- Hallo und herzlich willkommen, beim einzigen und selbstverständlich besten Liveblog über die Stadtratssitzung in Langenthal. Es bloggt für sie das wunderschöne und wunderbare Lama mit dem Hang zu Ironie, Sarkasmus und Übertreibung. Wir wünschen Ihnen gute Unterhaltung (und wenn ihr es nicht gut findet, könnt ihr euch damit trösten, dass es euch zumindest nichts kostet, dieser Blog ist nämlich absolut budgetneutral).
- Warnung: Ich habe
heute den ganzen Tag damit verbracht, die Wohnung meines Bruders und meiner
Schwägerin für die Wohnungsübergabe zu putzen, weshalb ich jetzt nicht nur nach
Schweiss, sondern auch nach einer einzigartigen Mischung aus verschiedenen
Putzmitteln dufte. Mit anderen Worten, ich stinke wie ein Iltis, der in einen
Eimer mit Essig gefallen ist. Ausserdem habe ich Blasen an meinen zarten
Dichterhänden und es IST IMMER NOCH HEISS, OBWOHL ICH JETZT VERDAMMT NOCHMAL
HERBST WILL!!! Ich bin also sehr schlecht gelaunt und irgendwie ahne ich, dass
die heutige Budgetdebatte wohl kaum dazu geeignet ist, meine Laune zu heben.
Just to say it.
- Okay, Fabian
Fankhauser kommt schon mal im Kampfanzug. Das nenne ich mal ein Statement –
hoffe sehr, dass er wenigstens irgendwann mal die Formulierung «wenn ich das
Budget mit meinem Leben oder Tod schützen kann, werde ich es tun» verwendet,
ansonsten ist das ganze Outfit verloren. Spoiler: Macht er nicht. Bin schwer
enttäuscht.
- Und wir haben neue Stadtratsmitglieder: Robert Haas (SVP) und Linus Rothacher (JUSO, SP). Herzlich willkommen im Stadtrat, ihr werdet hier unglaubliche Dinge erleben, die euch an eurem Verstand zweifeln lassen. Quasi wie Alice im Wunderland. Nur ohne Wunderland. Und ohne den Hasen.
Teil 2: Ein Gespenst geht um in Langenthal.
- Ach, ist das schön.
Als erstes stehen Ersatzwahlen auf dem Plan und das geht das alles so wunderbar
schnell. Richtig entspannend. Warum bestehen Stadtratssitzungen nicht nur aus
Wahlen? Es wäre so harmonisch. Ständig wird applaudiert, alle sind nett
zueinander und niemand ist gegen irgendwas. Wie ein Disneyfilm.
- Aber dann geht es natürlich ums Geld und schon geht die ganze schöne Harmonie den Bach runter. Als erstes will die SP wissen, wie viel Steuern der Stadt durch die damalige Senkung des Steuerfusses durch die Lappen gegangen ist. Antwort: Wahrscheinlich recht viel, aber bei dem ganzen Zahlensalat ist das schwer zu sagen. Warum geht es immer um Zahlen? Warum nicht mal um Gefühle? Ich forderte Sturm und Drang statt kalte Aufklärung!
- Roberto di Nino (SVP)
hat zwar einen Drang, nur leider keinen gefühlstechnischen. Ihm drängt es
vielmehr, das Budget 2023 und den Finanzplan vorzustellen. Dabei erklärt er
gleich von vornerein das er nicht, wie ursprünglich vom Stadtrat gefordert,
zwei ausgearbeitete Varianten des Budgets - eine mit und eine ohne erhöhten
Steuerfuss - vorlegt. Der Gemeinderat hat also nicht exakt umgesetzt, wie der
Stadtrat sich das gewünscht hat. Oho. Offenbar will er Krach mit dem Stadtrat.
Soll mir recht sein. Ich mag es, anderen beim Streiten zuzusehen.
