Donnerstag, 27. Juni 2024

Lasst uns über Rechtsextremismus reden

Eigentlich wollte ich mich ja in die Sommerferien verabschieden, eine Weile Social Media ruhen lassen und mir stattdessen Gedanken über ein paar neue Lama – Inhalte machen, aber naja, aufgrund eines doch wie ich finde, beunruhigenden Vorfall in Langenthal, vor allem aber aufgrund der Reaktionen darauf, fühle ich mich bemüssigt mich zu äussern und den Scheinwerfer auf was zu richten, was einige gerade gerne ignorieren möchten. Nicht aus Bosheit, sondern weil es das ist, was wir oft instinktiv tun, wenn in Langenthal mal nicht eitel Sonnenschein herrscht.

Ihr habt es wahrscheinlich medial mitbekommen: Die Junge Tat hat es fertig gebracht Räume in der Alten Mühle zu mieten und hat dort einen Anlass zum Thema «Vision Remigration» durchgeführt, Linksextreme haben davon Wind bekommen, es kam zu einem Zusammenstoss der beiden Gruppierungen, in dessen Verlauf die Antifa ein Auto eines Teilnehmers demolierte. So weit die Fakten.

Heute wurde ein BZ – Artikel dazu veröffentlicht und ich finde, es ist ein guter und richtiger Artikel, weil er die wichtigen Fragen stellt, nämlich: Wie konnte es dazu kommen, dass sich in der Alten Mühle Rechtsextreme treffen konnten? Und dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum aufzuzeigen, wie geschickt die Junge Tat vorgeht, um sich in solche Räume einzuschleichen, denn das ist ja das Perfide an ihrer Vorgehensweise: Dass sie es schaffen, sich als scheinbar harmlose politinteressierte Bürgerinnen in die Mitte der Gesellschaft zu schmuggeln, als wäre es vollkommen normal darüber zu diskutieren, Mitmenschen aus Europa zu vertreiben, weil sie eine andere Hautfarbe haben.

Entsprechend entsetzt bin ich über die Kommentarspalte, wo sich Menschen nicht etwa über die Junge Tat aufregen, sondern erklären, auch die «Rechten» hätten ein Recht darauf sich zu treffen, das gehöre schliesslich zu einer Demokratie. Das ist eine höchst problematische Sichtweise, denn die «Junge Tat» ist keine rechte Partei, sondern eine rechtsextreme Vereinigung, das ist ein himmelweiter Unterschied. Finde ich die Meinung, dass man schärfere Grenzkontrollen einrichten soll, legitim? Ja. Ist nicht meine Meinung, aber ich kann gut damit leben, wenn eine Partei das fordert. Finde ich die Meinung, dass die Schweiz den Weissen gehören soll, legitim? Nein, nein und nochmals nein. Weil es eine zutiefst rassistische und kranke Sichtweise ist und ein Blick in die Geschichtsbücher reicht, um zu wissen, wo das hin führen wird: Zur Vertreibung, Unterdrückung und Ermordung von Menschen. Das kann sich doch niemand von uns wünschen?!

Die «Alte Mühle» ist zudem für mich nicht einfach irgendein Gebäude. Hier findet bekanntlich die Stadtratssitzung ab und damit ist das Haus für mich auch ein Symbol für Demokratie und Meinungsaustausch. Mir wird schlecht bei dem Gedanken, dass die «Junge Tat» hier ihren braunen Scheiss verbreitet hat, denn ich versichere euch, Demokratie ist das letzte, was Rechtsextremisten wollen. Sie pervertieren die Demokratie und die Freiheit, indem sie sie missbrauchen, um ihr Gedankengut unter uns zu mischen und sollte es ihnen je gelingen, zu wirklicher Stärke zu finden, wird die Demokratie das erste sein, was sie vernichten werden.

Das ist jetzt das dritte Mal, dass Langenthal in Verbindung mit der Jungen Tat auftaucht. Da war die Zunahme von rechtsextremen Schmierereien in der Stadt. 2023 war das Thema einer Interpellation von den SP, den Grünen, der GLP und der EVP, darauf hiess es von Seiten der Stadt, sie könne keine Zunahmen von rechtsextremistischen Aktivitäten feststellen, dann tauchten im März Kleber der «Jungen Tat» auf und jetzt halten sie hier schon ihre Vorträge. Da scheint sich mir ein Muster abzuzeichnen und ich hoffe sehr, dass das von allen ernstgenommen wird. Und mit allen meine ich, die Stadt, aber auch jede unserer Parteien, denn egal, wie verschieden unsere Meinungen sind, ich glaube, niemand möchte, dass Langenthal wieder zu einem braunen Nest wird.

(Und nebenbei bemerkt: Der Vorfall zeigt auch, dass es vielleicht nicht die klügste Entscheidung war, SIP einzusparen, denn nur weil wir grundsätzlich ein friedliches Völkchen hier sind, heisst das halt nicht, dass nicht auch mal was passieren kann…)

Deshalb sollten wir aufhören diese Vorfälle zu negieren, sondern vielmehr in Zukunft genauer hinsehen und Kante zeigen gegen rechts. Ohne «Aber die Linken…» «ohne «…aber die Meinungsfreiheit…» und ohne «…aber die räumen wenigstens ihren Müll weg.» Probleme gehen nicht einfach weg, wenn man sie nicht benennt und brauner Dreck verschwindet nicht einfach, wenn man ihn unter den Teppich kehrt. Ich kann absolut verstehen, wenn Leute sagen: «Ich will generell keine Gewalt, weder von links noch von rechts.» Aber denkt einfach daran, dass die Rechtsextremen weitaus mehr zerstören wollen als nur ein Auto.

Jetzt wird es Leute geben, die sagen, dass ich übertreibe und dramatisiere. Mag sein, dass die «Junge Tat» noch lange keine wirkliche Bedrohung ist, aber sie ist da. Und irgendeinmal wird dann vielleicht der Punkt kommen, wo sie bereits zu gross ist, um noch wirklich dagegen ankämpfen zu können. Die Nazis von heute kommen nicht glatzköpfig, mit Springerstiefeln und Klappmesser grölend auf dich zu gerannt, die neuen Nazis kommen in Anzügen, reden glattzüngig auf dich ein und geben sich freundlich – entspannt, bis sie ihr wahres Gesicht zeigen. Dann ist es halt nur zu spät.

Und zum Schluss noch ein Zitat, das mir damals, als ich es zum ersten Mal gehört habe, sehr eingefahren ist und an das ich im Zusammenhang mit Rechtsextremismus oft denken muss:

Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.

Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

Martin Niemöller


Falls ihr euch noch näher über die Strategie der Jungen Tat informieren wollt: Junge Tat
Hier geht's zum BZ Artikel BZ


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