Montag, 25. November 2019

Das andere Stadtratsprotokoll X


Während ich das letzte Mal noch fast alleine auf den Zuschauerrängen sass (abgesehen von den Journalisten – und Journalistinnen. Und Patricia, die irgendwie noch das Kunststück fertigbrachte, zuzuhören und parallel dazu die Namen verschiedener Knochen zu lernen) wurde dieses Mal eine solche Menschenflut in den Saal gespült, dass ich flüchtig dachte, ich hätte mich versehentlich in ein Taylor Swift Konzert gesetzt (wobei, dafür waren zu wenig Teenies da). Als ich unter den zahlreichenden Anwesenden meine ehemalige Handarbeitslehrerin ausmachte (ihr Anblick verpasste mir einen kleinen Schock, weil ich mich mit Grauen an all die Stunden erinnerte, in denen ich versuchte, Socken zu stricken oder ein T – Shirt zu nähen. Mit sehr mageren Erfolg, was weniger an ihren, als an meinem mangelnden Fähigkeiten lag), war klar, um wen es sich beim Publikum grösstenteils handelte: Die Lehrpersonen von Langenthal marschierten auf, weil es um die geplante neue IT – im schönsten Englisch salbungsvoll ICT4Kids genannt – in den Schulhäusern ging. 

Stadtratspräsident Patrick Freudiger (SVP) interpretierte den ungewöhnlichen Menschenauflauf dann auch gleich als Folge der – wieder einmal – vollgestopften Traktandenliste (klar. Weil alle ganz scharf darauf sind, sich bis zwölf Uhr nachts ein Stadtratsprogramm über Kredite, Kunstrasen und Abstimmungsbotschaften reinzuziehen. Ist schliesslich fast so gut wie ein Tatort…) und machte darauf aufmerksam, dass das Stadtratsbüro wieder einmal in neuer Besetzung glänzt. Martina Moser (SP), die Vizestadtpräsidentin war krank. Für sie sprang Paul Bayard (SP) ein. Ja, bei diesem Tisch geht es momentan wirklich zu, wie im Taubenschlag. Gut sind bei den Stühlen keine Namen eingraviert, sonst müsste man dauernd neue Möbel anschleppen. 

Neue Möbel brauchen die Schulen in Langenthal nicht – zumindest nicht alle – aber eine neue IT – Einrichtung. Denn die, die momentan in den Klassenzimmern beziehungsweise Informatikräumen zur Verfügung steht, ist hoffnungslos veraltet, von Spinnweben umwuchert, von Staub bedeckt, unbrauchbar, kaputt…okay, so schlimm ist es nicht. Aber sie ist nicht mehr zeitgemäss (ach, da werden Erinnerungen wach an den Informatikunterricht, wo du Solitaire gespielt und auf Facebook rumgehangen bist, statt brav deine Exceltabelle durchzurechnen. Jaja, damals was ich noch jung und wild…) Deshalb hat der Gemeinderat ICT4 Kids weiterentwickelt zu ICT4Kids 2.0. Tadamm!

Da aber nun einmal nichts im Leben gratis ist (schon gar nichts Technologisches. Ausser es wird von Daniel Düsentrieb hergestellt) muss die Stadt sehr viel Geld investieren. Warum dieses Geld gut investiert und die Anschaffung einer neuen IT nötig und sinnvoll ist, dieser Frage stellte sich der Ressortvorsteher, Gemeinderat Matthias Wüthrich (Grüne). Er legte dar, wie wichtig es ist, die Kinder und Jugendlichen optimal auf die digitalisierte Zukunft vorzubereiten, auch wenn man noch nicht weiss, wie diese genau aussieht. „Vielleicht kann auch eine Floristin in Zukunft einen 3D – Drucker für ihr Arrangement gebrauchen“, meinte er. Der Computer würde in dieser neuen IT – Ausrichtung zur wichtigen Ergänzung des Schulmaterials und wie das Etui, einfach dazugehören. Mithilfe von Folien zeigte er auf, welche technischen Hilfsmittel den Schulen zur Verfügung gestellt würden. Erfreulicherweise soll es neu überall WLAN geben (hoffen wir mal, dass es nicht die berühmten WLAN – Kabel sind…). Damit werden die Schulen Langenthals endgültig Teil der technischen Zivilisation. Hurra! 

