Samstag, 7. November 2020

Telefonieren mit Lama: Linus Rothacher

 

 


 

Linus Rothacher von der JUSO gehört mit seinen 19 Jahren zu den jüngsten Stadtratskandidierenden. Zurzeit besucht er das Gymnasium Oberaargau mit Schwerpunktfach WR. Im Interview betont er, wie wichtig es ist, dass seine Generation im Stadtrat vertreten ist und was das Problem am Kapitalismus ist.

 

Frohnatur oder Grübler?

Ich bin eher ein nachdenklicher Mensch. Ich überlege mir immer sehr gründlich, was ich wie sagen will. Manchmal denke ich mehr nach, als es eigentlich nötig wäre. Was Entscheidungen fürs Leben betrifft oder generell die Zukunft, mache ich mir einfach oft zu viele Gedanken.

Was beschäftigt dich zurzeit?

Im Moment gerade die Terroranschläge in Frankreich, sicher auch deshalb, weil meine Schwester zur Zeit in Frankreich studiert. Ich frage mich des Öftern, was dort im Interreligiösen Dialog falsch gelaufen ist.  Politisch dominiert hier bei uns gerade die Corona – Situation und die Schutzmassnahmen. Da frage ich mich schon,  wie  es weiter geht, was  ich noch machen darf und ob ich nächste Woche überhaupt  noch zur Schule gehen kann. Das Befinden meiner Mitmenschen natürlich auch. Mir ist es wichtig, dass alle auch psychisch gut durch diese Zeit kommen.

Was ist falsch am Kapitalismus?

Für mich ist das Problem am Kapitalismus, dass der Profit der Wirtschaft über den Geboten der Menschlichkeit und den Bedürfnisse der Natur steht. Das sehen wir in der Klimadebatte. Um die Umwelt weniger zu belasten, kommen wir nicht darum herum unsere Wirtschaft umzubauen. Die kapitalistische Wirtschaft stellt aber den Profit in den Mittelpunkt, was ein nachhaltiges Modell des Wirtschaftens verunmöglicht. Auch in anderen Bereichen wird der Konflikt zwischen menschlichen/natürlichen Bedürfnissen und dem Profitstreben immer deutlicher sichtbar. Ein Wandel ist also unumgänglich.

Wie links ist Langenthal?

Grundsätzlich ist Langenthal eher konservativ, nach meinem Geschmack in manchen Bereichen zu konservativ. Sogar Herzogenbuchsee bekommt demnächst eine Schulsozialarbeit, im Gegensatz zu uns. Manchmal überrascht Langenthal aber auch bei Abstimmungen und stärkt linke Positionen. 

Wie würde ein linkeres Langenthal aussehen?

Es wäre ökologischer und es gäbe einen besseren ÖV, vor allem in der Nacht, damit wir im Ausgang davon profitieren könnten. Die Angebote wären hoffentlich für ein breiteres Bevölkerung besser zugänglich. Momentan hängt das noch zu viel vom Portemonnaie ab. Ein wichtiger Punkt für mich: Alle Menschen in Langenthal  sollten über das Schicksal der Stadt entscheiden können – auch diejenigen mit Migrationshintergrund, denen das Abstimmen und Wählen heute noch verweigert wird. 

Hat die Jugend in Langenthal genug Freiraum?

Eher zu wenig. Also, ich weiss nicht, ob alle Jugendlichen das Bedürfnis teilen, aber es wäre schon cool, wenn es einen zusätzlichen Ort geben würde, der von Jugendlichen verwaltet, gestaltet und gesteuert werden würde.

 

Was kann Langenthal tun im Kampf gegen den Klimawandel?

Langenthal könnte noch mehr zur Velostadt werden, das Stadtzentrum verkehrsfreier gestalten und nachhaltige Energien, sprich Solarstrom fördern. Und es braucht mehr Grünflächen in der Stadt. 

Dein peinlichstes Erlebnis?

Letzthin habe ich im Sportunterricht ein ganzes Baukonstrukt aus Trampolin und Schwedenkasten zum Fall gebracht, indem ich die Matte darunter weggezogen habe. Das hat wahnsinnig geknallt und natürlich die ganze Aufmerksamkeit auf mich gelenkt.

Warum hast du dich entschieden, der JUSO beizutreten?

Den Ausschlag gab die Durchsetzungsinitiative im Februar 2016. Wäre sie angenommen worden, wären viele meiner Kollegen und Kolleginnen* davon betroffen gewesen. Weiter kam ich zur Auffassung, dass es für ein nachhaltiges Zusammenleben mit der Natur eine soziale und ökologische Wende braucht. SP und Juso liefern als einzige Parteien umfassende Antworten auf diese Fragen und Herausforderungen, da sie die Gesamtgesellschaft im Blick haben. Und sie haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie diesem Anspruch gerecht werden können.

Was sind für dich Gründe, in Langenthal wohnen zu bleiben?

