Die Ouvertüre
- Hallo
und herzlich willkommen zum beliebtesten – weil der einzige – (Fast) Liveticker
zur Stadtratssitzung und gleich zu Beginn muss ich eine wichtige Ankündigung
mache: Ich hasse dieses Wetter. Es ist schwül, aber es regnet. Ich fühle mich
wie Jane im Dschungel, nur dass sich kein attraktiver Tarzan der Liane rüber
schwingt. Aber vielleicht passt das Thema Dschungelbuch gerade ganz gut zur
heutigen Stadtratssitzung. Wobei man sich über die Rollenverteilung durchaus
streiten kann. Ist nun der Gemeinderat der unschuldige Menschenjunge Mowgli,
der vom bösen Shir Khan in Form des Stadtrats durch den Dschungel gejagt wird
oder ist es vielmehr der Stadtrat, der in Gestalt des schlauen Baghiras, den
liebenswerten, aber tollpatschigen Bären Balu, der das Stimmvolk verkörpert,
vor Dummheiten schützen will?
- Okay, ich merke gerade, diese Allerorgie funktioniert nur bedingt. Das Einzige, was ich erreicht habe, ist, dass mir jetzt Disney - Songs nachlaufen. Oh dobedo, I wanne be like you...
- Die
Stadtratssitzung beginnt übrigens damit, dass erst einmal die Tonanlage abschmiert,
weshalb wir die Wahl haben zwischen stimmungsvollen Meeresrauschen im Mikrofon
oder einem Mikrofon, das gar nicht funktioniert. Freundlicherweise bietet
Stadtratspräsident Michael Schenk (SVP) an, dass er auch einfach quer durch den
Raum brüllen könne. Aber das geht auch nicht, weil dann nichts aufgezeichnet
wird. Frechheit. Offenbar reichen meine exakt geschrieben komplett neutralen
und vollständigen Protokolle nicht. Pfff. Banausen. Schlussendlich läuft die
Technik aber wieder und die Stadträt:innen müssen nicht schreien, sondern
dürfen in gewohnt andächtiger Manier ins Mikrofon hauchen.
- Heute arbeitet der Stadtrat mit einer Ersatzvizestadtratspräsidentin: Cornelia Gerber - Schär (SP) übernimmt den Job für diese Sitzung, weil Saima Sägesser verhindert ist und darf huldvoll vom Podium aus dem Publikum zuwinken. So wie wir das alle bei Krönung Ihrer erlauchten grossohrigen Majestät Charles II. (zu der ich schockierenderweise nicht eingeladen war) gelernt haben.
Teil 1: Oh No, not Again
- Budget 2023. Ich hasse dieses Budget inzwischen so sehr. Es ist ein immer wiederkehrender Alptraum, ein Pickel an meinen Hintern, der immer wieder durchbricht, ein aufdringlicher Krankenkassenvertreter, der mich immer wieder anruft, kurz, etwas, was ich schon sehr lange los sein möchte, dass aber immer wieder kommt, um mich zu quälen und mir das Leben schwerzumachen. Und warum? Weil das Budget 2023 im Januar vom Stimmvolk abgelehnt worden ist. Was, wahrscheinlich an der extrem niedrigen Stimmbeteiligung lag, wie auch an der Erhöhung der Steueranlage und vielleicht zum Teil auch, weil das neue Eisstadion in sich dahin geschmolzen ist. Ganz nach dem Motto: Wenn ich keinen Eistempel haben darf, wo ich meinen SCL anbeten kann, kriegt ihr auch kein funktionierendes Budget, muhahahaha, jetzt habe ich es euch aber gegeben, Stadt!
