Zweiter Akt
Kinder gehören in jedes gute Stück. Sogar
wenn sie nur einmal kurz über die Bühne rennen. Die sind halt einfach süss und
sorgen für wohlige Elterngefühle. Das dachte sich auch der Stadtrat, deshalb
durfte auch bei seiner Aufführung, das Thema „Kinder“ nicht fehlen. So drehte
sich die Handlung des zweiten Aktes um das Programm Schrittweise, ein Projekt,
das sich der Förderung von benachteiligten Kindern annimmt (Experten – und
Expertinnen besuchen Familien und unterstützen diese mit ihrem Fachwissen). Das
Projekt gab schon einmal zu reden. Der Gemeinderat wollte vor einem Jahr das
Projekt nicht mehr nur befristet unterstützen, sondern dauerhaft und zwar mit
einem Betrag von 75‘000. Dem Stadtrat ging das zu weit. Er beschloss, dass
Projekt nur befristet bis 2021 zu unterstützen und beim alten Betrag von 50‘000
zu bleiben.
Soweit zur Vorgeschichte. Weil die Stadt neu
mit dem Kanton den dazugehörigen Vertrag abschliesst, braucht es einige
Anpassungen, die von Michael Schär (FDP), dem frischgebackenen Ressortleiter
Soziales dargelegt wurden. Die EVP/GLP Fraktion stellte dabei den Antrag, nicht
nur 15 Familien zu unterstützen, sondern maximal 20 Familien. Obwohl einige
nachhakten, ob sie die Formulierung nicht in „mindestens 20“ umwandeln wollen –
denn maximal bedeutet ja, dass eine weitere Erhöhung der Plätze ausgeschlossen
wird, beharrte die EVP/GLP Fraktion auf ihren ursprünglichen Antrag. Und hatte
es erwartungsgemäss schwer damit, denn Kinder sind halt vor allem dann niedlich, wenn sie einem selbst nichts kosten.
Wenn mehr Familien unterstützt würden, dann
würden später Kosten gespart werden können, weil diese Kinder im weiteren
Verlauf ihres Lebens logischerweise weniger Hilfe in Anspruch nehmen müssten,
argumentiert Renate Niklaus von der GLP. Sie verwies zudem auf die Wichtigkeit
des Programms in Bereich der Integration, da besonders Migrantenkinder davon
betroffen sind.
Thomas Multerer (FDP) brachte dem Anliegen
zwar Sympathie entgegen (einen Antrag sympathisch finden ist im Stadtrat
meistens ein Synonym für: Eigentlich finde ich deine Idee von moralischen
Standpunkt her härzig, aber leider ist sie völlig realitätsfremd), wollte aber
nicht, dass diese weiteren Plätze mehr kosten. Gehör fanden EVP und GLP
erwartungsgemäss bei der SP. Paul Bayard geriet gar ins Schwärmen als
er von seinem Wochenende berichtete, dass er mit Migranten – und Migrantinnen
–vor allem mit Kindern – im Wald verbracht hatte. Dabei sei ihm wieder bewusst
geworden, wie wichtig das Spielen sei, auch für Erwachsene.
Lars Schlapbach (SVP) konnte mit dieser
Waldromantik gar nichts anfangen. Für ein bisschen „spielerle“ und „tütschele“
sei ihm das Projekt zu teuer, bemerkte er giftig (ich rate jetzt einfach mal
wild drauflos und sage, dass Mary Poppins nicht zu seinen Lieblingsfilmen
gehört). Empörend fand er auch, dass er jetzt auch noch den Austausch von
Migranten – und Migrantinnen zahlen soll. Er kritisierte auch, dass man den
Erfolg des Projekts nicht mit konkreten Zahlen messen könne und somit gar nicht
beweisen kann, ob es wirklich konkreten Nutzen bringt. Nun, ich würde sagen, er
hat das mit dem Bauchgefühl aufgegeben (zur Erinnerung: Lars Schlappbach war
derjenige, der fand, dass man in Bezug auf den SCL Nachwuchs sich nicht mit
juristischen Spitzfindigkeiten aufhalten, sondern einfach mal auf das
Bauchgefühl hören soll…)
Dieses dramatische Crescendo blieb nicht
unbeantwortet. Der etwas erschrocken wirkende Paul Bayard schob nach, dass
seine persönliche Erfahrung ja nichts mit schrittweise zu tun habe, sondern
lediglich hätte betonen sollen, dass die spielerische Annährung Lernen
vereinfachen könne. Und Beat Hasler (parteilos, SP/GL) fand die Bemerkungen von
Lars Schlapbach schlichtweg despektierlich. Michael Schär (FDP) liess den
Rundumschlag auch nicht auf sich sitzen. Es ginge bei schrittweise
selbstverständlich keineswegs nur darum, dass man ein bisschen spiele, sondern
lediglich darum, dass man Lerninhalte spielerisch, aber selbstverständlich
professionell rüberbringe. „Aber eben, wenn man dagegen sein will, muss man
offenbar einfach dagegen sein“, schloss Michael Schär fast schon philosophisch.
Touché.
Ein weiterer Schlagabtausch entspann sich
zwischen Paul Beyeler (EVP) und Pascal Dietrich (FDP). Der Erstgenannte brachte
den Vergleich mit dem SCL Nachwuchs, wo man bereit gewesen sei, wesentlich mehr
Geld für weniger Kinder auszugeben als es bei schrittweise der Fall ist.
Schliesslich unterstütze man beim SCL gerade mal 50 Kinder. „Da wird wieder
einmal Unsinn erzählt“, regte sich Dietrich auf, denn es handle sich beim SCL
um 400 Kinder und das Geld fliesse auch nicht direkt zu diesen (wenn ihr wollt,
dass Roland Loser (SP) und Pascal Dietrich (FDP) ans Rednerpult kommen, nehmt
einfach die Worte „SCL Nachwuchs“ in den Mund. Auf das reagieren sie ungefähr
so, wie ein Stier auf ein rotes Tuch).
Letztendlich fasste Beatrice Lüthi (FDP) den
Standpunkt des Stadtrates in einem Satz zusammen. „Mehr Geld möchte ich für das
Projekt nicht ausgeben.“ Der Antrag der EVP blieb chancenlos. Hätte ich das
Stück geschrieben, wäre jetzt ein Kinderchor aufgetreten, der eine todtraurige
Arie gesungen hätte. Da ich aber im Stadtratstheater nichts zu sagen habe,
blieb es bei einer nüchternen Abstimmung, bevor sich der Vorhang senkte.
Ende Akt 2
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen