Es war einmal an einem wunderschönen Sommertag in einem
wunderschönen Hotel in einem wunderschönen Saal, da trafen sich zu früher
Abendstunde wunderschöne Stadträt*innen zu einer wunderschönen Sitzung voller
wunderschönen Traktanden. Es war ein wunderschönes Ereignis, dass mir noch
langer in wunderschöner Erinnerung bleiben wird! Wie heisst es auf Instagram immer so schön?
Positive Vibes! Ich bin kein miesgelauntes, rummotzendes, ironisches Lama mehr,
ich bin ein schillernder, bunter Schmetterling, dazu da, Freude und Liebe zu
verbreiten….
Gott, es bereitet mir schon fast körperliche Schmerzen so
einen Müll zu schreiben. Wie machen dass diese Influencer*innen nur? Ich glaub,
ich bleib bei meinem üblichen Stil. Nicht überragend, aber unverschämt. Oder
war’s umgekehrt? Naja, auf jeden Fall viel Spass mit meinem Lamamüll…äh
Lamablog.
Corona ist
bekanntlich immer noch da – das Biest hat ja nicht einmal ein
Ablaufdatum – und das heisst, dass der Stadtrat auch diesmal im Parkhotel tagte, damit die Abstandsregeln eingehalten werden konnten. Auch die
Bestuhlung ähnelte noch immer mehr einen Klassenzimmer, als einem Parlament
(tatsächlich fühlte ich mich irgendwie an meine Abschlussprüfung erinnert. Ich
erwartete fast schon, dass mir jemand einen Prüfungsbogen hinknallte) und manch
ein Stadtratsmitglied irrte auf der Suche nach dem richtigen Platz etwa umher („waren
wir das letzte Mal hier? Oder da vorne? Weisst du das noch?“) und auch mein
Drang, Papierkügelchen an diverse Hinterköpfe zu werfen, stellte sich wieder
ein (aber natürlich ignorierte ich ihn, denn ich bin eine erwachsene, reife
Frau und zu solch kindischen Handlungen gar nicht fähig. Ausserdem bin ich mir
ziemlich sicher, dass man mich aus dem Saal werfen würde, wenn ich sowas tun
würde). Das Gute am Abstand ist ja, dass die Stadträt*innen sich nicht so leicht
aufeinander stürzen können, wenn sie sich in die Haare kriegen (wobei ich das
noch nicht nie erlebt habe. In italienischen Parlamenten kommt das ja durchaus
mal vor).
Als Erstes hatte der Stadtrat eine Mathematikstunde, in
der Mathelehrer…äh, ich meine natürlich Gemeinderat, Roberto de Nino (SVP) die
Jahresrechnung präsentierte. Er zeigte sich durchaus zufrieden, denn die
Rechnung schliesst besser ab, als erwartet. Zustande gekommen ist dieses
positive Resultat durch mehr Steuereinnahmen von natürlichen Personen (das sind
du und ich, die brav ihre Steuern zahlen. Wobei mir einfällt, dass ich meine
Steuererklärung noch ausfüllen müsste), durch gute Börsenergebnisse (meiner
Meinung ist die Börse eine der merkwürdigsten Erfindungen der Menschheit, aber
wenn’s Geld gibt, will ich mich nicht beschweren) und durch weniger Lohnausgaben
in der Verwaltung (was die Weisheit meines ehemaligen Wirtschaftslehrers
bestätigt, dass nirgends so schnell und so effektiv gespart werden kann, wie
beim Personalaufwand. Allerdings arbeitet es sich ohne Personal halt einfach
schlecht). Weniger positiv ist, dass es bei den juristischen Personen (das sind
Unternehmen) zu Steuereinbussen kam, weil man einen grossen Betrag aus dem
letzten Jahr wieder zurückzahlen musste.
Ich denke, dass ist das Wichtigste, was sich zur
Jahresrechnung sagen lässt. Gut, ehrlich gesagt ist es einfach das, was ich
einigermassen nachvollziehen kann. Erwartet von mir keine tiefschürfenden
Bemerkungen zu Eigenkapital oder Fremdkapital. Obwohl ich mal richtig gut war,
in diesen Sachen. Ob ihr’s glaubt oder nicht, ich war ziemlich gut in
Buchhaltung und auch sonst bürotechnisch sehr auf Zack. Ich konnte sogar Excel!