Die ganze Stadt ist mit dem Velo innerhalb weniger Minuten erreichbar. Das Kultur – und Ausgangsleben funktioniert, trotzdem ist Langenthal keine Grossstadt. Inzwischen ist auch mein ganzes Umfeld hier, also Familie und Freunde. Ich lebe seit 2014 in Langenthal, vorher  wohnte ich in einem Dorf in Seeland. Durch den Stellenwechsel meines Vaters bin ich hierhergekommen.

Deine Lieblingsfarbe?

Rot. Ich mochte die Farbe schon immer, weil es sie in verschiedenen Nuancen gibt und es eine Signalfarbe ist. Aber gelb und grün gefallen mir auch sehr gut.

Dein grösster Traum?

Für mich, meine Familie wünsche ich mir ein gutes und glückliches Leben mit Freunden und Freundinnen*. Als  grössere Vision hoffe ich, dass wir die Klimakrise überwinden. Ich träume von einem System, in dem der Mensch in Vordergrund steht. Und von einer Welt in Frieden und Harmonie.

Was reizt dich am Stadtrat?

Die Diskussion, die  dort stattfindet. Dass man seinen eigenen Standpunkt vertreten und auch mit anderen darüber reden kann. Für meine Ideen einstehen und  dafür kämpfen  zu können, zugleich aber auch die andere Seite zu hören und zusammen eine Lösung zu erarbeiten: Das reizt mich.

Wohin würdest du gerne mal reisen?

Nach Norwegen. Skandinavien ist allgemein sehr schön und auch vom politischen System her toll. In meinem Austauschjahr in England bin ich sehr vielen Norwegern – und Norwegerinnen* begegnet. Die würde ich gerne mal besuchen. Momentan ist das einfach ein bisschen schwierig.

Inwiefern unterscheidet sich die JUSO von der SP?

Die Juso ist jünger, lauter und  auch etwas linker als die Mutterpartei.

Hast du ein Vorbild?

Also wer aus meiner Sicht einen sehr beeindruckenden Lebenslauf hat, ist Ruth Bader Ginsburg. Sie hat sich als Frau in einer männerdominierten und konservativen Szene durchgesetzt. Aber ein direktes Vorbild habe ich nicht.

Welche Filmrolle würdest du gerne mal spielen?

Sherlock Holmes in der BBC Serie. Es wäre sicher herausfordernd, diese faszinierende Persönlichkeit darzustellen. Und es wäre spannend, in diese Figur einzutauchen und das Leben aus ihrer Sicht kennenzulernen.

Was ist der grösste Nachteil an Langenthal?

Es fehlt die Durchmischung von Quartieren und Generationen. Gerade  zwischen den Menschen, die aus anderen Ländern hierhergekommen sind und den Einheimischen, braucht es mehr Gesprächsbereitschaft.

Warum braucht es dich im Stadtrat?

Weil ich Überzeugungen mitbringe und eine neue Generation vertrete. Eine Generation, die bis jetzt im Stadtrat untervertreten ist, obwohl es letztendlich vor allem um unsere Zukunft geht. Daher möchte ich uns stärker in politische Prozesse einbringen und die Anliegen meiner Generationen in den Stadtrat bringen.

Ist jung sein in der Politik ein Vorteil oder ein Nachteil?

In der SP/Juso weder das eine noch das andere. Wir respektieren einander, unabhängig vom Alter. Sonst wird man als junge Person nicht immer ernst genommen. Die Klimabewegung zum Beispiel wurde von den Bürgerlichen lange belächelt, weil man jungen Personen nicht zutraute, dass sie sich ernsthaft mit komplexen Themen auseinandersetzen können. .

Dein Lieblingslied?

„Unter den Wolken“ von den Toten Hosen. Ich war schon immer Fan von der Band und das Lied drückt eine rebellische Haltung aus.

Was gehört für dich zu einem perfekten Tag?

Ein perfekter Tag ist, wenn ich am Abend ohne noch Probleme wälzen  zu  müssen, einschlafen kann, alles in Frieden ist. Weiter sollte es an einem perfekten Tag nicht regnen 

Braucht Langenthal eine Revolution?

Eine friedliche auf alle Fälle! Das Ziel einer Revolution müsste sein, Langenthal ökologischer und sozialer zu gestalten.  Ganz visionär gedacht müsste es darum gehen, Langenthal zu einem Ort der Freude und des Glücks zu machen.

Wenn du jetzt mal Gemeinderat werden würdest: Welches Departement hättest du gerne?

Also, ganz bestimmt nicht Finanzen, da würde ich mich wahrscheinlich verrechnen. Daneben kann ich mir von Bildung bis Sicherheit alles vorstellen.

Wenn du jetzt sparen müsstest: Wo würdest du den Rotstift in Langenthal ansetzen?

Bei den Parkplätzen. Ich würde weniger Parkplätze bauen und dafür Bäume pflanzen. Die kosten auch weniger.

Abschlussfrage: Wie würdest du feiern, wenn das Langenthaler Parlament nach den Wahlen tatsächlich nach links gerückt wäre?

Dann würde ich doch glatt die Internationale singen.

 

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