Eigentlich
hat sich Carole Howald lange nicht für Politik interessiert. „Klar hatten wir
in der Schule Staatskunde, aber da hatte ich eher einen Fensterplatz“, gesteht
sie grinsend. 2012 liess sie sich dennoch erstmals für die Jungliberalen als
Stadträtin aufstellen. 2016 kandidierte sie erneut – zu ihrer eigenen
Überraschung sehr erfolgreich, sie holte sich viele Panaschierstimmen und
landete auf einem der vorderen Plätze. Das
gute Resultat motivierte sie, sich noch mehr in die politische Welt reinzuknien
und sie trat den Jungliberalen bei, wo sie schnell zu den aktivsten Mitgliedern
gehörte. Sie wurde Teil des Vorstands und übernahm das
Ressort Events. „Wenn ich etwas mache, dann will ich es richtig machen“,
begründet sie ihr Engagement. Sie wollte Politik miterleben und mitgestalten.
Dazu
bekam sie bald Gelegenheit. Als der bisherige JLL – Stadtrat Lukas Bissegger,
aus dem Stadtrat zurücktrat, war sie die nächste Kandidatin auf der Liste.
Zuerst schlug sie das Mandat aus. Aus zeitlichen Gründen, denn Carole ist nicht
nur Sportstudentin, sondern auch aktive Curlerin und dadurch bedingt, viel
unterwegs. Aber ihr instinktives Zurückschrecken hatte auch mit einer gewissen
Scheu zu tun. „Ich dachte, wow, im Stadtrat sitzen wirklich die Profis, die
echt Ahnung von der Politik haben…und dann komm ich“, erklärt sie ihr damaliges
Zögern. Ausserdem sei sie vorher nie an einer Stadtratssitzung gewesen und
kannte die Abläufe daher kaum.
Bevor
sie jedoch offiziell mit Unterschrift verzichten konnte, kam ein Telefonanruf
von Lukas Felber, einem ehemaligen JLL – Stadtrat. Er, der sie einst dazu
brachte, für die Stadtratsliste zu kandidieren, redete ihr jetzt auch zu, diese
neue Aufgabe anzunehmen. „Stadtrat ist auf jeden Fall eine gute Lebensschule!“,
ermunterte er sie. Und dann waren da natürlich die Wähler – und Wählerinnen,
denen sich Carole verpflichtet fühlte. Sie hatten ihr die Stimme gegeben, jetzt
wollte sie auch ihr Versprechen einlösen und für sie da sein. Also sagte sie
schliesslich doch ja. „Es war auch mitten in der Legislatur. Wenn es gar nicht
gegangen wäre, hätte ich ja die Möglichkeit gehabt, nach einer aufzuhören.“
Doch
sie fand sich schnell zurecht. Ihre erste Stadtratssitzung dauerte eine Stunde.
„Mir wurde aber sofort gesagt, dass das dann nicht immer der Fall sei“, lacht
Carole. An die Themen der Sitzung kann sie sich allerdings kaum noch erinnern.
„Mir war es wichtig, möglichst rasch alle Stadträte – und Stadträtinnen zu
kennen. Ich war damals sehr beschäftigt damit, mir alle Gesichter zu merken und
mir die Abläufe einzuprägen.“ Sie lernte schnell und wusste bald, was eine
Motion oder eine Interpellation ist. Schliesslich konnte sie auch erste Erfolge
verbuchen. Easy Vote wurde auf ihr Bestreben hin in Langenthal eingeführt.
Vor
ihren ersten Einsatz am Rednerpult, hatte sie schon ein wenig Respekt. Ihr kam
zugute, dass sie durch ihr Sportstudium auch kommunikationstechnisch geschult
ist und auch genau weiss, wie man sich mental am besten darauf vorbereitet, vor
Leuten zu sprechen. Dennoch, sei es natürlich eine Herausforderung. „Es ist vor
allem schwierig, weil die Fraktionen ja schon vor der Besprechung im Stadtrat
ihre Meinung gebildet haben. Und ist die mal gefestigt, braucht es schon
extreme Redekunst um den Stadtrat noch zu beeinflussen.“
Als
Profisportlerin bringt Carole viele Eigenschaften mit, die sie auch als
Politikerin weiterbringen. Geduld zum Beispiel, aber auch die Fähigkeit mit
Rückschlägen umzugehen. Auch ansonsten kann Carole mühelos Parallelen zwischen
Sport und Politik ziehen. „Im Sport geht vieles über Emotionen, das ist in der
Politik genauso. Und genau wie im Sport, können zu viel Emotionen gute
Leistungen verhindern.“ Zudem sei es im Sport auch wichtig, sich kurzfristige,
mittelfristige und langfristige Ziele zu setzen – genau wie in der Politik.
