Corona hatte vorübergehend auch dem stadträtlichen
Treiben ein Ende gesetzt: Die Ansteckungsgefahr war zu hoch, denn auch wenn der
Stadtrat normalerweise nicht gerade miteinander kuschelt, verbringen die Damen
und Herren doch relativ viel Zeit auf relativ beengten Raum miteinander und reissen
dabei oft die Münder auf, was bei einer drohenden Tröpfcheninfektion eher
ungünstig ist (also, nicht dass ich jemanden unterstellen möchte, dass er
sabbert). Inzwischen hat der Kanton grünes Licht gegeben, die
Stadtratssitzungen, unter Einhaltung gewisser Sicherheitsbedingungen,
durchzuführen.
Halb erwartete ich deshalb, beim Betreten des Parkhotels – wo die Stadtratssitzung stattfand, weil mehr Platz vorhanden ist –
dass sich eine Horde schwarz gekleideter Sicherheitsleute vom Dach abseilt,
sich auf mich wirft, mich durchsucht, mit bellender Stimme fragt, was ich hier
zu suchen hätte und mir den Fieberthermometer in den Mund rammt.
Glücklicherweise passierte nichts dergleichen. Ich wurde lediglich von einem
Anwesenden gefragt, wie ich es geschafft hätte, dabei sein zu dürfen. Um es
hier ganz offiziell zu sagen: Ich habe – nach einigem ermutigenden Zuspruch aus
meinem Umfeld – das Stadtratsbüro gefragt, ob ich teilnehmen dürfe, auch wenn
ich keine klassische Medienvertreterin bin und freundlicherweise bekam ich
einen positiven Bescheid. Ich habe also keineswegs irgendwelche geheime Kanäle
in den Glaspalast oder einflussreiche Freunde an höheren Stellen (ich habe gar
keine Freunde…Nein, Spass, natürlich habe ich Freunde, aber die haben in
Langenthal nichts zu sagen. Oder noch nichts zu sagen.)
Um den Abstand zwischen den Teilnehmenden zu wahren, hat
man jeden Stadtrat an sein eigenes Pult gesetzt und die auseinander geschoben.
Dadurch gab es eine Bestuhlung, die an ein Klassenzimmer erinnerte. Es fehlten
eigentlich nur noch die Kinderzeichnungen an der Wand und undefinierbare
Scherenschnitte, die von der Decke baumelten. Ich sass zuhinterst, das heisst,
ich konnte nur die Rückenansicht des Stadtrates bewundern, was aber auch ein
netter Anblick war. Immerhin konnte ich so die Frisuren mal in aller Ruhe
betrachten. Die Haare sitzen also bei allen.
Den Gemeinderat hatte man ebenfalls auseinander gesetzt,
genau wie das Stadtratsbüro, das an einem ewig langen Tisch thronte, der stark
an die Banketttische von Asterix und Obelix erinnerte. Nur ohne Wildschwein.
Stadtratspräsidentin Martina Moser (SP) eröffnete die Sitzung mit einer
warmherzigen Willkommensrede, frei von jeglichem Pathos aber mit viel Empathie
(auch wenn sie die abgesagte Fasnacht erwähnte, was mich kurzzeitig wieder in
ein kleines Tief beförderte). Sie dankte insbesondere der Verwaltung, die in
diesen Krisenzeiten wahrlich schnell auf sich stets verändernde Umstände reagieren
mussten und letztendlich auch dafür sorgten, dass die Stadtratssitzung
stattfinden konnte. Ferner wies sie auf die geltenden Vorsichtsmassnahmen hin.
Besonders wichtig: Die Sitzung war zeitlich begrenzt. Sie durfte nur bis 21:00
gehen, weshalb Martina Moser die Votanten ermahnte, sich kurz zu halten (also,
mir kommt das ja nicht ungelegen. Ich bin zwar ein Nachtmensch, aber bis vier Uhr
morgens Stadtratssitzungen zusammenzufassen ist schon hart). Wegen der zeitlichen
Begründung war die Traktandenliste leicht gekürzt worden, so dass nur die
dringenden Geschäfte behandelt wurden.
Das erste dringende Geschäft war ein unglaublich Aufregendes
und Spannendes! Ja, ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass im Stadtrat noch
nie ein so tiefgehendes Thema besprochen wurde. Ein Thema, dessen Wurzeln ganz
weit im Boden liegen. Ein schmutziges Thema. Ein richtig schmutziges Thema…
Es ging um Abwasserleitungen. Die müssen stellenweise
ersetzt werden. Da es bis jetzt leider keine dressierten Ratten gibt, die das
umsonst machen, kostet das etwas und das musste vom Stadtrat genehmigt werden,
genau wie der erforderliche Kredit für die neue Strassenbeleuchtung im Rumiweg
und die Instandstellung des Strassenoberbaus im Rumiweg und der Blumenstrasse. Vorgestellt
wurde das Geschäft vom Stadtpräsidenten Reto Müller (SP) persönlich, der aus
Zeitgründen auf ein Eingangsvotum à la Bundesrat verzichtet hatte. Es gab also
keine Coronarede an die Nation, dennoch merkte er an, er freue sich, alle
wieder gesund zu sehen und dankte der Bevölkerung für die Umsetzung der
Coronaregeln). Nachdem er das alles in beeindruckendem Tempo runtergerasselt
hatte (Reto. Der Mann, der schneller spricht, als sein Schatten), sagte der
Stadtrat im ebenso beeindruckenden Tempo, einstimmig ja. Hurra, die
Abwasserleitungen in Langenthal sind gerettet.
Das nächste Geschäft gab ein bisschen mehr zu reden. Es ging
um die Scheissanlage Weier. Okay, nein, es ging natürlich um die Schiessanlage
Weiher (ich wollte einfach mal Scheisse schreiben. Da ich zugegebenermassen
während des Lockdowns ziemlich viel Zeit auf Social Media verbracht habe, hat
sich meine Sprache dem Niveau eines Dreizehnjährigen angepasst. Sorry!) Wie
Gemeinderat Markus Gfeller ausführte, wollte man ursprünglich einfach die arg in
die Jahre gekommene elektronische Trefferanzeige ersetzen, stellte dann aber
noch andere erhebliche Mängel fest. So müssen z. B auch die Kugelfänge ersetzt werden. Zudem will
man die Umbauten gleich nutzen, um auf dem Dach des Schiesstands eine
Photovoltaikanlage (damit wandelt man Sonnenlicht in elektronische Energie um)
einzurichten. Das würde jedoch von der IB Langenthal übernommen werden,
beziehungsweise von deren Tochterfirma (Als Markus Gfeller IB sagte, war ich
kurz verwirrt, weil ich kurz dachte er meint YB, den Fussballverein.)Alles in
allem werden sich die Kosten dieser Sanierung auf rund 1, 6 Millionen Franken
belaufen.
Trotz dieser stattlichen Summe gab es im Parlament keinen
Widerstand. Das Einzige was Fragen aufwarf, war die Beteiligung der umliegenden
Gemeinden. Pfaffnau, Lotzwil und Roggwil nutzen die Anlage mit. Erstere werden sich
an den geplanten Sanierungen finanziell beteiligen. Bei Lotzwil und Roggwil ist
der Fall etwas komplizierter. Mit ihnen wurde im Jahr 2016 bzw. 2005 ein
Vertrag vereinbart, in dem explizit steht, dass sie sich nicht an
Neuinvestitionen beteiligen müssen. Das ist insofern eine etwas kuriose Vereinbarung,
weil sie, nach aktuellem Stand, gegen geltendes Recht verstösst, denn das
Militärgesetz schreibt, dass sich Gemeinden ohne eigenen Schiessstand, bei
einem Schiessstand einer anderen Gemeinde einkaufen müssen. Gratis nutzen die
beiden Gemeinden den Schiessstand heute allerdings auch nicht. Sie zahlen Miete.