- Unglücklicherweise haben wir uns damit vor allem selber ins Knie geschossen, am Budget hängen halt auch so Sachen wie Schulen oder die Regionalbibliothek oder die Badi. Abgesehen davon stehen wir nun ziemlich unter Druck, denn wenn wir bis am 18. Juni immer noch im budgetlosen Zustand festecken, übernimmt der Kanton. Und der wird – darauf würde ich jetzt meine Lama – Wolle verwetten – den Steuersatz höher ansetzen. Um genau dieses Szenario zu verhindern – denn Gott bewahre uns von den gierigen Klauen des Regierungsrats – schlägt der Gemeinderat eine Variantenabstimmung vor. Das bedeutet: Wir werden entscheiden können, ob wir Variante A (Steuersatz 1.44) oder Variante B (Steuersatz 1.38, unverändert) bevorzugen. Oder beide ablehnen. ANARCHIE!
- So eine Variantenabstimmung hat so seine Tücken, weshalb Stadtratspräsident Michael Schenk zu einer ausschweifenden Erklärung ansetzt, wie jetzt abgestimmt wird. Erst einmal muss der Stadtrat entscheiden, ob überhaupt eine Variantenabstimmung durchgeführt wird und dann kann er noch sagen, welche Variante er empfehlen würde. Irgendwie so. Zwischendurch habe ich nur A und B verstanden, was bei mir die Frage aufwirft: Was ist mit C und D passiert?
- Nach den Mikrofonen verabschiedet sich auch noch die Leinwand. Ich weiss nicht, ob das ein gutes Omen für die Budgetabstimmung ist, aber hey: Always looking on the bright side of life.
Teil 2: Anderen geht es auch schlecht, nämlich!
- Roberto de Nino darf wieder einmal im Namen des Gemeinderates das Budget vertreten. Der Arme braucht jetzt dann auch mal eine Delfintherapie, der muss doch schon ganz kirre sein von diesen ganzen Budgetvorlagen.
- Der Gemeinderat hat bei beiden Varianten leichte Anpassungen gemacht. Er rechnet mit höheren Fiskalerträgen (höhere Steuereinnahmen, hurra, wir sind gerettet!) und beim Stadttheater wird ein bisschen weniger krass gespart, also bei den Einsparungen wird gespart), nämlich nur 30'000 statt 70'000, wie es die bürgerliche Seite des Stadtrats verlangt hat. Grund dafür sind sogenannte Leistungsverträge, die man bereits eingegangen ist und die man jetzt nicht einfach wieder lösen kann. Hoffen wir mal, dass das Stadttheater keinen Vertrag mit einer grössenwahnsinnigen Meerhexe oder einem durchtriebenen Mephisto abgeschlossen hat.
- Der Gemeinderat bevorzugt – Surprise, Surprise – noch immer Variante A, weil die langfristig finanziell gesünder ausfällt als Variante B. Die hätte nämlich zur Folge, dass sich das Defizit noch mehr vergrössert und das schon latent angeschlagene Finanzschiff Langenthal, das so lange von den Onyx Millionen angetrieben worden ist, noch ein bisschen schneller auf den Eisberg zurast.
- Um die Anwesenden – und sich selbst- ein bisschen
aufzumuntern blendet der Gemeinderat noch ein paar Zeitungsausschnitte ein, die
aufzeigen, dass andere Gemeinden – Biel, Herzogenbuchsee, Köniz – ihre Budgets
ebenfalls nur mit Ach und Krach unter Dach und Fach gebracht haben
(Zungenbrecher!). Botschaft: Anderen geht es auch mies. Dieser Gedanke lässt
mich morgens auch immer viel beschwingter aufstehen, ich mag es, mir das Elend
anderer Menschen auszumalen.
- Good News: Auch mit dem höheren Steuersatz, haben wir immer noch einen superattraktiven Steuersatz. Das ist ja auch immer das Erste, was ich Leuten erzähle, wenn ich von Langenthal berichte. Wie schön doch unser Steuersatz ist.
Teil 3: Variante A, B oder doch C?