Mit Betonung auf konnte
Ich bin abgeschweift (weil ich angeben wollte, ich gebe es
zu). Zurück zur Debatte, die so harmonisch verlief, dass nur noch von der Decke
rieselnde Rosenblätter fehlten. Roberto de Nino meinte abschliessend, dass das
Coronavirus wahrscheinlich die Konjunkturentwicklung im nächsten Jahr
beeinflussen wird – weniger Steuerertrag, mehr Zusatzausgaben, Mindereinnahmen –
dass die Situation in Langenthal aber besser ist, als in anderen Gemeinden. Wir
trotzen dem Sturm. Piraten hoho!
Diese Einschätzung teilten die Parteien. Die strenge GPK,
vertreten durch Sprecher Paul Beyeler (EVP), zeigte sich im Grossen und Ganzen
zufrieden. Die Fraktionssprecher hoben insbesondere die gute Ausgabedisziplin der
Verwaltung hervor, wobei Jürg Schenk (EVP) allerdings zurecht anmerkte, dass
die dafür verantwortlichen Vakanzen zu vielen Problemen führte – unter anderem
zu einem Antragsstau beim Bauamt. Paul Bayard (SP) mahnte den Stadtrat wegen
der Nachkredite, die er selbst verschuldet hat. Das Budget für die 100 Jahr Feier wurde zum
Beispiel überzogen (in Anbetracht der Tatsache, dass wir wegen dem Virus, in
nächster Zeit sowieso nicht mehr gross feiern müssen, sei es ihnen gegönnt. Und
die Feier war schön). Diego Clavadetscher (FDP) versuchte sich kurzzeitig als Jeremias
Gotthelf und verkündete, dass das Glück bekanntlich dem Tüchtigen gehörte. Und
Patrick Fluri platzierte zwar noch die obligatorische bürgerliche Forderung,
dass der bisherige Steuerfuss unbedingt beibehalten werden muss, schloss sich
aber seinen Vorrednern an.
Und so kam es wie es kommen musste: Der Antrag wurde
einstimmig angenommen und die Jahresrechnung genehmigt. Happy End. Die
friedliche Stimmung schlug sich auch im nächsten Traktandum nieder. Der
Jahresbericht des Gemeinderates wurde ebenfalls positiv zur Kenntnis genommen
(abgestimmt wird darüber ja nicht). Im Gegensatz zum letzten Jahr fand auch das Vorwort vom
Stadtpräsidenten Gnade vor den strengen Augen des Stadtrates. Ich will ja nicht
motzen, aber vom literarischen Standpunkt aus, könnte man durchaus mehr aus dem
Jahresbericht machen. Zum Beispiel könnte man das Jahr in Reimen
zusammenfassen.
Das könnte sich zum Beispiel so anhören:
Der
SCL gewannt die Meisterschaft,
Die
neuen Parkuhren haben endlich Saft,
Die
Sommerfasnacht war ganz nett,
Und
in mediterranen Nächten gehen wir nicht ins Bett!
Ja,
ich bin Heinrich Heine. Nur halt weiblich.
Beim
Traktandum 4 ging es um die Überbauungsordnung Alterszentrum Haslibrunnen. Wir
erinnern uns: Vor zwei Jahren hat der Stadtrat der Aktienkapitalerhöhung
zugestimmt und damit das GO gegeben für den notwendigen Ausbau des Altersheims.
Jetzt musste der Stadtrat die Überbauungsordnung noch genehmigen, was er auch
ohne gross zu murren, einstimmig tat.
