Prolog:
Es hoppelt der Osterhase, tralalala!
- Hallo
und herzlich willkommen! Der Osterhase bringt uns dieses Jahr ein ganz
besonderes Geschenk, und zwar eine Stadtratssitzung, ganz frisch aus dem Ofen.
Es bloggt für sie das superflauschige und reizende Lama und wir dürfen hoffen,
dass der Geist der Auferstehung (denn bald findet die alljährliche Zombieapokalypse unseres Herrn Jesus Christus statt)
unseren geliebten Stadtrat zu neuen Meisterleistungen inspiriert. Und wenn die
Spiritualität nicht reicht, dann hilft vielleicht der exzessive Verzehr von
Osterhasen – okay, hinterher ist euch dann schlecht, aber habt ihr dafür auf
dem Zuckertrip eures Lebens.
- Und
wir haben eine neue Spielerin im grossen Stadtratsgame: Carmen Cescatto nimmt
neu in der SP/GL Fraktion Platz. Herzlich willkommen, meine Liebe! Stell es dir
einfach wie Mario Kart vor: Immer schön geradeaus fahren, hin und wieder ein
paar Bananenschalen dem politischen Gegner vor den Karren werfen und wenn
möglich den Bomben, aka ausufernden Voten, ausweichen.
- Sie
ersetzt übrigens Paul Bayard, der nach all den Runden auf der Rennbahn
endgültig die Nase voll hatte. Tschüss, Paul! Ich werde dich vermissen, du
Kassandra, der du immer alles vorhergesehen hast – du hast schon von drohenden
Steuererhöhungen gewarnt, als wir noch in Saus und Braus lebten und glaubten,
der Himmel würde immer voller Champagner regnen.
- Für die GPK muss ebenfalls ein neues Mitglied her und die SP/GL Fraktion schlägt Linus Rothacher vor und er wird gewählt. Mit gerade mal 22 Jahren. Respekt. In dem Alter habe ich es ja knapp geschafft, meinen Arbeitsplan richtig zu lesen. Und GPK hielt ich für die Abkürzung einer Boyband.
- Wir
kommen zum Traktandum 3 und das dreht sich um ein royales Thema: Um das Schloss
Aarwangen. Konkret geht es darum, dass dieses Schmuckstück, dass sich an die
Aare schmiegt (glaube es zumindest, war noch nie dort, aber vielleicht kann ich
mich auch einfach nicht erinnern, unwichtige Dinge wie geografische Angaben
werfe ich sehr schnell wieder aus meinem Gedächtnis, weil ich da Platz brauche
für die Name aller Pokémon), saniert werden soll und weil das nun einmal nicht
gratis ist, braucht die Stiftung, die dafür verantwortlich ist, natürlich einen
Haufen Kohle. Und die Stadt Langenthal soll – nach Willen der Stiftung und des
Gemeinderats – ihren Teil dazu beitragen, indem sie beim Bund eine Bürgschaft
von 250‘000 Franken übernimmt. Das würde bedeuten, dass, wenn die Finanzierung
der Sanierung (man beachte den Reim) nicht so aufgeht, wie sich das der
Stiftungsrat erhofft, Langenthal zahlen würde. Also ist es eine Art indirektes
Darlehen. Oder ein hypothetisches Darlehen, was ja ganz gut passt, weil
Langenthal ja nach wie nur ein rein hypothetisches Budget hat.
- Vom
Stadtrat erhofft sich der Gemeinderat nun Zustimmung, weshalb Helena
Morgenthaler (SVP), unsere Kulturministerin, das Geschäft vertreten darf. Sie
gibt einen kurzen historischen Abriss über das Schloss, dass einst den Habsburgern
gehört hat (typisch, die haben sich ja alles unter den Nagel gerissen, was
hübsch und protzig aussah, das lag bestimmt an ihrem Lippenkomplex. Oder am
Inzest) und nach einer langen Laufbahn als Kanzlei, Gericht und Gefängnis wurde
es schließlich vom Kanton Bern der
Stiftung Schloss Aarwangen geschenkt, die das Baudenkmal von historischer
Bedeutung, entsprechend pflegen und nutzen will (also, sie wollen nicht drin
wohnen, sondern erhoffen sich natürlich Besucher:innen). Morgenthaler führt
aus, dass der Gemeinderat eigentlich einen à fonds perdu
Beitrag leisten wollte, davon aber abgekommen, weil wir ja nicht nur kein
Schloss, sondern auch keine gefüllten Schatztruhen haben. Deshalb ist man auf
die Idee der Bürgschaftsverpflichtung gekommen. Helena Morgenthaler beendet ihr
Votum mit einem eindringlichen Appell an den Stadtrat. „Es geht um den
kulturpolitischen regionalen Zusammenhalt!“. Ach, Frau Morgenthaler, haben sie
denn in all den Jahren nichts gelernt. Wenn sie den Stadtrat zu was bringen
wollen, müssen sie mindestens den Untergang der Demokratie ankündigen, alles
drunter beeindruckt die schon lange nicht mehr.
