Donnerstag, 25. April 2019

Kommentar: Die Stadt, der SCL und das Referendum



Plötzlich ist es da. Erst war es mehr eine Art Gerücht, dann wurde es schliesslich zur schwammigen Gewissheit und jetzt ist es eine vollendete Tatsache: Das Referendum gegen den Nachwuchsbeitrag an den SCL. 786 Unterschriften sind zusammen gekommen. Sind 400 davon gültig, darf das Volk darüber abstimmen, ob die Stadt den Beitrag an die Eismiete des SCL erhöht - oder eben nicht.

Der Weg, den das Referendum genommen hat, ist ungewöhnlich. Normalerweise sind es Parteien, die ein Referendum anstossen oder zumindest dem Komitee angehören. In diesem Fall nicht, keine der Langenthaler Parteien hat sich offiziell hinter das Referendum gestellt. Stattdessen ist es eine Art loses „Bürgerkomitee“, in dem verschiedene Einzelpersonen aus verschiedenen Parteien und Interessengruppen wirken. Untypischerweise hat das Komitee auf publikumswirksame Auftritte verzichtet, stattdessen hat es sich entschiedenen, die Unterschriften in aller Stille zu sammeln (ich sage untypischerweise, weil man normalerweise die Lancierung pompös inszeniert. Schliesslich will man erstens so vielen Leuten wie möglich den Unterschriftenbogen unter die Nase halten und zweitens ist das ja die Chance, sich als Politiker/Politikerin in Szene zu setzen).

Jetzt, nach langer Funkstille hat sich einer der Unterschriftensammler in der BZ geäussert: Diego Clavadetscher, seines Zeichens Präsident der FDP, in diesem besonderen Fall eher als Einzelkämpfer unterwegs, steht Rede und Antwort, nicht aber ohne hinterherzuschieben er wolle nicht im Fokus stehen. Diese seltsame Schüchternheit des Bürgerkomitees gab schon im Vorfeld Rätsel auf (tatsächlich fragte ich mich zwischendurch, ob es das Komitee wirklich gibt oder ob es sich dabei um mysteriöse Märchengestalten handelt). Fast scheint es so, als wolle niemand recht zugeben, dass er/ sie dabei ist. Angst vor der eigenen Courage?

Denn couragiert ist es, dieses Referendum. Immerhin geht es um den SCL. Kaum ein Thema in Langenthal ist dermassen emotional aufgeladen (so kann ich mich noch daran erinnern, dass ich mit meinem früheren „Wald – und – Wiesen – Blog heftige Reaktionen bekommen habe, als ich einmal den hohen Stellenwert des SCL in Frage stellte). Das hat mich früher immer wieder verblüfft. Vielleicht weil mich Sport generell nicht so berührt, vielleicht auch weil meine Familie keine Ur – Langenthaler sind. Inzwischen kann ich es – zumindest zum Teil – besser nachvollziehen. In einer immer komplizierter werdenden Welt, sind die einfachen Regeln des Sports, die rauen Helden auf dem Eis, die klare Trennung zwischen Gegner und Freund, das was man braucht. Zugleich ist die Mannschaft für viele Teil der Kindheit und auch ein konstanter Begleiter durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Dennoch bin ich der Meinung, dass es in Langenthal auch möglich sein muss, über den SCL zu diskutieren.

Der SCL versteht es meisterlich, seinen Einfluss geltend zu machen. Das hat er auch an jener Stadtratssitzung bewiesen, an der es um die Entscheidung ging, ob die Stadt nun mehr zur Eismiete beitragen soll oder nicht. Die Kinder des Nachwuchses standen Spalier, so dass jeder der Stadträte zwangsläufig durch sie hindurchmusste, im Vorfeld wurden offenbar – so habe ich es der Diskussion entnommen – Karten verschickt, mit denen die Kinder die Stadträte direkt um ihre Zustimmung baten,  und im Zuschauerraum fühlte man sich fast wie auf einer Sponsorenparty. Auf diese Weise ist es dem SCL gelungen, eine sachliche Diskussion, die sich um Finanzen drehte, auf eine emotionale Ebene zu heben. Diese Strategie hat am Ende auch verfangen. Das war einfach kluges Marketing und ist auch nichts Verwerfliches. Dem SCL ebenfalls in die Hände gespielt hat natürlich, dass die Stadt sich gerne mit dem Prädikat „Sportstadt“ schmückt, was natürlich klug klingt, natürlich aber auch verpflichtet.

Diese Emotionalität hatte eine – nennen wir es mal – interessante Wirkung auf den sonst eher nüchternen Stadtrat. Spätestens als Lars Schlapbach (SVP), meinte, man solle sich  doch nicht in juristischen Spitzfindigkeiten verlieren, sondern einfach mal aufs Bauchgefühl hören, klappte einem die Kinnlade runter. DAS von einem Bürgerlichen? Von einem Bürgerlichen der SVP, die sogar bei der dringend benötigten Aufrüstung der IT noch darauf pochen, möglichst viel Geld einzusparen? Klarer konnte man nicht aufzeigen, dass es bei dieser Diskussion nicht um Parteigrenzen geht. Sondern vielmehr um die persönliche Gewichtung des SCL.

Bei den „juristischen Spitzfindigkeiten“ ging es aber eben nicht um irgendwelche fehlenden Kommas, sondern es ging um konkrete, formale Mängel des Antrags, die von der Geschäftsprüfungskommission festgestellt wurden, Mängel, die sich um die Frage drehten, ob der Antrag überhaupt die rechtlichen Grundlagen erfüllt. Die GPK war der Auffassung, dass das Geschäft mangelhaft ist. Die vorberatenden Kommissionen – darunter die Sportkommission -  haben das Geschäft abgelehnt. Und die Stadträte sind einfach darüber hinweggegangen. Da fragt man – oder Lama – sich schon, wieso man jedes Mal den ganzen Tingeltangelzirkus abzieht, wenn der Stadtrat dann doch einfach achselzuckend darüber hinweg geht, nur weil es halt um Sport geht.

125‘000 Franken hat der Stadtrat dem SCL zugesprochen. Das erregt den Missmut der anderen Sportvereine von Langenthal, die von solchen Beträgen nur träumen können. Wobei man hier auch die Relationen sehen muss. Der SCL zahlt für die Benutzung der Eisfläche eine hohe Miete, weil die Halle, im Gegensatz zum Schwimmbad oder der Dreifachturnhalle, nicht der Stadt gehört. Andere Sportclubs müssen deutlich weniger zahlen. Deshalb sei die Neiddebatte fehl am Platz, finden die Gegner des Referendums.

Finanziell gesehen mag das stimmen, aber niemand kann ernsthaft behaupten, dass der SCL in Langenthal keine Sonderstellung geniesst – schon gar nicht nach dieser Stadtratssitzung. Ich erinnere hier daran, dass derselbe Stadtrat sich aus Kostengründen gegen die Schulsozialarbeit entschieden hat (ich rede hier von richtiger, nachhaltiger Schulsozialarbeit, nicht von diesem kostenneutralem Geblubber). „Das hat nichts miteinander zu tun“, werde ich regelmässig belehrt. Doch. Für das eine will man Geld in die Hand nehmen und für das andere eben nicht. Das nennt man Prioritätensetzung. Sport scheint das Einzige zu sein, für das der Stadtrat sich zusammenraufen kann. Immerhin ein gemeinsamer Nenner, könnte man sagen. Aber ein – entschuldigt die Ausdrucksweise – verdammt kleiner Nenner.

Egal wie sehr man auf die Tränendrüse drückt, beim SCL Nachwuchs geht es nicht um irgendwelche armen Waisenkinder, die eingekleidet werden müssen. Es geht um Sport. Vielleicht noch um Stadtmarketing. Ja, vielleicht auch um ein kollektives Wir – Gefühl, das der SCL erzeugen kann. Ob das 125‘000 Franken wert ist, darf jetzt voraussichtlich das Stimmvolk entscheiden.

Deshalb war es richtig, das Referendum zu ergreifen. Weil es auch unsere Steuern sind, die hier für einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung ausgegeben werden. Wenn der SCL wirklich diese breite Unterstützung hat, wie sie der Stadtrat annimmt, brauchen sich die Gegner des Referendums ja auch nichts zu fürchten. Vielleicht ist es auch einfach an der Zeit, den hohen Stellenwert, den Sport in dieser Stadt generell einnimmt, zu hinterfragen. 

1 Kommentar:


  1. Keine Kreditprüfungsdarlehen sind Gelder, die von einem Kreditgeber auf ein Kreditnehmerkonto eingezahlt wurden, ohne dass eine Suche nach der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers durchgeführt wurde

    AntwortenLöschen

Das andere Stadtratsprotokoll - Die Ostern - Edition: Der (Fast) Liveticker zur Stadtratssitzung vom 25.3.2024

  Das Vorgeplänkel ·         Hallo und herzlich willkommen zum neuen exklusiven anderen Stadtratsprotokoll, geschrieben wie üblich von e...