Es ist doch eher
ungewöhnlich, wenn ein Gemeinderat oder eine Gemeinderätin während der
laufenden Legislatur zurücktritt. Noch ungewöhnlicher ist es, wenn der oder die
Scheidende noch jung an Jahren ist und theoretisch noch eine weitere Legislatur
dranhängen könnte. Wir erinnern uns: Die letzte Gemeinderätin, die noch vor
Ende ihrer Amtszeit zurückgetreten ist, war Christine D’Ingiandi - Bobst (JLL),
die wegen der Amtszeitbeschränkung nicht noch einmal hätte kandidieren können.
Markus Gfeller rückte für sie nach und damit konnte die FDP bei den
nachfolgenden Wahlen mit einem Bisherigen antreten – was immer ein Vorteil ist,
weil, die Wähler sich gerne für jemanden entscheiden, den sie schon kennen à la
„der/die hat die Stadt nicht in die Luft gejagt, der wird schon okay sein“.
Jetzt geht wieder ein FDP –
Gemeinderat vorzeitig – allerdings nicht aus wahltaktischen Überlegungen.
Michael Witschi, Ressortleiter Sozialwesen, Altersfragen und Gesundheit,
schmeisst den Bettel hin, um es salopp auszudrücken. Und begründet das nicht
etwa mit einer zu hohen Belastung in Beruf oder mit dem Wunsch mehr Zeit mit
der Familie zu verbringen, sondern macht deutlich, dass er mit dem Exekutivamt
zu kämpfen hatte. Nicht, weil es ihn überfordert hätte, sondern weil es von ihm
abverlangte, die eigene Meinung zurückzustellen.
Witschi schlägt in einem
Interview mit der BZ sehr kritische Töne an. Er habe das Gefühl,
dass die gut vernetzten und fordernden
Bürger von einer zweiten Umverteilung der Steuergelder überproportional
profitieren würden. Auf Nicht – Politiker Deutsch übersetzt heisst das so viel
wie: Der Gemeinderat lässt sich von einflussreichen Leuten und Vereinen von
aussen steuern, statt seine Entscheide auf der nüchternen Sachebene zu
fällen (zumindest interpretiere ich die Aussage so.)
Michael Witschi zielt
damit vor allem auf ein bestimmtes Geschäft: Den Unterstützungsbeitrag für den
SCL Nachwuchs, der auf Antrag des Gemeinderats, erhöht wurde. Witschi
kann dieser finanziellen Sympathiebekundung nur wenig abgewinnen. Er fürchtet,
dass aus dieser grosszügigen Geste früher oder später Steuererhöhungen
resultieren werden – etwas, was er als Liberaler ungefähr so sehr fürchtet wie
der Vampir das Weihwasser. Um das zu verhindern, engagiert sich Witschi sogar
im Referendumskomitee gegen die Erhöhung des SCL – Nachwuchsbeitrags. Fast könnte
man glauben, der stets so gelassen wirkende Bauunternehmer sei auf seinen ganz
persönlichen Kreuzzug, wobei er auch ganz wie die Ritter aus dem Mittelalter
seinen weltlichen Gütern – sprich, in seinem Fall dem Gemeinderatsamt – entsagt
hat, um sich ganz auf seine Mission zu konzentrieren.
Der überstürzte Rücktritt
hinterlässt einen fahlen Beigeschmack, vor allem weil Michael Witschi in seiner
Stellungnahme einen Grundpfeiler der Exekutive kritisiert. Denn, dass der
Gemeinderat Entscheide gemeinsam trägt und nicht jeder einfach seine eigene
Meinung vertritt, hat durchaus seine Gründe. Im Gegensatz zum Stadtparlament,
wo die Stadträte und Stadträtinnen ihre Meinung sagen dürfen – und dabei auch
eine andere Haltung als ihre Fraktion vertreten dürfen - tritt der Gemeinderat
gegen aussen stets als Gremium auf. Wenn jetzt zum Beispiel der Gemeinderat bei
einer Sitzung beschliesst, einen glitzernden Einhornpark in Langenthal zu bauen
und Gemeinderat Gfeller dagegen ist, darf er in der Stadtratssitzung nicht zum Mikrofon
sprinten und erklären, er sei dann dagegen gewesen, sondern muss die Haltung
des Gemeinderats vertreten. Mitgehangen, mitgefangen, wie man so schön sagt.