- Nun beginnt die Debatte und zwar mit Diego Clavadetscher (FDP), der sich darüber beklagt, dass Stadtrat defacto keine Einflussnahme mehr auf das Budget hat, weil wenn der Stadtrat sich heute nicht entscheidet, wird der Kanton übernehmen. Das sei ein Grunddilemma, bemängelt Clavadetscher, denn eigentlich wäre es der Stadtrat, der das Budget verabschiede, ironischer seien seine Handlungsinstrumente sind beschränkt, weil er auf die langfristige Finanzpolitik keinen Einfluss nehmen könne. Den Finanzplan – auf dem die Argumentation des Gemeinderats teilweise fusst, könne er nur zur Kenntnis nehmen. «Das muss sich ändern, deshalb haben drei Fraktionen zusammen eine Motion eingegeben», verkündet Clavadetscher und erläutert, dass diese nicht nur die ebenso gefürchtete, wie teilweise ersehnte Schuldenbremse beinhalte, sondern auch die Macht des Parlaments in Sachen Finanzhaushalt stärken soll. Das Nein zum Budget, will er als Signal von der Stimmbevölkerung verstanden wissen, etwas an den Prozessen zu ändern. Abschliessend hält er fest, dass seine Fraktion die Variantenabstimmung als die bestmögliche aller schlechten Optionen anerkennt und sie unterstützt.
- Roland Loser (SP) gibt den Papagei und wiederholt das,
was er schon in den vorderen Sitzungen gesagt hat. Dank den Onyx – Millionen sei man in der
bequemen Position gewesen, die Steuern zu senken, jetzt müsse man halt wieder
rauf. «Hat man im Parteiprogramm stehen, dass jede Steuererhöhung des Teufels
ist, ist es halt schwer», merkt er spöttisch an und erinnert daran, dass sich
die Mehrheit dieses Rats im Oktober doch für den Steuersatz von 1.44
entschieden habe. Da sich nichts daran verändert hat, sollte der Stadtrat
weiter dazu stehen. Also bitte. Was kümmert mich denn der Scheiss, den ich im
Oktober gemacht habe?
- «Eine Systemische Dysfunktionalität» verortet auch Patrick Freudiger (SVP), der jedoch, Sonnenschein wie er nun einmal ist, im abgelehnten Budget kein Merkmal für den Untergang von Langenthal sieht, denn wer braucht schon einen Budget, wenn er auch einen Freudiger haben kann? Dass Steuererhöhungen einen schweren Stand haben, sei nichts Aussergewöhnliches und im Übrigen sei ein denkbar Ungünstiger Zeitpunkt gewählt worden, weil die Steuererhöhung just mit der Ankündigung, dass es eben kein neues Eisstadion gebe, zusammengefallen sei. Schlussendlich müsse jeder zurückstehen. Was der Gemeinderat getan habe, schliesslich habe er ja jetzt doch die Variante mit der Steueranlage 1.38 ins Spiel gebracht, die Bürgerlichen würden dagegen die geringere Kürzung beim Stadttheater schlucken (ich bin hingerissen von so viel Opferbereitschaft, daneben wirkt Jesus’ Opfer für die Menschheit geradezu lächerlich kindisch) und die Linken müssten jetzt eben auch bereit sein, sich nicht mehr an ihren höheren Steuersatz von 1.44 festzuklammern. Alle, so Freudiger, müssten nun einen Schritt aufeinander zugehen. In diesem Sinne verzichte seine Fraktion auf Einzelanträge in Sachen Budget – man werde die einzelnen Posten wie vorgeschlagen übernehmen.
- Die Stimme der Vernunft, Michael Siegrist (EVP/GLP), möchte nach vorne schauen, nicht zurück. «Langenthal wird ein Budget haben – entweder eines von uns oder eines von Kanton», bemerkt er launisch. Auch seine Fraktion unterstützt die Variantenabstimmung, bevorzugt aber deutlich die finanzpolitisch sinnvolle Variante A.
- Gar nicht warm mit der Variantenabstimmung wird dagegen Pascal Dietrich (parteilos, FDP/JLL Fraktion. Er findet die Lösung, die andere Ortschaften in Kanton Bern, gewählt haben, bedeutend attraktiver. Dort man hat einfach schnell versucht, ein genehmigtes Budget zu präsentieren und deshalb auf eine Steuererhöhung verzichtet. Hätte Langenthal diesen Weg gewählt, so Dietrich, hätte man in April abstimmen können und hätte inzwischen ein genehmigtes Budget. Ausserdem kritisiert er, dass es in einer Pressemitteilung so rübergekommen seo, als würde der Gemeinderat ein Budget verabschieden – das liege aber in der Kompetenz des Stadtrats. Und er erwähnt, dass der Stadtrat eine Weihnachtskarte vom Stapi bekam (ratet mal, wer wieder keine bekommen hat, sniff.)