Roland Bader (FDP) und Mike Siegrist (EVP) äusserten sich
zwar kritisch über diese rechtlich fraglichen Verträge), ansonsten fand der
Stadtrat nur lobende Worte. Stefan Grossenbacher (SVP) bezeichnete die Ausgaben
als Investition in einen Zweckbau ohne unnötigen Luxus, während die FDP sich
positiv über die geplante Photovoltaikanlage äusserte. Simon Lüdi (SP/GL
Fraktion), merkte zwar an, dass Schiessstände nicht gerade in den Genen von
Links – Grün liege, aber, so führte er aus, sie möchten natürlich der
Arbeiterschaft, die mit Herzblut ihrem Hobby frönen, nicht im Weg stehen. Was
versüsst einem schliesslich mehr den Feierabend, als fröhliches Rumballern? (Wobei
man natürlich auch ganz nüchtern sehen muss, dass es den Schiessplatz braucht.
Wegen den obligatorischen militärischen ausserdienstlichen Schiessübungen, die
Soldaten – und Soldatinnen absolvieren müssen, damit sie nicht völlig aus der
Übung kommen und wohlmöglich den Hintern ihres Kameraden treffen, statt die
Zielscheibe.) Wie zu erwarten war, stimmte der Stadtrat dem Geschäft mit
grosser Mehrheit zu. Die Schützen – und Schützinnen dürfen sich freuen.
Beim nächsten Traktandum ging es ausnahmsweise nicht
darum, Ausgaben zu beschliessen, sondern eine neue Einnahmequelle zu
erschliessen (beachtet diese sprachliche Finesse). Der Stadtrat wurde ein
Baurechtsvertrag zur Genehmigung vorgelegt. Mithilfe einer PowerPoint Präsentation zeigte der zuständige Gemeinderat
Roberto de Nino (SVP) auf, worum es im Detail geht (wann kommt eigentlich das
erste YouTube Video vom Gemeinderat? So ein kurzer, knackiger Vlog, statt ein
Haufen voll beschriebener Folien?)
Der Vertrag bezieht sich auf das Gebiet Steiachermatte.
Vor Jahren wurde diese Fläche an die Solar AG verkauft, doch die Firma ging
leider pleite, weshalb die Stadt die Fläche wieder zurückkauften musste. Jetzt
will der Gemeinderat die besagte Fläche an die Langenthaler Firma Createch AG im Baurecht
abgeben. Das heisst, es findet kein Kauf statt, die Firma bekommt aber das
Recht, auf dem Grundstück zu bauen und zahlt dafür einen sogenannten
Baurechtszins an die Stadt. Da die Createch AG zu den führenden Unternehmen in
Bereich Lasertechnologie gehört, ist nicht zu erwarten, dass die so schnell
insolvent werden. Ergo: Ein schöner regelmässiger Batzen in die Kasse der
Stadt.
Da die Createch AG die Fläche benötigt, um auszubauen, ist mit neuen attraktiven Arbeitsplätzen für Langenthal zu rechnen. Roberto de Nino verkündet diesen Aspekt dann auch mit der Miene eines Weihnachtsmannes, der gerade Geschenke verteilt. Und er kann noch ein besonders hübsches Geschenk aus dem Sack zaubern: Die Solar AG hat viele Pfählungen (damit sind in dem Fall keine Foltermethoden gemeint, sondern Pfähle, die im Boden stecken, um das Fundament eines Bauwerks zu stützen. Glaub ich.) auf dem Grundstück hinterlassen. Die Createch AG kann einen Grossteil dieser Pfählungen verwenden, weshalb nicht alle entfernt werden müssen. Die Stadt muss also nur 100‘000 Franken zahlen, statt 150‘000, wie ursprünglich veranschlagt worden war. Also haben wir mal eben so 50‘000 Franken Überschuss! Lasst uns eine Party schmeissen!
Nein, eine Party wollte niemand schmeissen, aber
natürlich war der Stadtrat sehr angetan von diesem Geschäft. Roland Loser (SP),
warf als Sprecher der GPK zwar die Frage in den Raum, wie sinnvoll es sei,
fertig ausgearbeitete Verträge in den Stadtrat zu bringen. Im Fall des
Kunstrasenfelds für den FC Langenthal hat diese Vorgehensweise dazu geführt,
dass das Parlament einen fehlerhaften Vertrag genehmigte. Dennoch stellte er
die formale Richtigkeit fest. Paul Bayard (SP) zeigte sich in erster Linie
erleichtert, dass der Grund noch im Besitz der Stadt bleibt, denn nach seiner
Überzeugung, sollte Boden generell nicht verkauf werden. Patrick Freudiger von
der SVP unterstützte das Geschäft ebenfalls und reagierte auf die Überlegungen
der GPK. Es mache durchaus Sinn, dass der fixfertige Vertrag ins Parlament
käme, betonte er, denn dadurch könne der Stadtrat seiner Aufsichtspflicht
nachkommen. Da die Createch AG die Fläche benötigt, um auszubauen, ist mit neuen attraktiven Arbeitsplätzen für Langenthal zu rechnen. Roberto de Nino verkündet diesen Aspekt dann auch mit der Miene eines Weihnachtsmannes, der gerade Geschenke verteilt. Und er kann noch ein besonders hübsches Geschenk aus dem Sack zaubern: Die Solar AG hat viele Pfählungen (damit sind in dem Fall keine Foltermethoden gemeint, sondern Pfähle, die im Boden stecken, um das Fundament eines Bauwerks zu stützen. Glaub ich.) auf dem Grundstück hinterlassen. Die Createch AG kann einen Grossteil dieser Pfählungen verwenden, weshalb nicht alle entfernt werden müssen. Die Stadt muss also nur 100‘000 Franken zahlen, statt 150‘000, wie ursprünglich veranschlagt worden war. Also haben wir mal eben so 50‘000 Franken Überschuss! Lasst uns eine Party schmeissen!
Den scharfen Augen der FDP – Fraktion waren ein paar
Fehler nicht entgangen. Sie brachten einige redaktioneller Änderungen zur
Sprache, die vom Gemeinderat so entgegengenommen wurden. Die fielen allerdings
nicht gross ins Gewicht: Das Geschäft wurde einstimmig angenommen. An diesem
Punkt dachte ich ja schon, dass jetzt endgültig Harmonie und Liebe im Stadtrat
herrschen würde. Aber dann kam das nächste Traktandum, das die Friedenslämmer
plötzlich in reissende Werwölfe verwandelte: Die Teilrevision des Reglements
über das Schulwesen in Langenthal. Badam!
Dabei fing es eigentlich ganz nett an. Matthias Wüthrich (Grüne),
zuständiger Gemeinderat, meinte zwar, der Titel des Traktandums klänge nun
wahrlich nicht prickelnd (welches Traktandum klingt schon prickelnd?), für ihn
handle es sich aber um einen wichtigen Meilenstein. Womit er Recht hat, denn es
geht in erster Linie darum, ein durchlässiges Schulsystem in Langenthal zu
installieren. Bis jetzt ist es in Langenthal so, dass die Schüler – und Schülerinnen
ab der siebten Klasse, entweder die Real, die Sekundarschule oder die Spez.Sek
besuchen, je nachdem was für einen Notenschnitt sie vorher erreichen. Bei einem
durchlässigen System wäre es möglich, dass ein Kind, das in Deutsch und
Französisch schlecht steht, aber im Mathe hervorragend ist, in den
Sprachfächern auf Realniveau und in Mathematik auf Sekniveau unterrichtet wird.
Langenthal gehört zu den wenigen Gemeinden, die noch gar keine Durchlässigkeit
kennen.
Es gibt mehrere Varianten, wie diese Durchlässigkeit
hergestellt werden könnte. Das sogenannte Modell 3a) würde bedeuten, dass es
nach wie vor getrennte Real – und Sekundarklassen geben würde, aber mit
Niveauunterricht. Beim Modell 3b) würden die Klassen durchmischt werden. Der
Gemeinderat möchte letzteres Modell in Langenthal einführen und dazu braucht es
eine Änderung im Schulreglement, die vom Stadtrat genehmigt werden muss. Besagter
Stadtrat stellte sich jedoch quer.
GPK – Sprecher Patrick Freudiger stellte zwar die formale
Richtigkeit fest, kündigte aber dennoch einen Rückweisungsantrag an.
Insbesondere störte sich die GPK daran, dass es keine vorgängige
Stadtratsdiskussion zu diesem Entscheid gegeben hatte. Der Stadtrat hatte nie
die Gelegenheit, sich zu der Modellwahl zu äusseren. Auch die Schülerschaft und
die Eltern, wären zu wenig in die Modellwahl miteinbezogen worden, kritisierte
Freudiger, und die Unterlagen, auf denen der Modellentscheid gründe, seien
mangelhaft. Es fehle die Variantenauslegung. Nach diesem Votum war klar: Jetzt
werden die Krallen ausgefahren.
Der erste Löwe in der Manege (mit entsprechender Mähne) Sandro
Baumgartner (SP), zeigte sich wenig begeistert von Freudigers Kritik. „Langenthal
leidet unter schlechtem Schulwesen“, konstatierte er und schob nach, dass er es
als unnötig empfinde, dass der Stadtrat sich da jetzt auch noch einmische.
Schliesslich hätten Experten die Revision erarbeitet und auf die solle man
gefälligst hören.
Eine Äusserung, die wiederum Pascal Dietrich (FDP) auf
die Palme brachte. Und er fand zielsicher die offene Flanke in Sandro
Baumgartners Argumentation. „Wenn die SP der Meinung ist, dass man in Zukunft
auf Experten hören sollte, könnte man ja auch sagen, dass Experten allein über
die Flugzeugbeschaffung im Militär entscheiden sollen“, bemerkte er süffisant.
Und Patrick Freudiger doppelte später nach. „Vermutlich hat man einfach auf die
Experten gehört, deren Ansichten zu der eigenen Meinung passten“, gab er später
zu Protokoll. Die Schulinspektoren, zum Beispiel, habe man gar nicht erst
gefragt. Ein Kritikpunkt, der auch von Parteikolleggin Corinna Grossenbacher
(SVP) aufgegriffen wurde, die zudem befürchtete, der Sprung von Null –
Durchlässigkeit zu absoluter Durchlässigkeit sei zu gross.
Einen nicht ganz unwichtigen Experten hatte man ebenfalls
aussen vor gelassen: Daniel Steiner – Brütsch, ehemaliger EVP – Stadtrat,
dessen Postulat überhaupt erst dazu führte, dass man die Einführung eines durchlässigen
Schulmodells geprüft hat. Und der sei für das Modell 3a, nicht für Modell 3b, liess
Patrick Freudiger verlauten (das muss man erstmal hinkriegen. Aus dem Stadtrat
ausscheiden und trotzdem noch irgendwie dabei sein.) Diego Clavadetscher (FDP)
wies in seinem Votum darauf hin, dass hier die Gefahr eines Referendums
bestünde, wenn man die Eltern einfach aussen vor lässt. Und ein Referendum
würde die Einführung des durchlässigen Schulsystems noch weiter nach hinten
schieben.
Die linke Ratshälfte wirkte sichtlich genervt, fast schon
bestürzt über den Widerstand der Bürgerlichen, zumal auch die EVP/GLP Fraktion
deutlich machte, dass sie diese Komepetenzverschiebung von Stadt – zu Gemeinderat
nicht dulden würde. Unangenehme Erinnerungen an die verschleppte Schulsozialarbeit kamen hoch. Als dann noch konkrete Anträge gestellt wurden, die den
Text der Vorlage so abänderten, dass die Kompetenz der Entscheidung, wieder
beim Stadtrat liegt, reagierte Roland Loser (SP) angesäuert. „Man will einfach
das Modell 3a durchdrücken“, monierte er und „und legt jetzt hier fixfertige Anträge vor,
von der die SP/GL Fraktion keine Ahnung gehabt hat.“
Auch Gerhard Käser (SP), Schulleiter vom Kreuzfeld 1,
echauffierte sich über die Argumentation der Gegenseite. Er war der Ansicht,
dass man keineswegs unkalkulierbare Risiken eingehen würde, schliesslich
arbeitet man bis zur sechsten Stufe bereits heute mit gemischten Klassen. Und
beim Modell 3b würde sich faktisch weniger ändern als beim Modell 3a. Doch die
verzweifelten Rufe von Links – Grün blieben ebenso ungehört wie Matthias
Wüthrich: Der Stadtrat stimmte dem Änderungsantrag zu. Wobei mir ehrlich gesagt
nicht ganz klar ist, was das bedeutet. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass im Stadtrat
darüber abgestimmt werden wird, welches Modell zum Tragen kommen wird. Erneut
hat sich gezeigt: Dieses Parlament lässt sich ungern übergehen. Und wenn’s um
Kinder oder Schulen oder Hockey geht, wird’s in Langenthal emotional.
Im fünften Traktandum ging’s um einen Antrag, der die
Erweiterung der Begegnungszone in der Marktgasse wünschte. Ich dachte ja immer,
Begegnungszonen seien Fussgängerzonen. Was falsch ist. Begegnungszonen sind
Gebiete, in denen langsames Fahren erlaubt ist (warum es trotzdem
Begegnungszone heisst: Keine Ahnung. Ist es eine Begegnung, wenn man vom Auto
überfahren wird?). Die obere Marktgasse ist komplett fahrzeugfrei, was Janosch
Fankhauser (SVP) ein Dorn im Auge ist. Er hoffte, dass durch eine Lockerung
dieses Verbots, wieder mehr Leben in die Marktgasse einziehen würde, was auch
den Detailhändlern und Beizen helfen würde. Die Motion erlitt Schiffbruch.
Nicht nur, weil der Gemeinderat gerade dabei ist, ein Verkehrskonzept zu
erarbeiten (Noch ein Konzept! Wir haben ja erst gefühlte 300…), sondern, weil
das Stimmvolk schon einmal für eine verkehrsfreie Marktgasse entschieden hat. Diesen
Entscheid zu übergehen, sei Zwängerei, hielt Pascal Dietrich fest (Damit hat er
eigentlich Recht).
Das nächste Traktandum behandelte eine Motion der SVP zum
Thema Personalkostensenkung. Die Diskussion verlief ziemlich technisch, deshalb
werde ich sie an dieser Stelle überspringen. Mea culpa. Es ging im Groben
darum, dass die Kosteneinsparungen bei der Auslagerung der städtischen IT und ict4kids
transparenter dargestellt werden sollen. Die Motion wurde in ein Postulat (eine
Art Prüfbericht) umgewandelt und als erheblich erklärt.
Traktandum 7 war wieder leichter zum Verstehen. Saima
Sägesser (SP) hatte eine Motion eingereicht, die vom Gemeinderat die
Ausarbeitung eines Ausgangskonzept forderte (für die, die sich nicht mehr
erinnern können: Ausgehen war das, was wir vor Corona manchmal am Wochenende
taten. Saufen. Tanzen. Feiern. Jemanden die Schuhe vollkotzen. Lustige Sachen
halt). Der Gemeinderat kam zum Schluss, dass viele Punkte der Motion bereits
mit dem Sicherheitskonzept abgedeckt sind und beantragte, die Motion als nicht
erheblich zu erklären.
Saima Sägesser war bei der Sitzung zwar nicht anwesend,
ihr Statement wurde aber von Josefine Lüdi (parteilos, SP/GL Fraktion)
verlesen. Sie zeigte sich enttäuscht, weil ihre Motion eben nicht nur
Sicherheitsaspekte berücksichtigte. Vielmehr ging es ihr darum, die
verschiedenen Interessengruppen punkto Ausgang an einen Tisch zu bringen.
Insofern hätte, aus ihrer Sicht, auch das Amt für Bildung, Kultur und Sport,
Stellung nehmen müssen. Der Stadtrat entschied sich trotz dieser klaren
Argumentation gegen die Einführung eines Ausgangskonzept (Come on! Konzepte
gehen doch immer!)
Offene Türen rannten Saima Sägesser und ihre
Mitstreiterinnen Renate Niklaus (GLP) und Corinna Grossenbacher (SVP) dagegen
mit ihrem Postulat zur Gewährung der Sicherheit in der Ausgehzone im
Stadtzentrum ein. Seit einiger Zeit sind im Raum rund ums Chrämerhuus Jugendliche
unterwegs, die sich nicht immer besonders vorbildlich benehmen. Der Gemeinderat
versichert in seiner Stellungnahme, dass er diesen neuen „Hotspot“ auf dem
Schirm hat und bereits Massnahmen ergriffen hat. Das Postulat wurde als
erheblich erklärt und abgeschrieben.
