Montag, 21. Oktober 2024

Das Wahldramalama, Teil 3: Die Stadtratsvorhersage

 


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"In den Karten, den Karten
In den Karten steht
Was ist, was war, das, was kommt und vergeht!"

Aus „Freunde im Schattenreich“ – Küss den Frosch

 

Die Karten, die Karten sagen mir…nichts.

Nein, wirklich, ich finde es wirklich schwierig bei den Stadtratswahlen irgendeine Prognose zu treffen und deshalb habe ich mich ehrlich gesagt auch sehr lange vor dem Verfassen dieses Textes gedrückt. Offenbar ist mein Draht zu den Sternen und zu den Karten irgendwie kaputt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich momentan den Puls der Bevölkerung so gar nicht spüren kann – der Wahlkampf ist im vollen Gange, die Parteien haben sich in Stellung gebracht, aber das Volk ist auffallend ruhig und scheint es momentan fast eher zu meiden, sich zu äussern (ich bin gespannt auf die Wahlbeteiligung).

Aber ein Stadtrat war so nett und hat mir ein paar Statistiken geschickt (was ich jetzt mal als sanfte Aufforderung interpretiere, doch das Wahldramalama fortzuführen) und die haben mir auch meine eigenen Analyse etwas leichter gemacht, so dass ich euch mit stolz meine Vorhersage präsentiere, wer im Spiel der Throne gewinnen und wer verlieren wird.


Wer dazu gewinnen könnte:

Zu Beginn meiner Prognose (huch, wie wichtig das klingt, kann man eigentlich das Fach ‘Stadtrat’ studieren?) möchte ich vier Jahre zurückspulen. Damals schwappte die grüne Welle auch über Langenthal: GLP und Grüne legten zu, zulasten von SP, FDP und EVP (letztere verloren gleich zwei Sitze, erstere einen), während die SVP ihre Sitze halten konnten. Damit wiederholte sich in Langenthal das, was ein Jahr zuvor schweizweit bei den Nationalratswahlen passiert ist – nur mit der Ausnahme, dass die SVP stabil geblieben ist, während sie national, Federn hat lassen müssen.

Nehmen wir auch dieses Mal die Nationalratswahlen als Vorlage, würden Grün und Grünliberale Sitze einbüssen, genau wie die FDP, während SVP und SP zulegen würden.

Ich glaube wirklich, dass die beiden Polparteien SVP und SP zulegen werden. Die SVP ist in Langenthal so stark, dass nicht einmal die grüne Welle ihnen ernsthaft schaden konnte, von daher ist es unwahrscheinlich, dass sie jetzt, wo die SVP schweizweit wieder Triumphe einfährt, schwächeln wird. Sie profitiert zudem von prominenten Gemeinderatskandidierenden, die möglicherweise zusätzlich mobilisieren werden.

Dass die SVP wieder erstarkt ist, dürfte ironischerweise der SP helfen, denn die Dominanz der rechtskonservativen Partei und die aggressive Politik, die diese auf Bundesebene (ich klammere hier die Lokalebene bewusst aus, es muss also niemand Schnappatmung bekommen) betreibt, führt auch immer dazu, dass linke Parteien ihre Basis besser mobilisieren können. Zudem spielt die Themenkonjunktur der SP in die Karten: Die steigenden Lebenskosten und die damit verbundenen Sorgen haben die Bevölkerung wieder mehr für die sozialen Fragen sensibilisiert.

2016 konnte die SP im Stadtrat zulegen – und das sicher auch dank des damaligen Stapi – Wahlkampfs, den Reto Müller für sich entscheiden konnte. Jetzt wird sich wieder ums Stadtpräsidium duelliert – allerdings ist Reto Müllers Gegner eher ein Aussenseiter, der von keiner Partei unterstützt wird und sich auch nicht sonderlich um einen aktiven Wahlkampf bemüht hat. Entsprechend schwer ist es abzuschätzen, wie sehr dieser Wahlkampf Auswirkungen auf die Wahlen hat.

Der Vollständigkeit halber: Auch die Liste 49 dürfte zulegen. Auf ihr kandidiert Pascal Dietrich, der zwar in der FDP-Fraktion politisiert, aber inzwischen parteilos ist und deshalb mit einer eigenen Liste antritt. Ob Liste 49 oder FDP – dem populären und bestens vernetzten Stadtrat dürfte die Wiederwahl gelingen. Damit käme die Liste 49 auf 1 Sitz.

