Freitag, 15. November 2019

Sag mir, wo die Frauen sind: Schlusswort


Mit sieben Frauen habe ich in den letzten Monaten gesprochen und daraus die Porträts geschaffen, die ihr in den letzten beiden Wochen gelesen habt, liebe Besucher – und Besucherinnen (okay, vielleicht habt ihr euch auch einfach die Bilder angeguckt...) Es sind sieben grundverschiedene Frauen. Manche von ihnen sind noch jung und stehen am Anfang ihrer politischen Laufbahn. Andere haben mit der aktiven Politik abgeschlossen und sind eher im Hintergrund tätig. Sie gehören verschiedenen Parteien an und so sind sie natürlich nicht immer auf einer Wellenlänge und haben – genau wie Männer – verschiedene Lösungsansätze für die Probleme der heutigen Zeit. Was sie aber eint: Neben ihren politischen Tätigkeiten, sind sie auch in anderen Bereichen sehr engagiert und setzen sich für die Gesellschaft ein. Sie zeigen eine hohe Leistungsbereitschaft, sind hartnäckig im Verfolgen ihrer Ziele und sind selbstbewusst genug, um auch mit  Rückschlägen umzugehen. Sie sind beste Beispiele dafür, dass Frauen, genauso gut wie Männer politisieren können. Weil politisches Talent nämlich nicht zwischen den Beinen wächst. 

Eigentlich ist es doch uns allen bewusst, dass das Geschlecht nicht massegebend ist für die Qualifikation eines Menschen. Trotzdem sind Frauen im Stadtparlament – und im Gemeinderat untervertreten…und zwar massiv. Mich erstaunt es, dass diese Tatsache auch im vergangenen Frauenjahr nie in den lokalen Zeitungen thematisiert worden ist. Zwar wurden im Zusammenhang mit den nationalen Wahlen, Grossratswahlen oder Frauenstreik durchaus viele Artikel über den niedrigen Frauenanteil in Politik und Wirtschaft verfasst, aber nie wurden die Verhältnisse in Langenthal aufs Tapet gebracht. 

Ich habe in den letzten Jahren viele Artikel über die ungleiche Geschlechterverteilung in Politik gelesen – viele gute, aber auch ein paar nicht so tolle. Richtig genervt habe ich mich immer über diese Streitgespräche, in denen eine sehr linke und eine sehr bürgerliche Politikerin miteinander über Gleichberechtigung, Feminismus und Quoten diskutierten, wobei nicht selten beide, extreme Positionen heraushauten. Logisch, das bei solchen Gesprächen jede Tiefe abging und nix Gescheites daraus bei herauskam. Ich bin daher sehr erleichtert, dass ich mit „meinen“ sieben Frauen, Politikerinnen gefunden habe, die in der Lage waren, differenziert und faktenbasiert zu argumentieren, statt in übrige Klischees abzudriften. Besonders gefreut hat es mich, dass keine von ihnen behauptet hat, die Gleichberechtigung sei erreicht und es sei nichts mehr zu tun. 

Ich ärgere mich deshalb immer über diese arrangierten Streitgespräche, weil die Frage nach, wie bringen wir einen höheren Frauenanteil hin, weitaus komplexer zu beantworten ist, als es ein rechts – links – Schema zu tun vermag. Die Lösung ist eben nicht einfach. Weil es nämlich keine schnelle, saubere und gerechte Lösung für dieses selbst fabrizierte Problem gibt. 

Würden wir in einer Welt leben, in der Frauen und Männer immer die gleichen Chancen und Möglichkeit gehabt hätten, müssten wir diese Diskussion jetzt gar nicht führen, weil die Rollenbilder, die auch in den Porträts immer wieder als Grund für den Frauenmangel in der Politik angegeben wurden, gar nicht hätten entstehen können. Wir leben aber nun einmal nicht in so einer Welt. Frauen wurden jahrhundertelang unterdrückt, ihrer Rechte beraubt, schlecht behandelt und diskriminiert. Natürlich haben wir in der Schweiz enorme Fortschritte gemacht, aber es war ein langer Weg und die Nachwehen sind bis heute zu spüren. Eine solch lange Ungleichbehandlung lässt sich nicht durch eine Frauenwahl korrigieren. 

Natürlich ist es unfair, wenn gute Politiker abgewählt werden, nur weil sie nicht weiblich sind. Oder wenn ein Mann nicht für ein Amt kandidieren soll, weil eine Frau dran ist. Nur, mehr Frauen in den Räten, bedeuten halt auch zwangsläufig weniger Männer – das ist die logische Konsequenz davon. Wir befinden uns in einer Übergangsphase, in der uns dieses Ungleichgewicht bewusst ist und in der wir das zu ändern versuchen. Man kann sich das wie eine Schaukel vorstellen. Um sie zu bewegen, muss man auch die eine Seite mehr gewichten, bevor man ausbalancieren kann. Wenn wir jetzt konsequent auf die Gleichberechtigung hinarbeiten, spielt das Geschlecht in zehn Jahren bei Wahlen vielleicht tatsächlich keine Rolle mehr. So lange aber Frauen in der Politik mit solch grossen Nachteilen zu kämpfen haben, müssen wir darüber reden.

