Eigentlich wollte ich mich ja in die Sommerferien verabschieden, eine Weile Social Media ruhen lassen und mir stattdessen Gedanken über ein paar neue Lama – Inhalte machen, aber naja, aufgrund eines doch wie ich finde, beunruhigenden Vorfall in Langenthal, vor allem aber aufgrund der Reaktionen darauf, fühle ich mich bemüssigt mich zu äussern und den Scheinwerfer auf was zu richten, was einige gerade gerne ignorieren möchten. Nicht aus Bosheit, sondern weil es das ist, was wir oft instinktiv tun, wenn in Langenthal mal nicht eitel Sonnenschein herrscht.
Ihr habt es wahrscheinlich medial
mitbekommen: Die Junge Tat hat es fertig gebracht Räume in der Alten Mühle zu
mieten und hat dort einen Anlass zum Thema «Vision Remigration» durchgeführt, Linksextreme
haben davon Wind bekommen, es kam zu einem Zusammenstoss der beiden
Gruppierungen, in dessen Verlauf die Antifa ein Auto eines Teilnehmers
demolierte. So weit die Fakten.
Heute wurde ein BZ – Artikel dazu
veröffentlicht und ich finde, es ist ein guter und richtiger Artikel, weil er
die wichtigen Fragen stellt, nämlich: Wie konnte es dazu kommen, dass sich in
der Alten Mühle Rechtsextreme treffen konnten? Und dabei geht es nicht um
Schuldzuweisungen, sondern darum aufzuzeigen, wie geschickt die Junge Tat vorgeht,
um sich in solche Räume einzuschleichen, denn das ist ja das Perfide an ihrer
Vorgehensweise: Dass sie es schaffen, sich als scheinbar harmlose politinteressierte
Bürgerinnen in die Mitte der Gesellschaft zu schmuggeln, als wäre es vollkommen
normal darüber zu diskutieren, Mitmenschen aus Europa zu vertreiben, weil sie
eine andere Hautfarbe haben.
Entsprechend entsetzt bin ich
über die Kommentarspalte, wo sich Menschen nicht etwa über die Junge Tat
aufregen, sondern erklären, auch die «Rechten» hätten ein Recht darauf sich zu
treffen, das gehöre schliesslich zu einer Demokratie. Das ist eine höchst
problematische Sichtweise, denn die «Junge Tat» ist keine rechte Partei,
sondern eine rechtsextreme Vereinigung, das ist ein himmelweiter Unterschied. Finde
ich die Meinung, dass man schärfere Grenzkontrollen einrichten soll, legitim?
Ja. Ist nicht meine Meinung, aber ich kann gut damit leben, wenn eine Partei
das fordert. Finde ich die Meinung, dass die Schweiz den Weissen gehören soll,
legitim? Nein, nein und nochmals nein. Weil es eine zutiefst rassistische und
kranke Sichtweise ist und ein Blick in die Geschichtsbücher reicht, um zu
wissen, wo das hin führen wird: Zur Vertreibung, Unterdrückung und Ermordung
von Menschen. Das kann sich doch niemand von uns wünschen?!
Die «Alte Mühle» ist zudem für
mich nicht einfach irgendein Gebäude. Hier findet bekanntlich die
Stadtratssitzung ab und damit ist das Haus für mich auch ein Symbol für
Demokratie und Meinungsaustausch. Mir wird schlecht bei dem Gedanken, dass die «Junge
Tat» hier ihren braunen Scheiss verbreitet hat, denn ich versichere euch, Demokratie
ist das letzte, was Rechtsextremisten wollen. Sie pervertieren die Demokratie
und die Freiheit, indem sie sie missbrauchen, um ihr Gedankengut unter uns zu
mischen und sollte es ihnen je gelingen, zu wirklicher Stärke zu finden, wird
die Demokratie das erste sein, was sie vernichten werden.
Das ist jetzt das dritte Mal,
dass Langenthal in Verbindung mit der Jungen Tat auftaucht. Da war die Zunahme
von rechtsextremen Schmierereien in der Stadt. 2023 war das Thema einer Interpellation
von den SP, den Grünen, der GLP und der EVP, darauf hiess es von Seiten der
Stadt, sie könne keine Zunahmen von rechtsextremistischen Aktivitäten
feststellen, dann tauchten im März Kleber der «Jungen Tat» auf und jetzt halten
sie hier schon ihre Vorträge. Da scheint sich mir ein Muster abzuzeichnen und ich
hoffe sehr, dass das von allen ernstgenommen wird. Und mit allen meine ich, die
Stadt, aber auch jede unserer Parteien, denn egal, wie verschieden unsere
Meinungen sind, ich glaube, niemand möchte, dass Langenthal wieder zu einem
braunen Nest wird.
(Und nebenbei bemerkt: Der
Vorfall zeigt auch, dass es vielleicht nicht die klügste Entscheidung war, SIP
einzusparen, denn nur weil wir grundsätzlich ein friedliches Völkchen hier
sind, heisst das halt nicht, dass nicht auch mal was passieren kann…)
Deshalb sollten wir aufhören
diese Vorfälle zu negieren, sondern vielmehr in Zukunft genauer hinsehen und
Kante zeigen gegen rechts. Ohne «Aber die Linken…» «ohne «…aber die
Meinungsfreiheit…» und ohne «…aber die räumen wenigstens ihren Müll weg.» Probleme
gehen nicht einfach weg, wenn man sie nicht benennt und brauner Dreck
verschwindet nicht einfach, wenn man ihn unter den Teppich kehrt. Ich kann
absolut verstehen, wenn Leute sagen: «Ich will generell keine Gewalt, weder von
links noch von rechts.» Aber denkt einfach daran, dass die Rechtsextremen
weitaus mehr zerstören wollen als nur ein Auto.
Jetzt wird es Leute geben, die
sagen, dass ich übertreibe und dramatisiere. Mag sein, dass die «Junge Tat»
noch lange keine wirkliche Bedrohung ist, aber sie ist da. Und irgendeinmal
wird dann vielleicht der Punkt kommen, wo sie bereits zu gross ist, um noch
wirklich dagegen ankämpfen zu können. Die Nazis von heute kommen nicht glatzköpfig,
mit Springerstiefeln und Klappmesser grölend auf dich zu gerannt, die neuen
Nazis kommen in Anzügen, reden glattzüngig auf dich ein und geben sich
freundlich – entspannt, bis sie ihr wahres Gesicht zeigen. Dann ist es halt nur
zu spät.
Und zum Schluss noch ein Zitat,
das mir damals, als ich es zum ersten Mal gehört habe, sehr eingefahren ist und
an das ich im Zusammenhang mit Rechtsextremismus oft denken muss:
Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich
geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschaftler.
Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja
kein Jude.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren
konnte.
Martin Niemöller
Falls ihr euch noch näher über die Strategie der Jungen Tat informieren wollt: Junge Tat
Hier geht's zum BZ Artikel BZ
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen