Wer sich für die Hintergründe rund ums Porziareal interessiert: Die Erben der Porzi
Das Schicksal der Porzi
beschäftigt die Menschen in Langenthal. Normalerweise bewegt sich die Anzahl
der Eingaben in Mitwirkungsverfahren im einstelligen, höchstens zweistelligen
Bereich. Im Falle der Porzi waren es 321 Eingaben. Dass sich so viele Menschen,
die Mühe gemacht haben, ihre Wünsche für die Zukunft der Porzi zu formulieren,
zeigt deutlich, wie präsent das Thema in den Köpfen ist. Zugleich beweist es
auch, dass die Einwohner*innen bereit sind, einen aktiven Part zu übernehmen,
wenn es um die Gestaltung der Stadt geht.
299 von den insgesamt 321
Eingaben orientieren sich an der Zukunftsvision „So geit’s ou“, die vom
Porziverein ausgearbeitet wurde. Dem Verein ist es gelungen mit einer
geschickten und offensiven Informationskampagne, die Menschen zu
sensibilisieren und vor allem auch zu mobilisieren. Hartnäckig forschten sie
nach, deckten Ungereimtheiten in der Kommunikation von Anliker – Ducksch auf
und eigneten sich ein grosses Fachwissen in Bezug auf die Porzi an. Unterstützung
bekamen sie dabei von den Lokalmedien. Über
kaum einen Prozess wurde so umfassend berichtet, wie über die geplante
Transformation des Porziareals.
Die Vision der
Haupteigentümerin Ducksch – Anliker ist ambitioniert. Ein auf Hochglanz
poliertes, urbanes Subzentrum soll es werden, inklusive Tiefgaragen und
Hochhäusern. Das hat wenig gemein mit der Vorstellung des Porzivereins, die
sich eher ein alternatives Quartier wünschen, das in erster Linie von der
Kreativität und der Schaffenskraft der dort arbeitenden Menschen lebt. Solche
im Kern schon völlig unterschiedlich verlaufende Ziele sind schwer
zusammenzubringen. Die misslungene und widersprüchliche Kommunikation von
Ducksch – Anliker hat die Kluft noch vergrössert. Die erst kürzlich
ausgesprochenen Kündigungen, werden nicht helfen, die Wogen zu glätten.
In der Zwickmühle steckt
auch die Stadt bzw. der Gemeinderat. Es ist ihm bis jetzt nicht gelungen, die
Brücke zwischen den beiden Parteien zu schlagen, wohl auch, weil er sich schwer
damit tut, klar Position zu beziehen. Helfen könnte ihm jetzt die neue Stadtbaumeisterin
Sabine Gresch. Mit ihr hat jemand völlig Unbelastetes ins Spiel eingegriffen.
Unberührt von den bisherigen Verwicklungen rund um die Porzi, könnte sie die verhärteten Fronten etwas auflockern.
Der definitive
Mitwirkungsbericht wird wohl noch eine
Weile auf sich warten lassen. Vielleicht wäre aber langsam der Zeitpunkt
gekommen, den Ball ans Stimmvolk weiter zu geben. Denn letztendlich sind es die
Langenthaler*innen die über eine Umzonung entscheiden müssen. Dabei geht es um
mehr als nur um ein Areal, es geht um eine Weichenstellung.
Mit Langenthal hat man
ehrgeizige Pläne. Aus der kleinen Stadt mit Charme soll das Zentrum vom
Oberaargau werden. Bahnhof, Stadion, Alte Mühle, Porzi – es wird mit grosser
Kelle angerichtet. Besonders die Wohnungen, die überall entstehen sollen,
sorgen für Diskussionen. Laut errechnetem Bevölkerungswachstum sind diese
Wohnungen notwendig. Nur hat Corona uns gerade eindrücklich gelehrt, dass sich
das wahre Leben nur ungern berechnen lässt. Und viele Menschen in Langenthal empfinden
es keineswegs so, dass Wohnraum knapp ist – zumal es fraglich ist, ob die so
eifrig beworbenen Wohnungen auch für die kleinen Budgets gedacht sind.
Eines beweist der Fall
Porzi: Es ist einfach, abstrakte Siedlungsrichtpläne, die man als Laie nur
schwer verstehen kann, durchs Volk zu bringen. Doch wenn die Menschen dann
sehen, welche tiefgreifenden Veränderungen ein Stadtbild durchmacht, wenn die
Visionen tatsächlich Gestalt annehmen, lassen sie sich nicht so schnell darauf
ein. Tiefgaragen, Hochhäuser, Luxuswohnungen – braucht Langenthal das?
Vielleicht wäre es an der Zeit wieder einen Schritt zurückzugehen und sich
nicht auf all das zu fixieren, was Langenthal angeblich fehlt. Sondern auf das,
was Langenthal bereits hat: Charakter. Und Herz.
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