- Ah
ja übrigens, die vorberatene Finanzkommission war gegen diese Bürgschaft. Aber
mit Kommissionen ist ja wie mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen: Man liest sie
flüchtig durch, zuckt dann mit den Schultern und klickt das Fenster schnell, um
dann das Gelesene entweder ganz schnell zu vergessen oder geflissentlich zu
ignorieren. Bis es dann schiefgeht und man sich selbst in den Hintern treten
könnte.
- Sandro
Baumgartner (SP) hat allerdings Zweifel am vorliegenden Businessplan der
Stiftung. Der SP/GL Fraktion ist er nicht detailliert genug und sie befürchten
das Risiko einer Unterfinanzierung. „Die letzten Wochen haben gezeigt, dass
Vertrauen sich nicht immer auszahlt“, erklärt Sandro Baumgartner. Ich gehe
jetzt mal stark davon aus, dass er damit die CS meint, ganz nach dem Motto:
Trau nie einer Bank, die du nicht selbst ausgeraubt hast., sag ich immer.
- Der
Fraktionssprecher der SVP, Janosch Fankhauser, schlägt unterdessen fast schon
philosophische Töne an. „Ich möchte gerne mit euch nachdenken – ich hoffe, das
gelingt uns“, eröffnet er sein Votum. Wie seine Gemeinderätin erinnert er an
die überregionale Solidarität, denn auch wenn das Geschäft Langenthal nicht
direkt betreffe, weil das Schloss in Aarwangen stehe, sei es doch für die
Region enorm wichtig. Zudem mahnt er, dass es in der letzten Zeit Unruhe
gegeben hätte, weil sich die umliegenden Gemeinden, schwer damit tun, ihre Beiträge
an die regionale Bibliothek zu leisten. Eine Ablehnung könne sich als Bumerang
erweisen. „Wir haben auch schon dümmer Geld ausgegeben“, ist er überzeugt. Das
klingt exakt wie ein Selbstgespräch von mir, wenn ich mich selbst davon
überzeugen will, dass die ledergebunden Herr der Ringe Ausgabe, keine unnötige
Investition ist, sondern eine überaus intelligente Art mein Geld anzulegen,
denn ich könnte es ja auch für was komplett Überflüssiges wie Kleidung oder
Essen ausgeben.
- Den
Rückweisungsantrag ebenfalls zurückweisen will André Rentsch (JLL), im Namen
der FDP/JLL Fraktion. Er ist gewillt zu vertrauen. Die Forderung der Linken,
die Stiftung solle Vergleiche mit
anderen Schlössern, die über ein ähnliches Konzept verfügen, anstellen, lässt
er nicht gelten, weil schließlich jedes Schloss individuell sei (genau. Jedes
Schloss hat seine eigene Bedürfnisse und Wünsche, nehmt bitte Rücksicht
darauf!). Auch findet Rentsch, man könne noch ewig verschiedene
Erfolgsrechnungen erstellen und je nachdem wer welche Zahlen nutzt, käme man dann immer wieder auf verschiedene
Resultate (also, wenn ich die Erfolgsrechnung erstellen würde, hätte man am
Ende gar kein Resultat, sondern ein Chaos).
- Warum
baut Langenthal eigentlich nicht selbst ein Schloss? Das wäre doch mal ein
Touristenmagnet mit einer grossen Strahlkraft! Würde mich also auch bereit
erklären, im Schloss das Burgfräulein zu geben. Oder zumindest das
Schlossgespenst.
- Da die Mitte sich ebenfalls gegen die Rückweisung stellt, ist das Resultat keine große Überraschung: Der Antrag wird abgelehnt. Wohl auch, weil Helena Morgenthaler vor der Abstimmung noch einmal darauf hingewiesen hat, dass die Stiftung im Sommer mit der Arbeit beginnen möchte und deshalb die Zeit für eine erneute Beratung des Geschäfts gar nicht gegeben sei.
- Nun
muss allerdings noch die Frage geklärt wird, ob die Bürgschaft jetzt geleistet
wird oder nicht- André Rentsch übernimmt noch einmal für die FDP/JLL Fraktion.
Ein bedeutendes Bauwerk aus dem Mittelalter, sei das Schloss und das werde sich
positiv auf das Ansehen des ganzen Oberaargaus auswirken wird. Und es gehe um
ein seriöses Projekt, nicht um eine Immobilie, bei der niemand wisse, was oder
wer dahinterstecke. Naja. Ich weiss nicht, ob etwas seriös sein kann, was mal
den Österreichern gehört hat und sei es noch so lange her oder noch so
indirekt.