Dass das zuweilen schwer
ist, ist unbestritten. Es bedeutet nicht nur, dass man hin und wieder für etwas
kämpfen muss, was man selbst nicht so dolle findet, sondern auch dass eigenen
Ansichten zurückstehen müssen, etwas, was Politikern nicht zwingend liegt, denn
schliesslich ist jeder von ihnen doch irgendwie der Meinung, dass seine Ideen
die besten sind. Nur, hat dieses Kollegialprinzip eben auch grosse Vorteile.
Es verhindert, dass sich die einzelnen
Mitglieder gegenseitig zerfleischen und die Schuld zuschieben, es sorgt dafür,
dass überparteilich Lösungen gesucht werden und es stabilisiert letztendlich
auch die Regierung. Ich meine, stellt euch mal das Chaos vor, wenn plötzlich
all unsere Gemeinderäte – und Gemeinderätinnen machen was sie wollen, ohne
Rücksicht aufeinander zu nehmen – und stellt euch vor wie unendlich lange die
Stadtratssitzungen dauern würden, wenn auch noch jeder Gemeinderat zu jedem
Geschäft seinen Senf dazu gäbe…
Wenn Michael Witschi in
seinem Interview durchschimmern lässt, der Gemeinderat sei nicht frei in seinen
Entscheidungen, vernachlässigt er die Tatsache, dass Gemeinderatssitzungen
nicht öffentlich sind. Wer dort wie abstimmt, bleibt unter den Beteiligten und
dringt – im Normallfall – nicht nach draussen. Das gibt den einzelnen Gemeinderäten
– und Gemeinderätinnen auch die Möglichkeit, unpopuläre Entscheidungen zu
fällen. Denn es kann auch Druck bedeuten, die Stimmkarte unter den Augen der
Öffentlichkeit heben zu müssen, so wie es im Stadtrat der Fall ist.
Was die Sache mit der
Beeinflussung angeht: Ja, ich bin auch der Meinung – und habe das auch schon
geschrieben – dass der SCL es versteht, seine Strippen zu ziehen. Auch das
gehört jedoch zur Politik. Hier prallen verschiedene Interessengruppen aufeinander
und jede versucht, sich durchzusetzen. n. Beim SCL sind sicherlich immer
Emotionen im Spiel und die werden zweifellos ihre Spuren in der Entscheidungsfindung
hinterlassen haben. Auch die gehören dazu. Oder wollen wir Roboter, die alles
nur kühl und sachlich beschliessen? Dann wird es ziemlich schnell, ziemlich
ungemütlich auf der Welt (wobei ich persönlich mir ja wünschte, dass sich diese Gefühlswallungen nicht nur beim sportlichen Bereich zeigen würde).
Kommen wir zum letzten
Punkt, der von Michael Witschi aufgeworfen wurde. Er empfindet die Politik des
bürgerlichen Gemeinderates als zu wenig bürgerlich. Hier stellt sich meiner
Meinung nach die Frage, ob es schlau von den Bürgerlichen wäre, ihre Mehrheit
knallhart auszunutzen. Das könnte dazu führen, dass der Gemeinderat zum Feindbild
der Linken mutiert, wie wir es zurzeit auf kantonaler Ebene beobachten können. Zudem
ist es ja nicht so, dass es eine wahnsinnig grosse Mehrheit wäre. Das
Verhältnis ist 3:4, also relativ ausgeglichen. Abgesehen davon ist es meiner
Meinung nach ein Zeichen von gesunden politischen Verhältnissen, wenn die Exekutivmitglieder
hin und wieder in der Lage sind, ihre Parteibüchlein zur Seite zu legen und zum
Wohle der Stadt zu entscheiden statt zum Wohle des eigenen Klientel oder der
eigenen Basis.
Das Beispiel von Michael
Witschi zeigt eines. Auch wenn jemand grosses politisches Talent hat, bedeutet
das nicht zwingend, dass er sich in der Exekutive zurechtfindet. Wer kein Teamplayer
ist und Mühe hat, sich einer anderen Meinung unterzuordnen, sollte das mit dem
Gemeinderat lieber sein lassen. Es bleibt zu hoffen, dass Witschis Nachfolger
weniger mit dem Kollegialitätsprinzip hat. Nachrücken wird jetzt Michael Schär,
FDP – Stadtrat, der damit das Kunststück fertig bringt, nach nur drei Jahren im
Stadtrat in den Gemeinderat aufzusteigen. Wenn er in dem Tempo weitermacht,
haben wir bis in fünf Jahren wieder einen Bundesrat aus Langenthal.
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