Mit sieben Frauen habe ich
in den letzten Monaten gesprochen und daraus die Porträts geschaffen, die ihr
in den letzten beiden Wochen gelesen habt, liebe Besucher – und Besucherinnen
(okay, vielleicht habt ihr euch auch einfach die Bilder angeguckt...) Es sind
sieben grundverschiedene Frauen. Manche von ihnen sind noch jung und stehen am
Anfang ihrer politischen Laufbahn. Andere haben mit der aktiven Politik
abgeschlossen und sind eher im Hintergrund tätig. Sie gehören verschiedenen
Parteien an und so sind sie natürlich nicht immer auf einer Wellenlänge und
haben – genau wie Männer – verschiedene Lösungsansätze für die Probleme der
heutigen Zeit. Was sie aber eint: Neben ihren politischen Tätigkeiten, sind sie
auch in anderen Bereichen sehr engagiert und setzen sich für die Gesellschaft
ein. Sie zeigen eine hohe Leistungsbereitschaft, sind hartnäckig im Verfolgen
ihrer Ziele und sind selbstbewusst genug, um auch mit Rückschlägen umzugehen. Sie sind beste
Beispiele dafür, dass Frauen, genauso gut wie Männer politisieren können. Weil
politisches Talent nämlich nicht zwischen den Beinen wächst.
Eigentlich ist es doch uns
allen bewusst, dass das Geschlecht nicht massegebend ist für die Qualifikation
eines Menschen. Trotzdem sind Frauen im Stadtparlament – und im Gemeinderat
untervertreten…und zwar massiv. Mich erstaunt es, dass diese Tatsache auch im
vergangenen Frauenjahr nie in den lokalen Zeitungen thematisiert worden ist.
Zwar wurden im Zusammenhang mit den nationalen Wahlen, Grossratswahlen oder
Frauenstreik durchaus viele Artikel über den niedrigen Frauenanteil in Politik
und Wirtschaft verfasst, aber nie wurden die Verhältnisse in Langenthal aufs
Tapet gebracht.
Ich habe in den letzten
Jahren viele Artikel über die ungleiche Geschlechterverteilung in Politik
gelesen – viele gute, aber auch ein paar nicht so tolle. Richtig genervt habe
ich mich immer über diese Streitgespräche, in denen eine sehr linke und eine
sehr bürgerliche Politikerin miteinander über Gleichberechtigung, Feminismus
und Quoten diskutierten, wobei nicht selten beide, extreme Positionen
heraushauten. Logisch, das bei solchen Gesprächen jede Tiefe abging und nix
Gescheites daraus bei herauskam. Ich bin daher sehr erleichtert, dass ich mit
„meinen“ sieben Frauen, Politikerinnen gefunden habe, die in der Lage waren,
differenziert und faktenbasiert zu argumentieren, statt in übrige Klischees
abzudriften. Besonders gefreut hat es mich, dass keine von ihnen behauptet hat,
die Gleichberechtigung sei erreicht und es sei nichts mehr zu tun.
Ich ärgere mich deshalb
immer über diese arrangierten Streitgespräche, weil die Frage nach, wie bringen
wir einen höheren Frauenanteil hin, weitaus komplexer zu beantworten ist, als
es ein rechts – links – Schema zu tun vermag. Die Lösung ist eben nicht
einfach. Weil es nämlich keine schnelle, saubere und gerechte Lösung für dieses
selbst fabrizierte Problem gibt.
Würden wir in einer Welt
leben, in der Frauen und Männer immer die gleichen Chancen und Möglichkeit
gehabt hätten, müssten wir diese Diskussion jetzt gar nicht führen, weil die
Rollenbilder, die auch in den Porträts immer wieder als Grund für den
Frauenmangel in der Politik angegeben wurden, gar nicht hätten entstehen
können. Wir leben aber nun einmal nicht in so einer Welt. Frauen wurden
jahrhundertelang unterdrückt, ihrer Rechte beraubt, schlecht behandelt und
diskriminiert. Natürlich haben wir in der Schweiz enorme Fortschritte gemacht,
aber es war ein langer Weg und die Nachwehen sind bis heute zu spüren. Eine
solch lange Ungleichbehandlung lässt sich nicht durch eine Frauenwahl
korrigieren.
Natürlich ist es unfair,
wenn gute Politiker abgewählt werden, nur weil sie nicht weiblich sind. Oder
wenn ein Mann nicht für ein Amt kandidieren soll, weil eine Frau dran ist. Nur,
mehr Frauen in den Räten, bedeuten halt auch zwangsläufig weniger Männer – das
ist die logische Konsequenz davon. Wir befinden uns in einer Übergangsphase, in
der uns dieses Ungleichgewicht bewusst ist und in der wir das zu ändern
versuchen. Man kann sich das wie eine Schaukel vorstellen. Um sie zu bewegen,
muss man auch die eine Seite mehr gewichten, bevor man ausbalancieren kann.
Wenn wir jetzt konsequent auf die Gleichberechtigung hinarbeiten, spielt das
Geschlecht in zehn Jahren bei Wahlen vielleicht tatsächlich keine Rolle mehr.
So lange aber Frauen in der Politik mit solch grossen Nachteilen zu kämpfen
haben, müssen wir darüber reden.
