ein genereller Unwille herrscht, über dieses unschöne Thema zu reden – es ist nie geil, sich mit Rechtsextremismus auseinanderzusetzen, weil Stimmungskiller, aber besser zu früh als zu spät und B) Ganz ehrlich: Bei aller Liebe und Toleranz, es lässt sich nicht bestreiten, dass die nationale SVP gerne mit extremen Positionen kokettiert und ja, ich erlebe die lokale SVP im Gegensatz dazu ganz anders, nämlich als konsensfähig, freundlich, höflich und bodenständig, aber mitgehangen, mitgefangen.

·        Und noch was in eigener Sache: Ich glaube, ich wurde zum ersten Mal überhaupt mehr oder weniger direkt aufgefordert eine Information nicht zu droppen und der kleine anarchistische und unbequeme (und unter akuter PMS leidende) Teil in mir schreit gerade: Ich lasse mir nicht befehlen, was ich zu schreiben oder nicht zu schreiben habe, weil, ganz ehrlich, wenn ihr nicht wollt, dass ich was ins Protokoll nehme, erzählt es halt nicht bei der öffentlichen Stadtratssitzung. Aber so bewegend ist die Info auch nicht, ob ihr das jetzt heute oder in einer Woche oder einem Monat lest, ist eigentlich auch egal und ich bin ja ein liebes Lama.

Und damit endet diese Stadtratssitzung - die am Schluss doch noch überraschend lebhaft wurde. Frohe Ostern, ihr Lieben und wenn ihr keinen Hasen findet, dann vielleicht ein Lama (und wenn ich irgendwo rumirre, helft mir bitte dabei, den Nachhauseweg zu finden).
 

 

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