Und dann war es auch schon vorbei. Schnell und speditiv
könnte man sagen, was zum einen sicher daran lag, dass der Gemeinderat zu
vielen Geschäften, im Vorfeld schriftlich Stellung genommen hatte und auf eine
Berichterstattung verzichtete. Aber auch der Stadtrat hielt sich kurz! Sie
können es also….wenn sie denn wollen. Oder müssen.
Was sonst noch passiert ist
·
Im Vorfeld hatten alle Teilnehmenden einen
genauen Sitzplan erhalten. Trotzdem irrten manch ein Stadtrat und manch eine
Stadträtinverwirrt durch den Saal, auf der Suche nach seinem Platz. Reise nach
Jerusalem mal anders.
·
In der Halle war es saukalt. Ob das Absicht
war, um die Beteiligten zu motivieren, möglichst vorwärts zu machen, sei
dahingestellt. Carola Howald (JLL) bekam jedenfalls von Pascal Dietrich noch
eine zusätzliche Jacke. Es gibt also doch noch Gentlemen!
·
Eine sportliche Leistung legte Stéphanie
Zubler, Sachbearbeiterin Stadtrat hin. Sie rannte jeweils von Rednerpult zu
Rednerpult um es blitzschnell zu desinfizieren. Dabei wurde sie auch noch
unfreiwillig zum Fotomodell: Für kaum ein Motiv interessierten sich die
anwesenden Fotografen so sehr, wie für die putzende Frau Zubler.
·
Paul Beyeler (EVP) desinfizierte seine Hände
so elegant, wie sonst niemand. Noch während er den Antrag vorlas, rieb er sich
umsichtig die Hände ein. Multitasking!
·
Den Mikrofonen wurden nach jedem Redner und
jeder Rednerin, ein frisches Kondom übergezogen (höhöhö. Ich hab Kondom
geschrieben!)
·
Stadtratspräsidentin Martina Moser (SP) war
perfekt vorbereitet. Sie hatte sogar einen Feldstecher dabei. Mit dem sieht man
schräge Vögel bekanntlich besser.
Best of
„Super, haltet ihr euch so kurz, aber für Stéphanie
Zubler ist das ein Wahnsinnsworkout.“ Martina Moser hat Mitgefühl für die
rasende Stéphanie, die aufgrund der schnellen Voten ziemlich ins Schwitzen
kommt.
„Ich rufe euch zu: Helft uns die Langenthaler Schulen
wieder auf ein gutes Niveau zu bringen!“ Sandro Baumgartner (SP) übt schon mal
für den nächsten Rütlischwur. Oder für die nächste Predigt in einer
Gospelkirche.
„Da stehen mir die Haare zu Berge.“ Gut kann Pascal
Dietrich inzwischen wieder zum Friseur.
„Geografie gibt’s nicht erst seit Lehrplan 21, sondern seit Lehrplan 95!“ Gerhard Käser (SP) redet von Geografie, unterrichtet aber im Stadtrat Geschichte.
„Ich bin entsetzt über die Koalition der Verhinderer!“ Naja, Roland Loser (SP), böse Zungen könnten jetzt sagen, besser eine Koalition der Verhinderer, als eine Koalition der Verlierer...
„Das Volk bekommt bei der Kampfjetabstimmung auch keine
Auswahl, ob es jetzt den Hunter oder den FA18 will!“ Wieder Sandro Baumgartner,
diesmal mit einem revolutionären Ansatz. Warum Abstimmungsbüchlein, wenn man
einen Katalog haben kann?
„Wir haben über uns noch eine weitere Instanz, die uns
führt.“ Kurze religiöse Anwandlung bei Diego Clavadetscher (FDP).
„Ich bin aus dem
Schulalter raus!“ Aber immer noch ein jugendlicher Geist: Urs Zurlinden (FDP).
„Im Gemeinderat sind auch keine Bildungsexperten!“ Patrick
Freudiger (SVP) versetzt dem Selbstbewusstsein des Gemeinderates einen
empfindlichen Schlag. Also, gebildet sind sie sicher, mit Verlaub!
„Der Einzelne kann falsch stimmen, die Mehrheit nicht.“
Interessanter philosophischer Ansatz von Janosch Fankhauser (SVP).
„Eigentlich wollte ich der SVP ja hier einen Vortrag
halten…“ Jetzt würgt Corona auch noch den redseligen Pascal Dietrich ab!
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