Freitag, 20. November 2020

Telefonieren mit Lama: Corinna Grossenbacher

 

 

Corinna Grossenbacher ist Projektleiterin Informatik, Präsidentin der SVP Langenthal und sitzt für die Partei auch im Stadtrat. Im Interview beschreibt sie die Anliegen der SVP Langenthal und erzählt, wieso sie selbst mit Mundschutz überall erkannt wird.

Bist du eher ein extrovertierter oder ein introvertierter Mensch?

Das ist eine richtig gute Frage. Privat bin ich eher introvertiert, beruflich eher extrovertiert. Ich bin also sozusagen ein Zwitter. Bei meiner Arbeit habe ich viel mit Leuten zu tun und muss Prozesse ausdiskutieren. Da muss man sich manchmal auch ein wenig durchsetzen können und selbstbewusst auftreten. In privater Umgebung bin ich zurückhaltender.

Fährst du lieber ans Meer oder in die Berge?

Sowohl als auch. Da ich als Kind mal fast ertrunken bin, bin ich jetzt nicht so die Wasserratte, trotzdem mag ich das Meer und den Strand. Da ich gerne wandere und die Natur geniesse, verschlägt es mich aber auch öfters in die Berge. Ich will mich jetzt nicht für eines entscheiden.

Wie kam dein Interesse an Politik?

Ich war schon als Kind an Politik interessiert, habe es aber dann schleifen lassen. Aufgewachsen bin ich in Deutschland  und dort kannst du nicht wirklich was ändern oder Einfluss auf die Politik nehmen. In der Schweiz ist das dank der direkten Demokratie anders und da ich sehr gerne auch kontrovers diskutiere, lag es nahe, sich zu engagieren. 2011 bin ich dann in die SVP eingetreten. Ich war schon in einem Dilemma, denn mein Mann ist in der FDP – das führte dazu, dass ich bei meinem Einbürgerungsverfahren Referenzen von der  FDP und der SVP angeben konnte.

Wieso hast du dich für die SVP entschieden?

Weil die SVP eine ganz klare Position in der EU – Frage vertritt. Ich komme ja quasi aus der EU, ich kenne also Freud und Leid davon. So lange die EU noch als reine Wirtschaftsunion angelegt war, war ich damit einverstanden. Aber als man immer mehr dazu überging, alle Länder mit ihren verschiedenen Bedürfnissen und Glaubensrichtungen in ein Rechtssystem zu betten, wurde ich skeptisch. Das ist unmöglich, man kann diese vielfältigen und individuellen Staaten nicht einfach unter einen Hut stopfen.

Politisieren Frauen anders als Männer?

Da habe ich mir gar nie Gedanken darüber gemacht. Hm…. ich glaube Frauen sind ein Stückchen emotionaler und somit vermute ich auch, dass Frauen emotionaler diskutieren. Was nicht gleichzusetzen ist mit unsachlich. Aber wenn eine Frau von einer Sache überzeugt oder nicht überzeugt ist, vertritt sie ihren Standpunkt gefühlsbetonter. Sonst fallen mir eigentlich keine Unterschiede ein. Die Gründlichkeit und Aufbereitung ist bei beiden Geschlechtern gleich.

Du bist die einzige Frau in der SVP – Fraktion, ausser der Gemeinderätin -vermisst du manchmal weibliche Unterstützung?

Eigentlich spielt das für mich keine Rolle. Ich bin auch überhaupt keine Emanze und keine Feministin. Ich habe in meinem persönlichen Leben immer festgestellt, dass wenn jemand sich engagiert und sich Mühe gibt und eine gute Leistung erbringt, er auch dafür belohnt wird. Ich arbeite in einer Firma in der Diversität sehr gross geschrieben wird. Man kommt weiter, wenn man das nötige Rüstzeug mitbringt. Natürlich hat das auch mit meiner Branche zu tun und das kann man nicht gleichsetzen mit der Baubranche. In der Fraktion haben wir es auf jeden Fall sehr gut, für die Männer spielt es keine Rolle, dass ich eine Frau bin. Natürlich wäre es schön, eine oder zwei Frauen mehr in der Fraktion zu haben, aber das hängt schlussendlich auch von der Wählerschaft ab.

Wie muss man sich die Aufgaben einer Parteipräsidentin vorstellen?

Anspruchsvoll und mit viel Arbeit verbunden. Mir fehlen die Vergleiche, wie es bei den anderen Parteien aussieht, aber für mich gibt es jede Woche einiges zu tun.  Man muss alles organisieren, aktiv sein, einen guten Vorstand zusammenhalten, sich um die Mitglieder kümmern und für den Gemeinschaftssinn Vereinsveranstaltungen auf die Beine stellen. Für den Wahlkampf muss man jede Menge Papierkram ausfüllen. Die grösste Arbeit ist es aber, die Liste mit fähigen Leuten zu füllen. Wir haben Monate damit verbracht,  Gespräche zu führen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Das ist irre, was der gesamte Vorstand da alles leisten muss. Aber wir eine schöne Liste mit vielen Frauen zusammengebracht.