- Der Stadtrat stimmt der Variantenabstimmung zu. Hurra.
Das heisst, wir dürfen unsere Lieblingsvariante auswählen! Für jemand wie mich,
der sich nicht einmal für einen Pizzabelag entscheiden kann, das persönliche
Armageddon. Und ich hätte gern, dass die Stadt Erklärungsvideos aufschaltet,
wie man genau über diese Varianten abstimmt. Das überfordert mich sonst massiv
und dann mache ich es falsch und dann bin ich schuld, wenn wir wieder kein
Budget haben, und unsere Stadt geht vor die Hunde und…und…und….
- Die Diskussion dreht sich dann zwischenzeitlich fast
mehr darum, wer im Budgetprozess jetzt welche Kompetenzen hat bzw. haben
sollte. So pocht Diego Clavadetscher darauf, dass es in der finanzpolitischen
Verantwortung des Stadtrats liege, auch auf das Stadttheater ein Auge zu haben,
weil das schlechter abgeschnitten habe, als budgetiert. Durch die
Leistungsverträge, die im Stadtrat nie besprochen werden konnten, seien dem
Parlament nun die Hände gebunden. Er regt an, dass Stadttheater auszulagern,
was er aber den Anwesenden nur für die nächste Budgetdebatte mitgibt. Einen
Antrag stellt er nicht.
- Beide Varianten werden vom Parlament ratifiziert. Ich glaube, das Wort passt hier nicht ganz, aber ich liebe es und wollte es schon immer mal anwenden, weil es so verdammt klug und sexy klingt. Heisst hier aber, dass Parlament ist, damit einverstanden, dass beide Varianten in dieser Form vors Volk kommen.
- Die Debatte wendet sich nun den einzelnen Varianten
zu. Diego Clavadetscher finden, es sei nach wie vor der falsche Zeitpunkt für
eine Steuererhöhung, trotzdem sei das Gros der Fraktion der Meinung, dass die
Steuererhöhung sinnvoll sei. Und er macht deutlich, dass nicht das vielzitierte
Eigenkapital das Problem sei, sondern die fehlende Liquidität. Die wird noch
mehr zurückgehen, weil die Stadt momentan viele Projekte am Laufen hat, dann
braucht die Stadt Fremdkapital und wir verschulden uns noch mehr. Der ewige
Kreislauf des Kapitalismus.
- Geteilt zeigt sich die SVP in Gestalt von Patrick
Freudiger (SVP), der ankündigt, dass diejenigen Mitglieder, die bereits bei der
ersten Sitzung für die tiefere Steueranlage von 1.38 waren, dies auch
durchziehen werden. Sein linkes Pendant Roland Loser drängt die Anwesenden
dagegen, Verantwortung zu übernehmen und mit dem Gemeinderat geschlossen
zusammenzustehen und die Steuererhöhung durchzuziehen. Genau, Avengers,
verbündet euch, dann schafft ihr alles! Sogar uns eine Steuererhöhung
schmackhaft zu machen.
- Während Michael Sigrist (EVP) Variante B mit Steueranlage von 1.38 nach wie vor kurzsichtig findet, glaubt Pascal Dietrich, dass die Ablehnung des höheren Steuersatzes zu akzeptieren sei, was Martin Lerch (SVP) unterstützt und hinterherschiebt, dass man jetzt auch zu den kleinen Leute schauen müsse, darum habe ein Bürger von Langenthal ihn ausdrücklich gebeten (irgendwie bitten die Bürger:innen von Langenthal ziemlich oft Martin Lerch um etwas. Hat der irgendwann eine Sprechstunde, von der ich nichts mitbekommen habe?)
