Teil
1: Vorgeplänkel
- Hallo
und herzlich willkommen zu einer weiteren Folge des exklusiven Liveblogs zur
Stadtratssitzung. Es bloggt für Sie, wie immer, das einzigartige und wunderbare
Lama, das heute zum ersten Mal in seiner Karriere zu spät an die Sitzung
gekommen ist, was einfach daran liegt, das Zeit und Raum für mich keine Rolle
mehr spielt, nicht etwa daran, dass ich nochmal umkehren musste, weil ich Schussel
was vergessen hatte…
- Geniesst dieses Stadtratsprotokoll, denn jetzt gehen die Stadträt:innen in die verdiente Sommerpause, wo sie ihre Zeit zweifellos damit verbringen, in Gesetzbüchern nach weiteren komplizierten Definitionen zu suchen oder aber über Motionen zu brüten, die sie dann ein paar Sitzungen später selbst wieder über den Haufen werfen.
Teil
2: Haben oder Nichthaben, das ist hier die Frage!
- Wir
wenden uns sogleich dem ersten richtigen Traktandum zu – den Appell können wir
getrost überspringen – der Genehmigung der Jahresrechnung. Wetten, dass wir im
Verlauf dieser Diskussion von den Stadträt:innen folgende Sätze hören werden:
«Diese Rechnung hat in unserer Fraktion zu Stirnrunzeln geführt» «Wir nehmen es
zähneknirschend zur Kenntnis» und «Wir leben auf zu grossem Fuss».
- Merken
wir uns für diese Sitzung: Der zustände Gemeinderat heisst DI Nino und nicht DE
Nino, wie ich ihn grundsätzlich und relativ konstant nenne. Verzeihung.
Normalerweise bin ich echt gut mit Namen, aber dann habe ich jetzt glaub für
immer und ewig falsch abgespeichert.
- Roberto DI Nino
präsentiert also die Jahresrechnung. Das Ergebnis des steuerfinanzierten
Haushalts liegt bei einem Defizit von etwa über zwei Millionen. Okay,
eigentlich sind es fast drei Millionen, aber ich will hier ja nicht allzu
negativ rein, deshalb habe ich es jetzt mal positiv formuliert.
- Positiv auf das Ergebnis
gewirkt hat natürlich die Rückführung der Alten Mühle ins städtische Eigentum –
wir erinnern uns. Oder auch nicht. Bei der Alten Mühle kann man bei dem vielen
Hin und her natürlich schon mal ein wenig die Übersicht verlieren, wie sich
später noch zeigen wird.
- Wieder einmal haben
sogenannte Sonderfaktoren zu einem positiven Ergebnis geführt. Jetzt kann man
sagen: Ein Plus ist ein plus, egal wie es zustande gekommen ist. Wie beim
Schwangerschaftstest. Nur, das Problem ist halt, dass Sonderfaktoren – wie der
Name es sagt - aufgrund von
außerordentlichen Ereignissen zustande kommen. Da spielt halt auch mal Zufall
oder Glück oder Gott eine Rolle und das sind bekanntlich Dinge, die außerhalb
des menschlichen Einflussbereichs liegen.
- Vielleicht mal ein
kurzer theoretischer Teil zum Thema: Was ist eigentlich der Unterschied
zwischen Budget und Jahresrechnung. Das Budget ist quasi ein Blick in die
Zukunft: Wie sollten sich die Finanzen entwickeln, um einen ausgeglichenen
Haushalt zu erreichen? Die Rechnung ist dann der Blick zurück: Wie haben sich
die Finanzen, also die Erträge und Aufwände, tatsächlich entwickelt und decken
die sich mit dem Budget?
- In unserem Fall schneidet
die Jahresrechnung 2021 deutlich schlechter ab, als budgetiert. Und die Zukunft
sieht auch nicht gerade rosig aus. Corona zeigt immer noch Nachwirkungen und
der Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, schlägt sich auch auf die
Börse nieder, was wiederum Auswirkungen auf die Börsengewinne der Stadt haben
wird.
- Stolz vermerkt
Roberto di Nino, dass der Personalaufwand der Verwaltung abgenommen hat.