Wenn wir über
Ungerechtigkeit reden, verleitet das natürlich zur Frage, wie gerecht Wahlen
überhaupt sind. Das sind sie nämlich nicht. Wahlen sind unter Umständen sehr
willkürlich. Abgewählt werden schliesslich auch nicht die unfähigen, sondern
häufig die Glücklosen, die Proporzpech haben. Es ist ja auch nicht zwangsläufig
so, dass die Geeignetsten gewählt
werden. Es werden die Beliebtesten gewählt. Im Idealfall sind die Beliebtesten
natürlich auch die Geeignetsten, aber das muss nicht so sein. Insofern ist
Politik manchmal einfach verdammt ungerecht – egal wie man es dreht und wendet.
Deshalb hinkt aus meiner
Sicht auch die Argumentation, dass das Geschlecht keine Rolle spielen soll; der
oder die Fähigste gehöre auf diesen oder jenen politischen Posten. Sie hinkt
deshalb, weil der oder die Fähigste sich ja wohlmöglich gar nicht zur Verfügung
stellt. Und wer ist denn nun fähiger? Jemand mit juristischem Hintergrund? Jemand,
der charismatisch ist und die Menschen begeistern kann? Jemand mit guten Kommunikationsfähigkeiten?
Wir legen unterschiedliche Massstäbe an, um die Fähigkeiten eines Menschen zu
beurteilen. Insofern kann man den oder die Fähigste sowieso nie mit absoluter
Sicherheit bestimmen.
Was das Thema Quoten
betrifft: Ich war da lange eher auf Linie der Jungliberalen. Inzwischen sehe
ich das ein wenig anders. Lange haben wir, gerade in der Wirtschaft, auf
Freiwilligkeit gesetzt, mit dem Resultat, dass nach wie vor kaum Frauen auf der
Führungsebene zu finden sind. In der Politik ist es schwieriger, denn, wie
Beatrice ganz richtig bemerkte, man kann die Wählenden schliesslich nicht
zwingen, dass sie so und so viele Frauen wählen sollen. Aber man kann für
ausgeglichene Listen sorgen.
Die Listengestaltung ist in
der SP immer wieder Thema und wenn ihr glaubt, dass wir uns da alle immer super
verstehen, uns an den Händen halten und gemeinsam in den Sonnenuntergang
hüpfen, habt ihr euch geschnitten. Die hitzigsten Diskussionen habe ich erlebt,
wenn es um die Frage nach getrennten oder gemeinsamen Listen ging. Für mich
muss es jetzt nicht zwingend eine getrennte Liste sein – lange Zeit habe ich
den Sinn gar nicht gesehen, aber letzthin hat mir jemand erklärt, dass bei
einer getrennten Liste natürlich eine Frau für eine Frau nachrücken würde –
aber eine ausgewogene Liste, auf der etwa gleich viel Frauen wie Männer sind,
finde ich schon erstrebenswert.
Was die gendergerechte
Sprache betrifft: Seit jener denkwürdigen Rede, bei der ich eines auf den
Deckel bekommen habe, weil ich nur die männliche Form verwendet habe, habe ich,
gerade nach den Gesprächen mit Dorette und Saima, schon eingesehen, warum es
wichtig ist, alle Geschlechter in die Sprache einzubeziehen. Ich bin aber auch
Schreiberling und als solcher blutet mir ehrlich gesagt manchmal schon das
Herz, wenn ich manche SP – Texte lese, bei denen man vor lauter Sternchen,
weiblicher Form und korrekter Formulierung, am Ende beim besten Willen nicht
mehr versteht, was die Schreibenden einem eigentlich mitteilen wollen. Deshalb
bin ich da immer noch nicht sehr konsequent, gerade dann, wenn ich „literarisch“
schreibe und den Flow nicht unterbrechen will.
Vielleicht hat sich der eine
oder andere – oder die eine oder andere;-) – gewundert, warum ich immer auf der
nicht vorhandenen Stadtpräsidentin rumreite. Also, es ist nicht so, als wäre ich
nicht zufrieden mit dem jetzige Stadtpräsident und ich finde auch nicht, dass
er eine Geschlechtsumwandlung machen muss, aber ich finde es bezeichnend, dass
sich, sogar im Jahre 2016, nur Männer für das Amt zur Verfügung gestellt haben
und dass auch niemand darüber redete, dass gar keine Frau kandidierte. Es hat
niemand darüber geredet, weil gar keine Frau grosse Wahlchancen hatte. Weil man
es verpasste, weibliche Persönlichkeiten aufzubauen, stand natürlich auch keine
zur Verfügung. Jetzt stellt sich die Frage: Wie sieht es denn in zehn oder
fünfzehn Jahren aus, wenn Reto Müller nicht mehr antritt? Werden es wieder die
Männer unter sich ausmachen? Oder steigt eine Frau in den Ring?
Alle Frauen, die ich
porträtiert habe, haben betont, wie wichtig es ist, weiblichen Nachwuchs
aufzubauen und das es eben nicht reicht, ein paar Monaten vor den Wahlen noch
ein paar Frauen auf die Liste zu setzen. Zwar bestätigten fast alle, dass es
tatsächlich schwierig sei, Frauen zu motivieren, sich aufstellen zu lassen. Dem
kann man gegensteuern, wenn man bewusst Frauen aufbaut, ihnen ihre Ängste nimmt
und ihnen die Möglichkeit gibt, sich politisch zu entfalten.
Das ist übrigens auch ein
Grund, wieso ich diese Porträtreihe angefertigt habe. Um andere Frauen zu
motivieren. Um ihnen zu zeigen, dass noch keine Meisterin vom Himmel gefallen
ist, dass es normal ist, sich unsicher zu fühle und dass es keine Anleitung
fürs Politisieren gibt. Aber auch, dass politisches Engagement Spass macht,
erfüllend und lehrreich ist.
Ich hoffe, dass ist mir gelungen.
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