- Nathalie Scheibli (SP) lässt diese Argumentation nicht
gelten, denn nur wenige aus dem Volk hätten letztendlich abgestimmt. Zudem
hätte sie sich gewünscht, dass die Liquiditätsproblematik dem Volk so erklärt
worden wären, wie Diego Clavadetscher sie jetzt dem Stadtrat erklärt habe. Und
die kleinen Leute, also die Schüler:innen wären froh, man hätte das schon
vorher betrachtet, merkt sie abschliessend an.
- Zum Abschluss verteidigt sich Roberto de Nino (SVP) gegen den Vorwurf, der Zeitpunkt für die Steuererhöhung sei schlecht gewählt gewesen. Der Gemeinderat hat schon vor einem Jahr die Steuererhöhung aufs Tapet gebracht hätte. Der perfekte Zeitpunkt existiere schlichtweg nicht. Und ausserdem habe die Stadt keine Liquiditätsprobleme, stellt er, fast schon trotzig, klar. Jedenfalls nicht, was das Geld betrifft.
- Vom Stadtrat favorisiert wird schlussendlich Budgetvariante A (die mit dem höheren Steuersatz). Um das rauszufinden, braucht es mehrere Zählanläufe, weil manche die Abstimmungskarten zu schnell wieder sinken liessen. Wäre ich Stadtratspräsidentin würde ich mir einen Spass daraus machen, die armen Menschen einfach so lange wie möglich abstimmen zu lassen, so dass sie möglichst lange ihre Stimmkarte in die Luft strecken müssen. Das trainiert die Muskeln und macht gute Laune. Mir zumindest.
- Abstimmungsbotschaft durchgehen hat immer was von
Roman lektorieren. Man beugt sich eifrig über die komplizierten Wortgebilde,
feilt an der Dramaturgie und fragt sich, ob die geneigten Leser:innen denn auch
das verstehen, was man ihnen mitteilt oder ob man ein Werk à la Kafka
abliefert, nach dessen Lektüre man sich verwirrt am Kopf kratzt und keine
Ahnung hat, was die Autor:innen einem jetzt eigentlich mitteilen wollte.
- Der geborene Schöngeist Patrick Freudiger macht sich
dann auch gleich ans Kürzen. Er will den Satz streichen lassen, der besagt,
dass für das Jahr 2024 eine Steueranlageerhöhung vorgesehen ist. Im Budget 2023
eine Aussage über das Budget 2024 zu machen, die dazu noch unverrückbar ist, sei
heikel, moniert er, damit nehme man sich jeglichen Handlungsspielraum. Denn, angenommen
der Steuersatz 1.38 würde obsiegen, könne der Stadtrat schlecht auf den 1.44
beharren (naja, können tut er das das schön, er riskiert dann halt
einfach mit Mistgabeln aus der Stadt gejagt zu werden. «Erste, zweite und dritte
Priorität ist, dass wir ein Budget haben», verkündet er dramatisch und
befürchtet, dass mit einer solchen Ankündigung das oppositionelle Lager gestärkt
werden würde. Das ist so mitreissend, man möchte gleich Seite an Seite mit
diesem Mann in den Budgetkampf ziehen.
- Der Gemeinderat nimmt den Konsens im Stadtrat zur
Kenntnis (wahrscheinlich ist er einfach völlig überrumpelt, dass dieses
Parlament tatsächlich in der Lage ist, Kompromisse zu schliessen), gibt aber zu
bedenken, dass die Finanzkommission bereits am Budget 2024 sei und es definitiv
auf diesen höheren Steuersatz herauslaufen werde. Ausser wir finden bis dahin
eine Goldader im Schoren.
- Diego Clavadetscher nervt sich darüber, wieder vor
vollendete Tatsachen gestellt zu werden. «Es ist in der Entscheidungskompetenz
des Stadtrats ist, ein Budget zu verabschieden», wiederholt er und es sei
schädlich, wenn dem Stadtrat nur noch Vorlagen vorgelegt werden würden, auf die
er gar keinen Einfluss mehr nehmen könne, weil der Prozess schon zu weit
fortgeschritten sei. Damit würde jeder Antrag, der im Stadtrat gestellt werden
würde, von den Medien als Misstrauensvotum gegen den Gemeinderat aufgefasst werden.