Aus dem schlichten Grund, weil manche Stellen in der Verwaltung immer noch
nicht besetzt sind. Wenn kein Pferd im Stall ist, frisst auch niemand Heu. Aber
es kann halt auch niemand darauf reiten reiten.
- Ein interessantes
Detail ist noch die Tatsache, dass die Lehrerlöhne in Langenthal leicht
gestiegen sind. In Anbetracht des Lehrermangels ja vielleicht gar nicht so
schlecht. Kommt nach Langenthal, ihr lieben Lehrer:innen, wir haben Geld (jedenfalls
jetzt noch).
- Diese Tatsache
verdanken wir übrigens dem großzügigen Polster namens Eigenkapital, das immer
noch so hoch ist, dass die Stadt trotz des negativen Ergebnisses noch immer
einen Bilanzüberschuss von über 76 Mio. Trotzdem ist das Ergebnis der
Jahresrechnung kein glanzvoller Erfolg, denn wenn man Jahr um Jahr immer mehr
Defizite einfährt und immer mehr von diesem Eigenkapital zehrt, bleibt
irgendwann nichts mehr übrig. Außer die sieben Zwergen würden spontan eine
Juwelenmiene in Langenthal entdecken und uns die Steine freundlicherweise zur
Verfügung stellen, dann würden sich viele unserer Probleme von allein lösen (so
wie sich Schneewittchens Probleme auch erheblich schneller gelöst hätten, wenn
sie sich als taffe Unternehmerin betätigt hätte, statt einfach darauf zu
warten, dass ein dahergelaufener Prinz sie knutscht).
- Roberto di Nino beendet seinen Vortrag mit dem Fazit das Ergebnis sei „unerfreulich, aber kein Grund zur Panik.“ Sagen das nicht immer Leute in Horrorfilmen, bevor sie vom Monster gefressen werden?
Teil
3: Der lange Schatten des Budgets
- Panisch wirken die
Stadträt:innen nicht gerade – wahrscheinlich haben alle ihre Handtücher dabei –
aber so ganz, können sie ihre Beunruhigung dann doch nicht verbergen. Pascal
Dietrich (parteilos, FDP/JLL Fraktion) stellt fest, dass es die schlechteste
Jahresrechnung seit 2015 sei und zum ersten Mal seit langem noch mieser
abschneidet als budgetiert (okay, das klingt wirklich schlecht). Allerdings
lässt er es sich nicht nehmen zu erwähnen, dass die Steuererträge insgesamt sehr
stabil sind – für ihn eine erfreuliche Tatsache, die er wohl auch in Hinblick
auf die Diskussionen rund um die Steuererhöhung, die der Gemeinderat
angekündigt hat, noch einmal aufs Tapet bringt. Man muss sich eben in Position
bringen.
- So
ist wohl auch Paul Bayards (SP/GL) Votum zu bewerten, der mitteilt, dass es in
seiner Fraktion Stimmen gab, welche die Rechnung zurückweisen wollten, weil die
Sondereffekte die Rechnung besser dastehen lässt, als sie tatsächlich ist. Das
ist insofern ungewöhnlich, weil die Linken – ironischerweise – so eine Art
letzte Bastion des bürgerlichen Gemeinderats im Stadtrat sind und dem
Gemeinderat oft unterstützen. Ihre Kritik hängt wohl ebenfalls mit dem Budget
zusammen: Grüne und Sozialdemokraten sehen eine Steuererhöhung als notwendig
an. Es könnte schwierig werden, diese dem Volk zu verkaufen, wenn die
Jahresrechnung zu toll aussieht, obwohl sie es eigentlich gar nicht ist.