Wer mit Sitzverlusten rechnen muss

Mit dem Austritt von Pascal Dietrich hat die FDP genau genommen schon während der Legislatur einen Sitz verloren – das dürfte in Anbetracht dessen, dass Dietrich stramm liberal politisiert nicht so sehr geschmerzt haben, dennoch werden seine Stimme der Liste jetzt fehlen. Und die FDP kann Stimmen brauchen. National und kantonal hat sie schon länger zu kämpfen: Die FDP tut sich schwer mit ihrer Positionierung, versucht sich zwischendurch als Juniorpartnerin der SVP und verliert trotzdem immer wieder kontinuierlich.

Der FDP Langenthal ist es bemerkenswerterweise bis jetzt immer gelungen diesen Sturz einigermassen abzufedern– wohl auch, weil sie es immer wieder geschafft hat, starke Kandidierende mit grosser Strahlkraft aus dem Hut zu zaubern.  Allerdings haben sie schon vor vier Jahren einen Satz einbüssen müssen und die Vorzeichen sind auch in diesem Wahljahr nicht optimal: Sie hatten einige Wechsel in Fraktion und auch das eine oder andere Zugpferd trat zurück, während die neuen Stadtratsmitglieder gar nicht die Zeit hatten, sich die Sporen abzuverdienen. Es ist also gut möglich, dass die FDP einen Sitz verliert – möglicherweise an ihren bürgerlichen Bündnispartner, die SVP.

Wer ebenfalls Sitze an Verbündete verlieren, könnte sind die Grünen. Sie stehen ebenfalls unter Druck. Die grüne Welle ist deutlich abgeflacht, ökologische Themen haben es aktuell schwer und es macht die Sache nicht einfacher, dass die Grünen am Stammtisch der Wutbürger zum Feindbild Nr. 1 hochstilisiert werden. Die Langenthaler Grünen haben aber noch ein anderes Problem: Sie hatten bis zuletzt viele Wechsel in der Fraktion und mussten viele «prominente» Abgänge verkraften. Ich tippe daher darauf, dass die möglichen Sitzgewinne der SP auf Kosten der Grünen gehen.  

Wer schwer einzuschätzen ist

Schwierig zu beurteilen ist die GLP. Auch sie profitierte von der Grünen Welle – aber bedeutet das, dass das Pendel jetzt zurückschlägt? Könnte gut sein, denn die GLP hat mit den Abgängen von Renate Niklaus und Dyami Häfliger ebenfalls ihre Aushängeschilder verloren. Zugleich ist es der GLP aber gelungen sich fest in Langenthal zu etablieren – sie ist deutlich präsenter als auch schon und hat sich mit der EVP zusammen den Ruf der ausgleichenden Mitte erarbeitet (wobei die Meinungen, wo diese Mitte denn liegt meist weit auseinander liegen).

Verliert die GLP-Sitze, könnte die EVP davon profitieren. Sie hat vor vier Jahren verloren, Ob sie aber stark genug sind, diese wieder zurückzuholen. Vielleicht profitieren sie davon, dass auch in der Lokalpolitik Langenthals, sich der Ton deutlich verschärft hat und die Menschen sich zwischen all der Polarisierung einen ruhigeren Ausgleich wünschen.

Gleich stark bleiben wohl die Jungliberalen. Zwar können sie nicht mehr auf die Strahlkraft von Carole Howald setzen, ihre Popularität ist aber gerade in den bürgerlichen Kreisen ungebrochen. Den Sitz werden sie halten können – ob sie sich den gewünschten zweiten Sitz holen, wage ich zu bezweifeln, aber: Die Karten sind ja zuweilen auch nicht ganz zuverlässig.

Weitere Gedankenspielereien

Sowohl links als auch rechts wünschen sich, dass «die Blockade gelöst» wird und weil in der Politikwelt immer die anderen blockieren, während man selbst offen für andere Lösungen ist, meinen sie damit natürlich, dass sie die Mehrheit gewinnen wollen. Sollten die Sitze aber tatsächlich wie in meiner These dargestellt einfach nur innerhalb der Lager hin und her rutschen, dürfte sich an der aktuellen Situation nicht krass viel ändern. Grün und rot politisieren eng miteinander, genau wie SVP und FDP. Mehr verändern würde sich natürlich, wenn zum Beispiel die SP gleichbleibt, die SVP aber auf Kosten der Grünen dazugewinnt – das wäre theoretisch ebenso denkbar und wenn die FDP ihre bisherige Stärke behält, gäbe es den Rechtsrutsch.

Einen Linksrutsch gäbe es, wenn die Grünen ihre Sitze halten könnten und die SP der FDP oder der GLP einen Sitz stibitzen würde. Halte ich ehrlich gesagt nicht für sehr realistisch, aber die Sterne – und die Wählenden – sind zuweilen launisch und die Karten lassen sich nicht immer lesen. Da bleibt wohl nichts anderes als abwarten und Tee trinken – wobei: Aus Teeblättern könnte man auch die Zukunft lesen.

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