- Einen anderen Aspekt bringt Cornelia Gerber – Schärer
ins Spiel. Sie möchte dem Volk die Hand reichen und sie dort abholen, wo sie
stehen. «Der Stadtrat ist hundert Schritte voraus!» Deshalb solle man sich
Möglichkeiten offen behalten und die Formulierung entsprechend abändern. Denn, vielleicht
werde der Steuersatz ja auch höher ausfallen (bevor ihr jetzt alle
Schnappatmung bekommt und panikiert: Das war ein Scherz, ein Scherz!).
- Schlussendlich wird dem Änderungsvorschlag zugestimmt, der Satz wird umformuliert. Damit ist die Abstimmungsbotschaft im Kasten und wird den treusorgenden Händen des Stadtratsbüros übergeben, die nun die redaktionellen Anpassungen vornehmen wird. Applaus, Applaus, das alles hat nur zwei Stunden gedauert – aber Epen brauchen eben ihre Zeit.
Teil 6: Das Zeitalter der ÜOs
- Wer glaubt der Stadtrat könne nur Budgets
verabschieden, der irrt sich gewaltig, denn er ist auch gut in anderen Sachen.
In Überbauungsordnungen genehmigen, nämlich. Dieses spezielle Talent zeigt er
an diesem Abend gleich zweimal. Einmal bei der Überbauungsordnung Haldenstrasse
(die schon letztes Jahr die Ehre hatte vor dem Stadtrat aufzutreten) und einmal
die Überbauungsordnung Murgenthalstrasse.
- Die Murgenthalstrasse steht auf einen anderen Blatt,
denn die Eigentümerin will dort nicht nur Wohnraum schaffen, sondern auch eine
Tankstelle bauen. Das bereitet der SP/GL Fraktion, vertreten durch die Grüne Fanny
Zürn, nach eigener Aussage Magenschmerzen. «Wir können in Zeiten von
fortschreitendem Klimawandel keine neuen Tankstellen bewilligen», mahnt sie.
Zwar räumt sie ein, dass von dieser Tankstelle wohl kaum die Rettung der Welt
abhänge, die Summe genau solcher kleiner und unschuldig wirkender Projekte sei
es aber, die schlussendlich eine verheerende Wirkung entfalten würden. Und wir
möchten ja nicht als die Stadt in die Geschichte eingehen, die versehentlich
die Welt in die Luft gesprengt hat. Wobei, dann wäre das Budget 2023 zumindest
kein Problem mehr.
- Fanny Zürn macht zudem darauf aufmerksam, dass es in
Langenthal nun wirklich genug Tankstellen gebe – unter anderem gleich gegenüber
des geplanten Projekts (dann kann man ja zwischendurch beim Tanken noch schnell
die Zapfsäule wechseln, um die Vielfalt im Tank zu fördern. Deshalb sieht auch
Fabian Fankhauser (GLP) hat keinen Mehrwert für die Bevölkerung. Seiner Meinung
nach ist es wirtschaftlich gesehen zudem Blödsinn, auf fossile Brennstoffe zu
setzen, aber er wolle ja niemand bei seinen Geschäftsentscheidungen reinreden
und sei nicht am Parlament Businesspläne zu beurteilen. «Denn schliesslich verteilen
wir auch Bürgschaften an ultraoptimistische Unternehmer», kommentiert er
süffisant, womit er auf das nicht ganz unumstrittene Darlehen an das Schloss Aarwangen
anspielt, das bei der letzten Stadtratssitzung ausgiebig durchgehechelt worden
ist (siehe, das andere Stadtratsprotokoll, die Oster – Edition.)