Wenn wir über Ungerechtigkeit reden, verleitet das natürlich zur Frage, wie gerecht Wahlen überhaupt sind. Das sind sie nämlich nicht. Wahlen sind unter Umständen sehr willkürlich. Abgewählt werden schliesslich auch nicht die unfähigen, sondern häufig die Glücklosen, die Proporzpech haben. Es ist ja auch nicht zwangsläufig so, dass die Geeignetsten  gewählt werden. Es werden die Beliebtesten gewählt. Im Idealfall sind die Beliebtesten natürlich auch die Geeignetsten, aber das muss nicht so sein. Insofern ist Politik manchmal einfach verdammt ungerecht – egal wie man es dreht und wendet. 

Deshalb hinkt aus meiner Sicht auch die Argumentation, dass das Geschlecht keine Rolle spielen soll; der oder die Fähigste gehöre auf diesen oder jenen politischen Posten. Sie hinkt deshalb, weil der oder die Fähigste sich ja wohlmöglich gar nicht zur Verfügung stellt. Und wer ist denn nun fähiger? Jemand mit juristischem Hintergrund? Jemand, der charismatisch ist und die Menschen begeistern kann? Jemand mit guten Kommunikationsfähigkeiten? Wir legen unterschiedliche Massstäbe an, um die Fähigkeiten eines Menschen zu beurteilen. Insofern kann man den oder die Fähigste sowieso nie mit absoluter Sicherheit bestimmen. 

Was das Thema Quoten betrifft: Ich war da lange eher auf Linie der Jungliberalen. Inzwischen sehe ich das ein wenig anders. Lange haben wir, gerade in der Wirtschaft, auf Freiwilligkeit gesetzt, mit dem Resultat, dass nach wie vor kaum Frauen auf der Führungsebene zu finden sind. In der Politik ist es schwieriger, denn, wie Beatrice ganz richtig bemerkte, man kann die Wählenden schliesslich nicht zwingen, dass sie so und so viele Frauen wählen sollen. Aber man kann für ausgeglichene Listen sorgen. 

Die Listengestaltung ist in der SP immer wieder Thema und wenn ihr glaubt, dass wir uns da alle immer super verstehen, uns an den Händen halten und gemeinsam in den Sonnenuntergang hüpfen, habt ihr euch geschnitten. Die hitzigsten Diskussionen habe ich erlebt, wenn es um die Frage nach getrennten oder gemeinsamen Listen ging. Für mich muss es jetzt nicht zwingend eine getrennte Liste sein – lange Zeit habe ich den Sinn gar nicht gesehen, aber letzthin hat mir jemand erklärt, dass bei einer getrennten Liste natürlich eine Frau für eine Frau nachrücken würde – aber eine ausgewogene Liste, auf der etwa gleich viel Frauen wie Männer sind, finde ich schon erstrebenswert. 

Was die gendergerechte Sprache betrifft: Seit jener denkwürdigen Rede, bei der ich eines auf den Deckel bekommen habe, weil ich nur die männliche Form verwendet habe, habe ich, gerade nach den Gesprächen mit Dorette und Saima, schon eingesehen, warum es wichtig ist, alle Geschlechter in die Sprache einzubeziehen. Ich bin aber auch Schreiberling und als solcher blutet mir ehrlich gesagt manchmal schon das Herz, wenn ich manche SP – Texte lese, bei denen man vor lauter Sternchen, weiblicher Form und korrekter Formulierung, am Ende beim besten Willen nicht mehr versteht, was die Schreibenden einem eigentlich mitteilen wollen. Deshalb bin ich da immer noch nicht sehr konsequent, gerade dann, wenn ich „literarisch“ schreibe und den Flow nicht unterbrechen will. 

Vielleicht hat sich der eine oder andere – oder die eine oder andere;-) – gewundert, warum ich immer auf der nicht vorhandenen Stadtpräsidentin rumreite. Also, es ist nicht so, als wäre ich nicht zufrieden mit dem jetzige Stadtpräsident und ich finde auch nicht, dass er eine Geschlechtsumwandlung machen muss, aber ich finde es bezeichnend, dass sich, sogar im Jahre 2016, nur Männer für das Amt zur Verfügung gestellt haben und dass auch niemand darüber redete, dass gar keine Frau kandidierte. Es hat niemand darüber geredet, weil gar keine Frau grosse Wahlchancen hatte. Weil man es verpasste, weibliche Persönlichkeiten aufzubauen, stand natürlich auch keine zur Verfügung. Jetzt stellt sich die Frage: Wie sieht es denn in zehn oder fünfzehn Jahren aus, wenn Reto Müller nicht mehr antritt? Werden es wieder die Männer unter sich ausmachen? Oder steigt eine Frau in den Ring?

Alle Frauen, die ich porträtiert habe, haben betont, wie wichtig es ist, weiblichen Nachwuchs aufzubauen und das es eben nicht reicht, ein paar Monaten vor den Wahlen noch ein paar Frauen auf die Liste zu setzen. Zwar bestätigten fast alle, dass es tatsächlich schwierig sei, Frauen zu motivieren, sich aufstellen zu lassen. Dem kann man gegensteuern, wenn man bewusst Frauen aufbaut, ihnen ihre Ängste nimmt und ihnen die Möglichkeit gibt, sich politisch zu entfalten. 

Das ist übrigens auch ein Grund, wieso ich diese Porträtreihe angefertigt habe. Um andere Frauen zu motivieren. Um ihnen zu zeigen, dass noch keine Meisterin vom Himmel gefallen ist, dass es normal ist, sich unsicher zu fühle und dass es keine Anleitung fürs Politisieren gibt. Aber auch, dass politisches Engagement Spass macht, erfüllend und lehrreich ist.
Ich hoffe, dass ist mir gelungen.

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