Teil 1: Das
Vorgeplänkel
- Ich
bin wieder da! Und das kann natürlich nur eines bedeuten: Endlich wieder
Stadtrat. Ich hoffe, ihr seid alle erholt und eure Knochen sind alle heil
geblieben, denn bestimmt verbringen einige von euch den Winter damit, sich auf
absurd dünne Bretter zu stellen und damit in ebenso absurd hohem Tempo den Hang
runterzurasen (es gebe übrigens deutlich billigere Methoden sich den Hals zu
brechen, just saying). Ich hingegen habe meine freie Zeit dazu genutzt, mir so
viel Raclette wie möglich einzuverleiben (Raclette isch Liebi, Raclette isch
Läbe), meine Katzen zu verwöhnen (Prioritäten), mir am Neujahr an einem Open –
Air den Hintern abzufrieren (was macht man nicht alles um einmal live mit
Plüsch «Heimweh» zu grölen), mein Pensum auf 100 % zu erhöhen (was bedeutet,
dass ich meine wenigen freien Tage damit verbringe Erwachsenenscheiss zu
machen), Geburtstag zu feiern (schon wieder 23 geworden, wie schön), auf einen
gewissen Kuchen zu warten, den ich immer noch nicht bekommen habe (enttäuschend)
und mir die Haare abzuschneiden (ich bin noch nicht ganz sicher, ob ich jetzt
aussehe wie eine stylische Französin oder doch eher wie ein Kind, dass sich
einen Topf auf dem Kopf gesetzt hat und drum herum abgesäbelt hat, aber sie
wachsen ja schnell).
- Und
heute ist eine besondere Stadtratssitzung – also, natürlich ist jede
Stadtratssitzung besonders, aber die ist ein bisschen besonderer – denn das
nigelnagelneue Parlament tritt zum ersten Mal zusammen. Gut, ein paar
Stadtrrät:innen sind vielleicht nicht mehr so ganz neu, sondern leicht
angebraucht, aber in der Konstellation hatte unser Lieblingsgremium nicht das
Vergnügen. Und ach ist das schön, wie sich alle nach dieser langen Zeit der
Trennung herzlich begrüssen und in die Arme fallen, wie eine grosse Familie –
naja, vielleicht ist es eine latent dysfunktionale Familie, aber wie hat
Tolstoi so schön gesagt: „Alle glücklichen Familien
sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre
Weise. “ (So literarisch kennt ihr mich gar nicht, nicht wahr?)
Teil 2: Das Wort des Weisen
- Als
Erstes werden gleich mal die neuen Stadträt: innen gequält, indem sie wie in
der Schule bei der Nennung ihres Namens aufstehen müssen. Aber hey, immerhin
mussten sie nicht sagen, was ihre Hobbys sind und von was sie letzte Nacht
geträumt haben (es gibt nichts Unangenehmeres als Vorstellungsrunden – wobei
doch: Vertrauensübungen).
- Eröffnet wird die Sitzung vom amtsältesten Mitglied Robert Kummer (FDP), der die Gelegenheit nutzt seine eigenen Gedanken und Werte in Worte zu fassen. Respekt und ehrliche Diskussionen seien ihm wichtig. «Langenthal ist etwas Besonderes – überschaubar und lebenswert.» Auch Toleranz gehört für ihm zu den wichtigsten Grundlagen eines erfolgreichen Zusammenlebens. Gerade im Stadtrat, so Kummer, wo unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen, sei der Ton, in dem diese vorgetragen werden. Wenig überraschend – bis ins Markt ein Liberaler – betont Robert Kummer auch die Ausgabendisziplin. Langenthal habe das Potential zu wachsen, so Kummer, aber es müsse schlau geschehen. Das bezeichnet er als effiziente Haushaltspolitik (also, nicht so, wie ich meinen Haushalt führe)
- Und dann die obligatorische Eigenverantwortung, ein
Wort, dass sich alle Bürgerliche gegenseitig gross in ihre Poesiealben schreiben.
