Mittwoch, 18. September 2019

Das andere Stadtratsprotokoll VIII: Dritter Akt



Weil wir uns schon mindestens eine halbe Stunde mit keinem Reglement befasst hatten, wurde das sofort nachgeholt: Der Hauptdarsteller des nächsten Aktes hiess Wahl – und Abstimmungsreglement und ja, der hatte schon in einem vorherigen Stadtratsstück seinen grossen Auftritt. Jetzt ging es noch um letzte Änderungen. Inzwischen hat der Gemeinderat die verlangte Wahlsimulation mit dem überarbeiteten Reglement durchgeführt. Stapi Reto Müller (SP) brache dann frohe Kunde: Das komplizierteste Wahlreglement der Welt (O – Ton Stadtrat) besteht in der Praxis tatsächlich. Einigermassen. Es gibt aber einen heiklen Punkt, den der Gemeinderat noch einmal in den Stadtrat bringen wollte: Gemeinderatswahlen.

Um das zu erklären muss ich weiter ausholen. Der Stadtrat hatte in der letzten Besprechung des Reglements bestimmt, „dass die Stimmen derjenigen Person, die ins Stadtpräsidium gewählt wurde, in der Gemeinderatswahl als ungültig gewertet werden“. Klingt cool oder? Cool und…hochgestochen. Aber intellektuell. Ich versuch’s jetzt mal einigermassen verständlich zu formulieren und wenn ich es falsch verstanden habe, dürfen die mitlesenden Stadträte/Stadträtinnen gerne in den Kommentaren korrigierend eingreifen.

Der Gemeinderat wird im Proporzverfahren gewählt. Jede Partei gibt ihre Liste ein. Diese 
Listen sammeln dann bei der Wahl Stimmen, die zusammengerechnet werden. Diejenige Liste mit den meisten Stimmen, bekommen am meisten Sitze. Dadurch entsteht eine Art Zauberformel. Das Gegenteil von der Proporzwahl ist die Majorzwahl. Wählt man im Majorz, sind am Ende diejenigen Personen gewählt, die am meisten Stimmen geholt haben, ungeachtet ihrer Listenzugehörigkeit. Wenn also 5 FDPler die meisten Stimmen machen würden, wären 5 von 7 Sitzen mit Liberalen besetzt, was natürlich nicht im Sinn einer ausgewogenen Exekutive wäre. Der Stapi dagegen wird so gewählt.

Wenn ich das richtig interpretiert habe, ist es in Langenthal normalerweise so, dass der Stapi auf der Gemeinderatsliste seiner Partei antritt. Das sorgt für zusätzliche Listenstimmen. Nach Ansicht des Stadtrates sollen diese Stimmen aber wegfallen, um den Wählerwillen nicht zu verfälschen. Der Gemeinderat dagegen ist der Auffassung, dass es sich genau umgekehrt verhält: Mit diesem Ansatz werde der Wählerwille erst recht verfälscht.

Und nicht nur der Gemeinderat sieht das so. Reto Müller (SP) machte deutlich, dass dieser Absatz zu Ärger bzw. einen Rechtsstreit führen könnte und zwar mit dem „Oger.“ Zumindest verstand ich die ganze Zeit Oger und fragte mich schon, was zum Teufel Shrek jetzt mit dem Wahlreglement zu tun hat, bis Pascal Dietrich (FDP) freundlicherweise erklärte, was es mit dem ominösen „Oger“ auf sich hat. Es heisst nicht „Oger“ sondern „AGR“ und ist das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung“. Die schauen den Gemeinden auf die Finger, ob es bei ihnen auch rechtlich korrekt zugeht, eben auch was Wahlbestimmungen betrifft.