Wenn
ich etwas in den letzten Jahren gelernt habe, dann, dass man nicht einfach so
anfangen kann zu bauen. Es braucht Kredite, Konzepte, Überbauungsordnungen. Und
bei Krediten gibt’s auch noch verschiedene. Zum Beispiel der
Projektierungskredit. Um so einen ging es bei Traktandum 5. Die Gruben – und Belchenstrasse,
sowie der Zeieweg (lustiger Name) weisen sicherheitstechnische Mängel auf und
müssen saniert werden. Sah der Stadtrat auch so, der Kredit wurde jubelnd
bewilligt.
Na
gut. Niemand hat gejubelt. Dennoch fragte ich mich an diesem Punkt, ob der
Stadtrat seine Streitlust an der Rezeption abgegeben hat, so lammfromm erschienen
sie mir plötzlich. Bei Traktandum 6 kam dann aber wieder Leben in die Bude.
Denn die Vorlage beherbergte ganz schön Zündstoff, ging es doch um die Porzi.
Zumindest indirekt. Der Gemeinderat wünschte sich vom Stadtrat die Genehmigung
für einen Kredit, mit dem er ein Betriebs – und Gestaltungskonzept für die Neuanbindung
der Haltestelle Süd, ausarbeiten wollte. Geplant ist es, die Haltestelle ins
Porziareal zu verschieben. Heikel: Würde man diese Verschiebung durchziehen,
setzt man einen Teil der Testplanung für das Porziareal bereits um – bevor man
sich die Legitimation durch das Stimmvolk geholt hätte.
Stadtpräsident
Reto Müller kam zu der zweifelhaften Ehre, dem Stadtrat die Vorlage schmackhaft
zu machen. Er argumentierte, dass es sich bei der Station Süd um einen kaum
wahrnehmbaren Bahnhof handelt (eigentlich ist es ja auch kein Bahnhof, sondern
eine Haltstelle) und die Verschiebung in den Siedlungsrichtplan passt (auf dem
wiederum die Testplanung der Porzi basiert). Die BLS müsste zudem langsam
wissen, ob die Stadt eine neue Anbindung vorsieht. Die Zeit dränge auch, weil
die BLS verpflichtet ist, bis ins Jahr 2023 die Haltstelle Süd
behindertengerecht umzubauen. Am aktuellen Standort könnte das schwierig
werden, wegen einer Kurve, die einen Umbau wohl erschwert.
Einige
Langenthaler*innen, die der Porzi verbunden sind, befürchten wegen der
drohenden Verschiebung, Abrisse auf dem Gelände. Reto Müller gab offen zu, dass
diese Ängste nicht unberechtigt sind. Es könne durchaus zu Abbrüchen kommen,
wenn die Verschiebung umgesetzt wird. Aber er betonte, dass es im Moment
lediglich um die Ausarbeitung eines Konzeptes geht, das klären soll, wie eine
solche Verschiebung umgesetzt werden kann. Der Stadtrat werde auch im weiteren
Vorgehen befragt, versicherte Reto Müller.
Der
Stadtrat zeigte sich in Teilen kritisch. Diego Clavadetscher (FDP) bemängelte
als GPK – Sprecher, dass im Dossier nur die Nachteile einer Ablehnung
aufgeführt wurden, nicht aber die Vorteile. Zudem habe der Gemeinderat noch keine Stellung
zu den Mietwirkungseingaben genommen. Janina Heiniger (EVP) erklärte im Namen ihrer
Fraktion, den Zeitpunkt für falsch. Die FDP, vertreten durch Robert Kummer,
bekräftigte zwar, dass sie früher eine Verlegung der Station Süd positiv
bewertet hatten, diesem konkreten Vorhaben allerdings aufgrund der zu
erwartenden Kosten wenig abgewinnen können. Die FDP wies zudem daraufhin, dass
der in den Unterlagen leger eingezeichnete Zugang über die Kadi wohl schwierig
umzusetzen sei, weil die Kadi das Land garantiert nicht hergeben will (Die Kadi
stellt Pommes Frites her, was ich sehr sympathisch finde. Wie viel friedlicher
wäre die Welt, wenn wir alle mehr Pommes Frites essen würden?)
Die
Fraktion stellte dann auch einen Rückweisungsantrag, der den Gemeinderat dazu
aufforderte, die eingezeichneten Zugänge zu prüfen, die möglichen Kostenfolgen
des Landerwerbs auszuweisen und zu prüfen, ob man die Sanierungsmassnahmen
nicht zurückstellen kann, bis die Porzifrage geklärt ist. Denn, so Robert
Kummer, die BLS würde wohl kaum in der Lage sein, alle Haltestellen bis 2023
behindertengerecht zu gestalten. Reto Müller zeigte sich im Angesicht des
Antrags etwas ratlos. Wie genau der Gemeinderat, denn das abklären soll, wenn
er eben kein klares Konzept hat, erkundigte er sich. Die Quadratur des Kreises
blieb ihm erspart: Der Rückweisungsantrag wurde abgelehnt.
Während
die SP/GL Fraktion keine einheitliche Position gefunden hatte, stellte sich die
SVP hinter den Gemeinderat. Stefan Grossenbacher (SVP) fand, unabhängig davon
was auf dem Porziareal passiere, entstünden durch die neue Erschliessung Fuss –
und Velowege, die so auch im Siedlungsrichtplan vorgesehen sind.
Die
Einzelsprecher*innen zeigten sich dagegen mehrheitlich negativ eingestellt.
Beat Hasler (parteilos, SP/GL Fraktion) bemängelte, dass die Haltstelle Süd
nach einer Verschiebung schlecht einsehbar wäre, da sie mitten im
Industriegebiet stünde (wenn also dort Graf Dracula dort einen schwungvollen
Handel mit Blutkonserven aufziehen würde, bekämen wir es gar nicht mit!). Auch
Pascal Dietrich (FDP) fand, dass die Station am jetzigen Standort eigentlich
genau richtig ist. Seine Parteikollegin Stefanie Barben machte deutlich, dass
im Bericht kaum Fakten enthalten seien – stattdessen sei es eine Auflistung von
Wünschen und Bedürfnissen, der Stadt und der Haupteigentümerin auf dem
Porziareal, Ducksch Anliker (vermutlich spielte sie darauf an, dass die
Verschiebung der Haltestelle Süd fester
Bestandteil der Testplanung von Anliker ist, also keineswegs eine neue Idee
ist).
Abschliessend
versuchte Reto Müller noch einmal den Stadtrat davon zu überzeugen, den Kredit
für die Erarbeitung des Konzepts zu genehmigen. „Schlagt nicht den Sack, wenn
ihr den Esel meint“, mahnte er, in Hinblick auf die Diskussionen rund um die
Porzi. Zudem ginge es erst einmal um die Planung, nicht schon um die Umsetzung.
Die Synergien zu nutzen, die sich hier ergeben – Umsetzung des
Gleichstellungsgesetzes, Velo – und Fusswege, Transformation Porzi – sei sinnvoll,
appellierte er an den Stadtrat. Doch der Antrag des Gemeinderates fiel denkbar
knapp durch: Die Stadtratspräsidentin Martina Moser (SP) gab den
Stichentscheid, der das Projekt beerdigte, bevor es überhaupt angefangen hatte.
(Meiner
bescheidenen Meinung nach kann sich der Gemeinderat dafür bei Ducksch Anliker
bedanken, die im Jahre 2019 schon einmal Synergien nutzen wollten. Die BLS war
damals mit Sanierungen beschäftigt und Ducksch Anliker wollten deshalb auch
gleich mit dem Zügeln der Haltestelle beginnen, weshalb sie einigen
Zwischennutzer*innen kündigten und auch schon Abrisse planten. Damals grätschte
der Gemeinderat dazwischen. Besonders vertrauensfördernd war dieses Manöver von
Ducksch - Anliker nicht Wenn du einmal
so ein Ding drehst, brauchst du dich nicht zu wundern, wenn dir Misstrauen
entgegenschlägt).
Der
Kredit für die Sanierung der Zivilschutzanlage wurde dagegen einstimmig
genehmigt. Mehr zu reden gab das Traktandum 8. Der Kanton Bern verlangt neu,
die Einführung von sogenannten Betreuungsgutscheinen. Diese können berufstätige
Eltern in einer KITA ihrer Wahl einlösen – sofern diese vom Kanton Bern
zugelassen ist. Der Kanton übernimmt einen Teil der Kosten. Das bedeutet, dass
Langenthal das System ebenfalls anpassen und die Betreuungsgutscheine einführen
muss, wie Gemeinderat Matthias Wüthrich (Grüne), dem Stadtrat erläuterte.
Das
bezweifelte auch niemand, dennoch stellte die GPK durch Sprecher Patrick
Freudiger (SVP) den Antrag auf eine zweite Lesung. Er bemängelte formelle
Fehler, wie fehlerhafte Verweise. Insbesondere ein Dorn im Auge war der GPK,
dass nicht erklärt ist, was passieren würde, wenn der Kanton Bern die
Finanzierung plötzlich zurückzieht, sich also nicht mehr an den Kosten beteiligt.
Da der Kanton ja gerade im sozialen Bereich alles zusammenspart, was nicht
schnell genug davonrennt, ist das Szenario jetzt nicht so unwahrscheinlich.
Fraktionssprecher
Roland Loser (SP), der in der Vergangenheit schon öfter Mühe mit der „lasst –
uns – noch – einmal – darüber – reden – und – dann – gleich – noch – einmal –
weil – es – so – Spass macht“ Haltung des aktuellen Stadtrates bekundet hatte, zeigte sich wenig begeistert von der
zweiten Lesung. Damit würde man ein Geschäft wieder unnötig verschleppen,
monierte er und trauerte der guten Zeit hinterher, als man sich auf einen Handschlag
noch verlassen kannte (hat da jemand kürzlich Trauffer gehört?) und nicht ein
ganzes Heer an Jurist*innen brauchte, um sich abzusichern. Mit dieser Meinung
stand die SP/GL Fraktion aber ziemlich alleine da. Das Geschäft geht in eine
zweite Lesung, Gemeinderat Matthias Wüthrich muss noch einmal über die Bücher.
Mehr
Glück hatte er, als es um den Unterstützungsbeitrag für ToKJO ging. Die Sparmassnahmen
des Kanton Berns werfen ihre Schatten auch auf Langenthal (wow. Dieser Satz.
Ich sollte ihn patentieren). Um das Angebot weiter aufrechtzuerhalten braucht
Trägerverein für offene Kinder – und Jugendarbeit Oberaargau mehr finanzielle
Unterstützung. Der Stadtrat hiess die Vorlage gut. Corinna Grossenbacher (SVP)
begründete die überraschend spendable Haltungen ihrer Partei damit, dass TokJO
wirklich „verdammt gute Arbeit“ leiste. Das sahen ihre Gspännli wohl genauso.
Mit nur einer Gegenstimme unterstützte der Stadtrat das Geschäft.
Es
folgte eine Motion der Marke „offene Türen einrennen“. Die SP/GL Fraktion
verlangte, dass es Langenthaler Gastronomiebetrieben möglich gemacht wird, ihre
Aussenbereiche auszudehnen. Dies – man glaubt es kaum - um die Verluste, die die Gastronomie aufgrund
des Lockdown und der veränderten Platzverhältnisse eingefahren hat,
einigermassen abzufedern. Der Gemeinderat hatte in einer schriftlichen Berichterstattung
deutlich gemacht, dass das Amt für öffentliche Sicherheit das Thema
Aussenbestuhlung bereits vor der Motion mit dem Regierungsstatthalter abgeklärt
hatte. Wenn die Gastronomiebetriebe bereits über Aussenfläche verfügen und
einen Antrag stellen, steht einer Erweiterung im Grunde nichts im Wege. Der
Gemeinderat empfahl die Motion dann auch zur Annahme.
Corinna
Grossenbacher (SVP) konnte sich Frage nicht verkneifen, warum man dann
überhaupt eine Motion eingegeben hatte, wenn der Regierungsstatthalter schon
entsprechende Schritte eingeleitet hatte. Gemeinderat Markus Gfeller bemerkte
dazu weise, dass es eben „cho wähle chunnt“. Ins gleiche Horn stiess der
Stadtrat bei der nächsten Motion von rot – grün, die eine kommunale
Wirtschaftsförderung verlangte. Um das zu erreichen forderte die linke Fraktion
einen Kredit, durch den allen Langenthaler*innen ein Einkaufsgutschein von 100
Franken zur Verfügung gestellt werden würde. Den könnte man dann in lokalen
Geschäften einlösen. Spektakel, befand Robert Kummer von der FDP und der
Stadtrat empfand es mehrheitlich ebenso. Die Motion wurde versenkt.
(Kleine
persönliche Anmerkung: Wieso werden uns Linken eigentlich immer niedere Motive
unterstellt? Vielleicht wollen wir wirklich einfach nur nett sein und die
Wirtschaft fördern! Mann! Wir haben immer gute Ideen, nicht nur im Wahljahr!
Und wir sind immer für Spektakel, sofern es für alle, statt für wenige ist!!!)
Viel
Zeit blieb der SP und den Grünen nicht, um ihre Wunden zu lecken, denn der
bürgerlich dominierte Stadtrat trampelte weiter auf ihren ramponierten Nerven
rum. Die Motion von SVP und FDP Vertreter*innen, die die Einführung des
Schulmodells 3a auf der Oberstufe forderte, sorgte dafür, dass sich nicht nur
die Seelen, sondern auch die Köpfe der Sozis rot färbten – und vermutlich
schnellte der Blutdruck zum Teil in gefährliche Höhen.
Um
die nachfolgende Diskussion zu verstehen muss man wissen, dass der Stadtrat bei
seiner letzten Sitzung die Einführung eines durchlässigen Schulsystems
kurzerhand zu seiner Kompetenz erklärt hatte. Damit überrumpelte er die
Volksschulkommission – die aus Mitgliedern des Stadtrates besteht – die vorher
genau diese Kompetenz dem Gemeinderat zugesprochen hatten. Zudem sprach sich
die Kommission für das durchlässige Modell 3b aus. Das bedeutet: Komplett durchmischte
Klassen. Ein integratives Modell sozusagen. Bei der letzten Sitzung betonten
die Bürgerlichen es ginge um Demokratie und darum, dass der Stadtrat mitzureden
hat. Die Gegenseite war dagegen der Auffassung, dass es eher darum ginge,
Modell 3a durchzudrücken – denn das basiert auf weiterhin getrennten Klassen
(Sek, Real) aber mit Niveauunterricht. Weniger integrativ, eher
leistungsorientiert.
In
Anbetracht der Tatsache, dass die Bürgerlichen schon jetzt mit einer Motion
antrabten, die genau dieses Modell verankern wollte, war die Einschätzung der
linken Ratsseite wahrscheinlich zutreffend. Gerhard Käser von der SP regte sich dann auch
ziemlich nicht. „Mich stört der Ablauf, was hier abgezogen wird geht auf keine
Kuhhaut!“, polterte der sonst so freundliche und lockere Stadtrat. Er wehrte
sich auch gegen Behauptungen wonach Lehrpersonal wegen des „neuen“ Schulmodells
gekündigt hätte. Auch sei es nicht richtig, dass der Sprung von einem nicht
durchlässigen Modell zu Modell 3b zu gross wäre. Und auch die oft beschworene
Gefahr eines Referendums empfand Käser nicht so. „Hätten wir nicht so darüber
diskutiert, wäre wohl kaum jemanden der Unterschied zwischen Modell 3a und 3b
aufgefallen. Aber jetzt, wo ihr die Leute verunsichert habt, natürlich schon!“
(Ich
kann nur sagen: Wäre ich noch Schülerin im K1 möchte ich ja nicht zu
Schulleiter Käser ins Büro zitiert werden…)
Roland
Loser (SP) war ebenfalls ungnädig mit den Motionär*innen. „Wäre ja schön, wenn
ihr bei der Schulsozialarbeit auch so auf Zahlen fixiert wärt, wie hier!“, gab
er süffisant zu bedenken (damit bezog er sich auf die Tatsache, dass
Langenthal, im Gegensatz zu einem Grossteil der anderen Gemeinden, noch keine
Schulsozialarbeit hat). Und Stefanie Loser (SP) zeigte Unverständnis darüber,
dass zum Teil dieselben Leute, die sich in der Volksschulkommission für Model
3b entschieden hätten, jetzt plötzlich zu Modell 3a tendieren. Sie bat darum,
in Zukunft in den Kommissionen offen zu sein, denn für sie als Stadträtin seien
die Kommissionen ein wichtiger Indikator.