«Persönliches Engagement ist entscheidend für den Erfolg unserer Gemeinschaft
und unserer Stadt.» Dies zu fördern sei die Aufgabe der Kommissionen und des
Stadtrats, erklärt Robert Kummer und streicht die Vorbildfunktion der Gremien
hervor (JAAA, GENAU!!!). Zum Schluss wünscht er sich eine Legislatur, die
geprägt ist, von gegenseitigem Respekt und Toleranz. Das war mal eine überraschend
kurze Rede. So kurz, dass der Stadtrat erst mit Verzögerung applaudierte, weil
er meinte, da käme noch was.
Teil 3: Der Pate
- Und wir bekommen ein neues Stadtratspräsidium: Fabian
Fankhauser von der GLP wird zum Familienpatriarch –äh, ich meine natürlich, zum
Big Boss gekürt, Diego Clavadetscher (FDP) zum kleineren Big Boss, also zum
Vize. Flankiert werden sie zukünftig von ihren Stadtratskolleg:innen Fanny Zürn
(Grüne) und Corinna Grossenbacher (SVP), die das Amt der Stimmenzählerinnen
übernehmen und das Vergnügen haben werden, jeweils zu eruieren, wem welche Hand
gehört und ob am Ende nicht ein paar Hände fehlen, die eigentlich da sein
sollten. Also, im Sinne von, die oben sein sollten, natürlich sollten alle ihre
Hände behalten (was schreibe ich da eigentlich?)
- Traditionellerweise hält der neue Stadtratspräsident
ebenfalls eine Eröffnungsrede und er beginnt gleich mit einem nicht besonders
angenehmen, aber dafür wichtigen Thema. «Es ist als Gremium auch unsere
Aufgabe, faschistische und rechtsradikale Gruppen abzulehnen, dasselbe gilt,
wenn Antisemitismus von linker Seite betrieben wird. Nur wenn wir zusammen als
Rechtsstaat einstehen, können wir Langenthal vorwärtsbringen». Er sei froh, so
Fankhauser, sässen hier keine Neonazis (in Anspielung auf die unrühmliche
Episode, in der wir PNOSler im Stadtrat hatten). Auch wenn er nicht hier geboren
sei, verbringe er fast schon sein ganzes Leben hier und sei verbunden mit der
Stadt, deshalb sei es ihm wichtig, dass man Sorge zu der Stadt trage, führt der
neue Stadtratspräsident weiter aus. Wie Robert Kummer wünscht er sich ein
aktives Gremium («nur Karten hochheben reicht nichtt) und ein Gremium, das nah
bei den Leuten bleibe. Und als Zeichen dafür, dass man nicht für sich selbst im
Stadtrat sitzt, sondern für das allgemeine Wohl, hat er sich dafür entschieden,
den Stadträt:innen nicht wie sonst üblich, ein Geschenk zu überreichen, sondern
das dafür vorgesehene Geld an den Tierschutz Oberaargau zu spenden. Da weht
doch glatt ein Hauch Grün durch den Saal – Wundertüte Grünliberale, man weiss
nie, was man bekommt, sind es jetzt Linke, die sich verlaufen haben, oder
Liberale, die die Rechtskurve verpasst haben – nach dieser Rede würde ich jetzt
fast zu ersterem tendieren.
- Speditiv ist der neue Stadtratspräsident schon mal, in
dem Tempo, in dem er durch die Sitzung rast und die Wahlen der verschiedenen
Kommissionen durchpeitscht, ganz nach dem Motto: «Machen wir vorwärts, dann
können wir essen gehen, ich habe nämlich schon lange Durst.» Und nicht einmal
der Gemeinderat hat etwas zu sagen, sondern hüllt sich in vornehmes exekutives Schweigen.
Wow, Leute! Ist ja schön, seid ihr so auf Zack, aber was mache ich mit meinem
Best of? Hallo? Kann bitte jemand noch was Lustiges sagen oder muss ich alles
alleine machen?
- Offensichtlich Ja. Wir sind fertig. Finito. Ende. Ich bin doch gar noch nicht angekommen und jetzt kann ich schon wieder gehen. Püh. Und noch immer kein Kuchen in Sicht.
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