„Und das Schöne ist: Sowohl im Sport als auch in der Politik muss man
zusammenarbeiten, um etwas zu erreichen.“ Auch deshalb hat Carole als
überparteilichen Event einen Ausflug in den Adventure - Raum geplant, wo man
sich gemeinsam durchrätseln muss. „Solche Dinge machen mir Spass“, strahlt sie.
Als
Stadträtin setzt sie sich nicht nur für den Zusammenhalt der Legislative ein.
Sie möchte auch, dass sich Langenthal weiterhin als Sportstadt etabliert. „Wir
haben ein super Schulsportangebot – das müssen wir unbedingt bewahren!“, nennt
sie ein Beispiel. Sie will aber auch die Stimme der Jugend sein. Und mehr junge
Menschen dazu bringen, sich ihrer politischen Macht bewusst zu sein. „Junge
motivieren sich gegenseitig, wählen zu gehen. Wenn alle in deinem Umfeld
wählen, ist es dir eher peinlich nicht zu gehen.“ Nur, ist es eben nicht so
einfach, überhaupt jemanden aus der jungen Generation zu motivieren. „Man kann
sie zwar schnell für politische Themen sensibilisieren, aber ob sie das Couvert
dann wirklich öffnen und ausfüllen ist eine andere Frage.“
Natürlich
würde sie sich freuen, wenn die jungen Langenthaler – und Langenthalerinnen vor
allem den Jungliberalen ihre Stimmen geben würden. „Hauptsache ist jedoch, dass
sie überhaupt an die Urne gehen. Die Wahlbeteiligung muss rauf.“ Um das zu
erreichen, müsse man aufklären, zum Beispiel im Ausgang. Und natürlich sei
Social Media ein wichtiges Instrument, um
die junge Generation zu erreichen. „Nur motzen, aber dann nicht abstimmen oder
wählen gehen: Das sollte verboten werden!“
Nicht
nur junge Menschen fehlen in der Langenthaler Politik, auch Frauen sind eher
Mangelware. Den Grund dafür sieht Carole in der Geschichte. Lange waren Frauen
von der Politik ausgeschlossen und konnten weder abstimmen noch wählen,
geschweige denn, sich aufstellen lassen. „Im Sport war es auch so. Bis vor 50
Jahren durften Frauen an zahlreichen Läufen gar nicht teilnehmen, weshalb sich
manche Frauen als Männer verkleideten, um mitmachen zu können.“ Dadurch fehlten
heute natürlich die Vorbilder und die Selbstverständlichkeit, dass auch Frauen
politisch mitentscheiden können.
Heute
befänden wir uns in einem Prozess, in dem sich das Bewusstsein der Gesellschaft
ändere und die Frauen langsam politischer würden. „Man muss ihnen auch
aufzeigen, dass Politik sehr viel mit ihrem Leben zu tun hat.“ „Ob es nun um genügend KITAS geht oder um die
Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten – alles hängt mit Politik zusammen“, führt
Carole aus. Man muss den Frauen klarmachen, dass sie was ändern können. Und das
Politik nicht so schlimm sei, wie man sich das oft vorstelle. Neben der
historischen Komponente seien vielleicht auch die charakterlichen Unterschiede
zwischen Frau und Mann mitentscheidend, dass es mehr Politiker als
Politikerinnen gibt. Frauen hätten oft weniger Selbstbewusstsein und würden
Auseinandersetzungen auch eher aus dem Weg gehen.
„Hey,
wart nume!“, antwortet sie lachend auf die Frage, wieso Langenthal noch nie
eine Stadtpräsidentin hatte. Die Gründe dafür seien ähnlich, wie die für den
generellen Mangel an Frauen in der aktiven Politik. „Männer trauen sich das Amt
wahrscheinlich eher zu und sind oft schon länger in der Politik verwurzelt, als
die meisten Frauen.“ Bei den Vereinen sehe es ja ähnlich aus. Die meisten
Präsis seien männlich.
Carole
selbst, strebt in der Politik keine 50:50 Verhältnisse an. „Auch Männer leisten
gute Arbeit in der Politik“, betont sie. Für sie spiele das Geschlecht keine
Rolle. Als Kinder halfen sie und ihre Schwester beiden Elternteilen bei den
Hausarbeiten – egal ob es um den Abwasch oder um Rasen mähen ging. „Es soll
nicht um das Geschlecht gehen, sondern um die Qualität der erbrachten
Leistungen.“ Für eine kurze Zeit seien im Bundesrat ja auch mehr Frauen als
Männer gesessen – ein politischer Unterschied bzw. eine bessere Performance sei
aber nicht wirklich spürbar gewesen. „Ausserdem sollte man die Geschlechter
nicht gegeneinander ausspielen.“
Sie
selbst empfindet es auch nicht so, dass Frauen in der Politik anders beurteilt
werden als Männer. Klar, Frauen würden oft als das schwächere Geschlecht
bezeichnet und gerade konservative Menschen hätten eher das Gefühl, dass Männer
automatisch Führungsstärke mitbringen. „Ich selbst denke, dass Frauen und
Männer gleich viel, gleich gut können.“ Im Stadtrat spüre sie auch nicht, dass
Frauen völlig anders politisieren würden, als Männer. „Vielleicht werden Frauen
ein bisschen schneller emotional.“
Als
gelernte Hochbauzeichnerin ist sie es sich auch gewohnt,
sich in einem männlich dominierten Umfeld zu bewegen. „Auf der Baustellte hast
du auch viel mit Männern zu tun, denen du teilweise auch Anweisungen gibst.“
Sie persönlich hatte nie Probleme damit, sich durchzusetzen. „Aber ich weiss
natürlich, dass es Frauen gibt, denen es schwergemacht wird.“
Die
Gleichberechtigung sei allerdings noch nicht erreicht, erklärt Carole. „Wir
sind auf dem richtigen Weg dazu, aber noch lange nicht so weit wie zum Beispiel
die skandinavischen Länder.“ Dort sei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
weitaus besser möglich, als in der Schweiz, die da noch sehr konservativ sei.
Ausserdem fehle hier nach wie vor die Lohngleichheit. „Um die zu erreichen,
würde ich sehr weit gehen!“
Carole
möchte jedoch keinesfalls eine positive Diskriminierung der Frauen. Genau das
wäre in ihren Augen eine Quotenregelung. Aus ihrer Sicht, der falsche
Lösungsansatz. „Logisch hätten wir dadurch, schnell mehr Frauen in der Politik.
Aber würde man da auch noch wirklich die qualitativ besten Leute haben?“ Ihre
Zweifel beruhen darauf, dass für sie selbst das Geschlecht nicht massgebend
ist. Auf die Person komme es an, ist sie überzeugt.
Dennoch,
die Untervertretung der Frau ist auch Thema in Sport. In Magglingen, wo Carole
studiert, sind deutlich mehr Männer als Frauen. Auch dort wird darüber
diskutiert, wie man mehr Studentinnen anlocken könnte. „Ein Ansatz ist die
Sprache auf den Werbeplakaten. Um Sport für Frauen attraktiv zu machen, sollte
man zum Beispiel eher das Wort Eleganz als Kraft einsetzen.“ Im sportlichen
Bereich tragen die Bemühungen um eine ausgeglichene Geschlechtervertretung
Früchte. Bei den olympischen Jugend – Winterspielen 2020 in Lausanne, werden
gleich viel Athleten wie Athletinnen antreten.
Für
Carole ein weiteres Zeichen, dass man auf dem richtigen Kurs ist. Sie setzt
viel Hoffnung in die Jungen, die bereits mit anderen Rollenbildern aufgewachsen
und in vielen Themen offener seien. Auch bei den Jungliberalen spiegelt sich
das. Obwohl Jungpartei der FDP, folgen sie nicht immer den Ruf der
Mutterpartei. „Wir Jungen sind vielleicht manchmal ein Schritt weiter.“ Über
einen Mangel an Frauen müssen die Jungliberalen auf jeden Fall nicht klagen.
Viele Frauen sind bei ihnen in führenden Positionen.
Wie
Carole. Als Politikneuling in den Stadtrat gekommen, inzwischen mit Herzblut
dabei. Bereut hat sie die Annahme der Wahl nie, trotz ihres ausgefüllten
Lebens. Ihre Energie, ihre kommunikative Art und ihre natürliche Neugier helfen
ihr dabei, ihr Amt auszuüben. Ebenso wie ihr frisches, unbeschwertes Auftreten,
dass sie auch dann an den Tag legt, wenn sie sich auf unbekanntem Terrain bewegt. Ein gutes Beispiel für Frauen,
denn, wie Carole sagt: „Mängisch muess mer als Frou, au eifach chli fräch si!“
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