Montag, 28. Juni 2021

Das andere Stadtratsprotokoll XIX

 

Ich muss jetzt einfach mal einen Lobgesang für die Stadtrats – und Gemeinderatsmitglieder anstimmen. Wirklich. Nicht nur, dass sich dieses tapferen Held:innen durch einen tosenden Sturm kämpften, um an der Stadtratssitzung teilnehmen zu können, nein: Sie verzichten durch ihren todesmutigen Einsatz für Langenthal auch noch darauf das Spiel Schweiz gegen Frankreich live und in Farbe zu sehen. Einen herzlichen Applaus für unsere geschätzten Amtsträger:innen, die dieses grosse Opfer für unsere Stadt gebracht haben. Möge Gott mit euch sein! Gut, ganz verzichten konnten die Damen und Herren natürlich nicht. Zahlreiche Blicke waren eher aufs Handy geheftet, denn auf die Aktuer:innen der heutigen Stadtratssitzung. Ich persönlich hatte zum Beispiel den Eindruck, dass Gemeinderat Markus Gfeller (FDP) vom Spiel so gebannt war, dass er wohl nicht einmal bemerkt hätte, wenn jemand  vor den Gemeinderatstischen nackt den Macarena getanzt hätte.

Dazu kam es natürlich nicht, der Stadtrat gab sich ganz gesittet. Zwar hat das eine oder andere Mitglied offenbar vergessen, wie man die Maske richtig trägt (kleiner Tipp: 1. Bringt die Maske unter der Nase nun wirklich nicht viel und 2. Sieht das echt bescheuert aus) und die Sitzordnung sorgte für einige Verwirrung (die Lösung nennt sich Namensschild. Wahlweise auch ein Sitzkissen mit eingesticktem Namen), aber die Sitzung konnte pünktlich beginnen.

Zuallererst verkündete Renate Niklaus eine frohe Botschaft: Stadträtin Janina Heiniger (EVP) hat geheiratet und hört jetzt auf den melodischen Namen Müller. Herzlichen Glückwünsch! Eine Heirat ist doch immer was Schönes. Ausser man heisst Robb Stark und hat ein Versprechen gebrochen, weil man lieber mit dem Schwanz dachte, als mit dem Hirn (kleiner Game of Thrones Insider).

Nach diesem kleinen Abstecher in den Privatbereich ging es aber sogleich mit trockener Materie weiter. Die Jahresrechnung 2020 wurde von Finanzvorsteher Roberto di Nino (SVP) präsentiert und die sieht nicht ganz so mies aus wie befürchtet. Das Defizit ist kleiner, als angenommen. Gründe dafür sind sogenannte Sonderfaktoren, ein Mehrertrag durch Börsengewinne (ich werde das Konzept der Börse nie begreifen, aber schön, dass Langenthal offenbar schnallt, um was es da geht), sowie Verzögerungen bei Grossprojekten wie dem ESP Bahnhof (gewisse Investitionen wurden noch nicht getätigt, sind aber in Planung) und Personaleinsparungen, weil manche Stellen in der Verwaltung nicht besetzt wurden (und da soll noch einer sagen, es zahle sich nicht aus, dass Langenthal die Dinge schön gemütlich angeht). Sorge bereitet di Nino, dass von den natürlichen Personen immer weniger Steuern reinkommen und es dafür nicht wirklich eine Erklärung gibt. Ich hätte ja eine. Persönlich zahle ich nicht so viel Steuern, weil – Überraschung! – ich als Buchhändlerin nicht so viel verdiene. Vielleicht leben in Langenthal ja ganz ganz viele Buchhändler:innen?

Unser Finanzminister wies dann noch darauf hin, dass sich in die Unterlagen ein Fehler eingeschlichen hat. Aufgrund eines IT – Fehlers (die bösen Computer), wurden nur die Zahlen ab 2016 berechnet. Aufgefallen ist dieser Fehler Pascal Dietrich (FDP), weshalb sich di Nino bei diesem für sein „genaues Lesen“ bedankt. Ich finde, er hat schon Applaus dafür verdient, dass er die Unterlagen überhaupt gelesen hat (ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass nicht alle sich so leidenschaftlich dieser Lektüre widmen, wie Dietrich es tut).

Wenig überraschend stellte die GPK die formelle Richtigkeit des Geschäfts fest. Die Rückmeldungen aus den Fraktionen fielen grösstenteils positiv aus. Paul Bayard (SP) erinnerte allerdings an den schlechten Selbstfinanzierungsgrad (liegt bei 38 Prozent, von einem guten Selbstfinanzierungsgrad spricht man bei 100 Prozent) und daran, dass wir konsequent über unsere Verhältnisse leben (Champagner für alle!) und dass das Ergebnis eben den Sonderfaktoren zu verdanken ist, die nicht jedes Jahr eintreten werden. Pascal Dietrich ärgert sich darüber, dass viel geplant, aber wenig auf den Boden gebracht wird und verwahrt sich gegen höhere Steuern. Es hat zwar niemand davon geredet, dass die erhöht werden sollen, aber Liberale sind ja bekanntlich ein bisschen ein bisschen paranoid, wenn es um Steuern geht.

Von mehreren Seiten kritisiert wird eine interessante Verbuchung. Das Stadtratskonto wurde stark belastet und zwar wurden dort die Kosten für den juristischen Beistand, der nötig war wegen dem Rechtsstreit rund um das revidierte Wahl – und Abstimmungsreglement, abgezogen. Wir erinnern uns: Gegen seinen Willen musste der Gemeinderat in den Ring gegen das AGR steigen, weil der Stadtrat ums Verrecken durchsetzen will, dass die Stimmen für den Stapi bei Wahlen vom Gesamtresultat der Liste wegfallen. Manche Stadträt:innen empfinden diese Buchung wohl als Retourkutsche – à la wenn ihr schon auf so einen Blödsinn besteht, dann zahlt auch dafür –, denn nach ihrer Auffassung gehören diese Kosten zum Verpflichtungskredit. Roberto de Nino erklärte, dass man das so sehen könne, der Gemeinderat jedoch der Auffassung war, dass dieser Kredit lediglich für die Ausarbeitung des Reglements gedacht war, nicht für die Nachspielzeit (haha, Fussballmetapher).

Trotz dieser kleinen Unstimmigkeiten wird die Jahresrechnung einstimmig genehmigt. Genau wie die Jahresrechnung der Gemeinde Obersteckholz, die ja mit Langenthal fusioniert hat. Bemerkenswert ist hierbei, dass sowohl Gemeinderat, als auch Stadtrat sich den Verterter:innen von Oberstockholz gegenüber auffallend beflissen zeigen. Roberto di Nino spricht davon, dass es ihm eine Ehre sei, die letzte Jahresrechnung von Obersteckholz zu präsentieren, während Diego Clavadetscher sich darüber freute, dass in der Rechnung kein „Tohuwabohu“ (bestes Wort!) herrsche. Auf mich macht das ja ein bisschen den Eindruck, als hätten die Würdenträger:innen Angst, dass Obersteckholz den Koffer packt und wieder geht. Vielleicht in den Jura. Oder zu Herzogenbuchsee. Die wollen uns ja in allem Konkurrenz machen.

Immerhin, auf den Kniefall vor Obersteckholz wird dann doch verzichten. Kniefälle sind schliesslich für einen reserviert: Den König von Langenthal, Stapi Reto Müller. Der beim nächsten Traktandum in atemberaubender Geschwindigkeit und so knapp wie alles Notwendige zum Jahresbericht runterratterte. Gut, den sollten alle Anwesenden ja gelesen haben. Daniel Bösiger (SVP) sprach gar von einer Bettlektüre. Logisch. Wer will nicht vor dem Schlafen noch schnell lesen, wie viele Leute in Langenthal kremiert wurden? Der Stadtrat war jedenfalls voll des Lobes und manch einer liess sogar durchblicken, dass er nun doch der Meinung ist, dass  die Verwaltung tatsächlich arbeitet. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.

Helena Morgenthaler (SVP) zeigte im nächsten Traktandum ein Herz für die Pfadi. „Jeden Tag eine gute Tat“, zitierte sie die goldene Pfadfinderregel und fand, der Stadtrat könne ja gleich mit gutem Beispiel vorangehen und ein Darlehen für das sanierungsbedürftige Pfadiheim durchwinken. Das Darlehen muss selbstverständlich zurückgezahlt werden, es geht ja hier schliesslich nicht um den SCL. Die kostenbewusste FDP mahnte dann auch gleich, dass die Pfadi doch unbedingt Eigenleistungen forcieren soll. Mit Kinderarbeit kann man schliesslich eine Menge sparen. Da kaum jemand ernsthaft was gegen Pfadfinder:innen haben kann, wurde das Darlehen vom Stadtrat gutgeheissen. Schliesslich, so Patrick Freudiger (SVP), habe Langenthal einen Ruf als Kulturstadt zu verlieren und dem FCL habe man mit dem Darlehen für den Kunstrasen auch unter die Arme gegriffen. Dem bleibt nichts mehr hinzuzufügen. Fähnlein Fieselschweif ist stolz auf den Stadtrat!

Ebenfalls nicht mehr ganz taufrisch ist das Gebäude, in dem die Musikschule und die Bibliothek untergebracht sind. Auch hier muss einiges gemacht werden, wie Stapi Reto Müller ausführte. Besonders was die Behindertengerechtigkeit angeht, ist die aktuelle Infrastruktur ungenügend. Da in der nächsten Zeit vermutlich keine gute Fee vorbeikommt (bibidi babidi bu) wird das aber was kosten und deshalb musste der Stadtrat einen Kredit gutheissen. Das tat er dann auch, denn niemand will die Musikschule als Mieterin verlieren (Stadtrat Gerhard Käser von der SP schwelgte kurz in alten Zeiten, als er in eben diesem ehrwürdigen Gemäuer noch die Klarinette malträtierte), die gerade auch für Schüler:innen am perfekten Standort ist. Genau wie die Bibliothek, die, wie Gerhard Käser treffend bemerkt, perfekt ist, um Kindern beizubringen, dass man in Büchern blättern, nicht zur Seite wischen muss. Kritik gab es trotzdem. Weniger an der Sache, als vielmehr an den Planungskosten. Laut Pascal Dietrich wird dabei wieder zu viel Aufwand betrieben. Schliesslich habe man noch keine Wand gestrichen und sei trotzdem schon wieder fleissig am Geld ausgeben. Genau. Machen wir doch einfach mal spontan was und bauen wild drauflos.

Es folgte die Abschreibung der doch sehr technischen Motion „Führung der mehrheitlich von der Stadt gehaltenen Gesellschaften“. Dabei geht es grob darum, dass Gesellschaften, die mit der Stadt verflochten sind, über eine Eignerstrategie verfügen sollen. Der Gemeinderat ist diesem Ansinnen nachgekommen, hat aber die KEB ausgeklammert, obwohl es sich dabei um eine Aktiengesellschaft handelt. Patrick Freudiger konnte das nicht verstehen, genauso wenig wie Diego Clavadetscher, der dem Gemeinderat sogleich mangelnde Führung diagnostizierte. Autsch.

Und weil es so schön war, bekam der Gemeinderat gleich noch eins auf den Deckel, diesmal von Pascal Dietrich. Helena Morgenthaler bat um eine Fristverlängerung zur Umsetzung des SVP Postulats „Sportförderung für alle Nachwuchsmannschaften“, weil das dazugehörige Konzept „Bewegung – und Sportförderung“ noch in Bearbeitung ist. Dieses ominöse Konzept tauchte in den Diskussionen rund um die Beitragserhöhung an den SCL Nachwuchs immer wieder auf. Das war im Januar 2020, hielt Pascal Dietrich empört fest, was man denn bitteschön die ganzen 18 Monate getan habe? Gute Frage. Wahrscheinlich ist das Konzept einfach verloren gegangen zwischen dem „Designkonzept“, dem „Bahnhofkonzept“ und dem „Konzept für das richtige Schreiben von Konzepten“. Doch obwohl die FDP „sich was anderes vorgestellt hat“, bekommt Helena Morgenthaler die gewünschte Fristverlängerung.

Fahrt nahm die Diskussion dann wieder auf, als es um das Jugendpostulat zum Klimanotstand ging. Ehrlich gesagt habe ich bis vor kurzem noch gedacht, dass wir den ausgerufen hätten. Weil, ich kann mich noch daran erinnern, dass das nach dem Einreichen des Jugendpostulats auf Social Media so kommuniziert wurde (Hurra, Klimanotstand), aber offenbar war es so, dass der Gemeinderat lediglich beauftragt wurde, das zu prüfen. Entschieden hat er sich letztendlich gegen die Ausrufung des Klimanotstandes, dafür allerdings für die Unterzeichnung der Klimacharta und für das Nettonullziel im Jahr 2050.