- Erhöhter Steuerfuss, werden sich jetzt vielleicht die einen oder anderen fragen, was für ein erhöhter Steuerfuss? Nun, ich muss euch leider mitteilen – und ich hoffe, ihr sitzt bequem, damit es euch nicht gleich aus den Schuhen haut -, dass die Steuererhöhung in Langenthal nicht mehr ein diffuses in weiter Ferne schwebendes Gespenst, sondern vielmehr drohende Realität ist. Denn die Stadt hat immer mehr Ausgaben zu bewältigen, zugleich haben sich die Erträge aber vermindert, weil die erhofften Steuern weniger üppig ausgefallen sind. Also gibt es jetzt zwei mögliche Massnahmen: Sparen oder/und Steuern erhöhen. Klingt logisch. Alle, die sich ein wenig mit Politik beschäftigen wissen: Linke mögen keine Sparprogramme. Sparen ist für sie ungefähr so verabscheuungswürdig wie alte weisse Männer, die sich in ihrem in der Pharmabranche verdienten Geld wälzen und dabei sexistische Lieder grölen. Bürgerliche dagegen mögen keine Steuererhöhungen. Steuererhöhungen sind für sie ähnlich schauderhaft wie die Idee einer Einheitskrankenkasse oder eines Grundeinkommens.
Teil 3: Ehre dem Eigenkapital!
- Di Nino beginnt seine launige Präsentation mit dem bedeutungsschwangeren Satz «Quo vadis, Langenthal.» Frei übersetzt heisst das wohl: «Wo willst du hin, Langenthal?» Der Finanzminister findet, entsprechend seines nüchternen Wesen, den Einstieg etwas theatralisch. Bitte. Theatralisch wäre es, wenn er sich auf den Tisch stellen und «Don’t cry for me, Langenthal» schmettern würde.
- Damit auch niemand
auf die Idee kommt, der bürgerlich dominierte Gemeinderat, sei mal eben einfach
so auf die Idee einer Steuererhöhung verfallen, verweis di Nino auf die
Richtlinien der Regierungstätigkeit. Das ist so eine Art Bibel für den
Gemeinderat. Nur weniger spannend. Und ohne das viele Blut. Dafür muss man
sicher aber auch daranhalten und kann nicht einfach hinterher alles beichten,
wenn man es nicht gemacht hat.
- Trotz der Erhöhung
hat der Gemeinderat weiter das Ziel, die günstigste Steueranlage mit
vergleichbaren Gemeinden zu bieten. Also, wir verschlechtern uns, aber nicht
ganz so krass wie die anderen und deshalb sind wir immer noch attraktiv.
Langenthal liegt nach der Anpassung des Steuerfusses noch immer auf Platz 27
der günstigsten Gemeinden. Von 30.
Nein, Spass. Sind glaub irgendwas um 300 Gemeinden oder so. Also alles easy. - Die gute Nachricht
ist: Wir haben immer noch ein hohes EK. Die schlechte Nachricht ist: Es
schwindet, wie die Gletscher in den Bergen. Der Gemeinderat will dieses Defizit
senken. Durch die Erhöhung der Steuern gibt es mehr Steuereinnahmen und damit
ist das Budget weniger krass in Schieflage.
- Aber wieso ist das
Budget überhaupt in Schieflage? Die Coronapandemie hat keine Auswirkungen mehr
aufs Budget, hurra! Der von Russland in der Ukraine geführte Krieg sorgt für
neue Unsicherheiten. Schön, dass wir Menschen nicht einmal ein Virus brauchen,
um uns gegenseitig das Leben zur Hölle
zu machen.
- Ich habe eine neues
Wort gelernt: Kostenoptimierungsmassnahmen. Heisst übersetzt sparen, klingt
aber viel positiver.
- Irgendwie habe ich bei Budgetdebatten immer das Gefühl, in einem endlosen Déjà-vu festzustecken. Ich weiss nicht, wie oft ich in den letzten Jahren den Satz «Dank unseres hohen Eigenkapitals stehen wir finanzpolitisch noch immer ganz gut da» gehört habe. Lasst uns also alle dem Eigenkapital huldigen und es ehren, denn es rettet uns vor Armut und Untergang.
Teil
4: Winter is coming!
- Schlussendlich kommen wir beim Budget übrigens auf ein Defizit von 4,39 Mio. Damit sind wir schlechter als im Finanzplan. Und dazu kommt, dass die Investitionen noch steigen werden – denn der Bahnhof muss ja auch noch gebaut werden. Wenn das mal keine positiven Aussichten sind, weiss ich auch nicht. Lasst uns Champagner bestellen und damit das Budget begiessen!
- Und dann kommen wir
noch zur Budgetvariante, die auf einer tieferen (also unveränderten
Steueranlage) basiert. Das hat sich das bürgerliche Parlament gewünscht. Mit
diesem Budget hätten wir weniger Steuereinnahmen und das Defizit wird dadurch
noch grösser. Damit verbrauchen wir unser Eigenkapitel (gelobt seist du,
Eigenkapital) und wir hätten mehr Schulden. Surprise, surprise. Da wäre ich
jetzt echt nicht darauf gekommen.
- In seinem
Abschlussgebet – äh ich meine, in seinen Abschlussgedanken, teilt di Nino dann
noch ganz unverblümt mit, warum die Anpassung notwendig ist. Ich fasse
zusammen: Steuern blieben wegen Pandemie hinter Erwartungen zurück, wir
erwarten aufgrund höherer Energiepreise eine Inflation und dann müssen wir als
Stadt noch einiges abschreiben. Mit anderen Worten: Winter is Coming! Zeit,
sich ein Rudel Schattenwölfe zu besorgen.
- Der Stadtrat scheint
jedenfalls schon voll im Wintermodus zu sein. Pascal Dietrich (parteilos/FDP) referiert
über den schwarzen bzw. grauen Finanzhimmel, tröstet die Anwesenden aber damit,
dass der Finanzplan immer besser rausgekommen ist, also ursprünglich gedacht. Um
diese These zu unterlegen hat er alte Finanzpläne ausgegraben
(überraschenderweise werden die tatsächlich im Archiv aufbewahrt und nicht etwa
zum Anfeuern verwendet). Paul Bayard (SP/GL) kann diesen Optimismus nur bedingt
teilen. Er sorgt sich nicht nur um das immer noch zu hohe Defizit. Nichts
machen, wäre das Dümmste, so Bayard, die Wetterlage könne sich jederzeit ändern,
wie der 24. Februar (Einmarsch von Russland in die Ukraine) bewiesen habe. Sein
Votum endet mit der ermutigenden Aussage, dass uns stehen harte Jahre bevorstehen
würde. Ich kann nur immer wieder
betonen: Handtücher, Leute, Handtücher!
- Patrick Freudiger (SVP),
bestätigt zwar, dass die Aussichten nicht gerade rosig seien, klärt die
Anwesenden aber weitschweifend darüber auf, dass es in den letzten Jahren immer
«besonders» war. Er erinnert an den starken Franken, die Finanzkrise, die
Schuldenkrise und die explodierende Teuerung und meint, es gebe kein «normal.» Da
stimme ich ihm zu. Normal gibt es auf der Welt nicht mehr, sondern nur noch
gestört.
- Dann erfreut uns
Patrick Freudiger noch mit einem Zitat von Thomas von Aquin: «Steuern sind ein
erlaubter Fall von Diebstahl». Geniales Zitat. Ich werde das auf meine nächste
Steuererklärung schreiben und sie so einschicken. Im Finanzamt werden sie
begeistert sein.
- Auf jeden Fall klärt
Freudiger schon mal die Fronten. Die Bürgerlichen wollen die Steuern nicht
leichtfertig erhöhen. Die Fraktion vermisst, dass zwar die Steuererhöhung
eingerechnet wird, die Aufwände – wie z. B die Abschreibungen – aber trotzdem nicht
sinken. Der schlechte Selbstfinanzierungsgrad, sorge ebenfalls für eine
düsterte Finanzlage, weshalb Freudiger zum Schluss kommt, dass wir zu viel
investiert, auf zu grossen Fuss gelebt und damit Nachfinanzierungen ausgelöst
haben. Doch, oh Wunder: Seine Kritik richtet sich ausdrücklich nicht nur an den
Gemeinderat, sondern auch an den Stadtrat, der ebenfalls zu spendabel
aufgetreten sei. Ich bin geplättet. Ein Stadtrat kritisiert den Stadtrat? Was
passiert als nächstes? Rosa Elefanten, die Ballett tanzen
Teil 5: Spiel mir nochmal das Lied… - Die eigentliche
Budgetdebatte – bis jetzt war es ja nur Vorgeplänkel - beginnt mit einem Antrag
auf eine zweite Lesung. Wenn die durchkommt, gibt es keine Abschlussabstimmung
und keine Verabschiedung der Botschaft. Trotzdem muss alles heute beraten
werden. Wir ziehen uns also quasi eine vollständige erste Staffel der
Stadtratsserie ein, ohne uns aber die allerletzte Folge anzusehen. Was habe ich
euch eigentlich getan, dass ihr mir das immer wieder antut? Make Love not 2.te
Lesungen!
- Diego Clavadetscher
(FDP/JLL) nimmt in seinem Votum erst ein Bezug zum Film «Quo vadis». In diesem
Monumentalwerk wird Rom abgefackelt Das will die FDP verhindern. Also, das
Langenthal abbrennt (Rom brennt ja immer, irgendwie, metaphorisch gesprochen). Um
diesen ellenlangen Film gerecht zu werden, begründet Clavadetscher ausschweifend,
warum eine zweite Lesung notwendig sei, nämlich, um der Bevölkerung gerecht zu
werden, für die eine Steuererhöhung von erheblicher Tragweite sei. Gerade
jetzt, wo wir alle, mit bedeutenden Teuerungsschüben umgehen müssen. Zudem
kritisiert er, dass kein zweites Budget ausgearbeitet worden ist, denn das
hätte eine bessere Diskussion ermöglich. Es sei ohnehin ein Problem des
Langenthaler Politsystems, dass der Stadtrat erst am Ende einbezogen werde und
deshalb alles im Plenum stattfindet (wem das bekannt vorkommt: Es vergeht kaum
eine Stadtratssitzung, in der diese Abläufe nicht von eben diesem Stadtrat
kritisiert wird). Deshalb nun die zweite Lesung, um die Entscheide auf ein stabileres
Fundament zu stellen. Aufgrund des hohen Eigenkapitals bestehe zudem, laut
Clavadetscher, keine zwingende Notwendigkeit für eine Steuererhöhung, was für
eine gewisse Zufälligkeit spreche. Zudem müsse man vermeiden, dass die
Bevölkerung fürchten müsse, Jahr für Jahr, mit Steuererhöhungen zu rechnen, wie
es der Gemeinderat bereits angesprochen hat. Zum Glück wird das Ende seiner dramatisch
anmutenden. Ausführungen nicht von einem Brand in der Mühle markiert.
- Obwohl es eigentlich
erst um die Frage nach der zweiten Lesung geht, hält das Saima Sägesser (SP/GL)
und Patrick Freudiger nicht davon ab, darüber zu streiten, ob jetzt schon genug
gespart worden sei oder nicht. Während Saima Sägesser darauf pocht, dass eine
lebenswerte und attraktive Stadt, sich mehr Einsparungen schlicht nicht leisten
kann, ohne einen Bevölkerungsschwund zu riskieren - vor meinem geistigen Augen
ziehen bereits Scharen von Menschen mit geschnürten Bündeln nach Olten – findet
ihr Kontrahent, dass die Zitrone noch nicht genug ausgepresst sei. Stellt sich
die Frage, wer in dem Sinnbild die Zitrone ist. Das Volk – also wir – oder die
Stadt?
- Während Patrick
Freudiger (SVP) den Verzicht predigt (lasst uns alle Kartoffelsäcke tragen und
Bohnensuppe essen), beklagt sein Parteikollege Martin Lerch, dass die Belastung
des Bürgers bereits jetzt sehr hoch seien – bis weit in wohlhabende Kreise (man
stelle sich vor: Reiche müssen mehr zahlen! Die Armen kann man ja ignorieren,
die sind sich ausgepresste Zitronen ja gewohnt, aber die Reichen!). Und er rät
den Anwesenden mit ihrer Wählerschaft zu reden und «ihnen den Puls zu fühlen».
Gute Idee. Vielleicht sind sie schon tot
und haben es einfach noch nicht bemerkt.
- Also, irgendwie
scheinen die Bürgerlichen gerade eine akute «Der Staat ist schlecht» Phase zu
haben, denn nach Patrick Freudiger, bläst auch Martin Lerch ins «Eigentlich
klaut der Staat den Leuten ihr sauer verdientes Geld.» Finde das schon mal
einen hervorragenden Ansatz, um der Bevölkerung ein Budget vorzulegen, denn den
Leuten mehr oder weniger zu sagen, dass Steuern eigentlich schon per so eine
etwas verruchte Abgabe sind, wird sie sicher motivieren, dem Budget
zuzustimmen.
- Wenig überraschend wird
eine zweite Lesung beschlossen. Dann dürfen wir ja hoffen, dass wir in der
Zwischenzeit noch irgendwo den Geldspeicher von Dagobert Duck ausgraben und
sich die finanziellen Probleme von Langenthal dadurch lösen. Holen wir doch
schon mal die Schaufeln!
Teil 6: Wir wollen sein, ein einig Volk von Steuerzahlenden!
- Es folgt ein hitzige
Debatte über Sinn und Unsinn von Steuererhöhungen und über das Vorhandensein
oder eben nicht Vorhandensein von Sparpotential. Während Mike Siegrist (EVP/GLP)
beschwichtigend auf seine Ratskolleg:innen einwirkt, indem er sagt, dass
Finanzpolitik letztendlich immer ein Abwägen zwischen den Polen Ausgaben
prüfen/sparen und einem Beibehalten von Handlungsspielraum ist, fliegen
zwischen Bürgerlichen und Linken die Fetzen. Die Bürgerlichen pochen auf einem
Kulturwechsel und reden von einer notwendigen Opfersymmetrie. Denn trotz der Steuererhöhung,
so der Tenor, bleibe das Defizit ja gross, deshalb müsse man einfach sparen,
sparen und noch einmal sparen.
- Zum Zankapfel und
gewissermassen Symbol der Debatte wird schlussendlich das Stadttheater, denn
die SVP reicht einen Antrag ein, der den Gemeinderat damit beauftragt, weitere
Einsparungsmöglichkeiten ausfindig zu machen und bringt als Beispiel das
Stadttheater. Denn dieses sei immer noch teuer im Unterhalt, obwohl damals, bei
der Abstimmung über die Sanierung, versprochen worden sei, die laufenden Kosten
würden sinken. Fast scheint es so, als sei dieser Tempel der Lust und Freude,
das Mekka der Linken und Denkmal des Gemeinderats, der SVP noch immer ein Dorn
im Auge, denn sie haben sich damals mit Händen und Füssen gegen diese
«Luxussanierung» gewehrt. Die FDP schliesst sich diesem Antrag an.
- So leicht geben sich
die Linken aber nicht geschlagen. Sie verteidigen das Stadttheater mit Zähnen
und Klauen. Saima Sägesser (SP) will keine Einsparungen bei Kultur und
Stadttheater, zumal man in Gefahr laufen würde, den Leistungsvertrag zu brechen
und dadurch Kürzungen von Beiträgen in Kauf zu nehmen. Ein Stadttheater sei
zudem dafür da, Kultur einem Platz zu geben – deshalb habe man es gebaut.
Ausserdem dringt sie darauf, dass die Bürgerlichen genau benennen, wo das
Stadttheater den sparen soll. Fraktionskollege Loser erinnert die Bürgerlichen
zudem mit leichter Süffisanz daran, dass man die Steuern vor Jahren gesenkt
habe und damals versprochen habe, man würde, sie wenn nötig wieder
raufschrauben. Der Moment sei jetzt gekommen, denn der Winter ist nah (letzterer
hat er nicht gesagt, aber es passt gerade so schön.
- Die Bürgerlichen
wiederum werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass man einmal etwas anderes
versprochen habe Robert Kummer (FDP) betont noch einmal, dass man dem Volk
einmal was anderes versprochen habe und man es ihm entsprechend schuldig sei,
zu handeln. Dafür, dass alle davon reden ein Könizer Szenario verhindern zu
wollen, arbeitet ein Teil des Parlaments wir ganz schön fleissig daran, dem
Volk einzureden, es werde verarscht. Kann man machen. Könnte sich aber auch mal
als Bumerang erweisen. Nur, dass ich es mal gesagt habe.
- Nach der Breitseite
von Roland Loser (SP), der der bürgerlichen Ratsseite ein schlechtes Gedächtnis
attestiert hat, feuert Patrick Freudiger (SVP) zurück, sein Gedächtnis sei
durchaus in Ordnung und überhaupt nehme es ihm Wunder, ob es die SP/GL Fraktion
überhaupt mal fertigbringe, irgendeinem Sparvorschlag zuzustimmen, weshalb er
eine Wette mit Janosch Fankhauser abgeschlossen habe, ob das in dieser
Legislatur noch der Fall sein wird. Der Stadtrat, das Wettbüro.
- Ironischerweise muss Helena
Morgenthaler (SVP), den von ihrer Partei geführten Angriff auf das
Stadttheater, abwehren. Sie weist noch einmal auf den Leistungsvertrag hin, der
nicht einfach so gebrochen werden kann und erinnert an das Jahr 2020/2021, wo
Corona massgeblich negativen Einfluss auf das Theater hatte. Man habe zudem sehr wohl gespart – so wurden
die Gastspiele wurden reduziert, aber auch hier hätten die höheren Heizkosten
wieder. Doch auch die mit sanfter Stimme vorgetragenen Bitten erweichen das
harte Herz der Bürgerlichen nicht: Der Stadtrat stimmt dem Antrag
schlussendlich zu, ebenso wie dem Antrag, dass die Besoldungsreserve der
Stadtverwaltung noch einmal einer Prüfung unterzogen wird.
Ich investiere, du investierst…. - Ein grosser
Ausgabenposten sind die geplanten Investitionen. Auch hier möchten die
Bürgerlichen gerne ansetzen und prüfen, ob die denn wirklich alle nötig sind.
Wer braucht schon eine funktionierende Infrastruktur, wenn er auch einfach
niedrige Steuern haben kann? Nathalie Scheibli (SP) erinnert an die goldenen
Zeiten, als der Verkauf der Onyxaktien der Stadt Geld und Ruhm eingebracht hat.
Damals hätten alle Parteien unbedingt investieren wollen – geschehen sei
nichts, ausser dass man die Steuern gesenkt habe, weshalb man jetzt alles aufarbeiten
müsse. «Chabis», entgegnet Pascal Dietrich (parteilos/FDP), man habe sehr wohl
investiert, zum Beispiel in die Schulen. Chabis und Zitronen – ich halte fest,
dass unser Parlament zumindest auf einer sehr gesunden Ebene debattiert.
- Der zuständige
Gemeinderat und Stadtpräsident Reto Müller (SP): sucht derweil beim Antrag den Zusammenhang
mit dem Budget 23. So richtig zu finden, scheint das Parlament ihn ebenfalls
nicht, denn es lehnt den Antrag schlussendlich ab. Dem von der FDP geäusserten
Wunsch nach einer Aktualisierung der Aufgaben und Effizienzanalyse, die man vor
Jahren durchgeführt hat, kommt man aber schlussendlich nach.
- Damit endet die
grosse Budgetdebatte – vorläufig. Was für ein Epos! Da wurde ganz schön
gefochten – so viel Temperament hätte ich dem Parlament ja gar nicht zugetraut.
Darüber sollten wir einen Monumentalwerk machen. Ich würde sonst das Drehbuch
beisteuern.
Teil 8: Aber sonst haben wir uns dolle lieb! - Man kann es dem
Stadtrat nicht verdenken, dass er nach der erschöpfenden Debatte, in der munter
Spitzen ausgetauscht wurden, den Rest der Traktanden eher stoisch, denn
leidenschaftlich und engagiert abarbeitet. Die Überbauungsordnung, die den
neuen Bahnhofsplatz betrifft, wird ohne grosse Diskussion durchgewunken –
obwohl das mit den Parkplätzen noch nicht ganz geklärt zu sein scheint. Aber
schlussendlich sehen es wohl alle so, wie Stefan Grossenbacher (SVP): Der
Bahnhof ist der Stadt nicht mehr würdig. Und abgesehen davon, wäre es schön,
ihn überqueren zu können, ohne befürchten zu müssen, von einem Bus überrollt zu
werden.
- Der Gemeinderat war
in der Vergangenheit fleissig und hat noch ein paar Motionen bearbeitet. Eine
davon ist die Erarbeitung eines Biodiversitätskonzept. Die Motionäre zeigen
sich erfreut über die Antwort des Gemeinderats und stimmen der Abschreibung zu.
Ähnlich einig ist man sich bei der Motion «Gassechuchi» bei der es um eine
Verbesserung der herrschenden Zustände ging. Der Gemeinderat hat hier bereits
Schritte eingeleitet, was die Motionär:innen wohlwollend zur Kenntnis nehmen.
