Dienstag, 17. September 2019

Das andere Stadtratsprotokoll VIII: Zweiter Akt


Zweiter Akt

Kinder gehören in jedes gute Stück. Sogar wenn sie nur einmal kurz über die Bühne rennen. Die sind halt einfach süss und sorgen für wohlige Elterngefühle. Das dachte sich auch der Stadtrat, deshalb durfte auch bei seiner Aufführung, das Thema „Kinder“ nicht fehlen. So drehte sich die Handlung des zweiten Aktes um das Programm Schrittweise, ein Projekt, das sich der Förderung von benachteiligten Kindern annimmt (Experten – und Expertinnen besuchen Familien und unterstützen diese mit ihrem Fachwissen). Das Projekt gab schon einmal zu reden. Der Gemeinderat wollte vor einem Jahr das Projekt nicht mehr nur befristet unterstützen, sondern dauerhaft und zwar mit einem Betrag von 75‘000. Dem Stadtrat ging das zu weit. Er beschloss, dass Projekt nur befristet bis 2021 zu unterstützen und beim alten Betrag von 50‘000 zu bleiben.

Soweit zur Vorgeschichte. Weil die Stadt neu mit dem Kanton den dazugehörigen Vertrag abschliesst, braucht es einige Anpassungen, die von Michael Schär (FDP), dem frischgebackenen Ressortleiter Soziales dargelegt wurden. Die EVP/GLP Fraktion stellte dabei den Antrag, nicht nur 15 Familien zu unterstützen, sondern maximal 20 Familien. Obwohl einige nachhakten, ob sie die Formulierung nicht in „mindestens 20“ umwandeln wollen – denn maximal bedeutet ja, dass eine weitere Erhöhung der Plätze ausgeschlossen wird, beharrte die EVP/GLP Fraktion auf ihren ursprünglichen Antrag. Und hatte es erwartungsgemäss schwer damit, denn Kinder sind halt vor allem dann niedlich, wenn sie einem selbst nichts kosten.

Wenn mehr Familien unterstützt würden, dann würden später Kosten gespart werden können, weil diese Kinder im weiteren Verlauf ihres Lebens logischerweise weniger Hilfe in Anspruch nehmen müssten, argumentiert Renate Niklaus von der GLP. Sie verwies zudem auf die Wichtigkeit des Programms in Bereich der Integration, da besonders Migrantenkinder davon betroffen sind.

Thomas Multerer (FDP) brachte dem Anliegen zwar Sympathie entgegen (einen Antrag sympathisch finden ist im Stadtrat meistens ein Synonym für: Eigentlich finde ich deine Idee von moralischen Standpunkt her härzig, aber leider ist sie völlig realitätsfremd), wollte aber nicht, dass diese weiteren Plätze mehr kosten. Gehör fanden EVP und GLP erwartungsgemäss bei der SP. Paul Bayard geriet gar ins Schwärmen als er von seinem Wochenende berichtete, dass er mit Migranten – und Migrantinnen –vor allem mit Kindern – im Wald verbracht hatte. Dabei sei ihm wieder bewusst geworden, wie wichtig das Spielen sei, auch für Erwachsene.

Lars Schlapbach (SVP) konnte mit dieser Waldromantik gar nichts anfangen. Für ein bisschen „spielerle“ und „tütschele“ sei ihm das Projekt zu teuer, bemerkte er giftig (ich rate jetzt einfach mal wild drauflos und sage, dass Mary Poppins nicht zu seinen Lieblingsfilmen gehört). Empörend fand er auch, dass er jetzt auch noch den Austausch von Migranten – und Migrantinnen zahlen soll. Er kritisierte auch, dass man den Erfolg des Projekts nicht mit konkreten Zahlen messen könne und somit gar nicht beweisen kann, ob es wirklich konkreten Nutzen bringt. Nun, ich würde sagen, er hat das mit dem Bauchgefühl aufgegeben (zur Erinnerung: Lars Schlappbach war derjenige, der fand, dass man in Bezug auf den SCL Nachwuchs sich nicht mit juristischen Spitzfindigkeiten aufhalten, sondern einfach mal auf das Bauchgefühl hören soll…)

Dieses dramatische Crescendo blieb nicht unbeantwortet. Der etwas erschrocken wirkende Paul Bayard schob nach, dass seine persönliche Erfahrung ja nichts mit schrittweise zu tun habe, sondern lediglich hätte betonen sollen, dass die spielerische Annährung Lernen vereinfachen könne. Und Beat Hasler (parteilos, SP/GL) fand die Bemerkungen von Lars Schlapbach schlichtweg despektierlich. Michael Schär (FDP) liess den Rundumschlag auch nicht auf sich sitzen. Es ginge bei schrittweise selbstverständlich keineswegs nur darum, dass man ein bisschen spiele, sondern lediglich darum, dass man Lerninhalte spielerisch, aber selbstverständlich professionell rüberbringe. „Aber eben, wenn man dagegen sein will, muss man offenbar einfach dagegen sein“, schloss Michael Schär fast schon philosophisch. Touché.

Ein weiterer Schlagabtausch entspann sich zwischen Paul Beyeler (EVP) und Pascal Dietrich (FDP). Der Erstgenannte brachte den Vergleich mit dem SCL Nachwuchs, wo man bereit gewesen sei, wesentlich mehr Geld für weniger Kinder auszugeben als es bei schrittweise der Fall ist. Schliesslich unterstütze man beim SCL gerade mal 50 Kinder. „Da wird wieder einmal Unsinn erzählt“, regte sich Dietrich auf, denn es handle sich beim SCL um 400 Kinder und das Geld fliesse auch nicht direkt zu diesen (wenn ihr wollt, dass Roland Loser (SP) und Pascal Dietrich (FDP) ans Rednerpult kommen, nehmt einfach die Worte „SCL Nachwuchs“ in den Mund. Auf das reagieren sie ungefähr so, wie ein Stier auf ein rotes Tuch).

Letztendlich fasste Beatrice Lüthi (FDP) den Standpunkt des Stadtrates in einem Satz zusammen. „Mehr Geld möchte ich für das Projekt nicht ausgeben.“ Der Antrag der EVP blieb chancenlos. Hätte ich das Stück geschrieben, wäre jetzt ein Kinderchor aufgetreten, der eine todtraurige Arie gesungen hätte. Da ich aber im Stadtratstheater nichts zu sagen habe, blieb es bei einer nüchternen Abstimmung, bevor sich der Vorhang senkte.

Ende Akt 2

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