Stadträtin Fanny Zurn (Grüne) begrüsste die Unterzeichnung der Charta und die Idee des Gemeinderates, die Jugendlichen stärker mit einzubeziehen. Denn schliesslich müssen die Jungen die Entscheidungen von heute ausbaden. Sie bedauerte aber ausdrücklich, dass der Gemeinderat den Klimanotstand nicht ausrufen will, da dies ein wichtiges Zeichen wäre. Sie wies auch darauf hin, dass die Klimaveränderungen bereits heute zu Hitzetoten, Landwirtschaftsschäden und unbewohnbaren Lebensräumen führe. Die GLP schloss sich ihr mehr oder weniger an. Fabian Fankhauser bedauerte, dass der Gemeinderat sich nicht das Jahr 2040 als Ziel gesetzt hat, sondern 2050. Ich persönlich halte ehrlich gesagt beides für sehr ambitioniert. Ausser das Konzept ist schon geschrieben.

Wenig überraschend hielt sich die Begeisterung der SVP arg in Grenzen, denn alles was mit dem Klimawandel zu tun hat, geht ja für sie schon unter Märchen. Patrick Freudiger fand es super, dass der Gemeinderat davon absah, den Klimanotstand auszurufen, denn schliesslich mache man das nicht zum Spass, sondern wenn wirklich ein Ernstfall ansteht. Alles andere widerspreche dem Rechtstaat. Ein Dorn im Auge ist der SVP auch die „eigenmächtige Ratifizierung der Klimacharta“, die durch den Gemeinderat erfolgt ist. (wahrscheinlich fürchtet Patrick Freudiger, dass der Gemeinderat in seinem exekutiven Grössenwahn mit Langenthal im Alleingang der EU beitritt). Freudiger liess es sich dann nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass aus den Akten hervorgehe, dass Gemeinderat Roberto di Nino eine andere Auffassung vertrete, als der Gesamtgemeinderat. Weil er offenbar nie ein Wort mit seinem Exekutivmitglied wechselt, verlangte er dann, dass Roberto di Nino seine Haltung vor dem Rat ausführt. Der tat das dann so halbwegs, indem er bestätigte, dass er die Charta ihm Unbehagen bereite. Sehr beruhigend, wenn der Gemeinderat einen so geeinten Eindruck hinterlässt.

Dyami Häfliger (GLP) bemerkte, dass wir uns in einen Teufelskreis befinden, denn je länger wir mit einschneidenden Massnahmen warten, desto radikaler werden die sein müssen, um Wirkung zu erzielen. Nathalie Scheibli (SP) griff trotz Heiserkeit zum Mikrofon, um ihren Standpunkt klar zu machen. „Um die klimatischen Veränderungen muss man blind sein!“, ereiferte sie sich und spielte damit auf Unwetter an, die gerade jetzt über uns Land fegen.  Gemeinderat Michael Schär (FDP), ökologisch bis in die Haarspitzen, unterstrich noch einmal den Willen des Gemeinderats, die Klimastrategie umzusetzen. Man habe darauf verzichtet, den Klimanotstand auszurufen, weil der Begriff schwer fassbar sei. Dem Stadtrat versicherte er, dass die einzelnen konkreten Massnahmen ihnen sowieso noch vorgelegt werden. Obwohl die SVP sich geschlossen und eigenverantwortlich enthielt, wurde das Jugendpostulat schliesslich abgeschrieben.

Hitzig wurde es dann noch bei der Motion der SP. Die Linken forderten Transparenz in der Parteienfinanzierung. Konkret verlangten sie, dass die Parteien ab einen gewissen Schwellenwert, sowohl finanzielle, als auch geldwerte Beiträge offenlegen müssen, sowohl bei kommunalen Abstimmung, als auch Wahlen. Gelten würde das auch bei Komitees. Verboten wäre die Annahme von anonymen Spenden. Der Gemeinderat stand diesem Anliegen offen gegenüber. Der Stadtrat dagegen nicht so wirklich.

Am mangelnden Einsatz lag es nicht. Saima Sägesser (SP) forderte ihre Stadtratsgspännli auf, die Möglichkeit zu ergreifen, Geschichte zu schreiben, indem sie Langenthal zu einer der ersten Städte machen, die für Transparenz sorgen. Geldflüsse würden eben sehr wohl Einfluss auf das Resultat einer Wahl oder Abstimmung haben, so Sägesser. Das dafür benötigte Reglement sei ein handliches Tool um die Transparenz sicherzustellen.

Die SP wählte im Vorfeld eine ungewöhnliche Methode, um ihr Anliegen zu vertreten. Die Partei legte auf Social Media stückweise dar, wie viel Geld in der letzten Wahlkampagne steckte und forderte die übrigen Parteien auf, ihrem Beispiel zu folgen. Dieser Bitte nachgekommen waren die Grünen, die JUSO und später noch die GLP. Die bürgerlichen Parteien hüllten sich in Schweigen. Vielleicht haben sie aber auch nur das Prinzip von Markieren nicht verstanden.

Zahlenteufel Diego Clavadetscher liess es sich nicht nehmen, die publizierten Zahlen auseinanderzunehmen. Da die Freiwilligenarbeit – also die geldwerten Beiträge – nicht mitgerechnet seien, sei das nur bedingt aussagekräftig, zudem seien die Abgaben der Mandatsträger: innen nicht öffentlich gemacht worden. Damit hätte sich die SP also schon eine Busse eingehandelt, wenn ein entsprechendes Reglement existieren würde. Abgesehen davon bemängelte er, dass ausgerechnet den Freiwilligen ein Zusatzaufwand entstehen würde, weil die eine Unmenge Formulare ausfüllen müssten und am Ende gar die Demokratie geschwächt werden würde, weil man mit diesem Bürokratieaufwand Milizträger:innen vergrault.

Zugegeben: Das ist eine äusserst kreative Begründung. Die SVP, namentlich Michael Schenk, doppelte noch nach und behauptete, sie hätten mit einer solchen Regelung im Rücken wahrscheinlich gar Mühe ihre Stadtratssitze zu besetzen. Logisch. Formularphobie ist eine weit verbreitete Krankheit, gerade unter Bürgerlichen. Michael Schenk war es dann auch, der bemerkte, dass man auf Papier schliesslich alles schreiben könne, man müsse sich ja trotzdem nicht daran halten. Aha. In dem Fall würde ich sagen, lassen wir es in Zukunft einfach generell mit dem Verfassen von Regeln und Gesetzen, denn die können schliesslich jederzeit gebrochen werden.

Pascal Dietrich lobte die SP dafür, dass sie sich immerhin mal wieder an einer Debatte beteilige und nicht wie üblich alles durchwinke, weil sie schnell nachhause möchte – ganz nach dem Motto, wenn schon SP – Basing dann richtig -, fand aber, dass Langenthal sich wohl gar wichtig nehmen würde, wenn sie sich so ein Reglement leisten würde (ähm, wer wollte jetzt nochmal, dass die Stadt in einen kräftezehrenden juristischen Krieg zieht, weil man ein Wahlreglement durchdrücken will, dass sonst nirgendwo existiert?). Corinna Grossenbacher (SVP) erläuterte, dass ihre Partei hauptsächlich von Kleinspenden lebe. Die grösste Spende sei ein 1000er gewesen. Woher der kam, liess sie sich aber nicht entlocken. Überhaupt: Keine bürgerliche Partei sagte, wie viel Geld in ihren Wahlkampf geflossen ist. Wahrscheinlich kann man das nur, wenn man vorher ein Haufen Formulare ausgefüllt haben.

Die Motion scheiterte denkbar knapp. 18:19 hiess das Schlussresultat. Erstaunlich, dass genau der Stadtrat, der vom Gemeinderat stets Transparenz und Offenheit fordert, selbst nicht bereit ist, die Hosen runterzulassen, wenn’s drauf ankommen. Oder den Rock. Oder den Kilt. Schade. Wobei Diego Clavadetscher kurz darauf verlauten liess, dass er sich dort Transparenz wünsche, wo sie auch etwas bringt. Zum Beispiel indem der Gemeinderat den Behördernmitgliedern eine Liste der politischen Geschäften führt. Zu dem Thema reichte die FDP/JLL Fraktion eine Interpellation ein.

Deutlich weniger zu reden gab die Abschreibung des Postulats „Generationsübergreifende Spiel – und Bewegungsanlage“, eingereicht von Carole Howald (JLL). Sowohl Stadt – als auch Gemeinderat fanden das Anliegen berechtigt und wichtig. Wobei Letzterer der Meinung ist, dass das mit den geplanten Projekten abgedeckt wird. Gibt sicher auch irgendwo ein Konzept dafür.

Den Schlusspunkt setzte Reto Müller. Er umriss noch kurz die „Richtlinien der Regierungstätigkeit“, ein Dossier das den Stadtratsmitgliedern zur Verfügung gestellt wurde. Mir natürlich nicht. Ich bin ja hier schliesslich nur das Lama. Dann lese ich halt noch mal den Jahresbericht als Gutenachtgeschichte, bäh!

Was sonst noch passiert ist:

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 ·   Das Parkhotel benannte die Sitzung kurzerhand um. Regierungssitzung stand auf dem Willkommensschild. Wenigstens sie haben geschnallt, wer in Langenthal wirklich das Sagen hat.

Fussball war das dominierende Thema. Ab Neun Uhr lag der Fokus  mancher Anwesenden nicht mehr auf das Stadtratsgeschehen gerichtet, sondern auf den Match Schweiz gegen Frankreich. Um die Stadträt:innen dazu zu bringen, nicht mehr wie Zombies in ihre Handys zu starren, wurde das Spiel kurzerhand auf die Leinwand projiziert. Irgendeinmal erinnerte man sich aber wieder daran, dass es sich eigentlich um eine Parlamentssitzung und nicht um ein Sportfestival handelt. Die Übertragung wurde abgebrochen. Zurecht. Wenn schon Fernsehen während der Ausübung eines politischen Amtes, dann wenigstens was Bildende. GNTM zum Beispiel. Oder Traumschiff.

 Martin Lerch (SVP) wurde auf eigenen Wunsch beim Beschluss über die Jahresrechnung Obersteckholz vor die Tür geschickt, weil er in den Ausstand treten wollte. Nachher stellte sich heraus, dass es unnötig war. Aber in der Ecke zu stehen, hat ja noch nie jemanden geschadet.

·         Ungewöhnliche Überredungsmethoden wandte Carole Howald (JLL) an. Bei der Diskussion um Transparenz lud sie die Anwesenden zur HV der Jungliberalen ein. Die sei öffentlich und es seien auch schon Leute aus anderen Parteien dabei gewesen. Das kann ich bestätigen, ich war nämlich dort. Und ich musste nicht einmal einen Schwur auf liberale Grundsätze leisten, um ein Bier zu bekommen.

Best of

„Der Stadtschreiber ist vollständig anwesend.“ Wäre ja auch unappetitlich irgendwo über verstreute Körperteile zu stolpern. Stadtratspräsidentin Renate Niklaus (GLP).

„Wir sind mit einem hellblauen Auge davongekommen…“ Boxer Pascal Dietrich (FDP).

„Bilanzüberschiss.“ Wieder Pascal Dietrich mit einem verschissenen Bilanzüberschiss.

„Die meisten werden sich gefunden haben…“ Stapi Reto Müller ist unter die Esoteriker gegangen.

„Die cheibe donners Elteretaxis!“ Pascal Dietrich flucht gesittet. Alle jaulenden Höllenhunde, sag ich da nur.

„Man soll jetzt nicht überborden und unnötig versuchen, die Welt zu retten!“ Janosch Fankhauser (SVP) mag die Welt nicht retten, wo doch alles gerade so schön schlecht ist.

„Inzwischen habe ich einige Sanierungen an mir selbst vorgenommen.“ Hm, da würde uns aber schon noch interessieren, welche genau das waren, Gerhard Käser…?

„Andere Städte haben auch Klimanotstände ausgerufen – ticken unsere Juristen eben einfach anders?“ Unsere Jurist:innen arbeiten eben genau, Fabian Fankhauser (GLP)

„Eine faire Demokratie hat kein Preisschild!“ Aber hoffentlich einen Strichcode. Saima Sägesser zur Transparenzmotion.

„Ihr rechnet auch immer mit dem Schlimmsten!“ Roland Loser (SP) verzweifelt am Pessimismus der Bürgerlichen.

„Immerhin ihr habt euch Gedanken gemacht.“ Lob von Saima Sägesser (SP) für ihre politischen Gegner:innen.

„Abgesehen davon, dass mich nichts weniger interessiert als Männerfussball, ist das eine Geringschätzung der parlamentarischen Arbeit!“ Beatrice Lüthi beschwert sich über das spontane Public Viewing im Stadtrat.

„Ich schaue auch Frauenfussball!“ Reto Müller offenbart seine weiblichen Seiten.

 

 

 


 

 

 

 

 

 

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