Weniger wohlwollend äussert sich die FDP/JLL Fraktion. Sie mokieren, dass die
Stadt mit solchen Aufgaben bemüht werde, obwohl ja bereits Schritte unternommen
worden seien. Diese Ressourcen könne man besser einsetzen. Genau. Zum Beispiel
für die Erstellung eines dritten Budgets oder für das Entziffern von Anträgen,
für die man ein ganzes Heer von Jurist:innen bräuchte, um durchzublicken…
- Für die beiden
hängigen Antrag, in Langenthal die Möglichkeit eines Bevölkerungsvorstosses und
eines Jugendvorstosses einzuführen, bittet das Büro des Stadtrats um eine
Verlängerung der Bearbeitungsfrist. Motionär Georg Cap (SP/GL) äussert sich
dankbar, dass das nicht auch noch heute Abend diskutiert werden muss und zeigt
Verständnis für die Bitte. Genau wie der Rest des Parlament.
- Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit stellt Franziska Zaugg – Streuli (FDP/JLL) den Antrag, die Sitzung abzubrechen. Dies auch, weil das nächste Traktandum, die Einführung eines parlamentarischen Überweisungsbeschlusses, deutlich mehr zu diskutieren gebe als die vorgängigen Traktanden. In Anbetracht der Tatsache, dass sämtliche Anwesenden mit zunehmend glasigen Augen in die Ferne oder in ihr Smartphone blicken, weshalb die Aufmerksamkeitsspanne wahrscheinlich in etwa der einer Schulklasse zwei Minuten vor Ferienbeginn betrifft, ist das wohl eine vernünftige Entscheidung. Und schliesslich wollen wir die, mit Sicherheit sorgfältig vorbereiteten Statements der FDP/JLL Fraktion, warum mit diesem Antrag die Demokratie vor dem Untergang bewahrt, nicht verpassen
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«Ich hoffe, es wird
dann mal wieder ein wenig normaler.» Beatrice Lüthi (FDP/JLL) äussert einen
frommen Wunsch ans Universum.
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«Georg und ich sind
jetzt zusammen in der Fraktion, weil wir damals bei Nathalie im Kindergarten
waren.» Rotgrüne Rekrutierungsmassnahmen, erklärt von Saima Sägesser (SP/GL).
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«Das macht dann für den
Einzelnen etwa 231 Franken. Also etwa ein gutes Nachtessen.» Roberto di Nino
versucht sich an einer bildlichen Darstellung der Steuererhöhung. Absolut
korrekt, so viel gebe ich auch jeweils für mein Abendessen aus, wenn ich
gemeinsam mit meiner Freundin, der Floristin und meiner anderen Freundin, der
Köchin, essen gehe. Wir wissen sonst nicht wohin mit unserem vielen Geld.
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«Nicht richtig, dass
wir hier irgendwelche Nachtessenrechnung machen» Patrick Freudiger (SVP),
möchte lieber mit Zitronen rechnen.
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«Wir sind kein
Sanierungsfall, aber wir müssen sanieren.» Wieder Roberto di Nino, diesmal mit
dem Paradox der Bürgerlichen.
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«Sonst findet eure
Partei das ja nicht so toll, was die in der EU so treiben.» Fabian Fankhauser
(GLP/EVP) lässt es sich nicht nehmen, die SVP ein wenig zu frotzeln.
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«Wir erwarten keine
Liebesbeziehung zwischen der FDP und dem Budget, mit einer Zweckehe sind wir
vollständig zufrieden.» Solange es keine Zwangsehe ist. Wieder Roberto de Nino.
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«Ich habe überhaupt
nicht von einer sexy Stadt gesprochen, sondern von einer geilen Hütte!» Saima
Sägesser lässt sich keine Worte in den Mund legen – schon gar keinen GNTM
Jargon.
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«Ich wette mit mir
selber, dass wir heute noch fertig werden – ich wäre froh, wenn wir alle
atmosphärischen Störungen und Befindlichkeiten zur Seite legen können und uns
auf die Anträge konzentrieren können.» So schön hat noch niemand «benehmt euch
anständig, sonst setzt was von der Stadtratspräsidentin» ausgedrückt.
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«Ich glaube, aktualisieren
kann man, indem man aktualisiert.» Und leben tut man, indem man lebt. Mike
Siegrist (EVP/GLP) und die Philosophie des Stadtrats.
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