"
In den Karten steht
Was ist, was war, das, was kommt und vergeht!"
Aus „Freunde im Schattenreich“ – Küss den
Frosch
Die Karten, die Karten sagen mir…nichts.
Nein, wirklich, ich finde es
wirklich schwierig bei den Stadtratswahlen irgendeine Prognose zu treffen und
deshalb habe ich mich ehrlich gesagt auch sehr lange vor dem Verfassen dieses
Textes gedrückt. Offenbar ist mein Draht zu den Sternen und zu den Karten
irgendwie kaputt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich momentan den
Puls der Bevölkerung so gar nicht spüren kann – der Wahlkampf ist im vollen
Gange, die Parteien haben sich in Stellung gebracht, aber das Volk ist
auffallend ruhig und scheint es momentan fast eher zu meiden, sich zu äussern
(ich bin gespannt auf die Wahlbeteiligung).
Aber ein Stadtrat war so nett und
hat mir ein paar Statistiken geschickt (was ich jetzt mal als sanfte
Aufforderung interpretiere, doch das Wahldramalama fortzuführen) und die haben
mir auch meine eigenen Analyse etwas leichter gemacht, so dass ich euch mit
stolz meine Vorhersage präsentiere, wer im Spiel der Throne gewinnen und wer
verlieren wird.
Wer dazu gewinnen könnte:
Zu Beginn meiner Prognose (huch,
wie wichtig das klingt, kann man eigentlich das Fach ‘Stadtrat’ studieren?)
möchte ich vier Jahre zurückspulen. Damals schwappte die grüne Welle auch über
Langenthal: GLP und Grüne legten zu, zulasten von SP, FDP und EVP (letztere
verloren gleich zwei Sitze, erstere einen), während die SVP ihre Sitze halten
konnten. Damit wiederholte sich in Langenthal das, was ein Jahr zuvor
schweizweit bei den Nationalratswahlen passiert ist – nur mit der Ausnahme,
dass die SVP stabil geblieben ist, während sie national, Federn hat lassen
müssen.
Nehmen wir auch dieses Mal die
Nationalratswahlen als Vorlage, würden Grün und Grünliberale Sitze einbüssen,
genau wie die FDP, während SVP und SP zulegen würden.
Ich glaube wirklich, dass die
beiden Polparteien SVP und SP zulegen werden. Die SVP ist in Langenthal so
stark, dass nicht einmal die grüne Welle ihnen ernsthaft schaden konnte, von
daher ist es unwahrscheinlich, dass sie jetzt, wo die SVP schweizweit wieder
Triumphe einfährt, schwächeln wird. Sie profitiert zudem von prominenten
Gemeinderatskandidierenden, die möglicherweise zusätzlich mobilisieren werden.
Dass die SVP wieder erstarkt ist,
dürfte ironischerweise der SP helfen, denn die Dominanz der rechtskonservativen
Partei und die aggressive Politik, die diese auf Bundesebene (ich klammere hier
die Lokalebene bewusst aus, es muss also niemand Schnappatmung bekommen)
betreibt, führt auch immer dazu, dass linke Parteien ihre Basis besser
mobilisieren können. Zudem spielt die Themenkonjunktur der SP in die Karten:
Die steigenden Lebenskosten und die damit verbundenen Sorgen haben die
Bevölkerung wieder mehr für die sozialen Fragen sensibilisiert.
2016 konnte die SP im Stadtrat
zulegen – und das sicher auch dank des damaligen Stapi – Wahlkampfs, den Reto
Müller für sich entscheiden konnte. Jetzt wird sich wieder ums Stadtpräsidium
duelliert – allerdings ist Reto Müllers Gegner eher ein Aussenseiter, der von
keiner Partei unterstützt wird und sich auch nicht sonderlich um einen aktiven
Wahlkampf bemüht hat. Entsprechend schwer ist es abzuschätzen, wie sehr dieser
Wahlkampf Auswirkungen auf die Wahlen hat.
Der Vollständigkeit halber: Auch
die Liste 49 dürfte zulegen. Auf ihr kandidiert Pascal Dietrich, der zwar in
der FDP-Fraktion politisiert, aber inzwischen parteilos ist und deshalb mit
einer eigenen Liste antritt. Ob Liste 49 oder FDP – dem populären und bestens
vernetzten Stadtrat dürfte die Wiederwahl gelingen. Damit käme die Liste 49 auf
1 Sitz.
Wer mit Sitzverlusten
rechnen muss
Mit dem Austritt von Pascal
Dietrich hat die FDP genau genommen schon während der Legislatur einen Sitz
verloren – das dürfte in Anbetracht dessen, dass Dietrich stramm liberal
politisiert nicht so sehr geschmerzt haben, dennoch werden seine Stimme der
Liste jetzt fehlen. Und die FDP kann Stimmen brauchen. National und kantonal
hat sie schon länger zu kämpfen: Die FDP tut sich schwer mit ihrer
Positionierung, versucht sich zwischendurch als Juniorpartnerin der SVP und
verliert trotzdem immer wieder kontinuierlich.
Der FDP Langenthal ist es
bemerkenswerterweise bis jetzt immer gelungen diesen Sturz einigermassen
abzufedern– wohl auch, weil sie es immer wieder geschafft hat, starke
Kandidierende mit grosser Strahlkraft aus dem Hut zu zaubern. Allerdings haben sie schon vor vier Jahren
einen Satz einbüssen müssen und die Vorzeichen sind auch in diesem Wahljahr
nicht optimal: Sie hatten einige Wechsel in Fraktion und auch das eine oder
andere Zugpferd trat zurück, während die neuen Stadtratsmitglieder gar nicht
die Zeit hatten, sich die Sporen abzuverdienen. Es ist also gut möglich, dass
die FDP einen Sitz verliert – möglicherweise an ihren bürgerlichen
Bündnispartner, die SVP.
Wer ebenfalls Sitze an Verbündete
verlieren, könnte sind die Grünen. Sie stehen ebenfalls unter Druck. Die grüne
Welle ist deutlich abgeflacht, ökologische Themen haben es aktuell schwer und
es macht die Sache nicht einfacher, dass die Grünen am Stammtisch der Wutbürger
zum Feindbild Nr. 1 hochstilisiert werden. Die Langenthaler Grünen haben aber
noch ein anderes Problem: Sie hatten bis zuletzt viele Wechsel in der Fraktion
und mussten viele «prominente» Abgänge verkraften. Ich tippe daher darauf, dass
die möglichen Sitzgewinne der SP auf Kosten der Grünen gehen.
Wer schwer
einzuschätzen ist
Schwierig zu beurteilen ist die
GLP. Auch sie profitierte von der Grünen Welle – aber bedeutet das, dass das
Pendel jetzt zurückschlägt? Könnte gut sein, denn die GLP hat mit den Abgängen
von Renate Niklaus und Dyami Häfliger ebenfalls ihre Aushängeschilder verloren.
Zugleich ist es der GLP aber gelungen sich fest in Langenthal zu etablieren –
sie ist deutlich präsenter als auch schon und hat sich mit der EVP zusammen den
Ruf der ausgleichenden Mitte erarbeitet (wobei die Meinungen, wo diese Mitte
denn liegt meist weit auseinander liegen).
Verliert die GLP-Sitze, könnte
die EVP davon profitieren. Sie hat vor vier Jahren verloren, Ob sie aber stark
genug sind, diese wieder zurückzuholen. Vielleicht profitieren sie davon, dass auch
in der Lokalpolitik Langenthals, sich der Ton deutlich verschärft hat und die
Menschen sich zwischen all der Polarisierung einen ruhigeren Ausgleich wünschen.
Gleich stark bleiben wohl die
Jungliberalen. Zwar können sie nicht mehr auf die Strahlkraft von Carole Howald
setzen, ihre Popularität ist aber gerade in den bürgerlichen Kreisen
ungebrochen. Den Sitz werden sie halten können – ob sie sich den gewünschten
zweiten Sitz holen, wage ich zu bezweifeln, aber: Die Karten sind ja zuweilen
auch nicht ganz zuverlässig.
Weitere
Gedankenspielereien
Sowohl links als auch rechts wünschen
sich, dass «die Blockade gelöst» wird und weil in der Politikwelt immer die
anderen blockieren, während man selbst offen für andere Lösungen ist, meinen
sie damit natürlich, dass sie die Mehrheit gewinnen wollen. Sollten die Sitze
aber tatsächlich wie in meiner These dargestellt einfach nur innerhalb der Lager
hin und her rutschen, dürfte sich an der aktuellen Situation nicht krass viel
ändern. Grün und rot politisieren eng miteinander, genau wie SVP und FDP. Mehr
verändern würde sich natürlich, wenn zum Beispiel die SP gleichbleibt, die SVP
aber auf Kosten der Grünen dazugewinnt – das wäre theoretisch ebenso denkbar
und wenn die FDP ihre bisherige Stärke behält, gäbe es den Rechtsrutsch.
Einen Linksrutsch gäbe es, wenn
die Grünen ihre Sitze halten könnten und die SP der FDP oder der GLP einen Sitz
stibitzen würde. Halte ich ehrlich gesagt nicht für sehr realistisch, aber die
Sterne – und die Wählenden – sind zuweilen launisch und die Karten lassen sich
nicht immer lesen. Da bleibt wohl nichts anderes als abwarten und Tee trinken –
wobei: Aus Teeblättern könnte man auch die Zukunft lesen.
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