- Renate
Niklaus (GLP) sieht das Schloss zwar auch als spannendes Projekt und zeigt sich
beeindruckt vom Herzblut, dass in dieses Projekt gesteckt wird, trotzdem sind
sie und ihre Fraktion der Meinung, dass Businessplan ist ihrer Ansicht nach
sehr, sehr optimistisch ausgelegt sei und wahrscheinlich nicht dichthalten wird,
da in allen Gemeinden eine angespannte Situation herrsche und bauen teurer
geworden sei. Die Stadt sei zudem immer noch im budgetlosen Zustand und befinde
sich in der Schwebe. Deshalb lehnen GLP und EVP den Antrag geschlossen ab.
- Darüber
zeigt sich Sandro Baumgartner (SP) milde überrascht, immer wollte die Mitte die
Rückweisung ja nicht unterstützen, obwohl diese genau deswegen angedacht war:
Um Unsicherheiten auszuräumen. Er verkündet, dass seine Fraktion trotz der Zweifel der Bürgschaft mehrheitlich
zustimmen wird und hofft, dass das
Vertrauen sich auszahlen wird. Und,
schiebt er hinterher, falls es dazu komme, dass die Viertelmillion ausgezahlt werden
müsse, wünsche er sich, dieselbe Spendierfreudigkeit auch in Bezug auf die
Schulsozialarbeit, das Ferienheim Oberwald und bei der SIP.
- Martin
Lerch nimmt für die SVP – Fraktion Stellung. Zwar versteht er die Ablehnung der
Finanzkommission, seine Fraktion gewichtet die Argumente von Kulturkommission
und Gemeinderat aber stärker. Es handle sich immerhin um ein Objekt mit einer
sehr spannenden Geschichte. „Hexen und Hexeriche wurden dort hingerichtet.“, erzählt
er mit einer etwas seltsam anmutenden Begeisterung. Aber hey, Ist sicher ein
Trost für all die hingerichteten Frauen, dass sie mit ihrem qualvollen Sterben
zumindest einem Gebäude zu historischem Wert verhalfen.
- Der
SVP – Grossrat hebt die optimale Zusammensetzung der Stiftung hervor, denn
immerhin seien sogar Ehrenbürger von Langenthal dabei. Und wir wissen ja,
unseren Ehrenbürger:inenn widmen wir entweder gleich ganze Plätze oder wir
stellen ihnen ein Attest für moralische und geschäftliche Unfehlbarkeit aus,
denn so funktioniert unser Oberaargau nun einmal. Am Ende darf dann die Jugend
wieder einmal als Begründung herhalten. Auch für sie soll das Schloss
erstrahlen. Der Klimawandel lässt sich in einem schön gekühlten Schloss ja auch
viel besser ertragen.
- Nathalie Scheibli (SP) erklärt schliesslich, dass sie sich ursprünglich eigentlich enthalten wollte, sie aber von Argumenten zu einem „Ja“ hat überzeugen lassen. „Es wurde vieles genannt: Kulturelles Selbstverständnis, Vertrauen, Solidarität mit der Zukunft. Ich wünsche mir genau dieses Vertrauen auch in unseren Gemeinderat, kulturelles Selbstverständnis für unser Stadttheater und Solidarität mit den Jungen, wenn es um die Infrastruktur von Schulen und Kindergärten geht.“. Meiner Meinung nach ein wunderschönes Votum und ein passender Schlusspunkt für die Diskussion.
- Das
indirekte Darlehen wird gesprochen. Und damit hat es der Gemeinderat
tatsächlich wieder einmal geschafft, den Stadtrat ins Boot zu holen. Das muss
der Geist von Ostern sein. Lasst uns Kumbaya my Lord singen!
- Nach
dem ganzen Gerede über Schlösser und Burgen wendet sich der Stadtrat wieder
seinem Lieblingsthema zu: Demokratie und die leidige Frage, wie man sie stärken
kann, ohne hinterher allzu frustriert zu sein, wenn man enttäuscht zu sein,
wenn sich die Menschen dann doch mehr für ihren Kontostand, das Fernsehprogramm
und ihre Liebesleben interessieren, als für das Funktionieren der
demokratischen Prozesse. Die Idee des Bürger:innenvorstosses ist im Parlament
bekanntlich gescheitert, aber der Stadtrat hat es tatsächlich geschafft sich
für einen Kompromiss zusammenzuschließen, ohne sich an die Gurgel zu gehen
(Applaus dafür). Und zwar wollen sie die Hürden für die Unterschriftensammlung
von Initiativen und Referenden senken. Langenthal verlangt nämlich für das Zustandekommen
einer Initiative 900 Unterschriften. Was ziemlich viel ist, in Anbetracht der
Tatsache, dass es je nach Jahres – und Tageszeit schwierig ist, im Dorf
überhaupt 900 Menschen zu finden, geschweige denn, diese dazu zu bringen, noch
irgendwas zu unterschreiben.