Ansonsten mal Paul Bayard ein fröhliches Bild von einer finanzpolitisch
schwierige Zeit, die mit Pandemie und Krieg aufwartet. «Energietechnisch steckt
unser Kopf in der Schlinge», warnt Bayard die Anwesenden (besucht die
Stadtratssitzungen, es ist immer unglaublich aufheiternd und lebensbejahend…) Obwohl
nicht gänzlich zufrieden, stimmt die SP/GL Fraktion der Jahresrechnung zu – nicht
ohne hinterherzuschieben, dass sie bei Kultur, Bildung und Sozialem keine
Sparmassnahmen hinnehmen werden. Es hätte mich aber jetzt ehrlich gesagt auch
überrascht, wenn die SP verkündet hätte: «So, Leute, lasst uns das Kulturbudget
um die Hälfte kürzen, die Leute sollen sich die Florian Silbereisenshow
ansehen, dafür brauchen sie kein Stadttheater. Reissen wir es ab und stellen stattdessen
eine Lidl – Filiale hin…»
- Die
Fraktionschefin der SP, Saima Sägesser, gibt Finanzminister Roberto di Nino
Nachhilfe in Sachen Abstimmungskampf und kritisiert ihn dafür, dass er das hohe
Eigenkapitel in seinen Ausführungen so überbetont und damit das Resultat der
Jahresrechnung besser verkauft habe, als es tatsächlich ist. In Anbetracht der
drohenden Steuererhöhung sei das eher irritierend, so Sägesser. Sie muss es
wissen, denn wenn jemand damit Erfahrung hat, unbeliebte Abstimmungen, die
eigentlich niemand so recht versteht, durchzubringen, dann ist es die SP. Ganz
der Gentleman bedankt sich Roberto di Nino bei ihr für die Empfehlung. Er werde
sich überlegen, ob er ihr Folge leiste, fügt er grinsend hinzu. Ach, ist das
nicht schön? Ein erfahrener SVP – Gemeinderat und eine junge SP – Stadträtin
geben sich Tipps. Und das, ohne sich
gegenseitig die Wasserflaschen an den Kopf zu werfen. Das ist der Stoff aus dem
Hollywoodfilme sind!
- Die Jahresrechnung wird einstimmig genehmigt. Ich bin geplättet von der Effizienz, die der Stadtrat plötzlich an den Tag legt. Es ist schon fast eine Stunde vergangen und ich hatte bis noch nie das Bedürfnis, einem der Redner:innen ins Knie zu treten, einfach damit er oder sie aufhört zu reden.
Teil
4: Und es begab sich zu der Zeit des Kaiser Augustus…
- Auf
die Jahresrechnung folgt traditionsgemäss der Jahresbericht, Den könnt ihr auf
der – übrigens neugestalteten – Webseite der Stadt Langenthal einsehen. Er hat
nicht ganz so viel Umfang wie «Krieg und Frieden» und ist ehrlich gesagt nicht
halb so spannend wie Harry Potter, aber wer sich dafür interessiert, was in der
Langenthaler Verwaltung läuft und wer dort eigentlich für was zuständig ist,
wird dort alles finden, was er zu wissen braucht.
- Pascal
Dietrich zeigt sich stolz darüber, dass Langenthal drei Dörfer unter seinem Dach vereint:
Obersteckholz, Untersteckholz und der Schoren (die haben wir uns alle
geschnappt. Wir sind quasi die Römer im Oberaargau. Nur netter). Weniger stolz ist er auf dem Umstand, dass in
der laufenden Legislatur – die erst im Januar 2021 gestartet ist - im Stadtrat
bereits sechs Rücktritte erfolgt sind. Ende Legislatur sei wohlmöglich schon
der halbe Rat ausgewechselt, orakelt Dietrich, was demokratisch eher schwierig
sei. Stelle mir gerade vor, wie am Ende
der vier Jahre lauter neue Stadträt:innen hier sitzen und nur noch das Lama als
Konstante übrig geblieben ist. Dann könnte ich grosszügig Ratschläge verteilen
und würde jeweils vor der Sitzung Hof halten.
- Poetische
Töne kommen von Janosch Fankhauser (SVP): Es erfülle, Zitat: Die Fraktion
mit Wehmut, dass die grossen Planungsobjekte schon wieder in Verzug seien. Und dann setzt er noch eine Art Gebet hinzu,
indem er den Verantwortlichen gutes Gelingen und viel Glück wünscht. Wow. So gerührt war ich glaub noch nie von
einem SVP – Statement.
- Weniger
nach Poesie zumute ist es Sandro Baumgartner (SP). Er sei in erster Linie
erstaunt, trotz weniger Leute auf der Verwaltung einen so guten Bericht
verfassen könne. Und er kann sich einen Seitenhieb auf den Vorsteher des
Sicherheitsdepartements, Markus, nicht verkneifen. Weil es offenbar niemand
sonst getan hat, hat der seine Würdigung gleich selbst übernommen und sich im
Bericht dafür gelobt, dass es ihm trotz der vielen mühsamen Baustellen gelungen
sei, eine einigermassen gute Verkehrsführung aufrecht zu erhalten. Da habe es andere
Rückmeldungen aus der Bevölkerung erhalten, so Sandro Baumgartner lachend.
Wahrscheinlich hat Markus Gfeller all die entnervten Kommentare über das
Baustellenchaos überhört oder überlesen. Baumgartners Schelte hat er auf jeden Fall
nicht mitbekommen: Er stösst erst nach dem Votum zur Ratssitzung. Das nennt man
dann wohl politischen Instinkt.
- Diese neue Harmonie im Stadtrat, die dazu führt, dass alle sich bei allen bedanken und alle die tolle Arbeit der Verwaltung lobt, macht mir Angst. Das müssen die Alpakas sein, die senden gute Schwingungen vom Tierpark direkt in die Alte Mühle und machen die Stadträt:innen sanft wie Lämmchen, so dass er den Jahresbericht einstimmig zur Kenntnis nimmt (gut, mehr kann er damit ehrlicherweise gar nicht machen…)
Teil
5: «Was interessiert mich mein Geschwätz
von gestern!»
- Kommen
wir nun zum nächsten Punkt der Stadtratssitzung: Die «Alte Mühle». Inzwischen könnte
man einen Roman über dieses sehr schöne aber irgendwie schwer belebbare Areal
schreiben. Oder wie es Reto Müller in seinem Bericht so hübsch formuliert: «Dieses Areal verführt immer zu grossen
Träumen» Einst sollte es ein Hotel werden, schlussendlich wurde es ein
Restaurant. Eigentlich die Perle von Langenthal, wie der Stapi weiter ausführt
– man glaubt im Hintergrund dramatisch schluchzende Geigen zu hören - ist das
Areal brutal unternutzt. Vorübergehend ist das Altersheim Haslibrunnen
eingezogen, aber nur vorübergehend, bis der Umbau des eigentlichen Altersheims
über die Bühne gegangen ist.
- Viele
Motionen aus dem Stadtrat, die die Belebung des Areals zum Ziel hatten, haben
den Gemeinderat zum Handeln bewogen. Und der Gemeinderat hat beschlossen, dass
Areal nicht selbst weiterentwickeln zu wollen, sondern es in die Hände von
Investoren zu geben. Weil man, so Reto Müller, man das Gefühl habe, der Alten
Mühle nicht mehr gerecht werden zu können. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die
Stadt verkauft das Areal gleich oder er gibt dem Boden im Baurecht ab. Im
weiteren Vorgehen würde man eine Entwicklungsstrategie erarbeiten, deren Ziel
es wäre, am Ende ein Investorendossier vorweisen zu können, damit besagte
Investoren wissen, was sie sich da Hübsches anlachen. Natürlich gäbe das
Einiges zu tun. So müsste man die betreffende Überbauungsordnung anpassen
(meine Güte. Wir haben so viele ÜOs in Langenthal, wir sollten darauf Rabatt
kriegen. Um die entsprechenden Schritte
in die Wege leiten zu können, beantragt der Gemeinderat beim Stadtrat einen
Kredit von 250'000.
- Okay, es wird seltsam. Denn derselbe Stadtrat, der noch vor kurzem ausgiebig darüber gejammert hat, dass die Alte Mühle einfach leer bleibt und den Gemeinderat mehr oder weniger dazu verdonnert hat, etwas zu unternehmen, leidet plötzlich an einer Art kollektiven Amnesie und findet das Geschäft nicht mehr wichtig und vernachlässigbar.
- Stefan
Grossenbacher (SVP) ist der Ansicht, dass wir unsere finanziellen Kräfte
bündeln müssen und nicht mit der Giesskanne verteilen dürfen, denn weitere
Investitionen stehen an, schliesslich brauche Langenthal neben Theater und Badi
auch ein Eisstadion. Wer energietechnisch was auf sich halte, müsse sowieso für
das neue Stadion sein, denn das werde viel weniger Energie verbraten als das
alte (ich weiss jetzt nicht genau, was das Stadion und dessen Energieverbrauch mit
der Alte Mühle zu tun hat, aber okay). Den Rohdiamant «Alte Mühle» dagegen, so
Grossenbacher, solle man der neuen Generation überlassen. Klar. Wenn die neue
Generation damit fertig ist, die Folgen des Klimawandels – der unter anderen
auch dadurch verursacht wurde, dass wir es irgendwann für notwendig hielten
möglichst schon im Juli Wintersport zu treiben – hat sie ja dann Zeit, sich um
die Entwicklung des Mühleareals zu kümmern.
- Stefanie
Barben lehnt im Namen der FDP Fraktion den Kredit ab, weil sie eine weitere
Studie für nicht zielführend haltet. «Im schlimmsten Fall haben wir dann wieder
Planungsleiche im Keller – so wie bei anderen grossen Projekten der Stadt», so
Barben. Besser eine Leiche im Keller, als ein Toter in der Gefrierkühltruhe,
sag ich ja immer.
- Dyami
Häfliger macht klar, dass die GLP/EVP Fraktion das ähnlich sieht. Und auch er
findet, dass man komplizierte Projekte manchmal eben einfach an frische Kräfte
übergeben müsse. Michael Schenk findet in dem zukünftigen Verfall des Areals
sogar eine ganz eigene Schönheit, schliesslich sehe das Silo mit dem Efeu
ebenfalls viel schöner aus und sei erst noch gut fürs Stadtklima. Okay. Vor ein
paar Jahren klang es noch so, als würde Langenthal ein unglaublicher
Kulturschatz verloren gehen, wenn man das Silo irgendwie anrührt, aber klar,
Efeu ist hübsch.
- Wenigstens
von der Ratslinken bekommt der Gemeinderat Unterstützung. Päivi Lehmann hält
das Vorgehen für einen guten nächsten Schritt in der Weiterentwicklung der
Alten Mühle. Paul Bayard wähnt sich unterdessen in einem Traum. «Ich kann eure
Argumente kaum glauben», stellt er fassungslos fest und erinnert die Bürgerlichen
daran, dass sie es gewesen sind, die damals auf Handlungen in der Alten Mühle
drängten. Ich bin beruhigt, dass nicht nur ich das so in Erinnerung haben.
- Ähnlich
irritiert zeigen sich die Grünen. «Wir reden hier von einem Areal im Herzen von
Langenthal – und ihr wollt das einfach zuwachsen lassen?», empört sich Georg
Cap. «In zehn Jahren werden keine Lösungen vom Himmel fallen, wir werden keinen
Schritt weiter sein!» Uiii, da haben die Grünpflanzen im Stadtrat ganz schön
Feuer gefangen. Ich bin beeindruckt.
- Trotz
der leidenschaftlichen Voten: Die Niederlage des Gemeinderats zeichnet sich
aber. Die bürgerliche Seite des Stadtrats hat zu viel Respekt vor zukünftigen
Investitionen und will sich nicht verzetteln. Ich hege fast den Verdacht, dass
sie die «Alte Mühle» zugunsten des Stadions opfern – ich bin dann gespannt auf
diese Diskussionen. Sollten wir je an dem Punkt kommen, an dem sie tatsächlich
stattfinden, natürlich.
- Der
Antrag der Linken, ein öffentliches Wegrecht für Fussgänger:innen, und den
Langsamverkehr auf dem Areal der «Alten Mühle» festzulegen wird ebenfalls abgeschmettert,
mit der Begründung, dass es keinen Sinn mache, Leitlinien zu setzen, wenn noch
gar kein konkretes Projekt da sei. Wie man ein solches Projekt ausformulieren
soll, ohne irgendwelche Leitlinien zu setzen, bleibt das Geheimnis der
Stadtratsmehrheit.