- Wenig überraschend ist die bürgerliche Seite der Meinung, dass der Baueigentümer mit seinem Grundstück machen kann, was er will, denn schliesslich leben wir in einer liberalen Marktwirtschaft, wo wir alle so viel klimaschädliche Emissionen verursachen dürfen, wie wir wollen. Untergehen ist völlig okay, wenn es freiheitlich geschieht. So wird der Überbauungsordnung, trotz Widerstand von links, schliesslich zugestimmt, womit Langenthal sich auch gleich als ideale Location für den Filmklassiker «Die drei von der Tankstelle» ins Spiel bringt. Wobei der Film wahrscheinlich noch umbenannt werden musste in «Die drei Tankstellen an der Kreuzung – das liberale Manifest von Benzin und Feuer.»
Teil 7: Der schimmelige Reiter
- Wenden wir uns appetitlicheren Themen zu: Die
Turnhalle Elzmatte schimmelt vor sich hin und weil das weder förderlich für die
Gesundheit noch für die Bausubstanz ist, musste sie geschlossen werden. Hätte
ich als Jugendliche gewusst, dass Schimmel mich vor dem verhassten
Turnunterricht befreit hätte, ich hätte den Schimmel höchst persönlich in der
Dreifachturnhalle gezüchtet. Auf jeden Fall ist die Halle sowieso ziemlich
kaputt – deshalb konnte der Schimmel überhaupt entstehen – deshalb muss sie
dringend saniert werden und um Bob, den Baumann dafür engagieren zu können
(auch Kinderfiguren arbeiten heute nicht mehr gratis), beantragt der
Gemeinderat dem Stadtrat einen Projektierungskredit von 185'000.
Best of:
«Zum kontrollierten Abschuss…äh Abschluss.»
Gemeinderat Roberto de Nino (SVP) leidet offenbar so sehr unter dem Budget
2023, das er zu rabiaten Mitteln greifen und es gleich erlegen will.
«Der Dani Häfliger…äh de Dyami Häfliger.» Dani,
Desmond, Dyami, irgendwas mit D halt, findet Stadtratspräsident Michael Schenk
(SVP).
«In dieser Sache müssen wir uns jetzt noch
durchsiechen.» Besser als dahinsiechen, oder Diego Clavadetscher (FDP)?
«A ist Ja…» Und B ist nein, aber nur wenn C ebenfalls
Ja ist…Michael Schenk modelt die Variantenabstimmung kurzerhand zur
Algebrarechnung um.
«Falls man nicht die Kraft für eine ersatzlose Streichung aufbringt…» Patrick
Freudiger (SVP) macht sich Sorgen um den Gesundheitszustand seiner
Stadtratskolleg:innen.
«Soll man der Katze, Katze sagen oder Büsi. Aber die
Mehrheit des Stadtrats ist mit der Büsivariante einverstanden.» Miau, sagt da
Roberto de Nino.
«Ladies First.» «Mach, du, wir sind hier modern.»
Georg Cap (Grüne) will den Gentleman geben, Cornelia Gerber – Schärer (SP)
zeigt sich emanzipiert.
«Wir finden die Maus gerade nicht, aber wir suchen sie.»
Die wurde dann wahrscheinlich von der Büsivariante gefressen. Wieder Michael
Schenk.
«In dieser Zeit eine Tankstelle zu bauen, ist wie
einer Person mit Lungenkrebs, Zigaretten ins Spital zu bringen.» Naja, wenn man
die Person umbringen will, macht das durchaus Sinn. Fanny Zürn (Grüne).
«Das wird auch die Zahnärzte freuen wird, weil wir mit
so viel Zähneknirschen zustimmen, dass sie mit uns viel Arbeit haben würde.»
Fabian Fankhauser (GLP) zeigt sich wahrhaft wirtschaftsfreundlich und bringt
das hiesige Gewerbe zum Blühen.
«Wir werden uns bemühen, unsere Geschäfte in Zukunft
gewohnt emotionslos und sachbezogen vorzulegen.» Mr. Spock alias Stapi Reto
Müller (SP).
«Die Turnhalle isch jetzt eifach am Ranze.» Charmant
ausgedrückt. Noch einmal Reto Müller.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen