Dienstag, 28. Juni 2022

Das andere Stadtratsprotokoll (27.5.2022)


Teil 1: Vorgeplänkel

  • Hallo und herzlich willkommen zu einer weiteren Folge des exklusiven Liveblogs zur Stadtratssitzung. Es bloggt für Sie, wie immer, das einzigartige und wunderbare Lama, das heute zum ersten Mal in seiner Karriere zu spät an die Sitzung gekommen ist, was einfach daran liegt, das Zeit und Raum für mich keine Rolle mehr spielt, nicht etwa daran, dass ich nochmal umkehren musste, weil ich Schussel was vergessen hatte…

  • Geniesst dieses Stadtratsprotokoll, denn jetzt gehen die Stadträt:innen in die verdiente Sommerpause, wo sie ihre Zeit zweifellos damit verbringen, in Gesetzbüchern nach weiteren komplizierten Definitionen zu suchen oder aber über Motionen zu brüten, die sie dann ein paar Sitzungen später selbst wieder über den Haufen werfen.

 

Teil 2: Haben oder Nichthaben, das ist hier die Frage!

  • Wir wenden uns sogleich dem ersten richtigen Traktandum zu – den Appell können wir getrost überspringen – der Genehmigung der Jahresrechnung. Wetten, dass wir im Verlauf dieser Diskussion von den Stadträt:innen folgende Sätze hören werden: «Diese Rechnung hat in unserer Fraktion zu Stirnrunzeln geführt» «Wir nehmen es zähneknirschend zur Kenntnis» und «Wir leben auf zu grossem Fuss».

  • Merken wir uns für diese Sitzung: Der zustände Gemeinderat heisst DI Nino und nicht DE Nino, wie ich ihn grundsätzlich und relativ konstant nenne. Verzeihung. Normalerweise bin ich echt gut mit Namen, aber dann habe ich jetzt glaub für immer und ewig falsch abgespeichert.
     
  • Roberto DI Nino präsentiert also die Jahresrechnung. Das Ergebnis des steuerfinanzierten Haushalts liegt bei einem Defizit von etwa über zwei Millionen. Okay, eigentlich sind es fast drei Millionen, aber ich will hier ja nicht allzu negativ rein, deshalb habe ich es jetzt mal positiv formuliert.
     
  • Positiv auf das Ergebnis gewirkt hat natürlich die Rückführung der Alten Mühle ins städtische Eigentum – wir erinnern uns. Oder auch nicht. Bei der Alten Mühle kann man bei dem vielen Hin und her natürlich schon mal ein wenig die Übersicht verlieren, wie sich später noch zeigen wird.  

  • Wieder einmal haben sogenannte Sonderfaktoren zu einem positiven Ergebnis geführt. Jetzt kann man sagen: Ein Plus ist ein plus, egal wie es zustande gekommen ist. Wie beim Schwangerschaftstest. Nur, das Problem ist halt, dass Sonderfaktoren – wie der Name es sagt -  aufgrund von außerordentlichen Ereignissen zustande kommen. Da spielt halt auch mal Zufall oder Glück oder Gott eine Rolle und das sind bekanntlich Dinge, die außerhalb des menschlichen Einflussbereichs liegen.
     
  • Vielleicht mal ein kurzer theoretischer Teil zum Thema: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Budget und Jahresrechnung. Das Budget ist quasi ein Blick in die Zukunft: Wie sollten sich die Finanzen entwickeln, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen? Die Rechnung ist dann der Blick zurück: Wie haben sich die Finanzen, also die Erträge und Aufwände, tatsächlich entwickelt und decken die sich mit dem Budget?
     
  • In unserem Fall schneidet die Jahresrechnung 2021 deutlich schlechter ab, als budgetiert. Und die Zukunft sieht auch nicht gerade rosig aus. Corona zeigt immer noch Nachwirkungen und der Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, schlägt sich auch auf die Börse nieder, was wiederum Auswirkungen auf die Börsengewinne der Stadt haben wird.
     
  • Stolz vermerkt Roberto di Nino, dass der  Personalaufwand der Verwaltung abgenommen hat. Aus dem schlichten Grund, weil manche Stellen in der Verwaltung immer noch nicht besetzt sind. Wenn kein Pferd im Stall ist, frisst auch niemand Heu. Aber es kann halt auch niemand darauf reiten reiten.
     
  • Ein interessantes Detail ist noch die Tatsache, dass die Lehrerlöhne in Langenthal leicht gestiegen sind. In Anbetracht des Lehrermangels ja vielleicht gar nicht so schlecht. Kommt nach Langenthal, ihr lieben Lehrer:innen, wir haben Geld (jedenfalls jetzt noch).
     
  • Diese Tatsache verdanken wir übrigens dem großzügigen Polster namens Eigenkapital, das immer noch so hoch ist, dass die Stadt trotz des negativen Ergebnisses noch immer einen Bilanzüberschuss von über 76 Mio. Trotzdem ist das Ergebnis der Jahresrechnung kein glanzvoller Erfolg, denn wenn man Jahr um Jahr immer mehr Defizite einfährt und immer mehr von diesem Eigenkapital zehrt, bleibt irgendwann nichts mehr übrig. Außer die sieben Zwergen würden spontan eine Juwelenmiene in Langenthal entdecken und uns die Steine freundlicherweise zur Verfügung stellen, dann würden sich viele unserer Probleme von allein lösen (so wie sich Schneewittchens Probleme auch erheblich schneller gelöst hätten, wenn sie sich als taffe Unternehmerin betätigt hätte, statt einfach darauf zu warten, dass ein dahergelaufener Prinz sie knutscht).
     
  • Roberto di Nino beendet seinen Vortrag mit dem Fazit das Ergebnis sei „unerfreulich, aber kein Grund zur Panik.“ Sagen das nicht immer Leute in Horrorfilmen, bevor sie vom Monster gefressen werden? 

 

Teil 3: Der lange Schatten des Budgets

 

  • Panisch wirken die Stadträt:innen nicht gerade – wahrscheinlich haben alle ihre Handtücher dabei – aber so ganz, können sie ihre Beunruhigung dann doch nicht verbergen. Pascal Dietrich (parteilos, FDP/JLL Fraktion) stellt fest, dass es die schlechteste Jahresrechnung seit 2015 sei und zum ersten Mal seit langem noch mieser abschneidet als budgetiert (okay, das klingt wirklich schlecht). Allerdings lässt er es sich nicht nehmen zu erwähnen, dass die Steuererträge insgesamt sehr stabil sind – für ihn eine erfreuliche Tatsache, die er wohl auch in Hinblick auf die Diskussionen rund um die Steuererhöhung, die der Gemeinderat angekündigt hat, noch einmal aufs Tapet bringt. Man muss sich eben in Position bringen.
     
  • So ist wohl auch Paul Bayards (SP/GL) Votum zu bewerten, der mitteilt, dass es in seiner Fraktion Stimmen gab, welche die Rechnung zurückweisen wollten, weil die Sondereffekte die Rechnung besser dastehen lässt, als sie tatsächlich ist. Das ist insofern ungewöhnlich, weil die Linken – ironischerweise – so eine Art letzte Bastion des bürgerlichen Gemeinderats im Stadtrat sind und dem Gemeinderat oft unterstützen. Ihre Kritik hängt wohl ebenfalls mit dem Budget zusammen: Grüne und Sozialdemokraten sehen eine Steuererhöhung als notwendig an. Es könnte schwierig werden, diese dem Volk zu verkaufen, wenn die Jahresrechnung zu toll aussieht, obwohl sie es eigentlich gar nicht ist. Ansonsten mal Paul Bayard ein fröhliches Bild von einer finanzpolitisch schwierige Zeit, die mit Pandemie und Krieg aufwartet. «Energietechnisch steckt unser Kopf in der Schlinge», warnt Bayard die Anwesenden (besucht die Stadtratssitzungen, es ist immer unglaublich aufheiternd und lebensbejahend…) Obwohl nicht gänzlich zufrieden, stimmt die SP/GL Fraktion der Jahresrechnung zu – nicht ohne hinterherzuschieben, dass sie bei Kultur, Bildung und Sozialem keine Sparmassnahmen hinnehmen werden. Es hätte mich aber jetzt ehrlich gesagt auch überrascht, wenn die SP verkündet hätte: «So, Leute, lasst uns das Kulturbudget um die Hälfte kürzen, die Leute sollen sich die Florian Silbereisenshow ansehen, dafür brauchen sie kein Stadttheater. Reissen wir es ab und stellen stattdessen eine Lidl – Filiale hin…»
     
  • Die Fraktionschefin der SP, Saima Sägesser, gibt Finanzminister Roberto di Nino Nachhilfe in Sachen Abstimmungskampf und kritisiert ihn dafür, dass er das hohe Eigenkapitel in seinen Ausführungen so überbetont und damit das Resultat der Jahresrechnung besser verkauft habe, als es tatsächlich ist. In Anbetracht der drohenden Steuererhöhung sei das eher irritierend, so Sägesser. Sie muss es wissen, denn wenn jemand damit Erfahrung hat, unbeliebte Abstimmungen, die eigentlich niemand so recht versteht, durchzubringen, dann ist es die SP. Ganz der Gentleman bedankt sich Roberto di Nino bei ihr für die Empfehlung. Er werde sich überlegen, ob er ihr Folge leiste, fügt er grinsend hinzu. Ach, ist das nicht schön? Ein erfahrener SVP – Gemeinderat und eine junge SP – Stadträtin geben sich Tipps.  Und das, ohne sich gegenseitig die Wasserflaschen an den Kopf zu werfen. Das ist der Stoff aus dem Hollywoodfilme sind!

  • Die Jahresrechnung wird einstimmig genehmigt. Ich bin geplättet von der Effizienz, die der Stadtrat plötzlich an den Tag legt. Es ist schon fast eine Stunde vergangen und ich hatte bis noch nie das Bedürfnis, einem der Redner:innen ins Knie zu treten, einfach damit er oder sie aufhört zu reden. 

 

Teil 4: Und es begab sich zu der Zeit des Kaiser Augustus…

  • Auf die Jahresrechnung folgt traditionsgemäss der Jahresbericht, Den könnt ihr auf der – übrigens neugestalteten – Webseite der Stadt Langenthal einsehen. Er hat nicht ganz so viel Umfang wie «Krieg und Frieden» und ist ehrlich gesagt nicht halb so spannend wie Harry Potter, aber wer sich dafür interessiert, was in der Langenthaler Verwaltung läuft und wer dort eigentlich für was zuständig ist, wird dort alles finden, was er zu wissen braucht.

  • Pascal Dietrich zeigt sich stolz darüber, dass Langenthal  drei Dörfer unter seinem Dach vereint: Obersteckholz, Untersteckholz und der Schoren (die haben wir uns alle geschnappt. Wir sind quasi die Römer im Oberaargau. Nur netter).  Weniger stolz ist er auf dem Umstand, dass in der laufenden Legislatur – die erst im Januar 2021 gestartet ist - im Stadtrat bereits sechs Rücktritte erfolgt sind. Ende Legislatur sei wohlmöglich schon der halbe Rat ausgewechselt, orakelt Dietrich, was demokratisch eher schwierig sei.  Stelle mir gerade vor, wie am Ende der vier Jahre lauter neue Stadträt:innen hier sitzen und nur noch das Lama als Konstante übrig geblieben ist. Dann könnte ich grosszügig Ratschläge verteilen und würde jeweils vor der Sitzung Hof halten.  

  • Poetische Töne kommen von Janosch Fankhauser (SVP): Es erfülle, Zitat: Die Fraktion mit Wehmut, dass die grossen Planungsobjekte schon wieder in Verzug seien.  Und dann setzt er noch eine Art Gebet hinzu, indem er den Verantwortlichen gutes Gelingen und viel Glück wünscht.  Wow. So gerührt war ich glaub noch nie von einem SVP – Statement.

  • Weniger nach Poesie zumute ist es Sandro Baumgartner (SP). Er sei in erster Linie erstaunt, trotz weniger Leute auf der Verwaltung einen so guten Bericht verfassen könne. Und er kann sich einen Seitenhieb auf den Vorsteher des Sicherheitsdepartements, Markus, nicht verkneifen. Weil es offenbar niemand sonst getan hat, hat der seine Würdigung gleich selbst übernommen und sich im Bericht dafür gelobt, dass es ihm trotz der vielen mühsamen Baustellen gelungen sei, eine einigermassen gute Verkehrsführung aufrecht zu erhalten. Da habe es andere Rückmeldungen aus der Bevölkerung erhalten, so Sandro Baumgartner lachend. Wahrscheinlich hat Markus Gfeller all die entnervten Kommentare über das Baustellenchaos überhört oder überlesen. Baumgartners Schelte hat er auf jeden Fall nicht mitbekommen: Er stösst erst nach dem Votum zur Ratssitzung. Das nennt man dann wohl politischen Instinkt.

  • Diese neue Harmonie im Stadtrat, die dazu führt, dass alle sich bei allen bedanken und alle die tolle Arbeit der Verwaltung lobt, macht mir Angst. Das müssen die Alpakas sein, die senden gute Schwingungen vom Tierpark direkt in die Alte Mühle und machen die Stadträt:innen sanft wie Lämmchen, so dass er den Jahresbericht einstimmig zur Kenntnis nimmt (gut, mehr kann er damit ehrlicherweise gar nicht machen…)

 

Teil 5:  «Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern!»


  • Kommen wir nun zum nächsten Punkt der Stadtratssitzung: Die «Alte Mühle». Inzwischen könnte man einen Roman über dieses sehr schöne aber irgendwie schwer belebbare Areal schreiben. Oder wie es Reto Müller in seinem Bericht so hübsch formuliert:  «Dieses Areal verführt immer zu grossen Träumen» Einst sollte es ein Hotel werden, schlussendlich wurde es ein Restaurant. Eigentlich die Perle von Langenthal, wie der Stapi weiter ausführt – man glaubt im Hintergrund dramatisch schluchzende Geigen zu hören - ist das Areal brutal unternutzt. Vorübergehend ist das Altersheim Haslibrunnen eingezogen, aber nur vorübergehend, bis der Umbau des eigentlichen Altersheims über die Bühne gegangen ist.

  • Viele Motionen aus dem Stadtrat, die die Belebung des Areals zum Ziel hatten, haben den Gemeinderat zum Handeln bewogen. Und der Gemeinderat hat beschlossen, dass Areal nicht selbst weiterentwickeln zu wollen, sondern es in die Hände von Investoren zu geben. Weil man, so Reto Müller, man das Gefühl habe, der Alten Mühle nicht mehr gerecht werden zu können.  Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Stadt verkauft das Areal gleich oder er gibt dem Boden im Baurecht ab. Im weiteren Vorgehen würde man eine Entwicklungsstrategie erarbeiten, deren Ziel es wäre, am Ende ein Investorendossier vorweisen zu können, damit besagte Investoren wissen, was sie sich da Hübsches anlachen. Natürlich gäbe das Einiges zu tun. So müsste man die betreffende Überbauungsordnung anpassen (meine Güte. Wir haben so viele ÜOs in Langenthal, wir sollten darauf Rabatt kriegen.  Um die entsprechenden Schritte in die Wege leiten zu können, beantragt der Gemeinderat beim Stadtrat einen Kredit von 250'000.

  • Okay, es wird seltsam. Denn derselbe Stadtrat, der noch vor kurzem ausgiebig darüber gejammert hat, dass die Alte Mühle einfach leer bleibt und den Gemeinderat mehr oder weniger dazu verdonnert hat, etwas zu unternehmen, leidet plötzlich an einer Art kollektiven Amnesie und findet das Geschäft nicht mehr wichtig und vernachlässigbar.
  • Stefan Grossenbacher (SVP) ist der Ansicht, dass wir unsere finanziellen Kräfte bündeln müssen und nicht mit der Giesskanne verteilen dürfen, denn weitere Investitionen stehen an, schliesslich brauche Langenthal neben Theater und Badi auch ein Eisstadion. Wer energietechnisch was auf sich halte, müsse sowieso für das neue Stadion sein, denn das werde viel weniger Energie verbraten als das alte (ich weiss jetzt nicht genau, was das Stadion und dessen Energieverbrauch mit der Alte Mühle zu tun hat, aber okay). Den Rohdiamant «Alte Mühle» dagegen, so Grossenbacher, solle man der neuen Generation überlassen. Klar. Wenn die neue Generation damit fertig ist, die Folgen des Klimawandels – der unter anderen auch dadurch verursacht wurde, dass wir es irgendwann für notwendig hielten möglichst schon im Juli Wintersport zu treiben – hat sie ja dann Zeit, sich um die Entwicklung des Mühleareals zu kümmern.

  • Stefanie Barben lehnt im Namen der FDP Fraktion den Kredit ab, weil sie eine weitere Studie für nicht zielführend haltet. «Im schlimmsten Fall haben wir dann wieder Planungsleiche im Keller – so wie bei anderen grossen Projekten der Stadt», so Barben. Besser eine Leiche im Keller, als ein Toter in der Gefrierkühltruhe, sag ich ja immer.

  • Dyami Häfliger macht klar, dass die GLP/EVP Fraktion das ähnlich sieht. Und auch er findet, dass man komplizierte Projekte manchmal eben einfach an frische Kräfte übergeben müsse. Michael Schenk findet in dem zukünftigen Verfall des Areals sogar eine ganz eigene Schönheit, schliesslich sehe das Silo mit dem Efeu ebenfalls viel schöner aus und sei erst noch gut fürs Stadtklima. Okay. Vor ein paar Jahren klang es noch so, als würde Langenthal ein unglaublicher Kulturschatz verloren gehen, wenn man das Silo irgendwie anrührt, aber klar, Efeu ist hübsch.

  • Wenigstens von der Ratslinken bekommt der Gemeinderat Unterstützung. Päivi Lehmann hält das Vorgehen für einen guten nächsten Schritt in der Weiterentwicklung der Alten Mühle. Paul Bayard wähnt sich unterdessen in einem Traum. «Ich kann eure Argumente kaum glauben», stellt er fassungslos fest und erinnert die Bürgerlichen daran, dass sie es gewesen sind, die damals auf Handlungen in der Alten Mühle drängten. Ich bin beruhigt, dass nicht nur ich das so in Erinnerung haben.

  • Ähnlich irritiert zeigen sich die Grünen. «Wir reden hier von einem Areal im Herzen von Langenthal – und ihr wollt das einfach zuwachsen lassen?», empört sich Georg Cap. «In zehn Jahren werden keine Lösungen vom Himmel fallen, wir werden keinen Schritt weiter sein!» Uiii, da haben die Grünpflanzen im Stadtrat ganz schön Feuer gefangen. Ich bin beeindruckt.

  • Trotz der leidenschaftlichen Voten: Die Niederlage des Gemeinderats zeichnet sich aber. Die bürgerliche Seite des Stadtrats hat zu viel Respekt vor zukünftigen Investitionen und will sich nicht verzetteln. Ich hege fast den Verdacht, dass sie die «Alte Mühle» zugunsten des Stadions opfern – ich bin dann gespannt auf diese Diskussionen. Sollten wir je an dem Punkt kommen, an dem sie tatsächlich stattfinden, natürlich. 

  • Der Antrag der Linken, ein öffentliches Wegrecht für Fussgänger:innen, und den Langsamverkehr auf dem Areal der «Alten Mühle» festzulegen wird ebenfalls abgeschmettert, mit der Begründung, dass es keinen Sinn mache, Leitlinien zu setzen, wenn noch gar kein konkretes Projekt da sei. Wie man ein solches Projekt ausformulieren soll, ohne irgendwelche Leitlinien zu setzen, bleibt das Geheimnis der Stadtratsmehrheit.
     
  • Bei seinem Abschlussvotum wirkt Reto Müller leicht echauffiert. «Ich bin froh, dass die Verantwortlichen dieses Geschäfts heute alle anwesend sind, weil mir sonst niemand glauben würde, was jetzt passiert ist.» Er rekapituliert noch einmal die ganze lange Geschichte der Alten Mühle, inklusive der vielen Male, in der das Geschäft im Stadtrat war. mit Stadträt:innen besprochen wurde. Ebenfalls führt er aus, dass die vorliegende Variante die günstigste sei. Zudem sei es ist noch nicht lange her, da herrschte ein grosser Druck im Stadtrat, man solle unbedingt etwas machen. Als es vor einem Jahr um die Fristverlängerung betreffend der Motionen der «Alten Mühle» gegangen sei, sei man noch der Meinung gewesen, der Gemeinderat sei lahmarschig und mache nicht vorwärts, beschwert sich Müller. Hätte er einen Hut aufgehabt, hätte er ihn an diesem Punkt wohlmöglich wie Klaas Klever aufgegessen. Vor Wut.

  • Diego Clavadetscher fühlt sich daraufhin bewogen, den Standpunkt seiner Fraktion noch einmal zu unterlegen. Das Problem bei der Alten Mühe sei, dass jedes Mal, wenn es an die politische Machbarkeit und konkrete Umsetzung der Ideen gegangen wäre, die Bremse gezogen wurde. «Was nützt es, 250'000 Franken in ein Investorendossier zu pumpen, wenn man die politische Entscheidung und das eventuelle Scheitern vor dem Volk scheut?», fragt Clavadetscher rhetorisch.

  • Reto Müller erwidert, dass er konstruktive Vorschläge vermisse. Was soll man denn konkret auf dem Mühle Areal machen und welcher Weg, wenn nicht dieser, sei denn der Richtige . «Nein sagen ist einfach…aber nicht immer das Richtige», beschwört er den Rat noch ein letztes Mal. Vergeblich. Der Antrag des Gemeinderates wird abgelehnt. Damit ist klar, dass nach all den Studien, den Diskussionen, den Powerpointpräsentationen, Vorträgen und Motionen…nicht passiert. Und mein Disneyland bekomm ich auch nicht *schnief*.  Aber hey: Vielleicht ist es ja ein Beitrag zur Biodiversität, wenn wir alles zuwuchern lassen und dereinst Riesenheuschrecken und blaue Marienkäfer hier nisten. Oh, oder wir könnten ein Labyrinth wachsen lassen! Das nennen wir dann «Stadträtliche Entscheidungsfindung». Ich würde mich sonst als Minotaurus zur Verfügung stellen…

 

 Teil 6: Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage

  • Fast scheint es, als wäre die Harmonie nach diesem Tauziehen endgültig da hin. Ob ich wohl die Alpakas vom Tierpark holen soll, damit alle mal streicheln und sich am Ende wieder glücklich in die Arme fallen können? Aber nein, nach einer kurzen Pause werden die Friedensflaggen gehisst und alle sind wieder lieb zueinander. So lieb, dass sie sowohl Geld für das Ferienheim Oberwald, als auch für die Jugendarbeitsfachstelle genehmigen, denn wie könnte man Geld besser ausgeben, als für strahlender Kinderaugen (gut, ich könnte mir da schon einiges vorstellen, aber ich bin ein eigensüchtiges Biest, von daher bin ich kein Massstab.

  • Die neu entdeckte Nettigkeit setzt der Stadtrat sogar um, als er den Antrag von Saima Sägesser in Langenthal eine Kurtaxe einzuführen, abwürgt. Zwar lassen es die Bürgerlichen sich nicht nehmen, zu erklären, dass das Kosten – Nutzen Verhältnis nicht stimme und Langenthal sowieso zu wenig touristisch sei (äh hallo? Scharen von Feriengästen kommen in unser Dorf, weil sie die potthässliche…ich meine wunderschöne Eisenplastik vor dem Manor sehen wollen!), als das eine solche Erhebung was bringe, aber immerhin attestieren sie, dass es ein sympathisches Anliegen sei. Sympathisch ist die kleine Schwester von Scheisse.

  • Ganz am Ende wird dann noch gewählt. Daniel Bösiger (SVP) verlässt den Stadtrat und damit wird ein Sitz in der GPK frei (das sind, die so coole Sachen, wie «formelle Richtigkeit» sagen dürfen). Der wird übernommen von Corinna Grossenbacher (SVP), die auch gleich von Janosch Fankhauser vorgestellt wird, weil man das eben so macht, wie Fankhauser betont. Auch wenn alle die Kandidatin schon lange kennen. Wenig überraschend wir Grossenbacher gewählt. Damit steigt der Frauenanteil in dieser wichtigen Kommission auf zwei.

  • Neben Daniel Bösiger hatte auch Stefanie Loser ihre letzte Stadtratssitzung. Ach je. Ich bin so schlecht im Abschied nehmen. Alles Gute und geniesst die Zeit ohne langatmige Budgetdebatten und erbitterten Streitigkeiten über die korrekte Anwendung der Kommaregeln.

  • Damit sind wir auch schon am Ende des Protokolls angelangt. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit – ich hoffe, ihr hattet Spass und bleibt dem Lama weiterhin bei seinen Versuchen treu, die Weltherrschaft an sich zu reissen. 


 Best of Stadtrat

 

„Der Himmel draussen ist finster und der Finanzhimmel sieht ähnlich dunkel aus.“ Was wären wir ohne Pascal Dietrichs (parteilos, FDP/JLL Fraktion) bildliche Sprache?

„Wenn man allein auf dem Bilanzüberschiss…äh schuss, schaut.“ Ein freud’scher Versprecher, wieder von Pascal Dietrich.

 «Ich bleibe kurz, dann mache ich keinen Fehler.» Reto Müller und seine Strategie «Wie überlebe ich den Stadtrat?»

«Wer den Jahresbericht nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch gelesen hat, kann jetzt auf halten…» Die launige Stadtratspräsidentin Beatrice Lüthi (FDP)

«Ich gehe davon aus, dass alle intelligent genug sind, das zu begreifen.» Und wenn nicht, traut sich sicher niemand mehr, das zuzugeben. Wieder Beatrice Lüthi

«Silo – Filetstück oder abreissen?» Oder ein Filet, von dem man ein Stück abbeissen sollte? Daniel Bösiger (SVP), stellt sich die wichtigen Fragen des Lebens.

«Von mir aus müssen wir auch nicht mehr sprengen.» Grosszügig, Michael Schenk (SVP)

«Vielleicht sind wir auch ein bisschen faul, weil uns niemand in den Arsch tritt, aber in den grossen Städten wäre das Gebäude hier schon lange besetzt!» Georg Cap (Grüne) skizziert eine Horrorvision der Bürgerlichen.

«Ich hoffe, dass das Efeu fleissig wächst und die Bausubstanz stabilisiert, damit das Gebäude niemanden auf dem Kopf fällt.» Wieder Georg Cap, der wohl einmal zu viel Dornröschen gesehen hat.

«Ich habe schon überlegt, ob ich sagen will,: ich bleibe so lange im Amt bis das Geschäft durch ist.» Wenn gar nichts mehr nützt, dann vielleicht Erpressung: Stapi Reto Müller (SP).

«Ich mag Kartoffeln.» Und das wollen wir alle wissen: Wieder Reto Müller.

«Pascal Dietrich von der EVP/JLL Fraktion…äh nein, FDP….Ach ja, er ist ja eh parteilos…» Beatrice Lüthi im Parteiendschungel.

«Vielleicht kaufe ich Bettsocken für die ganze Stadt.» Paul Bayard (SP) macht sich Sorgen um die Gasversorgung von Langenthal…und um die zarten Füsschen der Einwohner:innen.

«Keine Angst, es wird keine Tiktokvideos aus dem Stadtrat geben.» Reto Müller macht viel für das Marketing der Stadt…aber eben nicht alles. 

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