- Bei
seinem Abschlussvotum wirkt Reto Müller leicht echauffiert. «Ich bin froh, dass
die Verantwortlichen dieses Geschäfts heute alle anwesend sind, weil mir sonst
niemand glauben würde, was jetzt passiert ist.» Er rekapituliert noch einmal
die ganze lange Geschichte der Alten Mühle, inklusive der vielen Male, in der
das Geschäft im Stadtrat war. mit Stadträt:innen besprochen wurde. Ebenfalls
führt er aus, dass die vorliegende Variante die günstigste sei. Zudem sei es
ist noch nicht lange her, da herrschte ein grosser Druck im Stadtrat, man solle
unbedingt etwas machen. Als es vor einem Jahr um die Fristverlängerung
betreffend der Motionen der «Alten Mühle» gegangen sei, sei man noch der
Meinung gewesen, der Gemeinderat sei lahmarschig und mache nicht vorwärts,
beschwert sich Müller. Hätte er einen Hut aufgehabt, hätte er ihn an diesem
Punkt wohlmöglich wie Klaas Klever aufgegessen. Vor Wut.
- Diego
Clavadetscher fühlt sich daraufhin bewogen, den Standpunkt seiner Fraktion noch
einmal zu unterlegen. Das Problem bei der Alten Mühe sei, dass jedes Mal, wenn
es an die politische Machbarkeit und konkrete Umsetzung der Ideen gegangen
wäre, die Bremse gezogen wurde. «Was nützt es, 250'000 Franken in ein
Investorendossier zu pumpen, wenn man die politische Entscheidung und das
eventuelle Scheitern vor dem Volk scheut?», fragt Clavadetscher rhetorisch.
- Reto Müller erwidert, dass er konstruktive Vorschläge vermisse. Was soll man denn konkret auf dem Mühle Areal machen und welcher Weg, wenn nicht dieser, sei denn der Richtige . «Nein sagen ist einfach…aber nicht immer das Richtige», beschwört er den Rat noch ein letztes Mal. Vergeblich. Der Antrag des Gemeinderates wird abgelehnt. Damit ist klar, dass nach all den Studien, den Diskussionen, den Powerpointpräsentationen, Vorträgen und Motionen…nicht passiert. Und mein Disneyland bekomm ich auch nicht *schnief*. Aber hey: Vielleicht ist es ja ein Beitrag zur Biodiversität, wenn wir alles zuwuchern lassen und dereinst Riesenheuschrecken und blaue Marienkäfer hier nisten. Oh, oder wir könnten ein Labyrinth wachsen lassen! Das nennen wir dann «Stadträtliche Entscheidungsfindung». Ich würde mich sonst als Minotaurus zur Verfügung stellen…
Teil 6: Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage
- Fast
scheint es, als wäre die Harmonie nach diesem Tauziehen endgültig da hin. Ob
ich wohl die Alpakas vom Tierpark holen soll, damit alle mal streicheln und
sich am Ende wieder glücklich in die Arme fallen können? Aber nein, nach einer
kurzen Pause werden die Friedensflaggen gehisst und alle sind wieder lieb
zueinander. So lieb, dass sie sowohl Geld für das Ferienheim Oberwald, als auch
für die Jugendarbeitsfachstelle genehmigen, denn wie könnte man Geld besser
ausgeben, als für strahlender Kinderaugen (gut, ich könnte mir da schon einiges
vorstellen, aber ich bin ein eigensüchtiges Biest, von daher bin ich kein
Massstab.
- Die
neu entdeckte Nettigkeit setzt der Stadtrat sogar um, als er den Antrag von
Saima Sägesser in Langenthal eine Kurtaxe einzuführen, abwürgt. Zwar lassen es
die Bürgerlichen sich nicht nehmen, zu erklären, dass das Kosten – Nutzen
Verhältnis nicht stimme und Langenthal sowieso zu wenig touristisch sei (äh
hallo? Scharen von Feriengästen kommen in unser Dorf, weil sie die
potthässliche…ich meine wunderschöne Eisenplastik vor dem Manor sehen
wollen!), als das eine solche Erhebung was bringe, aber immerhin attestieren
sie, dass es ein sympathisches Anliegen sei. Sympathisch ist die kleine
Schwester von Scheisse.