Kosten können unter anderem dadurch ein wenig eingespart werden, weil man auf Teile der alten Infrastruktur zurückgreifen kann (wie z.B auf die alten Glasfaserkabel) und der First Level Support nicht mehr komplett bei der Stadt liegt, wodurch dort Personalaufwand wegfällt. 

Dem Gemeinderat kommt in dem Geschäft ein Umstand entgegen, den sie nicht beeinflussen konnten: Die Stadt Bern sorgte in den letzten Wochen für Schlagzeilen, weil sie es fertig gebracht hat, die IT an ihren Schulen erfolglos zu erneuern (Doch, das System ist super. Es funktioniert nur nicht, aber eigentlich ist es super). Statt selbst zu wursteln hat die Stadt Langenthal den Auftrag an eine externe Firma vergeben. Ein Schritt, der sich nun, nach dem Desaster in Bern, als richtig herausstellte. Des einen Leid, des andern Freud, könnte man sagen.

Der Rahmenkredit für  ICT4Kids 2.0 beläuft sich auf 1‘404‘000 Franken, also eine wirklich stattliche Summe, die in den Jahren 2020 – 2024 investiert werden wird. Wer die letzten Stadtratssitzungen verfolgt hat, weiss, dass der Stadtrat sich bei grossen Summen gerne mal etwas schwertut und nicht selten auf eine zweite Lesung auswich. Nicht aber bei diesem Geschäft. Der Sprecher der GPK, Diego Clavadetscher, stellte dann, abgesehen von ein paar redaktionellen Änderungen, keine Anträge (aber es wurde wieder einmal ein falsch gesetztes Komma bemängelt. Vielleicht schenke ich dem Stadtrat zu Weihnachten ein Buch mit den Kommaregeln.) Auch die Fraktionssprecher – und Sprecherinnen zeigten sich von ihrer sanften und nachgiebigen Seite.

Paul Beyeler (EVP) bedauerte zwar, dass man bei der Wahl der Softwareanbieter auf den Riesen Microsoft zurückgreifen musste – weil Bern bewiesen hat, dass Open Source an einigen Kinderkrankheiten leidet –  unterstützt im Namen seiner Fraktion aber trotzdem den Gemeinderat. Ihm schloss sich Diego Clavadescher (FDP) an, wobei er darauf hinwies, dass die erhöhten Anforderungen des Lehrplans 21 auch nicht viel Wahlfreiheit lassen, dass der Gemeinderat aber eine gute, wenn auch keine luxuriöse Lösung gefunden hat.

Sandro Baumgartner (SP) machte es kurz. Für die SP – Fraktion sei klar, dass sich dadurch die Attraktivität des Bildungsstandorts Langenthal erhöhe und somit folge sie in dem Geschäft auch fast einstimmig dem Gemeinderat. Von der anderen Seite des politischen Spektrums kam ebenfalls keine grosse Gegenwehr. Corinna Grossenbacher (SVP) erklärte, dass ihre Partei das Geschäft unterstütze, denn schliesslich sei Bildung ein wichtiges Ziel. Ganz konnte sie sich eine Kritik an den hohen Kosten dann allerdings nicht verkneifen. Man habe hier die Rolls Royce Lösung gewählt, merkte sie an und warnte vor einen Kostenexplosion. 

Matthias Wüthrich (Grüne), der als der zuständige Gemeinderat am Ende der Debatte noch einmal Stellung nehmen konnte, begründete die Wahl von Microsoft Office. „Mir wäre auch wohler, wenn wir auf Grosskonzerne verzichtet hätten“, sagte er und für einen Moment schwang ein Hauch von Rebellion und Unabhängigkeit in seiner Stimme mit. Nur, müsse man sich im Klaren  darüber sein, dass die meisten weiterführenden Schulen und Arbeitgeber mit Office arbeiteten, weshalb es Sinne mache, die Schüler – und Schülerinnen auch darauf auszubilden. 

Ob es nun am Wüthrichs guter Argumentation lag, an den vielen anwesenden Lehrpersonen (die sich bei einem negativen Entscheid vielleicht kreischend auf die Stadträte – und Stadträtinnen gestürzt hätten) oder einfach daran, dass in Zeiten der rasend fortschreitenden Digitalisierung allen klar geworden ist, dass die Ära der Schreibmaschinen und Röhrenbildschirmen endgültig vorbei ist oder ob es eine Mischung aus all diesen Komponenten war: Auf jeden Fall stimmte der Stadtrat dem Beschlussentwurf fast einstimmig zu und bewilligte damit den notwendigen Kredit.

Der jetzt noch vors Volk muss. Und damit das sogenannte Volk (das sind wir) auch weiss, was es da genau absegnet oder eben nicht absegnet, wird immer eine Abstimmungsbotschaft verfasst, die dann mit dem Wahlmaterial verschickt wird (merkt euch das. Eine solche Abstimmungsbotschaft sorgte später für einigen Ärger). Bei der Botschaft zu diesem Geschäft wurden vom Stadtrat noch ein paar Änderungen beantragt.

Unter anderem wurde auf Anregen von Paul Beyeler (EVP) die Botschaft ergänzt, indem man explizit festhielt, wer den Auftrag bekommen hat und wieso man sich für diesen Anbieter entschiedet hat (für die, die es interessiert: Es  ist Letec IT Solutions). Ebenfalls auf Antrag der EVP wurde ein Satz hinzugefügt, der festlegt, was mit den abgegebenen Geräten nach Ende des Schuljahres passiert (sie werden auf einen Haufen geschmissen , verbrannt und dann tanzen alle 5G Gegner nackt drumherum…nein, das war ein Scherz, die Geräte werden von den Schülern abgegeben. Was dann mit ihnen passiert, ist noch nicht klar definiert.)

Für kurzzeitige Irritation – zumindest beim Stadtratspräsident – sorgte ein Antrag von Saima Sägesser (SP), der bei einem Abschnitt auffiel, dass die weibliche Form nicht verwendet wurde. Sie verlangte deshalb, dass in der gesamten Abstimmungsbotschaft auf eine gendergerechte Sprache geachtet wird. „Also, soll es dann heissen Lehrerinnengeräte?“, fragte ein sichtlich verwirrter Patrick Freudiger. Hilfe kam aus dem Publikum. „Lehrpersonengeräte“, schlug jemand der Anwesenden vor. Es kann eben auch sehr hilfreich sein, wenn der Saal mit Lehrer – und Lehrerinnen vollgestopft ist…Saimas Sägessers Antrag kam trotz grammatikalischer Diskussionen durch. Und hatte nebenbei dafür gesorgt, dass zumindest bei den darauffolgenden Voten, mehr auf gendergerechte Formulierungen geachtet wurde (auch wenn sie aus manchem Mund etwas spöttisch klang…)

Als die angepasste Botschaft verabschiedet wurde, bekam der Stadtrat etwas Seltenes: Applaus. Die Lehrpersonen waren offensichtlich zufrieden mit der Arbeit des Parlaments und verliessen den Saal singend und tanzend (okay, ja, das ist etwas übertrieben. Ich steh halt auf Musicals!).

Nach einem kurzen Intermezzo der neuen Stadtbaumeisterin Sabine Gresch, die Gelegenheit bekam, sich kurz vorzustellen, wandte man sich einem neuen Geschäft dazu: Der Fusion von Langenthal und Obersteckholz. Nach langer Verlobungszeit und Aushandeln der Aussteuer, liegt nun ein Ehevertrag vor. 

Ihre Eminenz, Stadtpräsident Reto Müller (SP) stellte das Geschäft kurz vor und skizzierte kurz die Geschichte dieser Eheschliessung. Beide Gemeinden, Obersteckholz und Langenthal, haben im Vorfeld die Risiken und Chancen abgeklärt. Probleme traten auf, bei der Frage nach der Wasserversorgung, doch die wurden inzwischen bereinigt. Der Entwurf des Fusionsvertrag wurde geprüft und die versprochene Informationsveranstaltung für die Einwohner – und Einwohnerinnen von Langenthal und Obersteckholz wurde abgehalten. Damit stehe einer Abstimmung nichts mehr im Wege und der Gemeinderat bitte nun den Stadtrat um Zustimmung, so Reto Müller. 