Patrick
Freudiger (SVP) war da, wenig überraschend, anderer Meinung. Er wies daraufhin,
dass die Kommissionen in der Vergangenheit schon öfters übersteuert wurden.
Zudem betonte er noch einmal, dass die meisten Gemeinden sich für das Modell 3a
entschieden hätten. Corinna Grossenbacher (SVP) fügte hinzu, dass es auch bei
Kommissionsmitgliedern durchaus zu Meinungsumschwüngen kommen könnte.
Motionärin Franziska Zaugg – Streuli, die in ihrem Anfangsvotum dazu
aufgefordert hatte, nicht zu trotzen, schloss die Debatte mit der Bitte, ein
Schulmodell ohne Stolpersteine einzuführen und die Motion anzunehmen.
Letztendlich
verfing die bürgerliche Strategie. Die Motion kam durch.
(Interessant
an der Diskussion war ja, dass sie wieder einmal zeigte wie unterschiedlich die
Rolle der Kommissionen bewertet wird. Stützt die Kommission die eigene Meinung
ist sie sehr wichtig. Ist sie gegenteiliger Meinung ist sie vernachlässigbar.
Ähnlich verhält es sich mit Expert*innen. Der Streit darum, welche Schulinspektoren
jetzt gefragt wurden und welche nicht, zeigt auf, dass du immer eine Fachperson
findest, die deine Meinung bekräftigt).
Damit
war der hitzige Höhepunkt der Stadtratssitzung erreicht. Die Motion der SVP,
die verlangte, dass die Schulklassen in Langenthal bei Ausflügen, Projektwochen
und Lagern nicht ins Ausland fliegen, sorgte zwar für ein engagiertes Votum vom
Grünen Serge Wüthrich, schlug ansonsten aber keine hohen Wellen. Zum einen
reisen die wenigstens Schulklassen in Langenthal in der Weltgeschichte herum
(ich bin in Langenthal zur Schule gegangen und bin nie irgendwohin geflogen.
Stattdessen musste ich mit dem Velo irgendwelche Berge raufkeuchen und an
Bergenseen fischen gehen. Ausgerechnet ich musste ANGELN! DAS sollte man
verbieten), zum anderen hat Corona dem ja sowieso den Stecker gezogen.
Die
Stadtratssitzung endete versöhnlich. Verschiedene Stadträt*innen forderten in
einem Postulat, dass Massnahmen gegen die gefährlichen Elterntaxis geprüft
werden. Gemeint sind damit besorgte Eltern, die ihre Sprösslinge mit dem Auto von
der Schule abholen, weshalb es zur Mittagszeit im Kreuzfeld zugeht wie in einem
Parkhaus (die Jugend von heute ist einfach verwöhnt. Wir mussten ja noch in die
Schule latschen. Bei Wind und Wetter. Sogar bei Schnee! Und es hat uns nicht
geschadet!). Da jeder und jede, die schon einmal zur Rush Hour beim Kreuzfeld
unterwegs war, wohl bestätigen kann, wie gefährlich das ist (die Überquerung
eines Flusses voller Krokodile wäre mitunter einfacher), wurde das Postulat
fast einstimmig gutgeheissen.
Am
Ende gab es dann noch einen Rücktritt. Roland Bader von der FDP demissioniert
und legt sein Amt nieder. Inzwischen ist mir der Stadtrat in der jetzigen
Konstellation schon so ans Herz gewachsen, dass ich den Scheidenden gerne mit
einem weissen Taschentuch hinterherwinken würde. Adieu!
