Donnerstag, 12. November 2020

Telefonieren mit Lama: Sandro Baumgartner


Sandro Baumgartner ist SP – Stadtrat und bekleidet eine leitende Position bei der Ammann Group, der er seit 26 Jahren die Treue hält. Als Vollblutlangenthaler weiss er genau, um die Stärken der Stadt. Im Interview zeigt er seinen facettenreichen Charakter und erklärt, was für Aufgaben die Linke zu erfüllen hat.

Bist du eher ein Winter – oder ein Sommermensch?

Ich bin eher ein Sommermensch, ich mag es schön warm. Und vor allem schätze ich es draussen mit Freunden sitzen und die mediterranen Nächte in Langenthal zu geniessen. Wobei wir vor drei Jahren beim Skifahren mit den Kindern auch die Freuden des Winters wieder entdeckt haben. Aber Favorit bleibt der Sommer.

Warst du nervös vor deinem ersten Aufritt am Rednerpult im Stadtrat?

Ja, ich war schon ein wenig nervös, weil mir einfach die Erfahrung fehlte. Vom Job her bin ich es mir zwar gewöhnt vor Leuten zu sprechen, aber es ist komplett anders, wenn man im Stadtrat ein Geschäft vertritt, von dem man weiss, dass  es nicht alle im Saal toll finden werden. Zu versuchen Menschen für ein Thema zu gewinnen, ist schon ein anderes Kaliber, als einfach einen Vortrag zu halten. Du stehst auch viel mehr in der Öffentlichkeit. Nach meinem ersten Mal am Rednerpult,  habe ich vor allem gehofft, dass es mir gelungen ist, die nötigen zusätzlichen Stimmen zu überzeugen. Ich bin auch eher jemand, der sich vorbereiten muss, es fällt mir nicht leicht, frei zu reden. Es gibt Stadtratsmitglieder, die können sehr schnell auf Äusserungen reagieren und halten spontan ein flammendes Votum. Da wundere ich mich manchmal schon, wie schnell sie das aus dem Ärmel schütteln können. Aber das hängt natürlich mit der  Erfahrung zusammen.

Was kann die SP besser als andere Parteien?

Aus meiner Sicht versucht die SP, Langenthal weiterzuentwickeln. Wir sind kompromissfreudiger und finden eher einen Konsens, als die anderen Parteien. Und wir können eine  Fünf auch mal grad sein lassen. Zudem vertrauen wir unseren Mitgliedern in vorberatenden Kommissionen und tragen deren Entscheidungen mit, weshalb wir auch selten auf zweiten Lesungen bestehen. In den letzten Jahren wurde im Stadtrat viel ausgebremst. Aus unserer Sicht muss nicht jede Eventualität durchgekaut werden. Ich bin überzeugt, dass wir in der nächsten Legislatur auch wieder fähige Leute im Stadtrat drin haben werden, die eigenständig denken und eingreifen, wenn es nötig wird. 

Was war das prägendste Ereignis in deinem Leben?

Uiii, es gab viele prägende Ereignisse und es passieren ständig neue. Da gab es bestandene Lebensabschnitte, die Geburt meiner Töchter, die Heirat mit meiner wunderbaren Frau oder der Tod geliebter Menschen: All das hat mich weitergebracht und zeichnet mich aus. Und wer weiss, was mich in einem halben Jahr oder in drei Monaten verändern wird?

Warum bist du bis jetzt in Langenthal geblieben?

Langenthal hat alles, was man braucht. Langenthal ist ein Dorf, man kennt die Leute und  kann sich frei bewegen. Trotzdem haben wir alle Einkaufsmöglichkeiten hier. Ein wichtiges Thema für mich sind die Schulen. Langenthal vereint fast jede Schulform, die es gibt. Ich selbst habe in Langenthal so gut wie alle Schulinstitutionen besucht und ich wollte deren Qualität meinen Kindern nicht vorenthalten. Ein grosses Pluspunkt von Langenthal ist zudem: Hier ist alles mit Velo machbar, meine Frau und ich sind innerhalb kurzer Zeit bei unseren Arbeitgebern. Das ist für mich Lebensqualität. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das wäre, stundenlang pendeln zu müssen. Ich glaube, dazu muss man geboren sein. Langenthal ist einfach das beste Dorf, das ich kenne.

 

Wenn dein Leben ein Buch wäre: Wie würde der Titel lauten?

Ich wäre wahrscheinlich eher ein Hörbuch. Hm…. „Sandro im Glück“ könnte es heissen. Ja, das würde passen. Wir haben hier alles, was wir brauchen und ich habe wenig „Schlimmes“ erlebt. Generell finde ich, dass wir in der Schweiz viele Dinge haben, die wir zu wenig wertschätzen.

Mit wem würdest du gerne einen Tag den Körper tauschen?

Mit meiner Frau. Um zu prüfen, ob ich wirklich so schlimm bin, wie sie manchmal sagt. Oder ob es an ihr liegt, dass sie mich nicht immer versteht. (Lacht)

Wieso hast du dich dafür entschieden, in der Politik aktiv zu werden?

Ich stamme aus einer sehr politischen Familie. Sowohl  mein Vater, als auch meine Mutter haben im Stadt  und Gemeinderat gewirkt. Das erste Mal stand ich 2000 auf einer SP – Liste. Schon damals war mir klar, dass es politisches Engagement braucht, wenn man etwas verändern möchte. Ehrlich gesagt ist es danach aber ein bisschen vergessen gegangen. Für mich kamen die sogenannten Flegeljahre und der Ausgang war präsenter in meinem Leben als die Politik. Später war ich dann viel im Ausland unterwegs. Bei meiner Rückkehr habe ich dann auch realisiert, was die Schweiz eigentlich alles bietet. 