Bernhard Marti (SP) stellte im Namen der GPK, die formelle Richtigkeit des Geschäfts fest. Der Geschäftsprüfungskommission war in ihrer fünfstündigen Sitzung (ich glaube, er hat wirklich fünfstündig gesagt. Wahnsinn oder?) allerdings aufgefallen, dass im Vertrag nur definiert wird, dass die Obersteckholzer das passive und aktive Wahlrecht bei der Wahl des Stadtrats und Gemeinderats ausüben können. Nicht erwähnt wird aber die Stapiwahl. Die GPK vermutete dabei einen Unterlassungsfehler, keine Absicht. Schliesslich macht es ja keinen Sinn, die Obersteckholzer bei der Wahl des Stapis auszuschliessen. Ist ja auch ihr Papi…Stapi mein ich. 

Stadtpräsident Reto Müller bestätigte die Vermutung der GPK. Man hatte einfach vergessen die Wahl des Stadtpräsidiums ebenfalls reinzuschreiben. „Natürlich, wir könnten jetzt sagen, dass die Wahl des Gemeinderats, den Stapi miteinschliesst“, interpretierte Müller und erklärte, dass allfällige Änderungen am Vertrag, dem Gemeinderat Obersteckholz vorgelegt werden müssten, wenn man sich jetzt dafür entscheidet, den Vertrag abzuändern. 

Als würden im Stadtrat nicht schon genug Juristen – und Juristinnen rumrennen, kam wieder ein externer Experte zum Zug. An diesem Abend war das Martin Buchli, der ausführte, dass es aus streng juristischer Sicht schon einen Unterschied zwischen Stapi – und Gemeindewahlen gebe. Die Definition sei aber schlicht vergessen worden. Er plädierte dafür, den Text entsprechend zu ändern, weil Auslegungssachen à la „in – Gemeinderatswahlen – sind – Stapiwahlen – irgendwie – auch – inbegriffen, immer heikel wären. Klar, die Dokumente seien ausgehandelt, so Buchli, aber die Oberstockholzer würden sich wohl kaum dagegen wehren, wenn sie den Stapi ebenfalls wählen können. 

„Tja, ist eben schon scheisse, wenn man nicht weiss, ob man nun mitgemeint ist oder nicht, hm?“, bemerkte Beatrice Lüthi (FDP) spitz, in Anspielung auf die immer wiederkehrende Debatte, ob mit der männlichen Form die weibliche Form nun mitgemeint ist oder nicht. „Und übrigens gibt es auch Juristinnen, nicht nur Juristen hier, Herr Buchli“, setzte sie hinzu.
Wonder Woman hat gesprochen, sag ich da nur. 

Nach dem kurzen Ausflug in feministische Gefilde ging es dann wieder um die Frage: Ändern oder nicht ändern? Der Stadtrat entschied sich schliesslich für ersteres: Die besagte Textstelle wird mit der Wahl des Stadtpräsidiums ergänzt. Der Gemeinderat Obersteckholz wird über die Mutationen brieflich in Kenntnis gesetzt werden. 

Nachdem diese Unsicherheit ausgeräumt war, stimmte der Stadtrat dem Fusionsvertrag zu und beauftragte das Stadtratsbüro mit dem Anpassen der Abstimmungsbotschaft. Auch dieser Entscheid wurde beklatscht, dieses Mal von den anwesenden Obersteckholzern (möglicherweise dachten die auch nach dem Klatschen der Lehrpersonen, in Langenthal müsse man erst applaudieren, bevor ein Beschluss rechtskräftig wird). 

Und täglich grüsst das Personalreglement, dachte ich seufzend beim Traktandum 3. Nachdem in der ersten Lesung des Personalreglements viele Änderungsanträge eingegangen waren (und lange und ausgiebig darüber debattiert wurde), startete man nun in die zweite Lesung. Mir schwante schon Übles und ich machte mich innerlich auf eine weitere zähe juristische Diskussion gefasst, als Reto Müller im Namen des Gemeinderates verkündete,  dass sie alle Änderungsvorschläge des Stadtrates übernommen haben und keine Gegenanträge mehr stellen werden. 

Das beschleunigte das Geschäft natürlich erheblich. Zwar wurden noch ein paar Anpassungen vorgenommen, allerdings nichts Dramatisches, zumal auch die Parteien darauf verzichteten, ihre Änderungsvorschläge, die in der ersten Lesung bereits abgeschmettert wurden, noch einmal aufs Tapet zu bringen. Vielleicht hatten sie ein Einsehen mit mir. Oder Hunger. Oder einfach auch keine Lust, alles noch einmal durchzukauen. Dem entsprechend abgeänderten Personalreglement wurde zugestimmt. 

Damit hat Langenthal jetzt offiziell ein zeitgemässes Personalreglement! Champagner für alle! 

Nach einer kurzen Essenspause, in der sich die Stadträte – und Stadträtinnen stärken konnten, ging es sportlich weiter. Also, nicht, weil der Stadtrat plötzlich um den Tisch gejoggt wäre oder eine Yogasession eingelegt hätte, sondern weil das nächste Geschäft sich um Sport drehte. Um genauer zu sein: Es ging um das neue Kunstrasenfeld für den FC Langenthal.

Sportministerin Helena Morgenthaler (SVP) umriss in kurzen Worten, dass schon bei der Sanierung des Stadion Hards ein Kunstrasenfeld angedacht war, man aber aufgrund der hohen Kosten schlussendlich darauf verzichtet hatte. Im März 2017 folgte dann die Motion von Roland Loser, Pascal Dietrich und Urs Zurlinden, die die Einfühung eines Kunstrasenfelds forderte. Das deckte sich mit dem FC Langenthal, der sich ein Kunstrasenfeld in der Rankmatte wünschte, eine Investition, die sich der Club mit eigenen Mitteln, nicht leisten kann, weshalb er auf die Hilfe der Stadt angewiesen ist. Helena Morgenthaler betonte die Leistungen des FC Langenthals, der schliesslich auch mal den Sozialpreis der Stadt entgegen nehmen durfte, etwa 500 Mitglieder zählt und 17 Juniorteams trainiert. Zudem sei es ein Verein mit Tradition, schob Gemeinderätin Morgenthaler hinterher. Das Kunstrasenfeld würde ausserdem noch anderen Vereinen und Clubs zugänglich gemacht werden. Und es würde die in Langenthal übermässig genutzten Turnhallen entlasten. 

Der Stadtrat musste nun den Kredit bewilligen. Aber eben nicht nur. Ebenfalls in der Vorlage enthalten sind der Darlehensvertrag und die Leistungsvereinbarung der Stadt mit dem FC Langenthal. Das ist, laut einigen Stadträten, ungewöhnlich und wirft die Frage auf, ob Verträge in den Stadtrat gehören. Denn nach dieser Logik, müsste nun auch jede Vertragsänderung wieder durch das Parlament. Paul Beyeler stellte im Namen der GPK zudem fest, dass beim Darlehensvertrag nicht ein Kaufrecht, sondern ein Vorkaufsrecht beschrieben wird.

Aber nicht nur das ist problematisch. Im Darlehensvertrag hat sich ein weiterer Fehler eingeschlichen. Er wurde auf 40 Jahre festgelegt. Ein Vorkaufsrecht kann jedoch nur für 25 Jahre festgelegt und maximal um 10 Jahre verlängert werden. Da fehlen also fünf Jahre. Diego Clavadetscher (FDP) forderte deshalb in einem Änderungsantrag eine entsprechende Anpassung. 

Daraus ergaben sich jedoch andere juristische Schwierigkeiten. Ein solcher Antrag ist ein Rückweisungsantrag, entschied das Stadtratsbüro und sei auch als solcher zu behandeln. Diego Clavadetschers Argumentation, dass dem Stadtrat die Möglichkeit gegeben werden muss, diese juristische Scharte auszumerzen, ohne dass sie eine weitere Verzögerung in Kauf nehmen müssen. Denn ein Rückweisungsantrag würde bedeuten, dass es nicht zur Abstimmung kommt. 

Das war dann wohl der ausschlaggebende Punkt, wieso der Stadtrat sich über diesen Fehler im Vertrag hinwegsetzte. „Es ist wichtig, dass wir endlich den Nagel einschlagen. Wir müssen mal etwas durch den Stadtrat bringen!“, forderte Roland Loser (SP) und traf damit, wahrscheinlich einen Nerv. Nach einer Legislatur voller juristischer Debatten, zweiten Lesungen und Fehlern, wo eigentlich keine Fehler hätten passieren dürfen, hatten viele Stadträte – und Stadträtinnen wohl einfach keine Lust, noch einmal eine zweite Runde bei einem Geschäft zu drehen. Man kann es ihnen nicht verdenken. Roland Loser konnte den Nagel auf jeden Fall einschlagen. Dem Beschlussentwurf wurde zugestimmt und Helena Morgenthaler sah für einen Moment so aus wie eine Katze, die gerade Milch geklaut hat: Rundum zufrieden mit sich selbst.

Weniger zufrieden waren manche Stadträte mit der Abstimmungsbotschaft zum Referendum gegen die Erhöhung des städtischen Beitrags an die Eismiete des SCL Nachwuchs. Wir erinnern uns: Der Stadtrat hat sich nach einer langen, emotionalen Debatte für die Erhöhung des Betrags ausgesprochen – allerdings relativ knapp. Daraufhin wurde das Referendum ergriffen. Und deshalb wird nun das Volk entscheiden können.

Urs Zurlinden (FDP) störte sich daran, dass dem Referendumskomitee so viel Platz für ihre Argumentation gegen die Erhöhung des Beitrags an die Eismiete eingeräumt wird und um das zu korrigieren, hat er gleich selbst den Rotstift hervorgeholt und den Text des Referendumskomitees zusammengekürzt. In seinem Votum liess er dann seinem Missmut über das Referendum freien Lauf. Zwar sei es ein demokratisches Recht, das Referendum zu ergreifen, aber es dränge sich schon der Verdacht auf, dass die andersdenkende Minderheit im Stadtrat einfach schlechte Verlierer seien. Er stellte den Antrag, seinen zusammengekürzten Text, statt des Originaltextes in die Abstimmungsbotschaft zu übernehmen. 

Auf wenig Liebe stiess er mit diesem Vortrag bei Parteikollegin Beatrice Lüthi, die klar machte, dass jede Seite das Recht habe, im Abstimmungsbüchlein zu argumentieren – egal wie sinnvoll oder nicht sinnvoll die Argumente nun sind. Zudem sei es delikat, einem Referendumskomitee Worte in den Mund zu legen und das ganze Vorgehen grenze an Zensur. 

Diego Clavadetscher – ebenfalls FDP – verteidigte als Mitglied des Referendumskomitees die Argumentation in der Abstimmungsbotschaft. Schliesslich hätten sie nur das geliefert, was gefordert worden war, ohne zu wissen, was sonst noch in der Abstimmungsbotschaft stünde. Den Text empfinde er zudem als korrekt. Im Interesse der Demokratie bitte er darum den Stadtrat, den Antrag von Zurlinden abzulehnen.

Pascal Dietrich wiederum (der übrigens auch in der FDP ist. Eigentlich könnten wir diese Episode Schlacht in der FDP nennen), holte gar das Gesetzesbuch hervor, um die Argumentation von Beatrice Lüthi zu zerpflücken (im ersten Moment dachte ich ja, er blättert in der Bibel. Wenn’s um den SCL geht, wundert mich gar nichts mehr im Stadtrat…). „Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der Selbstdarstellung in Abstimmungsbotschaften garantiert“, trumpfte Dietrich auf und überhaupt, sei die Argumentation nicht verändert, sondern nur gekürzt wurden. Und, die Spielregeln würden schliesslich vom Stadtrat gemacht werden (L’état, c’est moi!).

Unerwartete Schützenhilfe für Clavadetscher kam von Roland Loser (SP), dessen Herz bekanntlich für den SCL schlägt. Er riet davon ab, den Antrag von Urs Zurlinden anzunehmen und plädierte dafür, den Kampf gegen das Referendumskomitee sportlich aufzunehmen. Die Mehrheit des Stadtrates sah das offenbar ähnlich. Der Antrag wurde deutlich abgelehnt.

(Hier erlaube ich mir einen Lama – Einschub: Zum Glück hat der Stadtrat so entschieden, alles andere, wäre im höchsten Masse undemokratisch und ungeschickt gewesen. Es geht ganz sicher nicht, dass ein Befürworter der Vorlage, bei den Argumenten des Gegners rumkürzt, weil er ihnen – Zitat - den Platz nicht gönnt. Und kürzen ist auch ändern.  Es lässt aber tief blicken, dass wieder einmal beim Thema SCL versucht wird, die demokratischen Instrumente so zu beugen, wie es einem in den Kram passt). 

Mehr Erfolg hatte Pascal Dietrich mit seinem eigenen Antrag. Er forderte, dass in der Abstimmungsbotschaft klar aufgezeigt wird, welche Folgen es hätte, wenn die Stadt ihren Beitrag an die Eismiete nicht erhöht. Die Juniorenabteilung müsste wohlmöglich verkleinert werden und im schlimmsten Falle müsse man einzelne Mannschaften auflösen. Die Mehrheit des Stadtrates stimmte diesen Antrag zu. 

Beim Traktandum 6 durften wir uns dann Fotos von Bodenbelägen, Lampen und Rollläden ansehen, die schon einige Jahre zu viel auf dem Buckel haben. Das Schulhaus Elzmatte braucht eine Sanierung und das bezweifelte auch niemand. Dem Geschäft wird zugestimmt.
Auch beim nächsten Traktandum ging es um das Schulhaus Elzmatt. Allerdings nicht um die Böden, sondern um die Verkehrsführung, die dort, gelinde ausgedrückt, nicht optimal ist. Um genau zu sein: Dort ist es für die Schulkinder saugefährlich, weil kein Trottoir vorhanden ist, Busse rumkurven und Elterntaxis sich die nicht vorhandene Klinke in die Hand drücken. Daraus entstanden ist eine Motion, die mehr Verkehrssicherheit in diesem Stadtabschnitt fordert.

Wenig überraschend steht der Gemeinderat diesem Anliegen positiv gegenüber. Und auch im Stadtrat war man sich einig, dass sich diese Situation unbedingt bessern müsse. Pascal Dietrich (FDP) meinte allerdings, dass der Schlüssel zur Lösung des Problems bei den Elterntaxis läge. Immer mehr Eltern bringen ihre Sprösslinge zur Schule, was dazu führt, dass es bei den Schulzentren manchmal eher aussieht wie ein Verkehrsübungsplatz als wie ein Schulhof. Nur, wird es wahrscheinlich schwer werden, die Eltern dazu zu bringen, diese Taxifahrten aufzugeben. Und es ist ein Teufelskreis. Je unsicherer der Schulweg, desto mehr Eltern bringen ihre Kinder zur Schule, was den Schulweg noch gefährlicher macht, weshalb noch mehr Eltern…ihr versteht was ich meine. 

Motionärin Franziska Zaugg – Streuli (FDP) brachte es schliesslich mit ihrem Votum auf den Punkt. „Wir haben eben über die Sanierung von Rollläden, Böden und Lampen im Elzmatt gesprochen. Ich wäre froh, wenn unsere Kinder dort behütet abkommen.“ Recht hat sie.  Wenn sie platt gefahren sind, nützt den Kindern die gute Infrastruktur des Schulhauses auch nichts. Der Stadtrat gewichtete die Sicherheit der Kinder auf jeden Fall hoch und erklärte die Motion als erheblich.

Ein Postulat aus den Reihen der Grünen und Roten beschäftigte sich mit der Frage nach Mehrweggeschirr und schlug vor, dass die Stadt gemeinsam mit der Stiftung WBM ein Konzept erarbeitet. Dies wäre, so Serge Wüthrich von den Grünen, ökologischer. Zudem sei die WBM auf so niederschwellige Arbeiten angewiesen und wenn man z. B die Mehrwegbecher mit Bildern von regionalen Künstlern verschönern würde, hätte man auch noch Werbung. Die sympathische Idee fand im Stadtrat nur wenig Gehör. Das Postulat wurde  als nicht erheblich erklärt. Der Gemeinderat argumentierte, dass man sich noch nicht auf einen festen Anbieter festlegen wolle, da es unterschiedliche Anlässe mit unterschiedlichen Bedürfnissen geben werde. Der freie Markt solle zudem spielen können.
Die folgenden Interpellationen stammten von Pascal Dietrich, der offenbar ein Herz für Busse hat (Busse im Sinn von Brumm, Brumm, nicht Busse im katholischen Sinn). Mit einer Interpellation hatte er Erfolg. Die Haltestelle an der Blumenstrasse wird nicht aufgehoben. Die andere betraf die Umleitungen, die nötig sind, wenn das Stadtzentrum blockiert ist. Da konnte der Gemeinderat keine Lösung präsentieren. 

Und damit war man dann am Ende der Monstersitzung angelangt. Zumindest fast, denn es gab noch zwei Verabschiedungen. Daniel Schick und Daniel Steiner – Brütsch gaben ihren Austritt aus dem Rat bekannt. Patrick Freudiger ehrte Daniel Schick als stillen, überlegten Schaffer, der sich für die Belange der KMU einsetzte. Daniel Steiner – Brütscher hob er hervor als einen, der den Stadtrat geprägt hat und Spuren hinterlassen wird. Mit ihm verliert der Stadtrat quasi ein Stück des Inventars.

Und ich einen zuverlässigen Best – of Lieferant. 

Verdammt.

Best of

Zumal Juristen ja sowieso nicht rechnen können.“ Nun, Stadtratspräsident Patrick Freudiger (SVP), vielleicht können es ja Juristinnen?

„Unsere Informatikräume, die zurzeit hauptsächlich für den Französischunterricht genutzt werden.“ Matthias Wüthrich (Grüne). Naja so lange sie nicht für den Schwimmunterricht genutzt werden geht’s ja noch. Wobei: Surfen würde ja auch so funktionieren. Sogar ohne WLAN.

„Er ist so speditiv, dass er nicht einmal ein Mikrofon braucht.“ Patrick Freudiger bewundert das Stimmvolumen von Diego Clavadetscher (FDP), der seine Anträge einfach mal in den Saal trompetet. So geht’s auch.

 „Es geht hier in allen Teilen und Belangen gesitteter zu, als in der Stadt Bern!“ Patrick Freudiger heisst die neue Stadtbaumeisterin willkommen und kann sich einen Seitenhieb auf den grossen Bruder Bern nicht verkneifen.

„Ich bin zum Glück kein Jurist!“ Wahrscheinlich auch ein Glück für die FDP, Robert Kummer. FDP). Noch einer, der in der Fraktion, das Gesetzbuch anders auslegt, wäre wahrscheinlich echt einer zu viel.

„Wenn man schon allen Kindern I – Pads in die Finger drückt, sollen sie sich auch bewegen.“ Janosch Fankhauser (SVP) über die Erhöhung des Beitrags an die Eismiete des SCLs. Das Dumme ist nur: Die meisten Jugendlichen können sich heute bewegen und gleichzeitig auf einen Bildschirm starren…

„Also, alle machen Handzeichen aber niemand will sich äussern.“ Patrick Freudiger nervt sich über Stadträte, die sich zwischendurch als Verkehrspolizisten betätigen.

„Das ist so ein dummer Satz!“ Der Freund des schönen Wortes, Urs Zurlinden (FDP)
„Ich hoffe, ihr habt alles verstanden. Ich hatte am Gymer altgriechisch und kein Englisch.“ Beatrice Lüthi bringt internationales Flair in den Stadtrat.

„Ich gehe mit Beatrice in einem einig: Ich hatte auch altgriechisch am Gymnasium. Aber dann hören die Gemeinsamkeiten auf!“ Urs Zurlinden (FDP). Immerhin. Dann können sie die Diskussion ja auf Altgriechisch weiterführen. 

„Der Ratspräsident hat verhindert, dass ich meine Notizen hole!“ Pascal Dietrich (FDP) wird von seinen Notizen ferngehalten und zum Bleiben am Rednerpult verdonnert. Hoffentlich durfte er inzwischen seinen Platz verlassen.

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