Pascal Dietrich (FDP) von der GPK zeigte sich kampfeslustig. Seiner Ansicht nach, müsse man sich vor dem AGR keineswegs fürchten, denn die Chancen diesen Rechtsstreit zu gewinnen, stünden gar nicht zu schlecht. Er stützte seine Ansicht vor allem auf die Einschätzung von Daniel Arn, dem Sekretär der GPK und Rechtsexperte, der der Stadt eine 50: 50 Chance einräumte, den Rechtsstreit zu gewinnen. Und auch das Inkrafttreten des neuen Reglements würde keineswegs verzögert werden, denn man könnte den umstrittenen Satz problemlos ausklammern bis die Sache geklärt sei.

Ins gleiche Horn wie sein Parteikollege stiess Diego Clavadetscher (FDP), der ebenfalls der Ansicht war, man müsse auf seiner Autonomie gegenüber dem AGR beharren. Irgendwie konnte ich mir nicht helfen: Das Wort „Autonomie“ und das ständige Betonen, der Kanton dürfe nicht zu sehr eingreifen, erinnerte mich irgendwie an die Brexit – Diskussion im fernen Britannien…ob wir wohl bald über den Lanxit abstimmen?

Nicht ganz so aufrührerisch zeigte sich Bernhard Marti (SP). Man sei dann schon angewiesen auf die Genehmigung des AGR, widersprach er. Zudem bezweifelte er, dass der Stadtrat, der es ja geschafft hat, dieses komplizierte Flickwerk namens Wahl – und Abstimmungsreglement überhaupt erst zu fabrizieren, es wirklich besser wisse, als das kantonale Amt. Auch von anderer Seite wurden Zweifel an dem Machwerk laut. Eigentlich wollte man es vereinfachen, stattdessen hat man es eher verschlimmbessert. „Die Kommission hat hier nicht gerade brilliert, da nehme ich mich nicht aus“, merkte Pascal Dietrich (FDP), selbstkritisch an. Nur, jetzt ist das Kind geboren und man kann es schlecht zurück in den Mutterleib stopfen (ja, ich hatte schon bessere Metaphern).

Die SVP ist ja bekanntlich sehr für Unabhängigkeit und so überraschte es auch nicht, dass sie der Idee, gegen das AGR in den Kampf zu ziehen, nicht abgeneigt waren. „Wir können es ja mal probieren“, bemerkte Janosch Fankhauser (SVP) geradezu munter. Und dann probieren wir noch, Bananenbäume zu pflanzen. Und eine Einhornzucht aufzuziehen. Es lebe das Bauchgefühl!

Stadtpräsident Reto Müller (SP) versuchte vergeblich das Ruder noch einmal rumzureissen. „Es geht hier nicht darum unsere Autonomie zu verteidigen“, entgegnete er. Zudem sei es der Informatiker gewesen, die darauf hingewiesen hat, dass man dieses komplizierte Verfahren durchaus programmieren könne, dass er dem aber noch nie in dieser Form begegnet sei (Momente im Leben eines Politikers: Wenn der Informatiker dir sagt, dass du da eine seltsame Idee ausgebrütet hast…). Auch die mangelnde Rechtssicherheit sei ein Problem, denn immerhin ginge man mit diesem Reglement im jetzigen Zustand fürs Volk, argumentierte er. Doch er fand kein Gehör, der Stadtrat beschloss, den heiklen Passus drin zu lassen und wenn nötig, den Rechtsstreit mit dem AGR zu wagen. Und weil sie das nicht selber können bzw. dürfen beauftragten sie den Gemeinderat mit dieser Schlacht, ganz wie der General, der schlaue Pläne macht, die dann andere an der Front ausführen dürfen. Der Gemeinderat sah jetzt nicht so begeistert aus. Wohlmöglich war die Freude aber auch einfach so gross, dass sie ihr nicht angemessen Ausdruck verleihen konnten.

Ein weiterer Antrag betreffend Wahlreglement kam aus den Reihen der SP. Saima Sägesser forderte, dass bei der Zuteilung der Kommissionen auch auf eine angemessene Vertretung der Geschlechter Rücksicht genommen werden muss. Dies mache Sinn, so Sägesser, denn es sei auch wissenschaftlich erwiesen, dass gemischte Teams besser arbeiten würden und man brauche sich nur daran zu erinnern, wie viele Frauen in den Kommissionen anzutreffen seien, um zu verstehen, dass es diesen Passus brauche. Da auch im Stadtratsregelement eine ähnliche Formulierung anzutreffen sei (auch die wurde auf Antrag von Saima Sägesser reingenommen), sei es nur logisch im Wahl – und Abstimmungsreglement nachzuziehen.

Diego Clavadetscher (FDP) war dem nicht so abgeneigt, allerdings erkundigte sich nach Sanktionen, denn ohne Konsequenzen bei der Nichterfüllung, sei diese „Auflage“ sinnlos (also ich hätte da schon ein paar Sanktionsideen. Zum Beispiel, dass alle rein männlichen Kommissionen zur Strafe nur im glitzernden Prinzessin Lillifee Kostüm tagen dürfen…). Egal ob mit oder ohne Sanktionen, Carole Howald (JLL) sprach sich grundsätzlich gegen derlei Quoten aus. „Frauen schaffen das auch ohne“, zeigte sie sich überzeugt. Saima Sägesser konterte, dass es sich eben nicht um Quoten handle. „Sonst hätte ich es reingeschrieben“, erklärte sie.

Lars Schlapbach (SVP, scheint generell nicht viel mit diesen „Genderfragen“ am Hut zu haben. „Das gehört nicht ins Reglement“, gab er seine Auffassung kund, schliesslich habe es auch weniger Frauen im Parlament, da sei es nur logisch, dass es auch weniger weibliche Kommissionsmitglieder habe (ich kann dieser Argumentation nicht ganz folgen, weil die meisten Kommissionen ja eben nicht nur aus Parlamentsmitgliedern bestehen. Möglicherweise wollte er mit seiner Äusserung aber auch einfach nur unterstreichen, dass generell weniger Frauen in der Politik zu finden sind).

Beatrice Lüthi (FDP) schlug sich vehement auf die Seite von Saima Sägesser und zerpflückte die üblichen Frauen – müssen – halt – selber – schauen – dass – sie – besser – vertreten – sind – Standpunkte, indem sie darauf verweist, dass man auf kleinere Fraktionen auch Rücksicht nehme, um deren angemessene Vertretung sicherzustellen. „Oder sollen wir in Zukunft auch sagen, dass kleinere Fraktionen halt grösser werden müssen, wenn sie besser vertreten sein wollen?“, lautete ihre rhetorische Frage. Die FDP Frauen und einzelne FDP - Männer schlossen sich der Ratslinken an und somit konnte sich Saima Sägesser über einen erneuten Erfolg freuen. Ihr Antrag obsiegte (um es mit Freudigers schönem Juristendeutsch auszudrücken.)

So endete der dritte Akt mit einem triumphalen Ritt der Walküren und das grosse Finale kündigte sich mit eifrigem Papierrascheln an.

1 Kommentar:

  1. Ich freue mich heute, dass ich nach vielen Jahren des finanziellen Abschwungs ein Darlehen von diesem legitimen Unternehmen erhalten habe, und ich war in dem Prozess zerrissen, bis ich diese großartige Lady, Frau Kayla Abubaker, traf, die mir mit einem Darlehen von insgesamt 145.000,00EUR half Kreditantragsteller sollten sich per E-Mail an dieses Unternehmen wenden: über (financierlibertycapitals@gmail.com) ODER WhatsApp an (+12074087564).

    AntwortenLöschen

Das andere Stadtratsprotokoll - Die Ostern - Edition: Der (Fast) Liveticker zur Stadtratssitzung vom 25.3.2024

  Das Vorgeplänkel ·         Hallo und herzlich willkommen zum neuen exklusiven anderen Stadtratsprotokoll, geschrieben wie üblich von e...