- Ganz
am Ende wird dann noch gewählt. Daniel Bösiger (SVP) verlässt den Stadtrat und
damit wird ein Sitz in der GPK frei (das sind, die so coole Sachen, wie
«formelle Richtigkeit» sagen dürfen). Der wird übernommen von Corinna
Grossenbacher (SVP), die auch gleich von Janosch Fankhauser vorgestellt wird,
weil man das eben so macht, wie Fankhauser betont. Auch wenn alle die
Kandidatin schon lange kennen. Wenig überraschend wir Grossenbacher gewählt.
Damit steigt der Frauenanteil in dieser wichtigen Kommission auf zwei.
- Neben
Daniel Bösiger hatte auch Stefanie Loser ihre letzte Stadtratssitzung. Ach je.
Ich bin so schlecht im Abschied nehmen. Alles Gute und geniesst die Zeit ohne
langatmige Budgetdebatten und erbitterten Streitigkeiten über die korrekte
Anwendung der Kommaregeln.
- Damit sind wir auch schon am Ende des Protokolls angelangt. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit – ich hoffe, ihr hattet Spass und bleibt dem Lama weiterhin bei seinen Versuchen treu, die Weltherrschaft an sich zu reissen.
„Der Himmel draussen
ist finster und der Finanzhimmel sieht ähnlich dunkel aus.“ Was wären wir ohne
Pascal Dietrichs (parteilos, FDP/JLL Fraktion) bildliche Sprache?
„Wenn man allein auf
dem Bilanzüberschiss…äh schuss, schaut.“ Ein freud’scher Versprecher, wieder
von Pascal Dietrich.
«Ich bleibe kurz, dann mache ich keinen Fehler.» Reto Müller und seine
Strategie «Wie überlebe ich den Stadtrat?»
«Wer
den Jahresbericht nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch gelesen hat, kann
jetzt auf halten…» Die launige Stadtratspräsidentin Beatrice Lüthi (FDP)
«Ich
gehe davon aus, dass alle intelligent genug sind, das zu begreifen.» Und wenn
nicht, traut sich sicher niemand mehr, das zuzugeben. Wieder Beatrice Lüthi
«Silo
– Filetstück oder abreissen?» Oder ein Filet, von dem man ein Stück abbeissen
sollte? Daniel Bösiger (SVP), stellt sich die wichtigen Fragen des Lebens.
«Von
mir aus müssen wir auch nicht mehr sprengen.» Grosszügig, Michael Schenk (SVP)
«Vielleicht
sind wir auch ein bisschen faul, weil uns niemand in den Arsch tritt, aber in
den grossen Städten wäre das Gebäude hier schon lange besetzt!» Georg Cap
(Grüne) skizziert eine Horrorvision der Bürgerlichen.
«Ich
hoffe, dass das Efeu fleissig wächst und die Bausubstanz stabilisiert, damit das
Gebäude niemanden auf dem Kopf fällt.» Wieder Georg Cap, der wohl einmal zu
viel Dornröschen gesehen hat.
«Ich
habe schon überlegt, ob ich sagen will,: ich bleibe so lange im Amt bis das
Geschäft durch ist.» Wenn gar nichts mehr nützt, dann vielleicht Erpressung: Stapi
Reto Müller (SP).
«Ich
mag Kartoffeln.» Und das wollen wir alle wissen: Wieder Reto Müller.
«Pascal Dietrich von der EVP/JLL
Fraktion…äh nein, FDP….Ach ja, er ist ja eh parteilos…» Beatrice Lüthi im
Parteiendschungel.
«Vielleicht kaufe ich Bettsocken für die ganze
Stadt.» Paul Bayard (SP) macht sich Sorgen um die Gasversorgung von
Langenthal…und um die zarten Füsschen der Einwohner:innen.
«Keine Angst, es wird
keine Tiktokvideos aus dem Stadtrat geben.» Reto Müller macht viel für das
Marketing der Stadt…aber eben nicht alles.
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