Dann war es so, dass sich immer mehr Kollegen und Kolleginnen* darüber nervten,  dass es nicht vorwärts geht. Ich war der Meinung, dass es eigentlich nichts nützt, sich nur aufzuregen, sondern dass man aktiv mithelfen muss, etwas zu bewegen. Durch die Politik kann man nachhaltig Dinge verändern. Wenn man die guten Seiten, die das Land, die Region oder eben die Stadt hat, bewahren will, darf man sie nicht komplett in die falsche Richtung entwickeln lassen, sondern muss sich dafür einsetzen. Wenn du das nicht tust, kommen Leute an Macht, die nicht das vertreten was du möchtest. Ich möchte Langenthal weiterbringen, den nicht so privilegierten Leuten helfen und sie unterstützen. Langenthal soll eine Stadt für alle werden bzw. bleiben.

Was hat das Parlament in dieser Legislatur verpasst?

Viele wichtige Punkte, die die Bildungslandschaft betreffen, stehen noch an. Wenn die Schulsozialarbeit bzw. die Entlastung für Lehrpersonen nicht durchkommt, ist das ein Affront gegen die Lehrpersonen und die Schülerschaft. Dasselbe gilt für die Sanierung der Schulhäuser. Diese Themen sind mir wichtig. Gerade bei der Einführung der Schulsozialarbeit war das Parlament der letzten vier Jahre zu wenig zügig unterwegs. Durch die zweiten Lesungen wurde viel ausgebremst.

Was sind deine Vorsätze für die nächste Legislatur?

Zuerst einmal möchte ich möglichst viele Stimmen für die SP holen. Falls ich wiedergewählt werde, möchte ich weiterhin Punkte unterstützen, die  Schule und Bildung betreffen. Ich bin seit sechs Jahren  Mitglied der Volksschulkommission. Wir haben eines der besten Schulsysteme. Eine sehr gute Entscheidung war die Erneuerung der IT – Infrastruktur. Und trotzdem finde ich, dass  Bildungsfragen noch ernster genommen werden müssen. Auch Kultur ist sehr wichtig für Langenthal. Es braucht gute Ausgangsmöglichkeiten. Betreffend Vereinbarkeit von Beruf und Familien könnte Langenthal noch mehr punkten, um weitere Menschen, gerade Familien, für  Langenthal zu begeistern. Wir müssen zeigen: Hier ist es lebenswert, auch für Externe, die nicht hier aufgewachsen sind und noch nicht alle Vorzüge kennen.

Welche Charaktereigenschaften helfen dir als Stadtparlamentarier?

Ich bin sehr harmoniebedürftig. Ich bin der Meinung, dass wir nur zusammen vorwärts kommen. Deshalb suche ich auch immer das Gespräch mit Kollegen – und Kolleginnen* von anderen Parteien, um zusammen den besten Weg zu finden, die eigenen Anliegen durchzubringen. Es ist mir wichtig, eine breite Basis aufzubauen. Ich bin kein Einzelkämpfer, ich brauche ein Team. Gute Ideen müssen für mich auch nicht zwingend von der SP – Seite kommen. Einen Erfolg verbuche ich  gerne als Teamleistung, da muss nicht zwingend mein eigener Name draufstehen. Um Langenthal weiterzubringen, verzichte ich gerne auf das eigene Ego.

Und welche Charaktereigenschaften stehen dir eher im Weg?

Ich bin ein Mensch, der viele Sachen erst im letzten Augenblick  erledigt. Das ist aber nicht nur in der Politik so, sondern auch in anderen Lebensbereichen. Da brauche ich manchmal die eine oder andere Nachtschicht, um alles  fertig zu bekommen. Ich bin nicht so der vorausplanende Typ.

Was bedeutet für dich links sein?

Als Linker wirst du gerne mal abgestempelt. Aus meiner Sicht sind wir eine weltoffene und soziale Bewegung. Bei uns geht es um ein Zusammen, nicht um ein Ich. Wir sind eine Einheit, die auf andere, vor allem auf Schwächere und Minderheiten, Rücksicht nimmt. Es muss für alle reichen. Dafür braucht es keine Gewinnmaximierung oder Ausbeutung von Menschen oder der Umwelt, sondern ein Miteinander, damit es jedem besser geht. Die SP ist die einzige Gruppierung, die das aus meiner Sicht anstrebt. Auch im Kleinen in Langenthal.

Ich bin aber durchaus nicht in allen Themen auf Parteilinie. Gerade bei wirtschaftlichen Themen bin ich manchmal eher FDPler als SPler. Nach meiner Auffassung braucht es gerade in der Wirtschaft, sowohl Arbeitnehmer*innen, als auch Arbeitgeber*innen. Erstere müssen geschützt werden, aber man sollte dabei Letzteren nicht gleich das letzte Hemd ausziehen.

Abschlussfrage: Was würdest du dir für ein Wahlresultat wünschen?

Was mich stört: Viele in Langenthal meinen, nur weil wir einen linken Stapi haben, seien wir ein linkes Parlament – was nicht stimmt. Es wäre schön, wenn die SP gestärkt aus den Wahlen hervorgeht, und der nationale Trend in Langenthal nicht so stark durchschlägt. Es würde mich freuen, wenn die SP ein - oder zwei Sitze mehr gewinnt. Und auch hier ist es mir nicht so wichtig, ob ich selbst gewählt werde. Mir ist es wichtig, dass Leute gewählt werden, die Langenthal weiterbringen und nicht blockieren.

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