- Für
die Motion haben sich Stadträt:innen aus allen Fraktionen zusammengeschlossen. Georg
Cap (Grüne) vertritt diese am Rednerpult und bedankt sich erst einmal für die
Antwort des Gemeinderats und auch dafür, dass er der Mehrheit mehrheitlich
zustimmt. Im Vergleich mit umliegenden Gemeinden verlangt Langenthal relativ
viele Unterschriften, so Cap, und das
hemme die Menschen, überhaupt eine Initiative zu starten. Nur zweimal wurde das
überhaupt versucht und beide Male ist es gescheitert. Deshalb soll die Hürde
abgebaut und die Instrumente attraktiver gemacht werden. Georg Cap widerspricht
jenen Gemeinderäten, die der Ansicht gewesen sind, dass sich eh nichts ändern
wird. „Das ist nicht lösungsorientiert. Änderungen und Möglichkeiten sollen
nicht gescheut werden. Die aktuelle Situation – die allgemeine Unzufriedenheit
in der Bevölkerung – verlangt ein Zeichen.“ Wichtig sei es, einen Schritt zu
machen und etwas zu verändern, beschwört Cap seine Gspännli.
- Die
zeigen sich durchaus offen für die Motion. FDP und GLP sehen die positiven
Aspekte dieser Änderung und erklären ihre Zustimmung, auch unter dem Aspekt,
dass die Stadt wohl kaum gleich mit Initiativen überflutet werde. Ob und wie
viel es genutzt werde, sei ja auch noch offen. Patrick Freudiger (SVP),
streicht vor allem heraus, dass selbst der Gemeinderat die Motion supportet und
äußert die Hoffnung, dass diese Idee, die aus einer Stadtratssitzung und darauffolgenden
Schlagabtausch geboren worden ist, von den Bürger:innen auch als positives
Zeichen gewertet werde und die politische Kultur, die seiner Meinung nach in
letzter Zeit auch öfter schlecht geredet worden ist, wieder ins richtige Licht
gerückt werde. Naja. Also angegiftet habt ihr euch schon selber, da musste man
jetzt nicht ins „falsche Licht“ rücken.
- Die mahnende Stimme kommt von Diego Clavadetscher
(FDP): «Die politische Kultur braucht Hofnarren – ich bin so einer. Der Narr Ist
in einer hoffnungslosen Situation, will aber trotzdem aufzeigen, dass nicht
alles, was Gold ist, glänzt.» Ihm geht es vor allem darum, dass, sollte die
Motion erheblich erklärt werden, die Stadtverfassung verändert wird und dass man sich deshalb nicht nur auf
diese zwei Punkte zu konzentrieren könne. Vielmehr sollte man die Möglichkeit
in Betracht ziehen, bei den bestehenden Gremien - Stadtrat, Gemeinderat, Kommissionen -
Strukturen zu verändern. Ganz nach dem Motto: Warum nur einzelnes Unkraut
ausrupfen, wenn man gleich den ganzen Rasen mähen kann? (Okay, das ist ein
blöder Vergleich, weil natürlich sind die städtischen Institutionen kein
Unkraut, aber ihr wisst, was ich meine.)
- Martin Lerch (SVP) scheint ebenfalls in revolutionären
Gedanken zu schwelgen. «Brauchen wir überhaupt ein Parlament?», fragt er in die
Runde, «und wer ist der Chef in der Schweiz?» Ich, natürlich, ICH, verdammt, warum will das
denn niemand begreifen?! Und wenn ich nicht Chefin sein kann, dann will ICH
wenigstens die Närrin sein, weil, ich bin hier schliesslich für die
Unterhaltung zuständig (auch wenn ich an meinem Purzelbaum zugegebenermassen
noch arbeiten muss.
- Motion wird mit 33 Ja Stimmen angenommen. Was für ein hübsche Zahl und was für ein zauberhaftes Ende für eine überraschend kurze und ausgeglichene Stadtratssitzung voller Harmonie und Frieden! Dä Stadtrat läbt, de Stadtrat fägt. Oder wie hat es Georg Cap in seinem Votum so schön ausgedrückt? «Wir schlugen uns die Köpfe ein und blieben trotzdem stehen.» Unser Stadtrat – ein wandelndes medizinisches Wunder. Freuen wir uns also auf weitere Sitzungen.
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