Was
sonst noch aufgefallen ist:
·
Damit die arme Stéphanie Zubler nicht wieder
von Rednerpult zu Rednerpult hetzen musste um wie wild die Fläche zu
desinfizieren, gab es diesmal nur Mikrofone. Das gab dem Ganzen einen Hauch von
Slam Poetry Atmosphäre. Und tatsächlich schwang sich das eine oder andere
Stadtratsmitglied zu rhetorischen Höhen auf.
·
Durch die Bestuhlung wirkte es so, als würden
die Medienschaffenden ebenfalls zum Rat gehören. Das fiel auch Stadtpräsident
Reto Müller auf. „Wink doch mal mit dem Papier, vielleicht zählen sie dich ja
mit“, schlug er einem Journalisten vor.
·
Ich musste ab einem gewissen Punkt dringend
aufs Klo und da es keine Pause gab stand ich vor der schwierigen Entscheidung,
welches Traktandum ich sausen lasse. Schlussendlich überliess ich die finale
Entscheidung meiner Blase und huschte raus, als es nicht mehr anders ging (das
wolltet ihr wahrscheinlich nicht wissen, aber ich erzähle es euch trotzdem).
·
Trotz Hitze warf sich Reto Müller noch
schnell das Jackett über, bevor er sich ans Mikrofon stellte. Wenn schon
untergehen, dann wenigstens mit Stil, mag er sich gedacht haben. Mit dem
riesigen aufgeschlagenen Buch, das er im Arm hielt, erinnerte er zeitweilig
frappant an den Nikolaus.
Best
of
„Es
gab noch einen zweiten Fehler, aber den verrat ich nicht!“ Gemeinderat Roberto
de Nino (SVP), freut sich, dass den scharfen Augen des Stadtrates ausnahmsweise
mal was entgangen ist.
„Ein
findiges GPK – Mitglied – das soll es ja geben…“ Der findige Roland Loser (SP)
findet, dass findige GPK – Mitglieder durchaus zu finden sind, sofern man
findig genug ist, sie auch zu finden.
„….an
den roten, nein sorry, freudscher Versprecher, den schwarz – gelben Markierungen…Hopp
YB….“ Stapi Reto Müller (SP) macht in einem Satz Schleichwerbung für seine Partei und auch
noch für YB. Respekt.
„Wäre
eine Sünde, wenn man dem nicht zustimmen würde!“ Stadtrat Roland Summer (SVP)
versucht es mit kirchlichen Argumenten.
„Das
ist keine Salamitaktik, schliesslich bin ich Vegetarier!“ Naja, Rüebli kann man
auch in Scheiben schneiden, Reto Müller.
„Ich
bin nicht ganz sicher, zu was ich reden soll, aber ich fange jetzt mal an…“
Roland Loser, der verhinderte Philosoph im Stadtrat.
„Vertraut
in euer zukünftiges Selbst…“ Roland
Loser sieht optimistisch in die Zukunft, zumindest was sein zukünftiges Ich
betrifft.
„Klar,
sind die Millionen nicht budgetiert. Corona war ja auch nicht budgetiert!“
Bestechende Logik von Saima Sägesser (SP).
„Am
Schluss haben wir Nullkomma gar nüt!“ Patrick Freudiger (SVP) findet das wohl
fast schlimmer als Nullkommanull.
„Wir
sind dann nicht schuld, ihr seid schuld!“ Das Parteiensystem erklärt von Roland
Loser.
„Stell
dir vor, da ist eine Gruppe im Wald, die alles abholzt und eine Sauerei macht.
Und dann kommt eine andere Gruppe, die findet, dass das nicht okay ist. Und
dann sagt die erste Gruppe, dann räum halt auf…“ Serge Wüthrich (Grüne) erzählt
die Fabel von der Klimajugend und der SVP – Fraktion.
„Den
Ball lass ich nicht auf mir sitzen!“ Janosch Fankhauser spielt Sitzball mit
Serge Wüthrich.
„Wenn
du gleich grün bist wie ich, dann hocken wir zusammen und ich zahl dir ein
Bier!“ Es grünt so grün, wie Spaniens Blüten blühen, wieder mit Janosch
Fankhauser.
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