Die SVP fordert mehr Langenthal. Was bedeutet das konkret?

Es gibt so viele Dinge, die ein mehr Langenthal bedeuten. Die ganzen Projekte, die gestartet sind. Die darf man nicht nur anreissen, die müssen auch durchgezogen werden. Wir haben da momentan sehr viel am Laufen. Manches ist sinnvoll, anderes vielleicht weniger. Wir müssen auch immer schauen, ob die Bürger*innen sich das leisten können. Dann das das Thema Energie: Was kann und soll Langenthal  im Bereich Energie machen? Was ist nachhaltig und was ist nicht nachhaltig? Alles redet zum Beispiel von Elektroautos, aber niemand kann heute sagen wie man die Entsorgung der Batterien lösen will. Die Verwaltung ist auch ein wichtiger Punkt für die SVP. Da stellen wir uns die Frage, ob die Verwaltung für die Bürger*innen da ist oder die Bürger*innen für die Verwaltung? Welche Aufgaben gehören in die Verwaltung und welche kann man an Dritte auslagern?

Am Ende muss es einfach so kommen, dass dieses wunderbar kleine Städtchen lebenswert und liebenswert bleibt und viele Leute dazu bewegt, zu uns zu kommen. Dafür braucht es ein gutes Umfeld, so dass sich möglichst viele Firmen ansiedeln – grosse und kleine. Wir müssen mehr Attraktivität bieten beziehungsweise attraktiv bleiben. Und was für mich auch zu mehr Langenthal gehören würde: Mehr Sauberkeit an verschiedenen Orten und  zwar ohne, dass immer eine Truppe von der Stadt losmuss, um die Innenstadt zu entrümpeln.

Was zeichnet das jetzige Parlament aus?

Das kann ich jetzt schlecht beurteilen. Was ich sagen kann: Man diskutiert zumindest.

Was sind die Schwächen des jetzigen Parlaments?

Das ist nicht so leicht zu beantworten, weil eine Medaille hat ja immer zwei Seiten. Ich störe mich manchmal an so kleinkrämerischen Sachen, wie Rechtschreibekorrekturen. Aus meiner Sicht ist das nicht Aufgabe eines Parlaments. Einerseits kritisiere ich die Paragrafenreiterei im Stadtrat, allerdings sehe ich schon ein, dass es Paragrafen braucht. Was ich wirklich schade finde: Wir haben ja ein linkes Lager und ein bürgerliches Lager. Und noch eine kleine Mitte. Da muss man manchmal einfach über seinen Schatten springen, auch wenn eine Idee von der Gegenseite kommt. Nur weil es ein linkes Anliegen ist, ist es nicht automatisch schlecht. Genauso wenig wie ein bürgerliches Anliegen per se schlecht ist.  Da haben wir klar Verbesserungspotential. Am Ende von Tag stehen wir ja alle für Langenthal ein. Sonst würden wir die Arbeit ja nicht machen. Reich werden wir dabei ja nicht. Aber natürlich hat jeder seine Anliegen und Interessen, die er vertritt. 

Dein Lieblingstier?

Da muss ich aufpassen niemanden zu benachteiligen, weil wir haben viele Tiere. Wir habe  eine Schildkröte, Kaninchen, einen  Hund und zwischendurch kümmere ich mich immer mal wieder um kranke Igel oder Vögel. Aber ja, ich denke mein Lieblingstier ist schon  unser Hund. Ein Hund ist ein schöner Begleiter, den du auch in die Berge mitnehmen kannst oder an die Ostsee. Früher bin ich noch geritten, da stand das Pferd hoch im Kurs.

Ohne welchen Gegenstand gehst du nicht ausser Haus?

Ohne meinen Geldbeutel. Den habe ich immer dabei.

Welches Buch liest du aktuell?

Einen Krimi von John le Carré. Grundsätzlich liebe ich Krimis und Fantasy. Das sind so meine  Favoritengenres, die ich am liebsten lese – neben den Akten natürlich. 

Die SVP Schweiz schwächelt – woran liegt es?

Ganz genau begründen kann ich das nicht. Ich glaube, diese Verschiebungen hat es immer schon gegeben. Mal war die SVP stärker, mal war die SVP schwächer. Wenn eine Partei sehr stark wird, gibt sie meistens irgendwann wieder ab. Das hat mit der Ausgeglichenheit in der Schweiz zu. Den Ausschlag gegeben hat wohl auch die grüne Welle. Ich denke schon, dass die verlorenen Anteile vor allem zu Grün gegangen sind.

Wo ist der schönste Platz in Langenthal?

Der schönste Platz ist definitiv unser Haus. Wir haben einen tollen Innenhof mit Weinreben und Durchgang.  Ich glaube, es ist der einzige Innenhof in Langenthal, der in dieser Art so existiert. Aber es hat auch sonst viele schöne Plätze in Langenthal, zum Beispiel die Wässermatten oder der Kasthoferplatz. Was jetzt  nicht so zu meinen Lieblingsplätzen gehört, ist der Wuhrplatz. Da gäbe es noch Gestaltungspotential.

Worauf kannst du schwer verzichten?

Auf meinen Kaffee am Morgen. Ganz klar. Ohne Kaffee kann ich nicht aus dem Haus und wenn ich das muss, fängt der Tag schon mal nicht gut an.

Abgesehen von der Schweiz – welches Land gefällt dir besonders gut?

Ich liebe Skandinavien egal ob jetzt Lappland, Finnland oder Schweden. Dänemark hat ebenfalls wunderschöne Flecken. Und die Nordsee liebe ich sehr. Also alles, was eher nordisch ist. Deutschland hat natürlich auch einiges zu bieten. 

Dein Markenzeichen?

Die Frisur. Den sogenannten Busch auf dem Kopf.  Dazu gibt es auch eine lustige Geschichte. Letzthin war ich im  Migros und alle waren mit Mundschutz vermummt. Beim Gemüse stand ein Mann, der ein paar Fragen zu den Produkten hatte und weil die Verkäuferinnen ihm nicht recht helfen konnten, beriet ich ihn. Er war sehr dankbar und hat mich schliesslich gefragt,  ob ich Frau Grossenbacher sei. Als ich mich gewundert habe, dass er mich trotz Mundschutz identifiziert hat, meinte er, er habe mich an der Frisur erkannt. Dabei habe ich nichts dafür, meine Haare sind einfach so kraus, dass ich sie nicht anders tragen kann.

Gibt es einen Politiker, eine Politikerin* den/die du bewunderst?

Ich bin ein bisschen Fan von Roger Köppel. Er prüft die Fakten genau und argumentiert sehr fundiert. Da spielt natürlich sein Beruf als Journalist mit. Deshalb wird er im Ausland ja auch geschätzt. Und er ist sehr geradeaus. Das widerspiegelt meine Linie. Wenn man Politik macht, muss man sich genau informieren. Wen ich auch bewundert habe, aber wer leider schon verstorben ist, ist Nelson Mandela. Hut ab vor der Leistung dieses Mannes.

Bist du nervös am Rednerpult im Stadtrat?

Mittlerweile geht es. Am Anfang war ich schon sehr nervös. Ich bin es zwar gewöhnt vor Leute zu sprechen, aber ich rede ja kein Dialekt, sondern Hochdeutsch. Da dachte ich mir schon: Wie ist das jetzt für die Anderen, dass jetzt plötzlich jemand Schriftdeutsch im Langenthaler Stadtrat redet? Aber das hat sich gegeben.

Was macht am meisten Spass im Stadtrat?

Mir persönlich macht die Recherche hinter den Geschäften am meiste Spass. Ich finde, man sollte nicht einfach nur das hinnehmen, was in den Geschäftsunterlagen drinsteht, sondern den Dingen genauer auf den Grund gehen, also zum Beispiel prüfen, wie andere Städte gewisse Herausforderungen lösen. Das finde ich spannend und das macht mir viel Freude.

Was sind deine persönlichen Grundwerte?

Die sind relativ simpel: Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit – das hängt ja beides hängt zusammen – Vertrauen, Wertschätzung. Nicht in Bezug auf materielle Dinge, sondern Personen gegenüber.  Und Gerechtigkeit.

Welche Themen im Stadtrat liegen dir am Herzen?

Bildung ist mir absolut wichtig, ich denke, das hat man in der letzten Legislatur auch gemerkt. Was mir auch wichtig sind, sind die Ausgabenthemen: Was können wir uns leisten, was müssen wir uns leisten, was dürfen wir uns leisten? Das liegt mir am Herzen. Und alles, was die Stadt selber anbelangt, also die ganzen Infrastrukturthemen, aber da gibt es Leute im Stadtrat, die besser ausgebildet sind.

Deine Lieblingsmenschen?

Fröhliche Menschen sind meine Lieblingsmenschen. Ich mag keine Pessimisten. Wo man singt da lass dich nieder…“ Das ist mir irgendwie eingebläut worden als Kind.

Abschlussfrage: Mit welchem Wahlresultat wärst du als Präsidentin der SVP Langenthal zufrieden?

Wenn wir unser Ergebnis von vor vier Jahren halten oder leicht verbessern könnten: Dann wäre ich sehr zufrieden.


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